Moin Nebiros und willkommen im Forum!
Ich probiere mich auch immer wieder mal formal aus, einfach mal ausloten, was geht und was nicht.
Deine "Spielerei" entbehrt nicht eines gewissen formalen Reizes und ganz sicher ist es keine Leichtigkeit, derart ausdauernd noch über Anfangs-, Binnen- und Endreim hinauszugehen.
Nein, hier ist in der Tat jeder kleinste Versbestandteil verreimt - da mir dafür kein etablierter Fachbegriff bekannt ist, nenne ich das hier jetzt einfach mal Sequenzreim.
Ich denke, das Fehlen eines entsprechenden Fachbegriffs (so es einen gibt, bitte her damit!) macht aber auch klar, dass dieser Sequenzreim nicht massentauglich sein kann - im wahrsten Sinne.
Denn in dieser Menge, allein um ihn bis zum Ende durchzuhalten, finden sich dann doch einige Probleme:
Angefangen mit dem stakkatohaften Herunterleiern der immergleichen Struktur:
Für mich geht da leider jeglicher sprachlicher Zauber verloren, da, notgedrungen, jeder Vers immer ein und derselben Struktur folgt.
In diesem Übermaß an Reim geht natürlich auch der hervorhebende betonende Charakter des Reims verloren, es ist einfach ein Overflow, womit am Ende gar nichts mehr betont wird^^
Als vereinzelt eingesetztes Mittel, mag so ein Sequenzreim aber durchaus eine starke Betonung haben und auch inhaltlich ein starkes Statement setzen können.
Ich hatte bei einem meiner Experimente dieselbe Erkenntnis:
Da hatte ich ein Gedicht komplett im Choljambus geschrieben und extrem häufig Wörter mit derselben Wortendung verreimt (z.B.: Baumspitzen/Absteigen/Zweigen/Dasitzen/Hinabgleiten/ausbreiten).
Klare Erkenntnis, dass mehr Varianz schon Sinn macht 😉
Weiter geht es mit den semantischen Redundanzen (Pleonasmen):
Und zuletzt haben wir einige sprachliche Ungenauigkeiten/Sinnlosigkeiten:
es müssten "schwungkräftige" sein.
der untere Vers bezieht sich vermeintlich auf den vorigen, ergibt so von der Struktur aber keinen Sinn.
klein aber auffällig, da du sonst immer im Plural bist: hier nutzt du nun den Singular bei "Ode", um den Reim zu bedienen.
den österreichischen Begriff Tegel für irgendein Gestein kann man noch hinnehmen, aber bei "getegelt" fehlt mir jedes Verständnis, was das in diesem Kontext aussagen sollte^^
"tümlich" ist unvollständig, das wird nur als Suffix gebraucht, etwa bei "eigentümlich" oder "irrtümlich".
s.o. ein vereinzelter Singular mit "Regel".
s.o. Singular, bei "Sprache" finde ich das noch sinnvoll, aber "bekennende Lache" klingt auch einfach ohne Artikel unvollständig.
Hier fehlt mir auch das Verständnis, was die Weichen sein könnten, aus denen Flüsse vertrieben worden sein könnten.
Das soll hier aber nur beispielhaft für fast alle intersequenziellen Bezüge stehen.
Denn eigentlich macht fast gar kein Vers im Zusammenspiel seiner beiden Hauptbestandteile einen größeren Sinn^^
auch hier fehlt es an Artikeln "in der grob-wucht" und "in der tobsucht", der Genitiv mit "der wille" stimmt so auch nicht nicht, es ist "des Willens".
Noch kurz für die formale Vollständigkeit:
Metrisch bist du mehr als ok, du kannst den 4-hebigen Amphibrachys fast durchgehend halten, sehr schön.
Einzig dieser Vers bricht aus:
da "sinnkosende" mindestens AUCH auf der ersten Silbe betont wird.
"sinn" ist zu stark, als dass es sich da dem "kos" vollständig unterordnen könnte.
Also wie gesagt:
Als Experiment für die Wirkung von Sequenzreimen sicher spannend - wie so häufig aber: Die Dosis macht das Gift^^
Hintenan steht bei solchen formalfokussierten Spielereien dann natürlich auch der Inhalt.
Ich mag hier keine Interpretation vorlegen, da das allermeiste auch einfach keinen zusammenhängenden Sinn ergibt.
Oder aber ich bin auf einem kolossalen Holzweg und brauche hier deine Unterstützung in der Deutung 😄
Dennoch habe ich dein Experiment gern begleitet und bin gespannt, zu was du im experimentfreien Raum fähig bist 😉
LG Chris
Moin
Dankeschön erstmal
das war sehr detailliert hat bestimmt viel Arbeit gekostet.
Bei vielen Sachen die du kritisiert sind es exakt die Sachen mit denen ich auch nicht wirklich zufrieden war die in dem Format aber gar nicht anders möglich waren.
Zumindest habe ich nichts gefunden
😀
ich versuche das mal der Reihe nach durchzugehn und meine Gedanken dazu zu formulieren:
Erstmal das natürlich gleichbleibende Stakkatohafte Format.
Ich kann verstehen das es für einige nach Leiern klingt aber ich finde es hat irgendetwas.
Das wird man denke ich in dieser Form auch nie rausbekommen.
1.
"Und zuletzt haben wir einige sprachliche Ungenauigkeiten/Sinnlosigkeiten:
es müssten "schwungkräftige" sein."
Da hast du definitiv recht.
Habe es auch ein paar mal verändert indem ich davor "Schwungkraft der Fetzen" dort stehn hatte aber das hätte natürlich nicht ins Schema gepasst.
Da ist die Frage inwieweit man so eine Beugung der Grammatik vornehmen kann.
Ja hier ist es definitiv schon extremer
2.
"der untere Vers bezieht sich vermeintlich auf den vorigen, ergibt so von der Struktur aber keinen Sinn."
Es geht eher darum ein und denselbem Zustand zu beschreiben demzufolge existiert auch kein Zusammenhang zwischen den einzelnen Versen.
Im Grunde genommen war jeder Vers darauf ausgelegt ein und dasselbe in anderen Worten auszudrücken
Das "In" am Anfang wirkt aber trotzdem definitiv etwas fehl am Platz
3.
"klein aber auffällig, da du sonst immer im Plural bist: hier nutzt du nun den Singular bei "Ode", um den Reim zu bedienen."
Das ist mir tatsächlich überhaupt nicht aufgefallen.
Aber Ode ist eigtl sowohl Singular als auch Plural oder irre ich mich?
Bin mir eigtl ziemlich Sicher das man Wörter wie Ode und Regel definitiv im Kontext von Plural sehen kann.
Aber das war im Grunde eh nicht meine Absicht also ist es nicht so wichtig.
Für mich stellt das Wechseln von Plural und Singular auch nicht so ein Problem dar insbesondere da es ja nichts zusammenhängendes sein soll sondern ein und denselben Zustand auf unterschiedliche Art und Weise beschreibt.
4.
"den österreichischen Begriff Tegel für irgendein Gestein kann man noch hinnehmen, aber bei "getegelt" fehlt mir jedes Verständnis, was das in diesem Kontext aussagen sollte^^
"tümlich" ist unvollständig, das wird nur als Suffix gebraucht, etwa bei "eigentümlich" oder "irrtümlich"."
Das hier ergibt tatsächlich keinen Sinn^^
Das war eher so eine gefühlsgeschichte.
Gemeint war es im Sinne von Pegeln um die Alliteration einzuhalten hab ich halt irgendwie quatsch geschrieben keine Ahnung.^^
Den meisten fällt sowas gar nicht auf
😀
Bei "tümlich" wollte ich auf altertümlich hinaus.
Im Sinne von uralte Regel und dachte ich komm damit durch
5
"s.o. Singular, bei "Sprache" finde ich das noch sinnvoll, aber "bekennende Lache" klingt auch einfach ohne Artikel unvollständig."
Da weiss ich nicht so recht was du mit Artikel meinst.
Die bekennende Lache?
6.
"Hier fehlt mir auch das Verständnis, was die Weichen sein könnten, aus denen Flüsse vertrieben worden sein könnten.
Das soll hier aber nur beispielhaft für fast alle intersequenziellen Bezüge stehen.
Denn eigentlich macht fast gar kein Vers im Zusammenspiel seiner beiden Hauptbestandteile einen größeren Sinn^^""
Die Weichen der Flüsse.
Quasi das Flussbett.
Züge haben ja auch Weichen.
Das ist daran orientiert.
Beim zweiten müsste ich mehr Beispiele haben.
Das die Verse untereinander keinen Bezug haben habe ich ja bereits oben erwähnt.
Ineinander haben sie schon einen Bezug.
Das ist schon mein genereller mystischer Sprachstil^^
Ja ich gebe zu für viele ist der etwas schwierig nachzuvollziehen aber ich kann gerne erklären was ich mir dabei gedacht habe wenn du mir weitere explizite Sachen nennst.
(Das sieht bei mir auch nicht unbedingt viel anders aus wenn ich nicht in dieser Experimentform dichte)
7
"auch hier fehlt es an Artikeln "in der grob-wucht" und "in der tobsucht", der Genitiv mit "der wille" stimmt so auch nicht nicht, es ist "des Willens"."
Auch hier hab ich leider absolut keine Ahnung was du mit Artikeln meinst.
Ich finde die an der Stelle nicht wirklich notwendig wenn jeder Vers ein seperates Bild darstellt
Die Sache mit dem Willen ist definitiv stümpferhaft^^
Da hätte man nochmal dran feilen müssen aber ich habe mich so auf Tobsucht und Stille versteift weil ich das unbedingt drin haben wollte.
8.
"da "sinnkosende" mindestens AUCH auf der ersten Silbe betont wird.
"sinn" ist zu stark, als dass es sich da dem "kos" vollständig unterordnen könnte."
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Sinn ist definitiv zu stark betont.
Ist glaube das ist ein ähnliches Problem wie Zeitalter nur das man es hier bei einer wortneuschöpfung noch weniger kontrollieren kann sag ich mal
"Also wie gesagt:
Als Experiment für die Wirkung von Sequenzreimen sicher spannend - wie so häufig aber: Die Dosis macht das Gift^^
Hintenan steht bei solchen formalfokussierten Spielereien dann natürlich auch der Inhalt.
Ich mag hier keine Interpretation vorlegen, da das allermeiste auch einfach keinen zusammenhängenden Sinn ergibt.
Oder aber ich bin auf einem kolossalen Holzweg und brauche hier deine Unterstützung in der Deutung "
Die Dosis macht das Gift ist gut.
Müsste da mal Sachen probieren die beide gemässigt sind und gucken wie es wird
Inhalt wird bei mir definitiv gross geschrieben.
Ich bin gespannt was du von anderen Werken von mir hälst die ähnlich "mystisch" geschrieben sind oder ob es jetzt wirklich nur an diesem Werk lag das der Inhalt für dich keinen Sinn ergab.
Ich bedanke mich für dein grosses Feedback und werde definitiv einiges daraus mitnehmen können.
Insbesondere das ich nichts veröffentlichen sollte wenn ich nicht selbst 100 zufrieden bin^^.
Aber dann wiederum in dieser Art des Gedichts wird es wohl sehr schwierig sein etwas schaffen können wo alles zu 100 Prozent passt.