Hallo Demon Youth,
und auch ich heiße dich herzlich willkommen. :classic_smile:
Mir hat dein Gedicht sehr gefallen, v.a. die Gnadenlosigkeit, mit der du die Welt demaskierst und alles, was scheinbar positiv ist, als Farce bloßlegst.
Die Strophen mit jeweils lediglich zwei Versen, wirken auf mich so, als würde das LI einem inneren Mitteilungsdrang erliegen und impulsiv der Welt seine Meinung sagen, ehe es wieder ins Stocken (vielleicht auch Nachdenken?) gerät. Fast als folgte auf jede Meinungsäußerung eine kurze Phase der Resignation, die nur von erneuter Sprachfindung abgelöst werden kann. Das sagt mir sehr zu.
Jeder will Gerechtigkeit, doch bevor wir anderen gerecht werden können,
müssen wir zuerst mit uns selbst zurechtkommen.
Hier spricht mich das Wortspiel mit dem Wort "Recht" sehr an, weil es darauf hinweist, dass Worte wie "zurechtkommen" und "gerecht werden" nicht ohne das Recht auskommen, Recht wohl verstanden als etwas, das dem Menschen qua Vernunftbegabung zusteht und woran sich zu messen, wir doch immer wieder scheitern. Und ja, Selbstachtung ist eine wichtige Grundlage, um gerecht anderen gegenüber zu sein. Wie soll man denn Respekt für andere aufbringen, wenn man es nicht mal mit sich selbst aushält, mit dem Menschen der einem wortwörtlich am nächsten ist?
Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit sind nichts als eine Fata Morgana
in der Wüste aus Werten, Wünschen und Sehnsüchten.
Toller Satz, klasse Metapher! So gesehen sind diese Tugenden, ohne die doch die Gesellschaft eine Gemeinschaft von Feinden ist, bloße Projektionen unserer Wünsche, verwurzelt in Sätzen, die man Kindern zur Beruhigung sagt, wie: "Alles wird gut!" Sätze, die selbst gelogen sind und uns in unseren Grundfesten erschüttern, sobald wir die Reife erlangt haben, dies zu erkennen. Und doch dürstet es uns nach Ehrlichkeit, wie es uns in der Wüste nach Wasser dürstet und nicht anders können wir, als dem Trug, der Fata Morgana, nachzuirren.
Lügen im Schafspelz. Blindes Vertrauen. Keine Zweifel.
Marionetten in einem Puppentheater, gelenkt durch die Hand eines anderen.
"Lügen im Schafspelz" - schöne Allusion! Kritisches Denken ist leider oft unverträglich mit sozialer Erwünschtheit. Andererseits ist ein Leben, das der permanenten Kritik gewidmet ist, ab einem gewissen Punkt eine einzige Bürde und so entsteht mitunter der Wunsch, sich leiten zu lassen.
Mittel zum Zweck.
Lernfähig, doch unbelehrbar.
Klasse Unterscheidung zwischen Lernfähigkeit und Belehrbarkeit. Ja, von Natur aus ist der Mensch ein lernendes Wesen. Lernfähigkeit liegt sozusagen in seiner Natur. Leider begreifen die meisten sich ab einem gewissen Alter so, dass sie ausgelernt haben. Nichts dringt mehr zu ihnen, das ihr festgefügtes Weltbild erschüttert. Die Hartnäckigkeit und Dichte des ideologischen Geflechts wird, ebenso wie die mangelnde Sinnhaftigkeit, hervorragend durch die Ellipsen verdeutlicht. Bemerkenswert daran: Ellipsen kann man nicht widerlegen, weil sie streng genommen keine richtigen Aussagen sind. Da bekomme ich als Leser ein gutes Gefühl für die Unbelehrbarkeit, von der hier die Rede ist.
Es fehlt das Feuer, die Tiefe, die echte Liebe.
Scharlatane, Verbrecher und Diebe.
Interessant, dass du hier plötzlich Reime benutzt. Gibt es dafür einen Grund?
Sie nahmen mir die Hoffnung und mein Lächeln, das ich nie mehr
wieder kriege.
Inhaltlich ist auch dieser Satz sehr aufrüttelnd. Sprachlich will er mir wegen "kriegen" nicht ganz gefallen. Ich weiß schon: Du willst ein Verb benutzen, das im Gegensatz zu "nehmen" steht und die Idee ist ehrbar; dennoch sträubt sich da ein wenig mein Sprachempfinden, weil man ein Lächeln nicht kriegen kann. Vielleicht würde es sich hier lohnen, über eine Alternative nachzudenken. Aber das ist nur eine Kleinigkeit, das nichts von der Prägnanz des Gedichts als Gesamtwerk wegnimmt.
Lieber fühle ich rein gar nichts, als den Schmerz zu ertragen.
Das würde ich, keine Frage, wenn ich wüsste, dass es das alles wert ist
Das ist leider allzu oft die Schlussfolgerung eines kritisch denkenden Bewusstseins - völlig nachvollziehbar, aber nicht minder bedauerlich. Eben dieses Spannungsverhältnis zwischen Wunsch und Wirklichkeit macht diese Passage so lesenswert.
Mittlerweile weiß ich zumindest, dass nichts von dem ich tat verkehrt war.
Da fragt man sich, was das LI wohl getan haben mag und man mag sich bemüht finden, sein eigenes Leben in diese Lücke hineinzudeuten. Feiner Kniff!
Grammatisch ist es, glaube ich, nicht ganz korrekt. Müsste vermutlich heißen: "von dem,
was ich tat"
Die Seele so schwarz wie der Blick in die Zunkunft,
doch das Herz aus purem Gold.
Da möchte ich mich meinem Vorredner anschließen (habe ich in der Schule gelernt :wink: ).
LG