Hallo Loop,
das Romahn-Heiku finde ich gar nicht so toll. Wahrscheinlich liegt es daran, dass sich für mich der Überraschungseffekt nicht einstellt. Der arme Geiger, der alte Spielmann usw ist ein schon im 19. Jahrhundert ge- und verbrauchtes literarisches Motiv und immer läuft es dabei auf Einsamkeit und Unglück hinaus. (Beispielsweise hat Grillparzer eine schöne Erzählung dazu geschrieben) Aber Friebel zeigt in dem Kommentar, dass die Haiku-Regeln nur Faustregeln sind. Der Könner darf sie in bestimmtem Umfang durchbrechen. Das gilt natürlich nicht nur für Haikus, sondern auch für Gedichte, die aus der westlichen Tradition kommen.
Deine Formel vom "Reinrassig Konkreten" möchte ich an dieser Stelle noch problematisieren. In einem frühen Vorlesungstext von Heiddegger heißt es
"In den Hörsaaal tretend sehe ich einen Katheder. Was sehe ich? Braune Flecken, die sich rechtwinklig schneiden? Nein, Ich sehe etwas anderes, Eine Kiste, und zwar eine größere, mit eimer kleineren draufgebaut? Keineswegs, ich sehe den Katheder, an dem ich sprechen soll. ... Ich sehe den Katheder gleichsam mit einem Schlag, Anders ist es schon, wenn wir einen Bauern aus dem hohen Schwarzwald in den Hörsaal führen. Sieht er den Katheder oder einen Bretterverschlag? Er sieht "den Platz für den Lehrer". Aber denken wir uns einen Senegalneger... Dss Wahrscheinlichste ist, er wüßte damit nichts anzufangen, also er sähe bloß Farbenkomplexe und Flächen. (Bitte bedenke dabei, dass dieser Text rund 100 Jahre alt ist)
Was Heidegger uns damit sagen will ist (extrem verkürzt), dass jeder von uns eine gesellschaftliche, historisch gewachsene allerletzten Endes aber auch eigene Konkretheit hat abhängig von unserem Wissen, unseren Weltbezügen. Unser Wahrnehmungsfeld ist also immer schon subjektiv-objektiv. Wenn wir sagen, das Haiku müsse objektiv sein, dann müsen wir gleichzeitig dazusagen, dass die Objektivität Bashos eine andere ist, als unsere, die von naturwisssenschaftlichen Vorstellungen geprägt ist. Die Naturwissenschaft sagt, Objektiv ist, was sich messen und zählen und im Experiment wiederholen lässt (bitte jetzt keine quantenmechanischen Einwände ). Das bestreiten die Phänomenologen, zu denen Heideggerr gehört. Ich störe mich deswegen auch nicht, wenn in meinen eigenen Haikus etwas "Subjektivität" mitschwingt.
Deine Idee mein Haiku einfach umzudrehen, hat wirklich etwas für sich. Am Schluss stellt sich jedenfalls eine schöne Überraschung ein. Ich werde wohl bei meiner Version bleiben (?) aber vielen Dank! Vielleicht sollte ich die Umkehrprobe künftig immer machen.
So dacht ich
Gruß Onegin
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