Carolus
Autor
Unablässig rannen Tränen,
verschämt verbarg er
sein Gesicht.
Schauder glitten
über seinen Rücken
wie Böen übers Wasser.
Hilflos er, konnte sich des Ansturms
aufgewühlter Gefühle nicht erwehren.
Ohnmächtig fühlte er sich jedes Jahr,
sobald der Frühling kam,
Ostern nah war und Bachs Passion
Perspektiven der Ewigkeit ahnen ließ.
Ihm war zumute, als ob Chorstimmen
und Instrumentalstücke
sich seiner Seele als eines unirdischen
Resonanzbodens bedienten,
um ein gefühltes Band
aus Tönen und Melodien hin
zu göttlicher Unendlichkeit zu weben.
Gefühle von Wehmut und Trauer
über Zustand und Kreuzweg seiner Zeit
mischten sich mit Tränen und Wut.
Waren solche Gefühle
nur ein rituelles Nachempfinden
der Leiden eines Gerechten?
Oder öffnete die Musik Bachs
einen Zugang zu jener anderen Welt.
Keine Messe, keine sakrale Musik,
keine Predigt, kein Kult hatte ihn jemals
bis auf den Grund seiner Seele
derart aufgewühlt wie Bachs göttlich
inspirierte Musik.
Nach jeder Aufführung wanderte er
allein durch nächtliche Straßen.
Was ihm jedes Mal widerfuhr,
blieb ihm ein Rätsel.