Zitternd schritt ich her zu ihr,
sie schien so zart und so verletzlich,
doch als der Blick sich hob zu mir,
war sie eisern und entsetzlich;
An der Strophe bin ich hängengeblieben und war gleich gepackt, lieber Kunstersatz!
Nicht nur, weil sie die einzige mit völlig reinem Metrum und stimmigem Rhythmus ist, sondern auch von der Aussage her ein höchst lebendiges Bild malt, dem man sich nicht entziehen kann. Richtig schön!
Schade finde ich dann nur, dass die anderen Strophen sich keinem einheitlichen Schema zuordnen wollen und auch etliche Betonungspralle in ihnen anzutreffen sind. Da entsteht nur schwer ein Lesefluss, wie ihn ein gereimtes Gedicht ja eigentlich haben sollte.
Du könntest sogar in der von mir zitierten Strophe noch minimal optimieren, indem du in der vierten Zeile noch eine Silbe hinzufügst...dann entspricht sie dem Schema von Zeile zwei.
sie schien so zart und so verletztlich
...
da war sie eisern und entsetzlich
Allerdings bin ich bei genauerem Reinlesen draufgekommen, dass auch diese Strophe in Zeile eins an das Silben- und Betonungsschema der anderen Strophe durch Ergänzung einer unbetonten Silbe angepasst werden müsste...aber schau dir mal meine Überarbeitung an (die meine ich nur zur Veranschaulichung...ich bin sicher, du findest die dir genehmen Formulierungen)...dann wird klarer, was ich meine:
In einer sturmumtosten Nacht,
bot sich meinem sterblich’ Blick,
bot sich mir Sterblichem ein Blick
ein Schauspiel solcher unerhörter Pracht,
gar göttliches Geschick;
ein wahrhaft göttliches Geschick
Sie sSaß auf einer Klippe droben,
ihr Leib aus Nacht und Finsternis,
das Haar aus Sternenlicht gewoben,
die Stimme süße Bitternis;
Sie tTrug ihr Leid dem Monde dar,
ein Klang wie ich ihn nie vernommen,
den sie schaudernd sie nun dort gebar,
als sei ihr alles Glück genommen;
Zitternd schritt ich her zu ihr,
So schlich ich zitternd hin zu ihr,
sie schien so zart und so verletzlich,
doch als der Blick sich hob zu mir,
da war sie eisern und entsetzlich;
Schrecken ergriff mein Herz,
Ein tiefer Schreck ergriff mein Herz:
mit Lippen weich und schierlingsbitter
aus Krallen blühte heißer Schmerz, ergibt wenig Sinn
und Krallen schenkte sie mir Schmerz!
ihre Zunge sengender Splitter;
Die Zunge - sengend scharf wie Splitter!
So fiel ich auf den kalten Stein,
ganz alt und leer und ausgezehrt.
ließ mich die finstre’ Maid allein,
Die finstre Maid ließ mich allein.
starb glücklich, dass ich sie genährt; hier ist nicht deutlich, ob die Maid glücklich starb oder der Protagonist
Hab mit dem/noch im Tode ihr gehört.
Das wäre eine Version mit einheitlichem Metrum.
Beim Schlusssatz hab ich ein wenig gekämpft...eventuell müsstest du dem Thema, dass er glücklich stirbt, weil er sie genährt hat, noch eine eigene Strophe widmen, die genauer ausleuchtet, was der düstere Zauber des Bisses der Vampirin (so lese ich deine Desdemona jedenfalls) mit dem Protagonisten macht. So wird es nicht richtig deutlich. Auch nicht in meinem Versuch.
Auf jeden Fall aber hast du mich mit dem düsteren Vampirthema und der Dramatik deiner Zeilen! Sehr lebendig erzählt und tolle Bilder! Richtig toll! Sehr gerne gelesen!!!! Danke!
LG,
fee