Lieber Carlos,
ich würde Rilke in 'dichterischer Hinsicht' durchaus als Vegetarier, aber nicht als Veganer bezeichnen ...
und mir fallen gerade auch noch Begriffe wie Freeganer, Fructarier, Rohköstler und die 'Warrior-Diät' und die Kalorienrestriktion sowie Ovo-Lacto-Vegetarier und Lacto-Vegetarier und Flexitarier und Pescetarier ein ... bei allem Respekt, aber manches davon ist schon wirklich jenseits aller Vernunft ...
Petrarka und das Sonett. Der 'Antipetrarkismus' (der sich allerdings vor allem auf den Inhalt auswirkte) - siehe z. B. Francesco Berni, burleske Dichtung, der hinging und der 'Schönheitsmanie' gezielt das 'Porträt der Hässlichkeit' entgegensetzte. Es gab bereits damals die realistische, die parodistische und die burleske Sonettdichtung. Oder Opitz und seine Enjambements, ihn könnte ich auch noch erwähnen. Oder die Dichter Frankreichs und Englands und deren Sonettformen. Und da wäre auch noch Gryphius, der in seinem Sonett 'Die Hölle' buchstäblich das vorgeschriebene Metrum des klassischen Sonettes 'zerstörte':
Ach und Weh!
Mord! Zeter! Jammer! Angst! Kreuz! Marter! Würme! Plagen!
Pech! Folter! Henker! Flamm! Stank! Geister! Kälte! Zagen!
Ach vergeh!
Tief und Höh!
Meer! Hügel! Berge! Fels! Wer kann die Pein ertragen?
Schluck Abgrund! ach schluck ein! die nichts denn ewig klagen!
Je und Eh!
Schreckliche Geister der dunkelen Höhlen, ihr, die ihr martert und Marter erduldet,
Kann denn der ewigen Ewigkeit Feuer nimmermehr büßen dies, was ihr verschuldet?
O grausam Angst, stets sterben sonder Sterben!
Dies ist die Flamme der grimmigen Rache, die der erhitzete Zorn angeblasen!
Hier ist der Fluch der unendlichen Strafe, hier ist das immerdar wachsende Rasen!
O Mensch! Verdirb, um hier nicht zu verderben!
Und Rilke? Nun, in seinen 'Sonette👎 an Orpheus' spielte er mit der Sonetttradition. Er war kein Veganer, aber auch kein echter 'Rebell'. Zitat: „Sonette an Orpheus […] der Versuch, das Sonett abzuwandeln, es zu heben, ja gewissermaßen es im Laufen zu tragen, ohne es zu zerstören“
Als Veganer würde ich eher Wilhelm August Schlegel betrachten und seine 'Idealform des deutschen Sonetts' - er verfasste dazu auch ein entsprechendes Sonett, als 'Lehrgedicht':
Zwei Reime heiß' ich viermal kehren wieder, a
Und stelle sie, getheilt, in gleiche Reihen, b
Daß hier und dort zwei eingefaßt von zweien b
Im Doppelchore schweben auf und nieder. a
Dann schlingt des Gleichlauts Kette durch zwei Glieder a
Sich freier wechselnd, jegliches von dreien. b
In solcher Ordnung, solcher Zahl gedeihen b
Die zartesten und stolzesten der Lieder. a
Den werd' ich nie mit meinen Zeilen kränzen, c
Dem eitle Spielerei mein Wesen dünket, d
Und Eigensinn die künstlichen Gesetze. e
Doch, wem in mir geheimer Zauber winket, d
Dem leih' ich Hoheit, Füll' in engen Gränzen. c
Und reines Ebenmaß der Gegensätze. e
Ich persönlich hab's nicht so mit 'künstlichen Gesetzen'. Der Begriff 'Künstlich' kann zwei Bedeutungen haben. Und eine davon schätze ich nicht sonderlich - wenn sie dazu führt, dass ein Gedicht ein 'künstliches Konstrukt' statt Kunst ist.
Wie heißt es doch so treffend: Die Dosis macht das Gift. Das gilt auch bei Gedichten und, das ist wichtig, auch 'in beide Richtungen', d. h. für Regelkonformität und für das Ablehnen von Regeln. Es braucht 'das rechte Maß der Dinge'.
Jetzt aber zu deinem Werk. Gegensätze ziehen sich an, so heißt es doch. Gegensätze machen die Welt lebendig, sie bringen Bewegung hinein. Wären alle gleich, würden wir doch vor Langeweile eingehen wie die bekannten Primeln. :wink:
Bukowski und Rilke abwechselnd - prima.
Wein und Bier abwechselnd - nun, ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist, man bedenke den 'Morgen danach' ...
Und der arme Cigarillo, der ist ja ganz alleine - wie wäre es denn für das nächste Mal, als Gesellschaft, mit einer E-Zigarette?
Hm. Und ich frage mich: Rülpst Bukowski nun wegen Bier und Wein oder wegen Rilkes Harmonien?
Was mir sehr gut gefällt, ist das Bild des Flugzeugs in der Dunkelheit. Instrumentenausfall? Ich kann vor meinem inneren Auge sehen, wie es mal in diese, dann in jene Richtung fliegt, im Kreis herum - der Pilot: Äh, ich seh nix - wo geht's lang?!?
Ach ja, ich weiß. Mein Sinn für Humor ist manchmal etwas 'gewöhnungsbedürftig', so nannte das mal jemand. Aber ich finde, es ist doch okay - so lange das Flugzeug in der Luft bleibt. Wenn es abstürzte, wäre das nicht so gut. Da es allerdings nur ein imaginäres Flugzeug ist, besteht in der Hinsicht wohl keine Gefahr, denke ich und ich kann mir das eine oder andere Schmunzeln bei der Vorstellung sicher erlauben.
Bei 'Mallorca oder Ukraine', nun, da lenkst du, als Verfasser und Pilot, meine Gedanken in eine ganz andere Richtung. Die absolut nicht zum Schmunzeln anregt, ganz im Gegenteil! Party und Ballermann auf Mallorca oder Krieg in der Ukraine? Wo geht's hin für Deutschland? Und dann bekommen auch Rilke und Bukowski eine andere Bedeutung ... sehr interessant und sehr gut gemacht, lieber Carlos, wie dein Gedicht am Schluss die Richtung wechselt. Und hier passt auch das Bild des Zigarillo-Rauchens des LI.
Mich erstaunt ein bisschen, dass das noch niemand anderem auffiel? Denn der Ukraine-Konflikt bewegt ja gerade aktuell die Gemüter der Menschen, die die Nachrichten verfolgen. Und sogar die der Politiker - wobei, ach nun, da sage ich lieber nichts dazu ...
Was tun, spricht Zeus. Tja, wenn selbst der das nicht weiß ...
LG,
Anonyma