Reifegrade
Mutter schaut sich ganz begeistert die Krönungsfeierlichkeiten des dänischen Königshauses an.
Ich habe für so etwas nur Verachtung übrig, da ich ja natürlich als Linker, der aus der Achtundsechziger-Ecke kommt,
für so einen Hinterweltlerkram nun mal wirklich keinerlei Sympathie aufbringen kann. Ich mache mir einen Kaffee und zwei Marmeladenbrote,
weil ich wieder einmal versäumte, für sonntags Kuchen zu besorgen und setze mich so an den Esstisch, dass ich keinen Blick auf das TV-Gerät habe.
Sowas schaue ich mir grundsätzlich nicht an, ich bin doch nicht behämmert.
Wieso gelingt es so vielen europäischen Ländern einfach nicht, dieses Königsschmarotzerpack abzuschütteln?
Was das kostet? Ich steigere mich, wie das immer bei mir ist, in solchen abstrusen Fällen, in einen inneren Hassmonolog hinein,
befeuert noch durch Mutters Kommentare zu der, von ihr höchst interessiert betrachteten Zeremonie.
„Die ist aber schlank“, sagte sie und meint womöglich die neue Königin. Ich verkneife es mir einen gepfefferten Kommentar über Superreiche,
die sich in eine Essstörung hinein hungern, abzulassen. Meist ziehe ich bei solchen Gelegenheiten noch über Frauen her,
denn meine nächste Assoziation ist dann gewöhnlich, dass Frauen hysterisch sind und deswegen die Mehrzahl der Essgestörten bilden.
Logisch. Diesmal halte ich meine Klappe, auch weil ich spüre, dass Mutter zu sehr in Bewunderung für das Geschaute aufgeht und das Maul will ich mir von ihr nun wirklich nicht verbieten lassen.
Gerade als ich weiteren Zunder für meine innere Wutrede auf Königshäuser im Jahre Zwanzigvierundzwanzig sammeln will,
dringt eine Erkenntnis, die eventuell wahr sein könnte, in mein überreiztes Bewusstsein, wie eine mahnende Stimme, die zu mir spricht:
„Es hätte Hitler nie gegeben, wenn ihr Kaiser Wilhelm nicht zum Teufel gejagt hättet.“
„Bitte, was?“, denke ich. Und dann denke ich nach kurzer Prüfung des Einwands der Stimme.
„Womöglich hat sie recht.“
Das deutsche Volk war damals alles andere als reif dafür, eine funktionierende Demokratie auf die Beine zu stellen.
Wir hätten den Kaiser noch gebraucht, weil wir als Volk noch in der Pubertät steckten.
Dänemark, England, Spanien, und die anderen, deren Königshäuser ich nicht kenne, hatten und haben recht?
Dann stehe ich vom Esstisch auf und trete hinter Mutters Sessel, um das schöne dänische Königspaar zu bewundern, das soeben,
um exakt fünfzehnuhrdreißig, akkurat nach Plan, mit der Kutsche, die gezogen wird von großrahmigen Schimmeln, wie man sie selten sieht, Richtung Schloss Christiansborg aufbricht.
Mutter schaut sich ganz begeistert die Krönungsfeierlichkeiten des dänischen Königshauses an.
Ich habe für so etwas nur Verachtung übrig, da ich ja natürlich als Linker, der aus der Achtundsechziger-Ecke kommt,
für so einen Hinterweltlerkram nun mal wirklich keinerlei Sympathie aufbringen kann. Ich mache mir einen Kaffee und zwei Marmeladenbrote,
weil ich wieder einmal versäumte, für sonntags Kuchen zu besorgen und setze mich so an den Esstisch, dass ich keinen Blick auf das TV-Gerät habe.
Sowas schaue ich mir grundsätzlich nicht an, ich bin doch nicht behämmert.
Wieso gelingt es so vielen europäischen Ländern einfach nicht, dieses Königsschmarotzerpack abzuschütteln?
Was das kostet? Ich steigere mich, wie das immer bei mir ist, in solchen abstrusen Fällen, in einen inneren Hassmonolog hinein,
befeuert noch durch Mutters Kommentare zu der, von ihr höchst interessiert betrachteten Zeremonie.
„Die ist aber schlank“, sagte sie und meint womöglich die neue Königin. Ich verkneife es mir einen gepfefferten Kommentar über Superreiche,
die sich in eine Essstörung hinein hungern, abzulassen. Meist ziehe ich bei solchen Gelegenheiten noch über Frauen her,
denn meine nächste Assoziation ist dann gewöhnlich, dass Frauen hysterisch sind und deswegen die Mehrzahl der Essgestörten bilden.
Logisch. Diesmal halte ich meine Klappe, auch weil ich spüre, dass Mutter zu sehr in Bewunderung für das Geschaute aufgeht und das Maul will ich mir von ihr nun wirklich nicht verbieten lassen.
Gerade als ich weiteren Zunder für meine innere Wutrede auf Königshäuser im Jahre Zwanzigvierundzwanzig sammeln will,
dringt eine Erkenntnis, die eventuell wahr sein könnte, in mein überreiztes Bewusstsein, wie eine mahnende Stimme, die zu mir spricht:
„Es hätte Hitler nie gegeben, wenn ihr Kaiser Wilhelm nicht zum Teufel gejagt hättet.“
„Bitte, was?“, denke ich. Und dann denke ich nach kurzer Prüfung des Einwands der Stimme.
„Womöglich hat sie recht.“
Das deutsche Volk war damals alles andere als reif dafür, eine funktionierende Demokratie auf die Beine zu stellen.
Wir hätten den Kaiser noch gebraucht, weil wir als Volk noch in der Pubertät steckten.
Dänemark, England, Spanien, und die anderen, deren Königshäuser ich nicht kenne, hatten und haben recht?
Dann stehe ich vom Esstisch auf und trete hinter Mutters Sessel, um das schöne dänische Königspaar zu bewundern, das soeben,
um exakt fünfzehnuhrdreißig, akkurat nach Plan, mit der Kutsche, die gezogen wird von großrahmigen Schimmeln, wie man sie selten sieht, Richtung Schloss Christiansborg aufbricht.