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Zum blauen Himmel ragen seine starken Äste,
der dunkle Stamm ist knorrig und bemoost.
In seinem langen Leben gab es viele Gäste,
sie kamen um zu ruhen, suchten Trost.

Zwei kleinen Kindern war er Freund und Hafen,
sie haben Tag für Tag um ihm herum getobt.
In seinen Armen haben sie geschlafen
und sich nach Jahren unter seinem Dach verlobt.

In seiner Obhut schworen sie sich Treue,
besiegelten den Schwur mit einem Kuss.
Sie liebten sich dort jeden Tag aufs Neue,
das Leben war für sie ein Hochgenuss.

Im nächsten Sommer waren beide nicht zu sehen,
im Frühling drauf, da kamen sie mit Kind.
Der alte Baum sah viele Sommer kommen, gehen,
wie schnell die Jahre doch vergangen sind.

Gemeinsam haben sie mit ihrem Baum gesungen,
sie wurden älter, grau das schüttre Haar.
Dann sind die Lieder nach und nach verklungen,
vergangen ist seitdem kein halbes Jahr.

Vor ein paar Tagen kam sie ganz alleine,
sie streichelte, was er einst in den Stamm geschnitzt
und ihre Tränen tropften auf die Steine,
verzweifelt hat sie sich an ihren Baum gestützt.

Der Baum, ein stummer Zeuge ihres Lebens,
wächst weiter, so als wäre nichts geschehn.
Die Liebe ist zu keiner Zeit vergebens,
und bleibt über den Tod hinaus bestehn.

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Hei Sid,

Super! Und definitiv ein größeres Projekt. Die Atmosphäre erinnert mich an ... Ich weiß gar nicht, ist das Romantik? Ein Touch Moritaten-Zeit ... die Brontë Schwestern in England?! Rosengärten, Lauben, ewige Schwüre, Herzzerbrechen ...

Ich sag dir erst mal nur ein paar Eindrücke.

Beim Lesen bleibe ich lediglich an der letzten Zeile hängen, da wirft mich was aus dem Rhythmus.

Lange Zeilen finde ich dem Erzählstil unbedingt angemessen, aber 13 Silben sind mir vielleicht 2 zuviel - doch das ist nur mein Geschmack und nicht maßgeblich.

 

Auf alle Fälle bin ich sehr beeindruckt von dem Werk, auch von seiner balladenhaften Ernsthaftigkeit.

Bestimmt kennt jemand die Epoche, die (meinem Eindruck nach) anklingt?

 

Sei gegrüßt: Uwe

 

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Hallo, Sid

ich kann Uwe nur beipflichten, ein beeindruckendes Werk, zwei kleine Stolperstellen habe ich auch bemerkt, jedoch bei deinem Talent ist es für dich ja keine Hürde sie auszubügeln. 😀 nichtsdestotrotz (ein doofes Wort) hast du ein super Werk eingestellt.

einen schönen Tag dir

Pegasus

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Hallo Sid,

 

also an sich würde ich sagen/fragen  warum das Label Textarbeit erwünscht, weil das Gedicht ist in der Form schon toll!

Ich gebe Uwe zwar recht mit der letzten Zeile, dass es dort etwas stockt, aber ich vermute oder ziehe in Betracht, dass das nicht unnbeabsichtigt so ist. Auch in der vorletzten Zeile ist die Betonung etwas anders, aber dort finde ich, geht es im Lesefluss unter, ich habs erst beim genaueren hinsehen entdeckt.

 

Also mein Gedanke ist, dass du diese Stellung bewusst so gewählt hast/haben könntest, um der abschließenden Aussage

 

Die Liebe bleibt, sie ist niemals vergebens
und wird über den Tod hinaus bestehn.

 

etwas "Nachklang" zu geben 

 

Ich bin mir dabei noch nicht ganz sicher, ob mir die letzte Zeile vielleicht ein Stück zu sehr heraussticht, oder ob gerade darin nicht eigentlich schon wieder ein Clou liegt, dass die vorletzte Zeile den metrischen Nachklang kaum merklich einleitet und die letzte dann den hervorstechend ihrem Inhalt Bedeutung verleihen möchte 🤔

 

So oder so, dein Gedicht ist klasse!

 

Lieben Gruß

Delf

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Delf

das sollte doch keine Anmaßung von mir sein an diesem Werk, ich glaube nicht, dass ich so einen tollen Text hinbekommen würde, ich habe lediglich nur ( ich lese Gedichte mir immer laut vor, wenn sie mich beeindrucken) um den Rhythmus zu erhaschen. Ja und das ist halt meine ganz private Meinung dazu.

Pegasus

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Hallo Sid,

 

was für schöne Gedichte voller Stimmungsnuancen dir doch immer wieder gelingen! Dieses hier schnitzte sich schon mit der ersten Strophe in die Rinde meines Herzens...Ich fürchtete schon, am Ende müsse auch der Baum dran glauben. Ein kleiner Trost, dass er überlebt. Gibt es eine Fortsetzung, in der eines Försters Hand die Säge an seinen tausendjährigen Stamm legt?

 

Was das Handwerkliche betrifft, ist mir aufgefallen, dass der Jambus in unregelmäßigem Wechsel mal sechs und mal fünf Hebungen aufweist. Deine Verse lesen sich so flüssig, dass das gar nicht weiter stört, nur im letzten Vers komme ich etwas ins Ruckeln, denn da muss "über" auf der zweiten Silbe betont werden, damit das Versmaß stimmt: "und wírd übér den Tód hináus bestéhn". Da juckt es mich in den Fingern, zum Beispiel "und wird den Tod in Treue überstehn" (oder ähnlich) daraus zu machen. 

 

Vielleicht magst du dir noch überlegen, ob im ganzen Gedicht

 

1) jeweils ein Vers mit sechs und einer mit fünf Hebungen aufeinander folgen sollen (wie in der ersten Strophe)

oder 

2) jeder Vers sechs oder

3) jeder Vers fünf Hebungen haben soll.

 

Man müsste, je nachdem, nur hier und da ein Wort weglassen oder hinzufügen. Ich denke, das ließe sich in einer "Sitzung" ohne großen Aufwand bewerkstelligen.

 

Ich hoffe, du nimmst mir diese Anmerkungen nicht krumm. Als Leser eines fremden Werkes, das man selbst niemals so zu Stande gebracht hätte, hat man immer leicht reden...

 

Gesamteindruck: Ein großartiges Werk, das ich immer wieder gerne lesen und genießen möchte!

 

Grüße aus dem Dichterwald

Cornelius

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Hallo Sid,

 

geschnitzt/geschützt hast Du in An Daphne bereits kommentiert. Das Metrum betreffend, hat Cornelius das m. E. Entscheidende gesagt. Bleibt für mich nur noch der Hinweis auf die Syllepse bzw. die nicht funktionierende syntaktische Verkürzung: sie wurden älter, grau das schüttre Haar.

 

Gruß

 

E.

 

 

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Hallo liebe Mitpoeten,

 

ich freue mich über eure Resonanz und die gutgemeinten Hinweise. Zuerst einmal habe ich die beiden letzten Verse angepasst, ist es so besser?

 

vor 7 Stunden schrieb Stavanger:

Ich weiß gar nicht, ist das Romantik? Ein Touch Moritaten-Zeit ... die Brontë Schwestern in England?! Rosengärten, Lauben, ewige Schwüre, Herzzerbrechen ...

Ich glaube, lieber Uwe, es ist von allem etwas und warum nicht 13 oder mehr Silben, das verstärkt nach meiner Auffassung den Erzählcharakter.

 

 

 

Dir, liebe @Pegasus, danke ich für deine lobenden Worte, über die ich mich sehr gefreut habe.

 

 

 

Hallo Delf,

 

vor 7 Stunden schrieb Anaximandala:

also an sich würde ich sagen/fragen  warum das Label Textarbeit erwünscht, weil das Gedicht ist in der Form schon toll!

schön, dass du das so siehst. Im Grunde hast du recht, wer etwas zu sagen hat, wird das auch dann tun, wenn da nichts von Textarbeit steht. "Textarbeit erwünscht" lässt nach meiner Meinung auch "normale" Kommentare zu, es ist ja keine Bedingung oder @Claudi?

 

Also den Metrikbruch in den beiden letzten Versen habe ich nicht absichtlich vorgenommen, es hat sich so ergeben.

 

 

 

Hallo Cornelius,

 

vor 7 Stunden schrieb Cornelius:

Ich fürchtete schon, am Ende müsse auch der Baum dran glauben. Ein kleiner Trost, dass er überlebt.

ich glaube, das wäre nicht so gut bei euch angekommen.

 

Über die Anzahl der Hebungen werde ich mir noch einmal Gedanken machen, aber du sagst ja selbst, dass es überhaupt nicht stört.

Und krumm nehme ich hier gar nichts, jeder hat seine eigene Meinung und seine Vorlieben und Abneigungen.

 

 

 

Hallo Endeavour,

 

vor 3 Stunden schrieb Endeavour:

Bleibt für mich nur noch der Hinweis auf die Syllepse bzw. die nicht funktionierende syntaktische Verkürzung: sie wurden älter, grau das schüttre Haar.

die Syllepse als rethorische Figur ist doch gesellschaftsfähig und damit in Ordnung. Warum nennst du sie eine nicht funktionierende syntaktische Verkürzung?

 

 

 

 

Eure rege Beteiligung hat mich sehr gefreut, ebenso wie der gespendete Beifall. 🙂

Viele liebe Grüße

Sid

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vor 36 Minuten schrieb Sidgrani:

"Textarbeit erwünscht" lässt nach meiner Meinung auch "normale" Kommentare zu, es ist ja keine Bedingung oder @Claudi?

 

Lieber Sid,

 

wenn der "normale Kommentar" im Rahmen der Textarbeit erfolgt, also eher als Randbemerkung, dann ist er erlaubt. Es muss aber mindestens in einem Punkt konkret auf die Gestaltung eingegangen werden. Sonst wäre das Label ja identisch mit Feedback jeder Art und wir bräuchten es nicht.

 

LG Claudi

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Hey Sid! (Bist du Nöck?)

Da du hier nach Textarbeit fragst, hier ein paar völlig subjektive Gedanken zum Thema!
 

Es gibt einige stilistische Punkte, die ich kritisieren könnte. Zum einen die Verwendung der Adjektive:

Kinder sind bereits klein, der Himmel ist in der Regel blau, und das (lange) Leben besitzt bereits eine zeitlich immanente Dimension. An einigen Stellen neigt das Gedicht, meiner Meinung nach, dazu, melodramatisch zu wirken, wie in der Zeile "das Leben war für sie ein Hochgenuss". Ein subtilerer Ausdruck könnte die emotionale Tiefe des Gedichts erhöhen. Die Verwendung von Klischees wie "ihrer Liebe konnte selbst der Tod nichts anhaben" in den letzten Zeilen empfinde ich marginal als abgedroschen, zu inflationär. 🙂

 

Wenn du das Nomen-Adjektiv-Konstrukt umgestaltest und die Eigenschaft assoziativ einsetzt, könnte das Gedicht womöglich mehr Raum und Introspektion erhalten.

Durch diese Redundanz verschenkst du Silben für Metaphorik. Die meisten Bäume sind knorrig, und viele sind bemoost und wenn ich es richtig pedantisch betrachte, wachsen Äste immer zum Licht. (Zum Himmel ragen seine Äste; ja, das tun sie...)

Andererseits finde ich hier und da stilistische Unebenheiten: Die Sprache versucht poetisch zu sein und schafft das fast, aber dann kommen Wörter wie "herum" und "drauf".

 

Einerseits hochsprachlich, andererseits gleitet es in den Bereich der alltäglichen Umgangssprache ab. Hier wäre es angebracht, über den Stil nachzudenken. Wenn du zeitgenössischer sein möchtest (was völlig legitim ist), dann passen "herum" und "drauf" gut, aber weniger passend wären vielleicht "verklungen", "vergangen" und "bestehen" usw usf.

 

Just my 2 cents.

 

lg EV

 

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vor 18 Minuten schrieb Endeavour:

weil wurden für beide Satzteile eben nicht passt.

Moin,

 

genau so funktioniert doch die Syllepse, inkongruenter Bezug zwischen Satzgliedern bei Person, Anzahl oder grammatischem Geschlecht. 

Jedes in Definitionen dazu gegebene Beispiel entspricht dem, was Sidgrani hier gemacht hat.

 

LG Chris

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Hallo Chris,

 

genau so funktioniert sie, die nicht funktionierende bzw. inkorrekte syntaktische Verbindung. Aber worum geht’s? Geht es darum, sich irgendwie verständlich zu machen? Ich hoffe, nicht. Und war es Claudi, die davon sprach, dass sie die Lektüre abbricht, wenn sich eine Ellipse zeigt? Ich erinnere mich nicht genau.

 

Darüber hinaus gibt es die Syllepse auch in meinen Texten, was ich bedaure.

 

Gruß

 

E.

 

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