Carolus
Autor
Moskauer Nacht
Nachts, wenn die Theater geschlossen,
Restaurants und Nachtklubs meist zu,
zwolf Schläge der Uhr vom Spasski-Turm
des Kremls im Dunkel verhallen
und nur wenig Autolichter
durch die Straßen geistern,
zieht ein schier endloser Zug von Toten
auf den Kremlmauern vorüber.
Tränen aus leeren Augenhöhlen
regnen auf die Steine.
Schneefall verdeckt die Spuren.
In goldenen Sälen hinter dicken Wänden
befiehlt einer seinen Generälen:
Morden und nochmals Morden
im Feindesland an allen Orten.
Rubelschecks und Orden gibt’s
und Wodka hinterher gegen Kälte,
die immer mehr von draußen nach drinnen
und von innen nach außen dringt.
Jener, der gnadenloses Morden befiehlt,
Millionen eine bessere Zukunft stiehlt,
liebt die Macht wie besessen.
Doch angewidert wendet sich diese ab.
In ihrem Blick das Fadenkreuz
mit seinem Gesicht, den Finger am Abzug,
sobald Fortuna ihren Daumen senkt.
Niemals wird der Auftritt der Toten
klaglos hinter einem Vorhang der Geschichte enden.
Gemordete laden Nacht für Nacht
die Last ihrer Klagen
Lebenden und Nachkommenden
auf Schultern und Rücken, bevor der Tag
mit neuem Morden beginnt.