Damals mit Andrea
Endlich mal wieder zu Hause, das wurde auch Zeit! Das Heimweh nach meinem idyllischen Elternhaus, in dem meine Mutter seit Langem allein lebt, wurde langsam schlimm. Ich lebe als Sozialarbeiterin in Afrika und helfe beim Aufbau einer Schule.
Mein Zimmer ist unverändert seit meinem Weggehen. Es stehen immer noch die alten Bilder auf der Kommode, von meinem Bruder, Andrea und mir. Andrea ist meine liebe alte Freundin. Wehmütig betrachte ich unser Kinderbild. Wir stehen nebeneinander und liegen uns im Arm, inmitten einer Wiese. Unserer Wiese! Im Hintergrund ist der Stall, in dem wir oft waren, um im Heu zu spielen.
Wo ich mir nun unser Bild betrachte und mir der Verlust meiner Freundin so recht bewußt wird kommen mir all die schönen Erlebnisse wieder ins Gedächtnis. Wie wir uns abmühen mussten mit dem riesigen Tor, um in den Stall zu gelangen. Es ist ein großes Brettergbäude mit vielen Ritzen zum Durchschauen und vollgepropft mit duftendem Tierfutter. Eijei, was mussten wir niesen. Heute weiß ich, dass ich damals schon Heuschnupfen hatte.
Das Gras wurde im Sommer mit all den wilden Margeriten, Schlüsselblumen und Gänseblümchen geschnitten. Dazu gesellten sich der Löwenzahn wie auch der wunderbare rote Mohn und die Schafgarbe. Das alles und noch viel mehr bringt den wunderbaren Duft des Heus zustande. Herrlich, den Geruch nach Jahrzehnten immer noch in der Nase zu haben. Es duftet nach der Kindheit.
Es war toll, durch das hohe Gras zu laufen, mit meiner Freundin Hand in Hand. Manchmal stand es so hoch, dass gerade noch die Schultern und der Kopf herausragten. Wir knüpften uns oft Blumenkränzchen, die wir gegenseitig um die Köpfe richteten. Immer flochten unsere Mütter die Haare zu langen Zöpfen, die lustig bei jedem Schritt wippten.
So liefen wir jeden Tag mit unseren Kleidchen und den Rüschenschürzen über die Wiese zu unserem Lieblingsplatz am Bach und hockten uns in eine kleinen Senke, in der man uns nicht sah. Niemandem erzählten wir von unserem Versteck. Der Bach ist umsäumt von kleinen Bäumen und Sträuchern, die im Hochsommer angenehmen Schatten warfen. Hoffentlich sieht das kleine Gewässer auch heute noch unverändert aus. Dort beobachteten wir die Forellen und Molche, die wir zu fangen versuchten. Ich muss schmunzeln, natürlich klappte das mit den kleinen Händen nicht. Und trotzdem starteten wir immer wieder neue Versuche. Es war wunderbar in dem gar nicht mal so kalten Wasser zu stehen und zu spüren, wie die kleinen Wogen die Beine umspielten. Und lustig war es, wenn ein Fischreiher sich seine Mahzeit holen wollte, uns im letzten Moment entdeckte und verdutzt im Flug abdrehte.
Von den Zweigen, die der heftige Wind im Herbst herunter zerrte, bauten wir einen kleinen Staudamm, was den Fischen gar nicht gefiel. Das ahnten wir natürlich nicht. Wir wunderten uns nur, warum regelmäßig nach ein paar Tagen unser kleines Wehr nicht mehr existierte. Der Bauer, dem die Wiese gehörte, machte regelmäßig seinen Kontrollgang um nach dem Zaun zu schauen und räumte jedes Mal unsere Konstruktion wieder weg. Er wird ganz sicher gewusst haben, welche Biber hier am Werk waren. Er sagte nichts und ließ uns spielen. Die gute alte Zeit eben, als Kinder noch Kinder sein durften und hier erzählten wir uns gegenseitig unsere Geheimnisse. Manchmal sehr leise und nur hinter vorgehaltener Hand ins Ohr, so, als ob wir belauscht werden könnten. Später wussten wir, dass sich hier an dem lauschigen Ort die Liebespaare trafen.
Warum mir grad so die Erinnerung an damals kommt, weiß ich gar nicht ( vielleicht, wegen des nahenden Frühlings? ), oder doch das Bild von Andrea und mir? Es macht mich traurig, dass sie und ich uns aus den Augen verloren haben und es kommen mir die Tränen. Nach der Schulzeit trennten sich unsere Wege. Ich ging zum Studium weit weg von zu Hause und musste mich schweren Herzens von Andrea verabschieden. Ein Jahr lang blieben wir in ständigem Kontakt, doch dann brach er ab. Warum weiß ich bis heute nicht, es passierte einfach. Die Ausbildung forderte mich und ließ mir keine Zeit für Erinnerungen. Nun bin ich nach Jahren wieder zu Besuch in der alten Heimat und mir fällt unsere ganze Kindheit wieder ein.
Einmal bei einem unserer Streifzüge am Bach entlang, entdeckten wir einen Fuchsbau. Im letzten Moment haben wir das Loch gesehen, bevor wir hineintraten und bäuchlings im Dreck gelegen hätten. Nicht auszudenken wenn wir mit der total versauten Kleidung nach Hause gekommen wären. Was hätte die Mutter geschimpft. Dass es die verlassene Heimat von Herrn Reineke war, erklärte uns später mein großer Bruder. Die Entdeckung war schon ein Abenteuer gewesen und hatte unsere kleinen Herzen kräftig pochen lassen.
Später wusste ich natürlich um die Mühe, die Mutter hatte alles wieder rein zu bekommen. Zuerst einweichen, über dem Waschbrett rubbeln und schließlich noch mit der Bürste und Kernseife versuchen die Flecken wieder herauszubekommen. Dann ab mit der Wäsche in den großen kupfernen Waschkessel und anschließend alles in das Klarwaschbecken hieven und zum guten Schluss in die Schleuder. Den Wäschestampfer fand ich ganz toll. Der quietschte immer beim Zusammendrücken und hakte auch schon einmal. Wenn Mutter nicht in der Waschküche war, habe ich damit gespielt.
Arme Mutter, was für eine Plage!
Dann wieder konnten Andrea und ich stundenlang in der Wiese liegen und die Insekten bei der Futtersuche beobachten. Wie das im Gras immer summte und zirpte. Ein geschäftiges Treiben auf unserem grünen Spielplatz. Wie die Bienen fleißig ihren Nektar sammelten und die Hummeln bedächtig ihren Landeplatz anvisierten. Toll das zu beobachten.
Nur die Krabbeltierchen waren nicht so prickelnd. Ich hasste die Ameisen! Ständig dieses Auf und Ab über unsere der Länge nach ausgestreckten Körper. Das kribbelte ganz schön. Wenn wir mit unserer Naturkunde fertig waren, haben wir uns gegenseitig abgeklopft, damit wir später keine Haustiere hatten. Mutter hätte gezetert, wenn sie Kribbel-Krabbel im Haus gehabt hätte.
Ach, was haben Andrea und ich nicht alles erlebt. Fast wie die Kinder in Bullerbü. Wir hatten eine unbeschwert herrliche Kindheit. Doch das schönste Erlebnis war, wenn wir Schmetterlingsraupen eingesammelt hatten, um sie in ein Glas auf ein Blätterbett zu legen. Es war spannend sie über Wochen zu beobachten, bis irgendwann der Schmetterling geboren wurde, den wir dann fliegen ließen.
Unbedingt muss ich herausfinden, wo ich meine verlorene Freundin wiederfinden kann. Morgen gehe ich mal ihre Mutter besuchen.
© Sternwanderer
Endlich mal wieder zu Hause, das wurde auch Zeit! Das Heimweh nach meinem idyllischen Elternhaus, in dem meine Mutter seit Langem allein lebt, wurde langsam schlimm. Ich lebe als Sozialarbeiterin in Afrika und helfe beim Aufbau einer Schule.
Mein Zimmer ist unverändert seit meinem Weggehen. Es stehen immer noch die alten Bilder auf der Kommode, von meinem Bruder, Andrea und mir. Andrea ist meine liebe alte Freundin. Wehmütig betrachte ich unser Kinderbild. Wir stehen nebeneinander und liegen uns im Arm, inmitten einer Wiese. Unserer Wiese! Im Hintergrund ist der Stall, in dem wir oft waren, um im Heu zu spielen.
Wo ich mir nun unser Bild betrachte und mir der Verlust meiner Freundin so recht bewußt wird kommen mir all die schönen Erlebnisse wieder ins Gedächtnis. Wie wir uns abmühen mussten mit dem riesigen Tor, um in den Stall zu gelangen. Es ist ein großes Brettergbäude mit vielen Ritzen zum Durchschauen und vollgepropft mit duftendem Tierfutter. Eijei, was mussten wir niesen. Heute weiß ich, dass ich damals schon Heuschnupfen hatte.
Das Gras wurde im Sommer mit all den wilden Margeriten, Schlüsselblumen und Gänseblümchen geschnitten. Dazu gesellten sich der Löwenzahn wie auch der wunderbare rote Mohn und die Schafgarbe. Das alles und noch viel mehr bringt den wunderbaren Duft des Heus zustande. Herrlich, den Geruch nach Jahrzehnten immer noch in der Nase zu haben. Es duftet nach der Kindheit.
Es war toll, durch das hohe Gras zu laufen, mit meiner Freundin Hand in Hand. Manchmal stand es so hoch, dass gerade noch die Schultern und der Kopf herausragten. Wir knüpften uns oft Blumenkränzchen, die wir gegenseitig um die Köpfe richteten. Immer flochten unsere Mütter die Haare zu langen Zöpfen, die lustig bei jedem Schritt wippten.
So liefen wir jeden Tag mit unseren Kleidchen und den Rüschenschürzen über die Wiese zu unserem Lieblingsplatz am Bach und hockten uns in eine kleinen Senke, in der man uns nicht sah. Niemandem erzählten wir von unserem Versteck. Der Bach ist umsäumt von kleinen Bäumen und Sträuchern, die im Hochsommer angenehmen Schatten warfen. Hoffentlich sieht das kleine Gewässer auch heute noch unverändert aus. Dort beobachteten wir die Forellen und Molche, die wir zu fangen versuchten. Ich muss schmunzeln, natürlich klappte das mit den kleinen Händen nicht. Und trotzdem starteten wir immer wieder neue Versuche. Es war wunderbar in dem gar nicht mal so kalten Wasser zu stehen und zu spüren, wie die kleinen Wogen die Beine umspielten. Und lustig war es, wenn ein Fischreiher sich seine Mahzeit holen wollte, uns im letzten Moment entdeckte und verdutzt im Flug abdrehte.
Von den Zweigen, die der heftige Wind im Herbst herunter zerrte, bauten wir einen kleinen Staudamm, was den Fischen gar nicht gefiel. Das ahnten wir natürlich nicht. Wir wunderten uns nur, warum regelmäßig nach ein paar Tagen unser kleines Wehr nicht mehr existierte. Der Bauer, dem die Wiese gehörte, machte regelmäßig seinen Kontrollgang um nach dem Zaun zu schauen und räumte jedes Mal unsere Konstruktion wieder weg. Er wird ganz sicher gewusst haben, welche Biber hier am Werk waren. Er sagte nichts und ließ uns spielen. Die gute alte Zeit eben, als Kinder noch Kinder sein durften und hier erzählten wir uns gegenseitig unsere Geheimnisse. Manchmal sehr leise und nur hinter vorgehaltener Hand ins Ohr, so, als ob wir belauscht werden könnten. Später wussten wir, dass sich hier an dem lauschigen Ort die Liebespaare trafen.
Warum mir grad so die Erinnerung an damals kommt, weiß ich gar nicht ( vielleicht, wegen des nahenden Frühlings? ), oder doch das Bild von Andrea und mir? Es macht mich traurig, dass sie und ich uns aus den Augen verloren haben und es kommen mir die Tränen. Nach der Schulzeit trennten sich unsere Wege. Ich ging zum Studium weit weg von zu Hause und musste mich schweren Herzens von Andrea verabschieden. Ein Jahr lang blieben wir in ständigem Kontakt, doch dann brach er ab. Warum weiß ich bis heute nicht, es passierte einfach. Die Ausbildung forderte mich und ließ mir keine Zeit für Erinnerungen. Nun bin ich nach Jahren wieder zu Besuch in der alten Heimat und mir fällt unsere ganze Kindheit wieder ein.
Einmal bei einem unserer Streifzüge am Bach entlang, entdeckten wir einen Fuchsbau. Im letzten Moment haben wir das Loch gesehen, bevor wir hineintraten und bäuchlings im Dreck gelegen hätten. Nicht auszudenken wenn wir mit der total versauten Kleidung nach Hause gekommen wären. Was hätte die Mutter geschimpft. Dass es die verlassene Heimat von Herrn Reineke war, erklärte uns später mein großer Bruder. Die Entdeckung war schon ein Abenteuer gewesen und hatte unsere kleinen Herzen kräftig pochen lassen.
Später wusste ich natürlich um die Mühe, die Mutter hatte alles wieder rein zu bekommen. Zuerst einweichen, über dem Waschbrett rubbeln und schließlich noch mit der Bürste und Kernseife versuchen die Flecken wieder herauszubekommen. Dann ab mit der Wäsche in den großen kupfernen Waschkessel und anschließend alles in das Klarwaschbecken hieven und zum guten Schluss in die Schleuder. Den Wäschestampfer fand ich ganz toll. Der quietschte immer beim Zusammendrücken und hakte auch schon einmal. Wenn Mutter nicht in der Waschküche war, habe ich damit gespielt.
Arme Mutter, was für eine Plage!
Dann wieder konnten Andrea und ich stundenlang in der Wiese liegen und die Insekten bei der Futtersuche beobachten. Wie das im Gras immer summte und zirpte. Ein geschäftiges Treiben auf unserem grünen Spielplatz. Wie die Bienen fleißig ihren Nektar sammelten und die Hummeln bedächtig ihren Landeplatz anvisierten. Toll das zu beobachten.
Nur die Krabbeltierchen waren nicht so prickelnd. Ich hasste die Ameisen! Ständig dieses Auf und Ab über unsere der Länge nach ausgestreckten Körper. Das kribbelte ganz schön. Wenn wir mit unserer Naturkunde fertig waren, haben wir uns gegenseitig abgeklopft, damit wir später keine Haustiere hatten. Mutter hätte gezetert, wenn sie Kribbel-Krabbel im Haus gehabt hätte.
Ach, was haben Andrea und ich nicht alles erlebt. Fast wie die Kinder in Bullerbü. Wir hatten eine unbeschwert herrliche Kindheit. Doch das schönste Erlebnis war, wenn wir Schmetterlingsraupen eingesammelt hatten, um sie in ein Glas auf ein Blätterbett zu legen. Es war spannend sie über Wochen zu beobachten, bis irgendwann der Schmetterling geboren wurde, den wir dann fliegen ließen.
Unbedingt muss ich herausfinden, wo ich meine verlorene Freundin wiederfinden kann. Morgen gehe ich mal ihre Mutter besuchen.
© Sternwanderer