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Feedback jeder Art Sch(l)aflos

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maerC

Autor
Sch(l)aflos
 
Ich zähle täglich meine Schafe
Wenn ich noch wach lieg und nicht schlafe
Einhundertzwanzig an der Zahl
Und wenn 's nicht reicht, zähl ich nochmal
 
Doch gestern fehlte mir ein Hammel
Ich war hellwach und hatte Bammel
Dass ihn ein Wolf gefressen hatte
Verzweifelt stand ich auf der Matte
Und konnte stundenlang nicht schlafen
Aus Sorge um den alten Braven
 
Am heut'gen Abend zähl ich wieder
Und werde überhaupt nicht müder
Welch Freude: alle sind zur Stelle
Ergebnis: Hundertzwanzig Felle
 
Bei einem passen nicht die Zähne
Zur harmlos weißen Lockenmähne
Zwei Augen blitzen mir entgegen
Ihr Lauern könnte mich erregen
 
Ich denk noch, das ist sehr verdächtig
Doch Hypnos - gähn - wird übermächtig
Es muss - gähn - nur die Zahl - gähn - stimmen
Gut' Nacht, ich werd das Licht jetzt dimmen
 
Moin @maerC,
 
also in all dem Humorigen ist dein Text doch durchaus auch ein Fröhlicher bist Düsterer!
Mir gefällt, dass es so unbeschwert anfängt, könnt ein Kinderreim sein und dann bringst du immer weiter diese fast schlafparalytische Idee eines Alptraums mit ein.
 
Lass uns einmal genau schauen:
 
Schön^^ Hier haben wir zwar den Konflikt schon angedeutet, aber als Wortwitz ist das...witzig^^
 
Ich zähle täglich meine Schafe


Wenn ich noch wach lieg und nicht schlafe


Einhundertzwanzig an der Zahl


Und wenn 's nicht reicht, zähl ich nochmal
Metrum und Reim: 
xXxXxXxAa 
xXxXxXxAa   (XxxXxxXXx genaugenommen)
xXxXxXxB     (XXxXxXxX genaugenommen)
xXxXxXxB     (xXxXXxxX genaugenommen)
 
Mann kann es wohlwollend durchgehend als 4-hebigen Jambus lesen, aber abgesehen vom ersten Vers gibts da schon sehr variable Betonungsweisen, einige Wörter sind eigentlich zu stark um unbetont zu sein. 
Der Reim ist ein beschwingter Paarreim, die verleihen der ersten Strophe hier eben diesen Kinderreim-Charme.
 
Sprache und Inhalt: 
Ich hatte überlegt, ob es kausal sinnvoller wäre, Vers 1 und 2 zu tauschen.
Vorschlag:
Wenn ich noch wach lieg und nicht schlafe 
Dann zähl ich täglich meine Schafe.
Eigentlich ganz gut so. 
Ansonsten passt hier aber alles, ein fröhlicher Einstieg mit typischer Schäfchenzählbildlichkeit. 

Spannend fände ich die Frage, ob die 120 eine tiefere Bedeutung hat. Wie 120 Sekunden, ein Zehnfaches von 12, die Zahl auf der Uhr oder die Anzahl der Monate in einem Jahr, hmhm^^
 
Doch gestern fehlte mir ein Hammel


Ich war hellwach und hatte Bammel


Dass ihn ein Wolf gefressen hatte


Verzweifelt stand ich auf der Matte


Und konnte stundenlang nicht schlafen


Aus Sorge um den alten Braven
Metrum und Reim:
xXxXxXxCc
xXxXxXxCc
xXxXxXxDd
xXxXxXxDd
xXxXxXxEe
xXxXxXxEe 
 
Die Strophe hat 2 weitere Verse mit Paarreim angehängt, sie unterscheidet sich damit dynamisch auch zur ersten, erscheint hektischer, was ja inhaltlich auch sehr gut passt. Das lyrische ich ist aus seinem strukturierten Zähltraum herausgebrochen und befindet sich plötzlich in einem unbekannten Setting.
Man könnte argumentieren, dass in diesem Sinne auch der unreine Reim (bzw, die Assonanz?) schlafen-Braven durchaus Sinn macht, dazu aber gleich mehr. 
 
Sprache und Inhalt:
"gefressen" ist nicht zu beanstanden, gewohnter ist in dem Kontext aber vielleicht "gerissen"?
Den unreinem Reim hatte ich eben schon angesprochen, den mag ich insbesondere nicht, weil der "alte Brave" irgendwie nach einer recht gewollten, umständlichen Beschreibung für den Hammel klingt. 
Meine erste Idee wäre folgende, um die beiden zusätzlichen Verse auch nochmals abzuheben, einen Abschluss mit betonter Silbe.
 
Vorschlag:
Ich konnt nicht schlafen, stundenlang
war ich um ihn ganz schrecklich bang
 
Am nächsten Abend zähl ich wieder


Und werde überhaupt nicht müder


Welch Freude: alle sind zur Stelle


Ergebnis: Hundertzwanzig Felle
Metrum und Reim: 
xXxXxXxFf
xXxXxXxFf
xXxXxXxGg
xXxXxXxGg
 
Hier passt metrisch alles, reimlich ist aber wieder-müder wieder unrein. An dieser Stelle mag ich den unreinen Reim allerdings, da er inhaltlich den gestörten Schlaf unterstreicht.
 
Ich hätte es tatsächlich, da sich anschließend die Schlaf-Traum-Situation so zuspitzt, ganz cool gefunden, hier eine weitere strophische Steigerung zu haben. Eigentlich könnte die Folgestrophe mit dieser hier zusammengelegt werden, sodass du ganze 8 Verse in der Strophe hast, nochmal 2 mehr als vorher, doppelt so viel Dynamik als in der ersten fröhlich-harmonischen Strophe.
 
Sprache und Inhalt: 
Die hunderzwanzig Felle sind geschickt. Der aufmerksame Schaf-Fabeln-und-Geschichten-Kenner wird schon ahnen, dass der Schafspelz hier möglicherweise eine Überraschung bereithält.
Die Energie aus der vorigen 6-Zeilen-Strophe ebbt hier durch die 4 Verse nun aber tatsächlich etwas ab, der künstliche Abbruch nimmt die Spannung für mich.
 
Bei einem passen nicht die Zähne


Zur harmlos weißen Lockenmähne


Zwei Augen blitzen mir entgegen


Ihr Lauern könnte mich erregen
Metrum und Reim: 
xXxXxXxHh
xXxXxXxHh
xXxXxXxIi
xXxXxXxIi
 
Metrisch hier auch wieder sicher, saubere Reime auch. Konsequenterweise könnten wir sagen, dass hier sicher auch ein unreiner Reim gerechtfertigt sein würde. 

Sprache und Inhalt: 
Da haben wir nun nämlich den Wolf im Schafspelz. Die Anspielungen auf die Zähne und die Augen referieren direkt auf Rotkäppchen, wo sich der Wolf ja desselben Verkleidungstricks bedient.
Ich finde es aber ganz gut, dass du diese Verkleidung gar nicht aufdeckst, es bleibt ein unbekanntes Lauern, das das lyrische Ich und und die Leserschaft im Nacken kitzelt. Manchmal ist das Unausgesprochene ja das Bedrohlichere.
Ich mag allerdings "erregen" nicht, das Lauern könnte das lyrische Ich verunsichern, verängstigen, "erregen" aber ist offenbar dem Reim geschuldet. 

Vorschlag: 
Zwei Augen blitzen hastig auf  
Und in mir ruft es leise: Lauf  
 
Ich denk noch, das ist sehr verdächtig


Doch Hypnos - gähn - wird übermächtig


Es muss - gähn - nur die Zahl - gähn - stimmen


Gut' Nacht, ich werd das Licht jetzt dimmen
Metrum und Reim: 
xXxXxXxJj
xXxXxXxJj
xXxXxXxKk
xXxXxXxKk
 
Metrisch und reimlich soweit in Ordnung, eeeetwas unglücklich finde ich nur, dass die Interjektion "gähn" in Vers 1 betont sein soll und in Vers 3 darauf unbetont, da fällt es auch etwas schwer, "gähn" ist schon sehr stark.
Diese letzte Strophe ist nun wieder bei 4 Versen. Auch das finde ich konsequent, die Rückkehr zum Anfang, zum ruhigen Schafezählen, die Zahl stimmt, alles ist in Ordnung.
 
Sprache und Inhalt:
Für die Leserschaft bleibt hintergründig dieses ungute Gefühl, dass da etwas lauert! 
Aber das lyrische Ich ist, endlich, zu müde, darüber noch weiter nachzudenken. 
Das Abdriften ins Reich der Träume hast du hier visuell durch Kursivschrift auch nochmal schön verdeutlicht. 

 
Alles in allem hat mir dein Text gut gefallen, besonders diese bloße Idee der Bedrohung, die aber nie ganz konkret benannt wird, hast du sehr schön umgesetzt. 
Gern gelesen! 
LG Dali Lama
 
 
Hallo maerC, 
ein schönes, lustiges Gedicht.
Auch der Titel ist vielsagend und originell. 
Liebe Grüße
Carlos 
 
 
 
 
Hallo maerC,
 
klasse! Mich hat dein Sch(l)afgedicht auch sofort wachgerüttelt. (Nach schlaftrunkenem Aufstehen aus der Kiste)
Die Idee finde ich gut und die Umsetzung zum großen Teil auch gelungen.
Handwerklich überwiegend sauber. Sehr differenziert (wow!) ist Dali Lama ja schon auf dein Stück eingegangen.
Kurz meine Meinung zu seinen Veränderungsvorschlägen:
Wenn ich noch wach lieg und nicht schlafe 
Dann zähl ich täglich meine Schafe.
Das finde ich auch passender. So würde ich es auch sprechen.
Ich konnt nicht schlafen, stundenlang
war ich um ihn ganz schrecklich bang
Den finde ich nicht sehr originell. Dieser "Bang-Reim"  ist mir einfach zu inflationär. Da würde ich den "Braven" vorziehen. Damit habe ich kein Problem.
Zwei Augen blitzen hastig auf  
Und in mir ruft es leise: Lauf  
 
Ja, diese Alternative ist besser als "erregen". Erregen verbindet man einfach schnell instinktiv mit Sexualität
Noch ein paar von meinen Eindrücken: Ich habe  ein wenig Probleme mit den Zeiten. Du beginnst im Präsens, beschreibst, wie es grundsätzlich abends abläuft, dann kommt das Ereignis von gestern, Präteritum und dann kommt der nächste Abend, also heute. Das passt m.M.n. nicht.  Da bes schreibst du ja ein konkretes Geschehen, zu einer bestimmten Zeit. Entweder ist es eine Vorhausahnung, wie es heute Abend also ablaufen könnte, dann wäre in Futur I zu schreiben oder LI ist um 23:59 Uhr noch mal , wach geworden und es ist bereits geschehen. Aber vielleicht sehe ich das auch zu verbissen. Mir fiel es jedenfalls auf.
Bei einem passen nicht die Zähne
Hier finde ich den Satzbau unglücklich.  Da könntest dir viell. noch was besseres einfallen?
Noch ein kleiner Eindruck  Spannungsaufbau, in deinem Stück:
 
Nach der zweiten Strophe, also nachdem sich herausstellte, dass ein Hammel fehlt, hätte ich erwartet, dass sich die Geschichte noch am selben Abend  weiterentwickelt. Pennen kann LI ja eh nicht mehr. LI zählt also direkt noch ein paar Mal und dann passt es. (natürlich mit der sich anbahnenden Katastrophe. Also, ich hätte die Geschichte, so wie sie ist, an einem Abend stattfinden lassen. Alles nur subjektive Eindrücke
Auch so  finde ich dein Gedicht  sehr gelungen und würde es, deine Erlaubnis vorausgesetzt, gern meinen Enkeln als Gutsnachtgeschichte vorlesen.
 
VG, Marvin
 
Moin @Dali Lama,
sehr beeindruckend, wie du mein kleines Gedicht analysierst. Man könnte meinen, dass du das auch beruflich machst (vielleicht als Lehrer im Deutschunterricht). Natürlich kann man an dem Text noch in deinem Sinne (sicher zum Teil berechtigt) feilen. Es fragt sich, ob der Gesamteindruck dadurch verbessert wird. Mir gefällt es so ganz gut.
Trotzdem danke ich dir für die ausführliche Rezension.
LG
maerC
 
Hallo @Carlos,
freut mich, vielen Dank!
LG
maerC
 
Hallo @Marvin,
vielen Dank dür deinen sehr ausführlichen Kommentar. Das Problem mit den Zeiten war mir bewusst. Dazu fällt mir folgende Variante ein:
Am heut'gen Abend zähl ich wieder
...
Der Rest ist dann quasi eine Live-Reportage.
Der Satz, der mit der Zeile "Bei einem passen nicht die Zähne" beginnt, geht ja in der nächsten Zeile sinnvoll weiter.
Natürlich habe ich nichts dagegen, dass du das Gedicht den Enkeln vorliest. Hoffentlich schläfst du bei dem "gähn" nicht zuerst ein.
LG
maerC
 
 
 
 
 
  • maerC
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