Okinawa, Wana Ridge - 1945
Geduckt hinter einer Anhöhe steckten wir fest und warteten bis der alte Japaner sich wieder beruhigt hatte. Vor uns eine Wiesenstrecke mit dichtem Kunai-Gras. Dann der Hügel mit seinem kleinen Maschinengewehr-Bunker.
Der alte Sack feuerte auf jede kleinste Bewegung im Gras die nicht im Einklang mit dem Wind war. Und er hatte verdammt viel Erfahrung darin. Angespannt, ohne zu Blinzeln schwang er sein schweres befestigtes MG im kleinen Fenster hin und her. Die Adern an Händen und im Gesicht pochten und der Schweiß floss als würde er Schmelzen. Wieder schoss er. Nur ein Vogel über uns. Aber natürlich traf er ihn. Todsicher. Ein kleiner schwarzer Punkt, so verdammt genau wie durch einen Stecknadelkopf. Wir, der Rest der F-Kompanie, konnten nichts weiter tun als hinter dieser letzten Anhöhe vor dem Hügel zu verharren und darauf warten, dass er in seiner Stellung tot umfiel. Zu all unseren Seiten lagen unsere Kameraden, die versucht hatten, irgendwie vorbei zu schleichen. Der alte Bastard machte keine Gefangenen. Der große Witz an der Sache war, dass wir den Alten kannten. Und das diese feindliche Stellung dort, eigentlich schon längst erobert war. Drei Tage zuvor hatten wir sie unter hohen Verlusten erstürmt. Da wir aber schnell vorankommen mussten, blieben alle feindlichen Waffen an Ort und Stelle. Nur drei von diesen todessüchtigen Irren konnten wir gefangen nehmen. Darunter war der alte Japaner gewesen. Doch leider waren wir etwas zu schlampig bei unserem Wachdienst gewesen… tja, was soll ich sagen. Beim Rückweg zur Basis nun, hatte er uns voll erwischt. Und wir mussten nun schon wieder ein längst erobertes Gebiet erneut erstürmen. Ein einziger verdammter Japaner, der uns hier die Hölle heiß machte. Wie schon beim ersten Mal. Es lag an uns. Die Air Force schickte keine Flugzeuge für ein einzelnes Nest. Und hier beende ich meine Notizen. Mal sehen wie lang das noch dauert…
„Was schreibst du da Riley?“
„Oh, nichts. Ich hab nur versucht unsere Lage zu beschreiben. Mit einem Wort: Fucked.“
An die schräge Erde gepresst drehte ich mir eine Zigarette. Um mich herum lag der Rest meiner Leute. Einige mit dem Gewehr leicht drüber spähend, aber immer nur für Sekunden.
„Ich kann nichts sehen verdammt! Da ist eine Scheiß-Erhebung direkt über dem Abhang!“
Einer las ein Buch, ein anderer schärfte sein Messer und zwei spielten sogar Karten. Ich rauchte und bekam plötzlich Lust auf was salziges. Ein kleine Dose mit Trockenfleisch, hatte ich immer dabei, nahm ich zur Hand und stopfte mir einige Streifen zwischen die Backen.
„Hey, gibst du mir auch was?“
Ich hielt ihm die Dose hin.
„Danke.“
„Weißt du was das letzte war was ich zu diesem alten Vogel dort oben gesagt habe?“
James schüttelte den Kopf.
„Ich sagte: In zehn Jahren, treffen wir uns in irgend einer kleinen Bar in Tokio wieder und trinken Seite an Seite ein Bier miteinander.“
„Was hat er gesagt?“
„Keine Ahnung. Der spricht kein Englisch. Na jedenfalls muss er mich hassen, so oft wie ich ihn getreten und an der Backe gezogen hab. Die haben alle so eine glatte Haut. Jedenfalls hatte er immer diesen Gesichtsausdruck im Gesicht: Ich will euch alle töten!“
„Warum hat er sich überhaupt gefangen nehmen lassen. Die lieben es doch sich so ein Schwert in den Bauch zu jagen.“
„Weil wir schneller waren. Wir haben sie überrumpelt bevor er das tun konnte. Und dieses Mal wird es auch so sein. Ihn gefangen zu nehmen, ist für ihn schlimmer als der Tod.“
„Ich würde ihm lieber die Scheiße aus dem Leib prügeln und dann einfach erschießen!“
„Nichts da. Den nehmen wir mit als Souvenir. Er soll sehen und mitbekommen wie seine glorreiche Armee den Bach runter geht.“
„Zum Glück sind nicht alle so wie er. Himmel! Dann hätten wir keine Chance gehabt!“
Ich blickte in die Ferne, machte einen letzten Zug an der Zigarette und versank in Gedanken an Daheim. Die Sonne schlich sich heimlich und lautlos flackernd hinter den Hügeln zur rechten davon. Bald schien der Vollmond über uns. Der kräftige kühle Wind brachte Meeresluft mit und das Gras glänzte silbern in seinem wilden Tanz.
Einen Monat später fielen die zwei Bomben und das Kaiserreich kapitulierte. Zehn Jahre später, in irgendeiner kleinen Sushibar traf ich ihn wieder. Ich hockte mich neben ihn an den Tresen. Er starrte mich ausdruckslos an. In einer Hand sein halbes Bier. Ich bestellte auch eins.