Vielen Dank für deine ausführliche Beschäftigung mit meinem Gedicht, liebe Lichtsammlerin! :smile:
eine interessante Mischung von Ironie und kritischer Begegnung. Ab und zu klopft bisschen schwarzer Humor an, gefällt mir!
Freut mich, dass diese Mischung dir gefällt. Solche "fiesen" Texte sind ja nicht Jedermanns Sache, aber hin und wieder kommt der Zyniker in mir durch, dem ich sonst nicht mehr Gewicht zugestehe, als es dem guten Auskommen mit mir selbst zuträglich ist.
Inhaltlich lese ich die Reibungspunkte zwischen Menschen, bzw. menschlicher Interaktion. Auf ach so vielen Irrwegen.. nun, wohin führt ein Wort, wenn es erst zu Ende gedacht?
Und darüber hinaus: Das Ausbleiben einer kritischen Reaktion des Gegenübers verleitet ja erst zum Zu-Ende-Denken. Es ist eine Interaktion, die eher durch das Ausbleiben von Interaktion gekennzeichnet ist. Das LI befindet sich ganz in der Sprache, zu der das LD keinen Zugang hat und das LD lebt ganz in der Handlung, die das LI nicht mittragen will, aber zu deren Unterbindung ihm die Handlungsbereitschaft fehlt.
(beim letzten Vers bin ich unsicher. Auch von der Bedeutung.. irgendein Stück scheint mir da zu fehlen. Etwa "die Ironie ausgemacht" oder "daraus Ironie gemacht" o.ä..., bin mir aber gar nicht ganz sicher, wie es nun gemeint war)
Der letzte Vers beschäftigt sich mit der Frage der Schuld: Ist das LD durch diese unreflektierte Handlungsbezogenheit selbst Schuld an ihrem Tod (ist ja schließlich keine gute Idee, den Föhn mit in die Wanne zu nehmen)? Oder kann man sagen, dass das LI letztendlich den Tod des LD herbei geführt hat, da das LI wusste, dass die Mechanismen, die es ja in den vorangegangenen Strophen beschrieben hat, dazu führen müssen, dass das LD im Unwissen um die Wirkungsweise von Ironie und aufgrund des blinden Aktionsdrangs den Föhn mit in die Wanne nimmt.
Die Antwort auf diese Frage präsentiert das LI dem Leser dann natürlich in ironischer Distanz zur eigenen Handlung: Ich war es nicht - es war die Ironie. Denn ironischerweise hat dieses Muster, dass das LI alles sprachlich verarbeitet und das LD handelt, dieses Muster, das sonst immer dazu führte, dass das LI auf ironische Weise seinen Unwillen bekundet hat, den das LD in Unkenntnis um die Bedeutung von Ironie durch direktes Handeln ignoriert hat, dieses Muster führte letztendlich, als das LI es sich bewusst zu Nutze gemacht hat, dazu, dass das LD eine Handlung ausübte (sich umzubringen), das das LI vom Gegenüber (in Ironie verkleidet) forderte.
Es war also gewissermaßen die Ironie selbst (beim Wissen um das Unvermögen des LD, Ironie zu begreifen), die das LD getötet hat und ironischerweise ist es zugleich auch die Ironie, die zulässt, dass das LI als unschuldig da steht: "Ich hab das ja nur ironisch gemeint. Man kann doch nicht davon ausgehen, dass jemand tatsächlich einen Föhn mit in die Wanne nimmt, nur weil ich es ihm sage."
Wobei der Gipfel der Ironie wohl ist, dass am Ende in zweifacher Weise mit dem gewohnten Muster zwischen LI und LD gebrochen wird. Zum einen natürlich durch ihren Tod - klar! Zum anderen aber auch, indem Sprache selbst hier zur Handlung wird - was sie ja im Grunde auch ist - aber erst, als dies dem LI bewusst wird, wird es zu einem aktiv Handelnden, statt ein Mensch zu bleiben, der seine Ironie als emotionales Ventil benutzt, um seine Handlungsscheue zu kompensieren, die ihn immer in Abhängigkeit zu den Handlungen des LD setzen. Insofern hat die Ironie selbst zum Gelingen der Ironie beigetragen. Die Formulierung ist dabei eben auch bewusst an Heines Schlussverse angelehnt, der ja selbst ein recht ironischer Dichter war:
"Und das hat mit ihrem Singen
die Loreley getan."
Auch in Heines Gedicht geht es ja darum, dass das Schicksal nicht als Folge menschlichen Verhaltens begriffen wird und Schuld bei sprachlichen Gebilden (in Heines Falle Mythen) gesucht wird. Auch hier kann man sagen, die Loreley habe erreicht, was sie wollte, weil Menschen sie erfunden haben, um sich davon abzulenken, dass sie selbst nicht erreichen, was sie wollen.
Bitterböse fast die vorletzte und letzte Strophe :whistling: Jaja, Föhn nicht vergessen. Kennen wir alle.
Ach, es tut zuweilen wirklich gut, bitterböse Texte zu schreiben, wenn sie in unzähligen Schichten dicker Ironie eingewickelt sind. :whistling:
Aber tatsächlich bin ich es von deinen Werken überhaupt nicht gewohnt, hin und wieder zu stolpern. Vielleicht stellt sich bei diesem Gedicht auch einfach für mich kein rechter Lesefluss ein.
Beim Versmaß habe ich mich an Heines Original orientiert - zwar mit gelegentlichen Abweichungen, die allerdings selbst auch im Geiste Heines Metrums beheimatet sind. Denn Heine hatte (wie viele Dichter seiner Zeit) einen sehr viel spielerischen Zugang zur Metrik, als es vor oder nach seiner Zeit üblich war. Die ersten drei Verse jeder Strophe sind bei Heine in folgendem Versmaß verfasst:
xXxxXxxXx
xXxXxX
xXxxXxXx
Vgl. z.B.:
Ich
weiß nicht, was
soll es be
deuten,
dass
ich so
traurig
bin.
Ein
Märchen aus
alten
Zeiten
Diese Struktur habe ich (fast) eingehalten, außer dass bei mir im dritten Vers eine Senkung vor der letzten Hebung hinzugefügt wird, sodass das Versmaß in V1 und V3 identisch wird:
xXxxXxxXx
xXxXxX
xXxxXx
xXx
Vgl. z.B.:
Du
weißt nicht, was
soll es be
deuten,
dass
ich sar
kastisch
bin.
Da
will ich mich
nur mit dir
streiten,
Im vierten Vers variiert Heine von Strophe zu Strophe. Es finden sich Verse, die so aussehen:
xXxXxxX
Z.B.:
Das
kommt mir
nicht aus dem
Sinn.
Aber auch folgender Versmaß findet sich zuweilen im vierten Vers:
xXxXxX
Z.B.:
Im
Abend
sonnen
schein.
Aber auch:
xXxxXxX
Z.B.:
Ge
waltige
Melo
dei.
Ich habe mich stattdessen fast durchgängig für ein Muster entschieden, das auf V1 und V3 zurückgreift und sich nur in der Kadenz von diesen beiden Versen unterscheidet (habe also, wenn man so will, Heines Metrik ein wenig "geglättet", obwohl sie mir so faltig gefiel, wie sie bei ihm zu lesen ist, denn bei Heine wirkt alles so lebendig und aufbrausend):
xXxxXxxX
Z.B.:
Ich
hab dich nie
kochen ge
sehn.
Davon gibt es aber eine einzige Ausnahme, nämlich im allerletzten Vers. Da war mir bewusst, dass ich denselben Ausklang brauche wie bei Heine, auch weil sein und mein Satz derart parallel zueinander stehen:
xXxXxX
Die
Iro
nie ge
macht.
Oder eben:
Die
Lore
ley ge
tan.
Unterm Strich ist meine Metrik also zwar recht bewegt, aber sehr viel regelmäßiger als in Heines Original; denke dennoch dass im Großen und Ganzen auch metrisch die Anlehnung zu erkennen ist. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass es Lesern schwerfallen kann, in den Lesefluss zu kommen, wenn man "geordnetere" Formen gewöhnt ist. Für mich aber sieht es so aus (und fühlt sich so an), wie ich es erreichen wollte. Ich kann ja trotzdem mal deine Ausrufezeichen durchgehen und kurz erklären, wie ich es lese. Vielleicht siehst du ja trotzdem noch einen Fehler. Dabei ist aber zu bedenken, dass alle Stellen, die du verbessert hast, Stellen aus den zweiten Versen sind. Diese sollten also, wie gesagt, so klingen:
xXxXxX
dass ich (g'rad) sarkastisch bin.
dass
ich sar
kastisch
bin.
ein Kochkurs wäre schön. ---> Idee: gemeinsam zum Kochkurs gehn
ein
Kochkurs
wäre
schön.
und meldest uns (beide) gleich an.
und
meldest
uns gleich
an.
"Na, fast (schon) so schön wie ohne.
"Na,
fast so
schön wie
ohne.
(Da ist halt nur nicht ganz so schön, dass ich hier eine weibliche Kadenz habe; das sollte natürlich nicht so sein, ließ sich aber vermutlich nicht vermeiden)
und denkt (wohl) ich fände sie schön.
und
denkt, ich
fänd sie
schön.
Trotzdem vielen Dank für deine Mühe und für das Feedback, dass das Versmaß nicht unbedingt für alle intuitiv zugänglich ist. Und überhaupt danke, dass du wieder mal so viel zu meinem Gedicht zu sagen hattest und dabei über die reine Beobachtung und Wertung hinausgegangen bist! :smile:
Ich weiß das wirklich zu wertschätzen.
LG