Was hanget dort am Haken
zu früher Morgenstund
ein Schild? Ich konnt’s nicht sagen,
was man drauf lesen kunnt.
Es ist in alter Sprache
gesetzt in wildem Reim.
Vielleicht kündet die Sage
von einer alten Pein?
Ein Muhmchen kam geschlichen
mit einem krummen Stock.
Ihr Haar war ausgeblichen,
zerschlissen längs ihr Rock.
Bot meinen Arm, wie’s Sitte
und half zur nächsten Bank.
Damit sie Durst nicht litte,
reicht ich ihr süßen Trank.
Sie tat sich wohl bedanken
und fragt nach dem Begehr.
Ich wies auf jenen Ranken;
an Deutung trüg ich schwer.
Da sprach sie von so Grafen,
und Taten jammervoll,
von längst vergessnen Strafen
und himmelhohem Groll.
Doch wie ich sie betrachte,
verändert sich ihr Blick.
Das, was ich von ihr dachte,
verfließt nun, Stück für Stück.
Sie ist mitnichten älter
als grad mal zwanzig Jahr,
ihr Wesen, scheint’s, wird kälter
im Nahen der Gefahr.
Von seitwärts kommt gesprungen
ein wilder Reitersmann.
Der greift bald nach der jungen
Maid, nimmt sich ihrer an.
Doch nicht aus edlen Gründen
erheischt er sie sogleich.
Will frönen frei den Sünden,
dort drüben an dem Teich.
Da hilft kein Schreien, Wehren.
Der Jungfrau Licht erlischt.
Ich wollt dazwischen kehren;
mein Augenblick verwischt.
Drauf sah ich Massen strömen,
von Bauern, Landknechtsvolk.
Und Rufe weithin dröhnen,
daß wer wohl büsen sollt.
Ein Jüngling ward gezogen
an einer Kette schwer.
Niemand schien ihm gewogen.
Fand Rettung nimmermehr.
Zum Baum führt man den Knaben,
der ohne jede Schuld.
Den Ritter jedoch gaben
die Dörfler ihre Huld.
Bevor er hängt am Stamme,
der Bursche fluchend ruft:
„Ihr Teufel, ich verdamme
euch ewig in der Gruft!“
Kaum dieses Wort gesprochen,
schon fiel er schwer hinab.
Sein Leben jung zerbrochen,
muß nun ins kalte Grab.
Jetzt schaut man’s Land verwesen.
Kein Halm wächst grade aus.
Des Schnitters breiter Besen
schafft‘s Dorf zum Totenhaus.
Ein Baum allein blieb blühend;
dort wo der Junge hing.
Und eine Tafel mühend,
zeigt wie es damals ging.
Im Schatten find ich wieder
mich in dem heut zurück.
Betrachte meine Glieder
und schätze groß mein Glück.
Das Schild hab ich genommen
und ließ es schreiben neu,
daß Jahre, die noch kommen,
bewahren dieses treu.
[2021]