AlexInBlack
Autor
Die Verborgene Seite eines Photobuchs
Jahr 3
Ich habe dieses Photo gefunden,
es ist mein ältester Besitz.
Schwarz-weiße Schönheit in Mutters jungem Anlitz.
Der kugelig runde Bauch,
ich erinnere mich genau,
ich war drei und du warst das Weihnachtskind,
es sind nur Stunden bevor du geboren wirst,
schwarzes Haar und Deckchen blau.
Jahr 9
Ein Prachtessen in diesem Jahr,
schöne Kleider, schwarzer Anzug,
eingeladen waren Freunde, Kollegen, Nachbarn,
die ganze Schar.
Hähnchen, Kartoffeln, Erbsen, Brötchen und Reis.
Dein halbes Gesicht verdeckt die Schüssel Mais.
Wir standen eng, gequetscht, kaum zu sehen sind wir.
Und Vater war nicht mehr hier.
Jahr 11
Die Villa war räumig, sonnig und hell,
alles passte perfekt zusammen,
die Kugeln, die Teller, die Menschen, das Gestell.
In der Mitte der neue Vatersmann,
im Anzug und mit Laptop schnell aus dem Foto geräumt,
Mutter bestand auf das Bild,
gab ihm ein Rahmen damit es jeder sehen kann,
Juwelen funkeln grün und golden,
der Vatersmann hat seinen Flug versäumt.
Ich vergess es nicht, nie, deine rote Wange.
Man kanns kaum sehen, nur leicht, du drehst dich weg.
In der Villa waren wir nicht lange.
Jahr 13
Die Wände waren voller Schimmel,
man kann es vor dem Baum einfach nicht sehen,
ein Getümmel an Kinder, die vor den grünen Nadeln stehen.
Tiffany, Gustav, Grete, Marie.
Waren das die Namen? Wir mochten sie nie.
Streit und Gezanke jeden Tag,
ein Kampf um das Spielzeug, Geraufe um den Nachschlag.
An diesem Weihnachten doch standen wir,
in einer Reihe, weiße Kleidchen wie kleine Engel aus dem Himmel.
Jahr 16
Die Wände waren voller Poster,
Nickelback, Tokyo Hotel, Rammstein, Nena, EAV.
Die Neuen taten als wären wir im Kloster.
Jeden Abend ein Gebet, auf Knien vor dem Bett,
konnte mans so überhaupt nennen?
Wir schliefen in einem Kabinett.
Ich seh das Foto an, ich erkenne die Gesichter,
neu und anders, jedes mal,
neues Haus, neue Geschwister.
Jahr 17
Wir haben uns gesagt das wird das Letzte werden.
Es ist noch kahl und unberäumt,
der kleinste Weihnachtsbaum, aber was soll das schon?
Es ist unser, es gehört nur uns,
sonst ist niemand hier,
keine Eltern, keine Kinder, es gehört nur mir und dir!
Bald mit deinen Büchern, meiner Kunst.
Ich seh dich Lächeln, breit und verträumt,
ohne Last, ohne Sorgen, ohne Beschwerden.
Jahr 18
Kein Photo gabs in diesem Jahr.
Wir waren nicht zuhaus,
waren frei und wollten raus.
Unter der Brücke, mit Freunden und Marijuana
verbrachten wir diesen Weihnachtstag.
Ich denke gern zurück an diese Nacht, erleuchtet mit Mond und die Sterne wachten.
Selbst als wir von der Polizei liefen,
Du hast uns durch den Nachbarsgarten geschlichen, der, den wir nicht mochten,
traten mit Absicht durch sein Blumenfeld und lachten.
Jahr 19
Pubertät und Rebellion hatten dich fest im Griff,
Schule schwänzen, schlechte Noten, Lehrerkonferenzen,
Ich weiß noch wie deine Hose am Boden schliff.
Wir schrien, wir sagten dumme Sachen
Ich hab so hart versucht aufzuziehen ein paar Grenzen.
Im Foto gibst du mir den Mittelfinger,
wir haben nicht geredet an dem Tag aber ich musste das Foto machen.
Jahr 20
Ich zieh bald aus, hast du gedroht,
ich hab geschrien, geweint, gelogen, nur du sahst rot.
Man kanns nicht sehen auf dem Bild,
keinen von uns beiden,
nur den winzig kleinen Baum,
in einem winzig kleinen Raum,
während wir in verschiedenen Zimmern leiden
und den anderen um seine Grausamkeit beneiden.
Jahr 21
Ich musste heulen und auch lachen
Als ich dieses Foto fand.
Die Arbeit hatte mich fest in ihrem Bann,
seit sechs Jahren der gleiche verdammte Job,
ich kanns nicht in Worte fassen, ich hatte so gar keinen Bock.
Die erste Weihnacht war ich weg,
du hattest frei, warst alleine, hast gesagt es ist okay, zumindest gibt es kein Geschrei.
hast ein Selfie gemacht, mit dem selben kleinen Baum.
Fast wäre es alt geworden und vergammelt, in deinem cleveren Versteck.
Jahr 22
Wir waren jetzt erwachsen, reif und verantwortungsvoll.
Weißt du noch wie wir Twister gespielt haben?
Mit deinen Freunden und Kollegen und jeder Menge Alkohol.
Wir konnten reden, scherzen, das Kriegsbeil war begraben.
Vanessa war dabei,
ihr wart so ekelhaft mit euren Umarmungen und euren Küssen,
so sehr gehüllt in dem Gestank der Liebe wart ihr zwei.
Ich mochte sie, sie hatte Tattoos und rauchte,
war für mich da als ich sie brauchte.
Es schmerzte mir genau wie dir sie gehen zu sehen.
Jahr 23
Die Wohnung war zu ersten Mal nur mein,
du warst jetzt weg, ich war allein.
Ein paar Besuche, noch weniger Telefonate,
doch dieses Weihnachten kamst du mit Geschenken beladen,
ich gab dir das neue Handy, bekam die hässlichste Weihnachtskarte.
Du warst glücklich, hattest Freunde und eine gute Arbeit.
Ich konnte mir nichts Schöneres wünschen für meine letzte Weihnacht.
Wir hatten echt ne geile Zeit.
Jahr 21
Hey. Hab gestern einen Anruf von deiner Arbeit erhalten. Bist nicht
aufgetaucht. Sie waren sauer. Dacht mir nichts
dabei, fuhr zur Wohnung, meiner Alten.
Ich hass dich dafür. Ich kanns einfach
nicht verstehen! Werd
dir das nie verzeihen! In zwei Wochen
ist Weihnachten, scheiße! Wie
soll ich feiern, alles was ich will ist schreien! Fick dich und
lebwohl, wer braucht dich schon!
Jahr 22
Über ein Jahr ists jetzt schon her. Hab erst vor ein paar Monaten
Den Mut gehabt deine Sachen anzusehen. Kanns nicht ertragen. Hab das
Fotobuch gefunden. Kann den Anblick kaum ausstehen. Ich feier heuer
nicht allein. Tamara ist hier, vor nem Monat eingezogen. Auf dem Esstisch
steht ein Foto von dir, konnts einfach
nicht ansehen, hab den Rahmen fliegen lassen.
Jahr 31
Hallo. Du kennst mich nicht,
wir hatten nie die Freude Bekanntschaft zu machen.
Ich war dabei alte Sachen auszuräumen,
als ich auf dieses Photobuch stieß.
In der hintersten Ecke unseres Schlafzimmerkasten.
Er spricht nicht viel von dir,
aber zwei Wochen vor Weihnachten kauft er Blumen, jedes Jahr.
Eigentlich wollte ich nur sagen, wir sind glücklich,
verheiratet seit drei Jahren,
unser erstes Baby ist auf dem Weg!
Ich weiß jetzt, zu Weihnachten muss ich viele Fotos machen.
Jahr 3
Ich habe dieses Photo gefunden,
es ist mein ältester Besitz.
Schwarz-weiße Schönheit in Mutters jungem Anlitz.
Der kugelig runde Bauch,
ich erinnere mich genau,
ich war drei und du warst das Weihnachtskind,
es sind nur Stunden bevor du geboren wirst,
schwarzes Haar und Deckchen blau.
Jahr 9
Ein Prachtessen in diesem Jahr,
schöne Kleider, schwarzer Anzug,
eingeladen waren Freunde, Kollegen, Nachbarn,
die ganze Schar.
Hähnchen, Kartoffeln, Erbsen, Brötchen und Reis.
Dein halbes Gesicht verdeckt die Schüssel Mais.
Wir standen eng, gequetscht, kaum zu sehen sind wir.
Und Vater war nicht mehr hier.
Jahr 11
Die Villa war räumig, sonnig und hell,
alles passte perfekt zusammen,
die Kugeln, die Teller, die Menschen, das Gestell.
In der Mitte der neue Vatersmann,
im Anzug und mit Laptop schnell aus dem Foto geräumt,
Mutter bestand auf das Bild,
gab ihm ein Rahmen damit es jeder sehen kann,
Juwelen funkeln grün und golden,
der Vatersmann hat seinen Flug versäumt.
Ich vergess es nicht, nie, deine rote Wange.
Man kanns kaum sehen, nur leicht, du drehst dich weg.
In der Villa waren wir nicht lange.
Jahr 13
Die Wände waren voller Schimmel,
man kann es vor dem Baum einfach nicht sehen,
ein Getümmel an Kinder, die vor den grünen Nadeln stehen.
Tiffany, Gustav, Grete, Marie.
Waren das die Namen? Wir mochten sie nie.
Streit und Gezanke jeden Tag,
ein Kampf um das Spielzeug, Geraufe um den Nachschlag.
An diesem Weihnachten doch standen wir,
in einer Reihe, weiße Kleidchen wie kleine Engel aus dem Himmel.
Jahr 16
Die Wände waren voller Poster,
Nickelback, Tokyo Hotel, Rammstein, Nena, EAV.
Die Neuen taten als wären wir im Kloster.
Jeden Abend ein Gebet, auf Knien vor dem Bett,
konnte mans so überhaupt nennen?
Wir schliefen in einem Kabinett.
Ich seh das Foto an, ich erkenne die Gesichter,
neu und anders, jedes mal,
neues Haus, neue Geschwister.
Jahr 17
Wir haben uns gesagt das wird das Letzte werden.
Es ist noch kahl und unberäumt,
der kleinste Weihnachtsbaum, aber was soll das schon?
Es ist unser, es gehört nur uns,
sonst ist niemand hier,
keine Eltern, keine Kinder, es gehört nur mir und dir!
Bald mit deinen Büchern, meiner Kunst.
Ich seh dich Lächeln, breit und verträumt,
ohne Last, ohne Sorgen, ohne Beschwerden.
Jahr 18
Kein Photo gabs in diesem Jahr.
Wir waren nicht zuhaus,
waren frei und wollten raus.
Unter der Brücke, mit Freunden und Marijuana
verbrachten wir diesen Weihnachtstag.
Ich denke gern zurück an diese Nacht, erleuchtet mit Mond und die Sterne wachten.
Selbst als wir von der Polizei liefen,
Du hast uns durch den Nachbarsgarten geschlichen, der, den wir nicht mochten,
traten mit Absicht durch sein Blumenfeld und lachten.
Jahr 19
Pubertät und Rebellion hatten dich fest im Griff,
Schule schwänzen, schlechte Noten, Lehrerkonferenzen,
Ich weiß noch wie deine Hose am Boden schliff.
Wir schrien, wir sagten dumme Sachen
Ich hab so hart versucht aufzuziehen ein paar Grenzen.
Im Foto gibst du mir den Mittelfinger,
wir haben nicht geredet an dem Tag aber ich musste das Foto machen.
Jahr 20
Ich zieh bald aus, hast du gedroht,
ich hab geschrien, geweint, gelogen, nur du sahst rot.
Man kanns nicht sehen auf dem Bild,
keinen von uns beiden,
nur den winzig kleinen Baum,
in einem winzig kleinen Raum,
während wir in verschiedenen Zimmern leiden
und den anderen um seine Grausamkeit beneiden.
Jahr 21
Ich musste heulen und auch lachen
Als ich dieses Foto fand.
Die Arbeit hatte mich fest in ihrem Bann,
seit sechs Jahren der gleiche verdammte Job,
ich kanns nicht in Worte fassen, ich hatte so gar keinen Bock.
Die erste Weihnacht war ich weg,
du hattest frei, warst alleine, hast gesagt es ist okay, zumindest gibt es kein Geschrei.
hast ein Selfie gemacht, mit dem selben kleinen Baum.
Fast wäre es alt geworden und vergammelt, in deinem cleveren Versteck.
Jahr 22
Wir waren jetzt erwachsen, reif und verantwortungsvoll.
Weißt du noch wie wir Twister gespielt haben?
Mit deinen Freunden und Kollegen und jeder Menge Alkohol.
Wir konnten reden, scherzen, das Kriegsbeil war begraben.
Vanessa war dabei,
ihr wart so ekelhaft mit euren Umarmungen und euren Küssen,
so sehr gehüllt in dem Gestank der Liebe wart ihr zwei.
Ich mochte sie, sie hatte Tattoos und rauchte,
war für mich da als ich sie brauchte.
Es schmerzte mir genau wie dir sie gehen zu sehen.
Jahr 23
Die Wohnung war zu ersten Mal nur mein,
du warst jetzt weg, ich war allein.
Ein paar Besuche, noch weniger Telefonate,
doch dieses Weihnachten kamst du mit Geschenken beladen,
ich gab dir das neue Handy, bekam die hässlichste Weihnachtskarte.
Du warst glücklich, hattest Freunde und eine gute Arbeit.
Ich konnte mir nichts Schöneres wünschen für meine letzte Weihnacht.
Wir hatten echt ne geile Zeit.
Jahr 21
Hey. Hab gestern einen Anruf von deiner Arbeit erhalten. Bist nicht
aufgetaucht. Sie waren sauer. Dacht mir nichts
dabei, fuhr zur Wohnung, meiner Alten.
Ich hass dich dafür. Ich kanns einfach
nicht verstehen! Werd
dir das nie verzeihen! In zwei Wochen
ist Weihnachten, scheiße! Wie
soll ich feiern, alles was ich will ist schreien! Fick dich und
lebwohl, wer braucht dich schon!
Jahr 22
Über ein Jahr ists jetzt schon her. Hab erst vor ein paar Monaten
Den Mut gehabt deine Sachen anzusehen. Kanns nicht ertragen. Hab das
Fotobuch gefunden. Kann den Anblick kaum ausstehen. Ich feier heuer
nicht allein. Tamara ist hier, vor nem Monat eingezogen. Auf dem Esstisch
steht ein Foto von dir, konnts einfach
nicht ansehen, hab den Rahmen fliegen lassen.
Jahr 31
Hallo. Du kennst mich nicht,
wir hatten nie die Freude Bekanntschaft zu machen.
Ich war dabei alte Sachen auszuräumen,
als ich auf dieses Photobuch stieß.
In der hintersten Ecke unseres Schlafzimmerkasten.
Er spricht nicht viel von dir,
aber zwei Wochen vor Weihnachten kauft er Blumen, jedes Jahr.
Eigentlich wollte ich nur sagen, wir sind glücklich,
verheiratet seit drei Jahren,
unser erstes Baby ist auf dem Weg!
Ich weiß jetzt, zu Weihnachten muss ich viele Fotos machen.