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Nocturne

  • Carolus
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          Nocturne
 
Regenwolken überm Land,
Regen, Woche für Woche.
Glockenschläge im Dunkeln.
Wie viele?

 
Knarrend öffnet sich die Türe.
Ein Mann mit einer Kerze
tritt ein in den menschenleeren Saal,
nimmt Platz am Flügel. Schweigt.

 
Nach einer Weile schlägt er klar und
erschreckend seinen Grundton an,
hält inne, horcht ihm nach, wartet,
als ob er zurück kommen würde.

 
Mit federleichtem Anschlag lockt er
einzelne Töne aus ihrer Starre,
formt, fügt sie zu Bildern der Seele,
entlässt sie auf eine Reise in sein wildes Leben.

 
Kaskaden aus Dur und Moll zerrinnen
im Treibsand der eigenen Geschichte.
Mitreißend erstellt er bildhafte Kostbarkeiten,
interpretiert, färbt ein, unterlegt ihnen ungewohnte

Melodien und Akkorde, lässt sie verklingen,
steigert rasch mit schnellen Takten das Tempo.

Tanzend wirbeln seine Finger federleicht
über die Tastatur. Akkorde dunklen Molls


peitscht er wie ein Besessener zur Spitze,
um unmittelbar in zärtlichem Streicheln zu enden.

Seine Klänge durchdringen mich, wühlen
ungezähmte Emotionen auf: Schreie nach Liebe,

 
Flüche nach dem Tod der Geliebten,
Gotteslästerungen und dumpfe Klagen.

Themenwechsel: Polonaise ist angesagt.
Schritte bewusster Männlichkeit junger Offiziere:


Der Stolz Polens gleitet über das Parkett,
begleitet und beflügelt von erblühter Weiblichkeit.

1830 werden viele auf den Straßen Warschaus ihr Blut
im Kampf gegen Horden russischer Willkür vergießen,


die Polen nicht nur seinen Körper, sondern auch Herz und Seele
stehlen und unter ihren Stiefeln zertreten wollen.

Allmählich verstummt der Trauermarsch.
Eine Weile nur Totenstille. An den Fenstern rüttelt der Wind.


Chopin erhebt sich, nimmt das Kerzenlicht und verlässt den Saal,
Draußen ein grauer, regennasser Tag .
    

 
 
  • Carolus
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