Moin Felix,
ich nehme an, dein Titel "Möchte wissen was Andere darüber denken" ist als Aufforderung an uns gedacht und der tatsächliche Titel ist "Mell"?
Nachdem wir deine Aufforderung erhalten haben, kannst du diesen Titel vielleicht jetzt anpassen, der ist nicht so schön für deinen Text^^
Gerne gebe ich mal ein paar Gedanken zum Text ab.
Ganz grundsätzlich:
Ich gehe davon aus, dass das hier Richtung Erstlingswerk geht und du dich damit gerade ausprobierst?
Vor diesem Hintergrund werde ich dich und deinen Text nun behandeln - falls dem nicht so ist, fass das aber bitte nicht als Beleidigung auf, ich will dich nur auch nicht verschrecken, wenn ich nun allzu viel fachsimple.
Des weiteren hoffe ich, dass etwaige Verbesserungsvorschläge dich nicht kränken, gerade weil der Inhalt ja möglicherweise mehr bedeuten könnte - es ist hier natürlich zurecht untersagt, von Texten auf reale Personen oder Begebenheiten zu schließen, aber falls da Verbindungen in dein Leben sein sollten, beachte bitte, dass es mir hier rein um den Text und die dort vermittelte Geschichte geht.
Metrum:
Offenbar hast du dich bereits mit Metrik beschäftigt?
Der gleichmäßige Wechsel von betonten und unbetonten Silben gelingt dir hier schon sehr gut.
Ein paar Stellen sind allerdings etwas unsauber und beeinträchtigen den Lesefluss ensprechend.
Ich markiere dir die Stellen hier einmal fett:
Jetzt ist es schon so lange her,
dass ich dich durfte sehen.
Erinnerungen warn mal mehr,
doch die Besten bestehen.
"Jetzt" ist sehr stark in seiner Eigenbetonung, es ist schwierig, zumal der Text damit einsteigt, das unbetont zu lesen, während das folgende "ist" eher schwach betont ist.
"doch" startet den Vers betont, sonst startest du unbetont.
"Besten" endet unbetont und "bestehen" beginnt auch unbetont. Dazwischen fehlt nach deinem Standardmetrum eine betonte Silbe.
Ich hoff nur dass du Oben sitzt,
wünsche es mir so sehr.
Ab und zu auf uns runterspitzt,
Glaub keiner denkt contraire.
"wünsche" beginnt auch wieder betont, davor müsste eine unbetonte Silbe.
Dasselbe bei "Ab".
"uns" ist betont, genauso "runter", dazwischen müsste eine unbetonte Silbe.
Dennoch:
du setzt sehr bewusst auf den 4-hebigen Jambus - dabei reihen sich Versfüße aus unbetonten und betonten Silben regelmäßig aneinander.
Da sieht man viele andere Erstlingswerke, die das nicht so überwiegend sauber hinbekommen.
Ich mache später auch gern noch ein paar Vorschläge, wie wir das Metrum geradebiegen können.
Reime:
Ich freue mich, dass du dich für ein gebundenes, gereimtes Gedicht entschieden hast.
Wir sehen hier einen Kreuzreim, Vers 1 reimt sich also auf Vers 3 und Vers 2 reimt sich auf Vers 4.
Das gelingt dir auch fast überall sauber, lediglich danke/kannte ist kein reiner Reim, sondern eine Assonanz, also "nur" ein Gleichklang der Vokale in den Reimwörtern.
Bemerkenswert ist außerdem, dass du einen Reim durch fast jede Strophe ziehst, das bringt eine schöne Verbundenheit mit. Lediglich in der letzten Strophe fehlt dieser Reim, das ist dann etwas schade!
Erwähnen will bezüglich deiner Reim-Strategie folgenden Vers:
dass ich dich durfte sehen.
Du weichst hier stark von der üblichen Satzstruktur ab, üblich wäre "sehen durfte", um eben den Reim bedienen zu können. Solche sogenannten Inversionen sind leider gar nicht hübsch, besonders dann nicht, wie ich finde, wenn sie nur dem Reim geschuldet sind.
Außerdem:
Glaub keiner denkt contraire.
Der Ausflug ins Frankophone ist mir hier nicht klar, außer wieder, um einen Reim zu bedienen.
Wenn das inhaltlich keinen Sinn macht, fällt sowas natürlich stark auf und kann störend wirken.
Zumal es das deutsche "konträr" gibt, gleich gesprochen wobei auch nur wenig besser, da das vom Duktus einfach nicht die sonstige Sprache deines Textes bedient.
Bildsprache und Inhalt:
Dein Text ist bildsprachlich recht nüchtern, er gibt den Inhalt sehr beschreibend wieder.
Bildsprachlich interessant sind möglicherweise "Gin" und "oben sitzen", da da kleine interpretatorische, implizite Fensterchen aufgemacht werden, wo wir uns unseren Teil denken können.
Ansonsten sagt dein Text aber, wie gesagt, recht klar heraus, um was es geht:
Das lyrische Du, Mell, ist offenbar verstorben und wird von den Hinterbliebenen nun sehr vermisst.
Das muss nichts verkehrtes sein!
Aber nachdem du mit Metrik und Reim bereits gezeigt hast, dass du Interesse daran hast, Gedichte zu schreiben, bietet es sich natürlich auch an, den Inhalt zu
verdichten, nicht alles wortgetreu auszuformulieren, sondern Vergleiche, Metaphern, einen übertragenen Sinn einzubauen und uns etwas knobeln zu lassen 😉
Die Idee dabei ist, dass ein Gefühl viel besser nachvollziehbar ist, wenn der Text es erzeugt, nicht wenn er es benennt.
Es macht natürlich nun keinen Sinn, deinem Text hier nachträglich eine Bildsprache aufzustülpen, aber vielleicht willst du das als kleine Übung für den nächsten Text mitnehmen: Nicht sagen wie es ist, sondern den eigentlichen Inhalt in Bildsprache verkleiden.
Änderngsvorschlag:
Dennoch will ich zur besseren Nachvollziehbarkeit dessen, was ich dir hier erzählt habe, ein paar Ideen und Verbesserungsvorschläge für deinen Text mit dir teilen.
Die sollst und musst du natürlich nicht übernehmen, aber es soll deutlicher machen, worum es bei meinen Anmerkungen ging:
Mell
Es ist nun schon so lange her,
als ich zuletzt dich vor mir sah.
Erinnerungen wiegen schwer,
die besten bleiben immer da.
Ich frag nicht mehr nach einem Sinn,
ich frag nicht mehr: ist das denn fair?
Dich bringt auch nicht der beste Gin
- ich hab's versucht - zurück hierher.
Ich hoff nur, dass du oben sitzt
- ich wünsche mir nichts and'res mehr -
und ab und zu herunterspitzt.
Es wäre schön, wenn das so wär.
Nun sag ich nur noch: Danke sehr,
- auch wenn ich all das nicht versteh,
denn nur dank dir, war's nicht so leer -
bis ich dich endlich wiederseh.
So, das soll es nun aber gewesen sein.
Ich wünsche dir weiterhin viel Freude an der Lyrik, mach weiter so 🙂
LG Chris