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Ein spätes Geständnis


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Beim achten Pils bekam ich Schwierigkeiten,
in die Gespräche sank die Schweigekunst,
ein Nebel schien sich stirnwärts auszubreiten
und Sehnsucht küsste mich im Kneipendunst.

 

"Angie, Angie" sang ich sanft und leise
und erntete verständnisvolle Blicke,
denn jeder träumte jetzt auf seine Weise,
"vergiss sie", sagte einer "diese Zicke".

 

Sie war mein Mond, mein Augenstern, mein Traum
seit diesem Tanz in unsren Jugendtagen,
- die süßen Küsse unterm Apfelbaum -
ich liebte sie, und konnt es ihr nicht sagen.

 

Die Nacht war kalt, der Apfelbaum stand kahl,
ich fragte, wie es wär, und wie es ist,
(und plötzlich gab es nicht die kleinste Wahl,)
ich sang "ju hu" und mit nem Freudenstrahl
hab ich "I love you" in den Schnee gepisst.
 

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Ein erheiterndes Gedicht, obwohl Traurigkeit verborgen ist.

Also ich hätte nicht erst beim 8. Pils Probleme.

Und die erste Liebe... Naja... Die wird oft mit der getrübten rosa Brille gesehen. Die ersten Küsse, an die erinnere ich mich gerne. Aber es sind Erinnerungen. Die echte, wahre Liebe ist seit über 30 Jahren an meiner Seite. 

Liebe Grüße und danke für dieses nette Gedicht 

ConnyS 

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vor 8 Minuten schrieb ConnyS:

...

 

Und die erste Liebe... Naja... Die wird oft mit der getrübten rosa Brille gesehen. Die ersten Küsse, an die erinnere ich mich gerne. Aber es sind Erinnerungen. Die echte, wahre Liebe ist seit über 30 Jahren an meiner Seite. 

Liebe Grüße und danke für dieses nette Gedicht 

ConnyS 

 

Glücklicherweise ist die ganze geschilderte Geschichte nicht meine;-).

 

Das fiel mir nur so ein, kurz nachdem mir zu allererst der letzte Vers einfiel;-).

 

Gruß Lé.

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Lieber Lé,

 

über dieses Gedicht musste ich herzhaft lachen, nicht nur weil die Pointe so gelungen ist, sondern wohl auch, um die aufkommende Melancholie zu unterdrücken. Klasse geschrieben!:thumbup:

 

Mir gefällt insbesondere, wie du die inneren Vorgänge durch das leicht deprimierende Kneipenambiente zum Ausdruck bringst. Das sind mitunter die besten Stimmungsgedichte, in denen sich die Innenwelt des LI in der Außenwelt spiegelt. Beobachtungen sind keine reinen Sinnesakte, sondern sie verraten viel darüber, wie jemand die Welt in einem Moment sieht und diesbezüglich wirkt das Spannungsverhältnis Wunder - diese Ambivalenz zwischen der Empfindsamkeit des LI, wie sie sich etwa in der personifizierten, als küssend beschriebenen Sehnsucht ausdrückt und der bedrückenden Leere und Gegenwartsverneinung, die der Kneipendunst offenbart, in welchem dieser Kuss stattfindet. Das ist herrlich fein gezeichnet und man kann sich diese Szene nicht nur plastisch vorstellen, sondern mit dem LI mitempfinden, denn darin liegt oft die Quelle tiefsten Leides: "Denn alles in der Welt ist endlich, nur meine Sehnsucht ist es nicht."

 

Einse Stelle, die mich in mehrererlei Hinsicht sehr berührt hat, ist der erste Vers der zweiten Strophe:

 

Am 18.3.2021 um 23:15 schrieb Létranger:

"Angie, Angie" sang ich sanft und leise

Unmittelbar wirksam ist dieser Vers schon deshalb, weil ich eine Schwäche für Musikreferenzen in der Lyrik habe. Dadurch werden Lieder in meiner inneren Jukebox abgespielt und Musik ist schließlich die unmittelbarste Kunstform - zumindest aus meiner Sicht. Nichts ist so atmosphärisch, so voller Gefühl wie ein schönes, passendes Lied. Und so lese ich diesen Vers und höre zugleich: "Angie, Angie!" - diesen letzten Aufschrei der Sehnsucht inmitten einer beinahe resignierenden Seele und verstehe: "Ja, da war ich auch schon mal." Da waren wir wohl alle schon einmal.

 

Und genau das wird in den nächsten drei Versen konkretisiert. Die verständnisvollen Blicke Unbeteiligter, als würden aus Fremden Brüder, wenn Liebeskummer die Menschen daran erinnert, wie ähnlich wir uns trotz vorgeblicher Unterschiede sind. Ein Trost, der den ganzen Grund des Kneipenbesuchs des LI beleuchtet: Es scheint mir die Suche nach Menschlichkeit in einer kalten Welt zu sein. Und auf diese Suche begeben sich wohl viele der Gäste, die durch Allgemeinplätze wie "Vergiss sie, diese Zicke" doch so viel von sich preisgeben, was die Kneipe selbst zu einem Ort von Leere und Geborgenheit zugleich macht.

 

Was ich daran außerdem so faszinierend finde: Dass das LI das Lied sanft und leise singt. Das ergibt für mich eine Szene, in der der genannte Aufschrei zurückhaltender und die Resignation deutlicher wird. Auch kommt dabei unwillkürlich eine Spekulation über den Kontext auf: Ich nehme an, dass das LI das Lied mitsingt, das in der Kneipe gespielt wird. Dabei kann ich mir vorstellen, dass das LI das Lied nicht einmal so besonders genial findet (auch das wird irgendwie durch das leise, vorsichtige Singen vermittelt). Aber irgendwann kommt die Zeit, wenn man sich in einer bestimmten Situation befindet, die ein Lied perfekt aufgreift, da man dieses Lied zum ersten Mal so richtig versteht, weil man es empfindet. Hier werden wir wohl Zeuge einer solchen musikalischen Epiphanie und das ist ein geiles Gefühl.

 

Die dritte Strophe schippert ganz knapp am Kitsch vorbei ("mein Mond, mein Augenstern, mein Traum"), jedoch ganz bewusst und aus guten Gründen, wie ich finde. Es ist diese enorme Sehnsucht, zusammen mit dem Alkoholeinfluss, den ich in dem Gedicht ohnehin als eine Metapher für die emotionale Verwirrung lese, die das LI zur Übertreibung anregt. Wenn Gras über die Sache gewachsen ist und das LI die ganze Geschichte etwas "nüchterner" betrachten kann, glaube ich, dass das LI die Vergangenheit etwas differenzierter betrachten wird, aber in diesem schmerzhaften Moment ist es dem LI natürlich nicht möglich und da ist ihm diese übertriebene Nostalgie zu gönnen. Es entspricht eben einfach dem Empfinden, dass in einer solchen Situation kein Gedanke existiert, der irgendwie mit der Traumfrau verbunden ist und dass man sich aus diesem Empfinden heraus auch keine Zukunft vorstellen kann, in der es anders sein könnte.

 

Die wichtigste Funktion der dritten Strophe ist allerdings, dass sie zu Deutungen einlädt, die dieses Empfinden plausibilisieren, weil man die Endgültigkeit der Situation erahnt:

 

Am 18.3.2021 um 23:15 schrieb Létranger:

ich liebte sie, und konnt es ihr nicht sagen.

Zum einen wird dem LI (und dem Leser) die Fehler bewusst, die es in der Vergangenheit gemacht hat. Gut, Fehler macht jeder und man kann in der Regel daraus lernen und sie sind ja nur halb so schlimm, wenn man sie korrigiert. Hier scheint aber ein Punkt ohne Widerkehr erreicht worden zu sein, denn es ist auffällig, dass der Satz im Präteritum steht. Klar, die ganze Sache fand halt in der Vergangenheit statt, aber wenn der Blick in Richtung Zukunft lohnenswert wäre, könnte das LI ja auch einfach sagen: "Ich liebe sie. Warum kann ich es ihr nicht sagen?" Nein, hier steht ganz klar ein Abschluss fest - nicht aus eigenem Willen, sondern offenbar durch äußere Umstände erzwungen. Welche Umstände könnten das sein?

 

Wenn ich bedenke, dass die romantischen Momente zwischen den beiden so weit zurückliegen ("in unseren Jugendtagen") und das LI seither nicht den Mut aufbringen konnte, es ihr zu sagen, sich mithin mit der Vorläufigkeit zufrieden gab, drängt sich mir der Verdacht auf, dass ihm diese Möglichkeit nun genommen wurde und er v.a. daran hadert, nicht die Chance ergriffen zu haben, als sie sich bot - insofern glaube ich, dass die geliebte Dame demnächst heiratet oder gerade geheiratet hat. In einem solchen Moment wird einem Ex, der vielleicht irgendwie unterbewusst noch auf ein Happy End gehofft hat, oft bewusst, dass es für immer vorbei ist (naja, in der Regel ja doch nur bis zur Scheidung, aber so weit denkt man ja in dem Moment nicht).

 

Am 18.3.2021 um 23:15 schrieb Létranger:

Die Nacht war kalt, der Apfelbaum stand kahl,
ich fragte, wie es wär, und wie es ist,

Diese Stelle lebt vom Bezug zu der erinnerten Jugendszene. Noch immer gibt es dieselben Dinge wie damals (Nacht, Apfelbaum), doch diese können niemals wieder dieselbe Bedeutung haben, werden nun in einem anderen Licht gesehen, weil nie wieder sein wird, was einst war. Und so wird das LI durch die Welt selbst bis in alle Zeit daran erinnert, was war, was hätte sein können und wie es stattdessen ist. Eine ewige Strafe für einen kleinen Fehler. Ja, die Welt ist ungerecht.

 

Am 18.3.2021 um 23:15 schrieb Létranger:

(und plötzlich gab es nicht die kleinste Wahl,)
ich sang "ju hu" und mit nem Freudenstrahl
hab ich "I love you" in den Schnee gepisst.

Den eingeklammerten Satz finde ich herrlich doppeldeutig, denn er umschreibt sowohl eine körperliche, als auch eine seelische Notdurft, wenn man so sagen will und leitet damit schon die Mehrdeutigkeit des Pissens ein:

 

Es scheint ja der Alkohol zu sein, der dies bewirkt und so gesehen ist es die seelische Verwirrung (für die der Alkoholkonsum hier ja meines Erachtens steht), die sich in einem entschlossenen Satz entlädt. Ja, manchmal haben wir erst dann den Mut, zu uns selbst zu stehen, wenn der Leidensdruck zu groß wird, weil es zu spät ist. Dieser Mut ist allerdings nur momentan, denn zum einen wird der Schnee schmelzen und dann hat die Verflossene keine Möglichkeit mehr, dieses Geständnis zu lesen (und das LI nimmt sowohl das vorherige Entdecken des riskanten Satzes durch das LD, als auch das Verborgenbleiben in Kauf, falls der Schnee vorher schmilzt), zum anderen ist das Urinieren ja ein Schritt hin zur Ausnüchterung, denn es wird ja Alkohol ausgeschieden. Es ist doch der Mut der Verzweiflung, der sich in dem Schneepissen ausdrückt. Sowohl der Mut, als auch die Verzweiflung werden aber nachlassen, wenn das LI wieder zu sich findet und nüchterner über die Situation nachdenken kann. Diesen Gedanken finde ich klasse durch den letzten Vers bebildert und das Bild lebt davon, dass du in dem Gedicht eine durchgängige Metapher verwendet hast. Man sieht: Ein solch konsequentes Schreiben lohnt sich.:smile:

 

Außerdem ist es auch einfach verdammt lustig, weil so unerwartet und dabei hätte ich es auch belassen können.:rofl2:

Ich bin mir sicher, ich hatte noch ein, zwei Gedanken zum Gedicht, die ich gerne mit dir geteilt hätte, aber ich kann auch nicht mehr alles so klar beisammen halten wie früher. Außerdem wird man meinen Kommentar vermutlich auch nicht als "zu kurz" auffassen.:wink:

 

Schöner Einstand! Ich freue mich auf weitere Gedichte von dir.:smile:

 

LG

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Hallo Schmuddelkind,

 

ich freue mich sehr über deinen ausführlichen Kommentar zu meinem Gedicht. Es ist nicht selbstverständlich, dass sich ein Leser so viel Zeit nimmt, nicht nur die einzelnen Passagen auf sich einwirken zu lassen, sondern auch, seine Eindrücke zurückzuspiegeln, so dass ich als Schreiber auch etwas davon habe. 

 

Dass dieses Gedicht eines meiner komischsten ist (ich schreibe gar nicht häufig komisch), und außerdem als Streich gelungen, wusste ich schon, denn es ist fast ein Jahr alt. Beim Schreiben weiß man ja kaum, ob das so ein Gedicht ist, das Gefallen findet.

Aber nachdem ich neu bin, habe ich jetzt noch einige Gedichte einzustellen, die ich entweder für gelungen halte, oder die mir am Herzen liegen.

 

Vielen Dank für den wundervollen Kommentar,

Gruß von Lé.

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