I
Gottes Volk trägt voller Würde
schweigend seine schwere Bürde:
Fremd und beinah wie verbannt
fühlt es sich im Heimatland,
denn der oberste Minister
stammt vom Volke der Philister.
Deren lästerliches Treiben
lässt sich nüchtern kaum beschreiben.
Niemand will es ihnen wehren,
Dagons Fischkopf zu verehren.
Für den einzig wahren Gott
haben sie nur Hohn und Spott.
Samson, der gerechte Richter,
jedes Streites edler Schlichter,
hat mit List und Muskelkraft
manches aus der Welt geschafft,
was die Fremden an Schikanen
planten für die Untertanen.
Doch selbst Helden seines Schlages
können eines schönen Tages
Herz und auch Verstand verlieren,
müssen schmachtend vegetieren,
wandeln wachend wie im Schlaf,
wenn ein Liebespfeil sie traf.
Bei des Abendwindes Fächeln
grüßt ihn mit verschmitztem Lächeln
eine Tochter der Gemeinde
seiner so verhassten Feinde.
Da ist böser Rat nicht teuer
bei solch heißem Liebesfeuer:
Diesen starken Mann zu zähmen
soll Delila sich nicht schämen,
ihn verführen und bezwingen.
Würde ihr dies wohl gelingen,
wollte ihren zarten Händen
reichen Lohn man gerne spenden.
II
Wo die Turteltauben girren
und Libellenflügel schwirren,
steht Delilas Pavillon
mit Terrasse und Balkon.
Ihren Liebsten zu erwarten,
sitzt sie schön geschminkt im Garten.
Als er in die Laube tritt,
weicht sie einen kleinen Schritt,
legt die Stirn in Sorgenfalten,
ihn ein wenig hinzuhalten:
"Sage mir, geliebter Mann,
wie man dich wohl binden kann!
Dreimal in den letzten Tagen
ist es uns schon fehlgeschlagen.
Weil du dich verschlossen zeigst,
dein Geheimnis mir verschweigst,
sag ich dir ins Angesicht:
Samson, nein - du liebst mich nicht!"
"Da du so sehr in mich dringst
und mich unter Tränen zwingst,
will ich es dir offenbaren:
Nur in meinen langen Haaren
liegt die Quelle meiner Kraft
und auch meiner Leidenschaft."
Wie sein Herz zerfließen muss
bei dem langen, heißen Kuss,
den Delila hoch entzückt
jetzt auf seine Lippen drückt!
Kaum, dass er sie sprechen hört,
schon vom süßen Rausch betört.
Samson sinkt zu ihren Knien,
lässt sich sanft zu Boden ziehen.
Da - geschwind aus dem Verstecke
einer wilden Rosenhecke
stürzt sich die bestellte Meute
wie ein Löwe auf die Beute.
Die ihn lockte ins Verderben
durch ihr holdes Liebeswerben,
sie gewahrt es ohne Tränen,
wie nun Samsons Lockensträhnen
die geschärfte Klinge mäht -
und kein Hahn, der nach ihm kräht.
Noch im Augenblick erschlafft
seine wilde Manneskraft.
Zu vollenden seine Qual,
fährt der kalte, blanke Stahl
wie ein Blitzstrahl blendend nieder
unter seine Augenlider.
Aber die Geliebte spürt
keinen Schmerz, bleibt ungerührt.
In dem kühlen Schlafgemach
zählt sie die Belohnung nach,
zieht den Seidenvorhang zu
und begibt sich still zur Ruh.
III
Tief im öden Kerker schmachtet
Samson nun, vom Volk verachtet,
muss gebeugt im Kreise gehen
und den schweren Mühlstein drehen.
Mit der letzten Kraft der Lunge
fließt es von der schweren Zunge:
"Herr, du kannst mein Elend sehen,
so erhöre auch mein Flehen!
Hab ein letztes Mal Erbarmen
und verleihe meinen Armen
ihre altgewohnte Stärke,
dass ich zu gerechtem Werke
sie noch einmal darf verwenden -
und dann mag mein Leben enden."
Als zum ersten Mal seit Wochen
er mit seinem Gott gesprochen,
hört er, wie mit leisem Schritt
jemand ins Gewölbe tritt.
Kaum hat er sich umgewandt,
fühlt er eines Knaben Hand,
welche ihn behutsam leitet,
während er im Dunkel schreitet,
ahnungsvoll, doch ohne Worte,
durch des Dagontempels Pforte.
Könnte unser Held noch sehen,
würde es ihm jetzt vergehen.
Nicht erspart wird ihm zu hören,
wie in laut gegrölten Chören
Dagons Lob man hier erhebt,
und sein ganzes Ich erbebt.
Eine Orgie ist im Schwang
unter hellem Sang und Klang,
welche lüstern und erregt
sich zum Höhepunkt bewegt:
Ihren Reigentanz beginnen
halb entblößte Tänzerinnen.
Zu verträumten Flötenweisen
lassen sie die Hüften kreisen.
Zu gepflegtem Pokulieren*
soll dies Schauspiel animieren.
Wer vergnügt sich hier mit wem?
Hier und heute kein Problem -
denn das reiche Festgedeck
zielt auf einen hohen Zweck:
Oft nach solchen Bacchanalen
steigen die Geburtenzahlen,
der Philister Volk zu mehren,
dass sie sich noch besser wehren.
Heute wollen sie sich weiden
an des Lieblingsgegners Leiden,
sehen ihn vor aller Welt
öffentlich zur Schau gestellt.
Auf des Tempels weite Bühne
wird der hilflos schwache Hüne
schwankend nun hereingeführt.
Man ergötzt sich ungerührt,
wie die auferlegten Qualen
sich in seinem Antlitz malen.
Zu dem Knaben flüstert er:
"Ach, mir wird das Gehen schwer."
Plötzlich fährt er sich durchs Haar,
das schon nachgewachsen war,
rüttelt kurz an zwei Pilastern,
welche, schlank und alabastern,
vor des Volks entsetzten Blicken
gleich wie Schwefelhölzer knicken.
Unter fürchterlichem Krach
stürzt das ganze Tempeldach.
Alle in dem frohen Reigen
sind zerquetscht wie reife Feigen.
Von dem ganzen Prunk und Tand
bleibt nurmehr ein Haufen Sand.
Samson hatte schon im Leben
Tausenden den Tod gegeben.
Mehr noch stürzen ins Verderben
nun mit seinem frühen Sterben.
Ist ein Held von Gott erkoren,
lässt er niemand ungeschoren...
(* Die Buchstaben p und k in dem Wort "pokulieren" dürfen gerne vertauscht werden)
Gottes Volk trägt voller Würde
schweigend seine schwere Bürde:
Fremd und beinah wie verbannt
fühlt es sich im Heimatland,
denn der oberste Minister
stammt vom Volke der Philister.
Deren lästerliches Treiben
lässt sich nüchtern kaum beschreiben.
Niemand will es ihnen wehren,
Dagons Fischkopf zu verehren.
Für den einzig wahren Gott
haben sie nur Hohn und Spott.
Samson, der gerechte Richter,
jedes Streites edler Schlichter,
hat mit List und Muskelkraft
manches aus der Welt geschafft,
was die Fremden an Schikanen
planten für die Untertanen.
Doch selbst Helden seines Schlages
können eines schönen Tages
Herz und auch Verstand verlieren,
müssen schmachtend vegetieren,
wandeln wachend wie im Schlaf,
wenn ein Liebespfeil sie traf.
Bei des Abendwindes Fächeln
grüßt ihn mit verschmitztem Lächeln
eine Tochter der Gemeinde
seiner so verhassten Feinde.
Da ist böser Rat nicht teuer
bei solch heißem Liebesfeuer:
Diesen starken Mann zu zähmen
soll Delila sich nicht schämen,
ihn verführen und bezwingen.
Würde ihr dies wohl gelingen,
wollte ihren zarten Händen
reichen Lohn man gerne spenden.
II
Wo die Turteltauben girren
und Libellenflügel schwirren,
steht Delilas Pavillon
mit Terrasse und Balkon.
Ihren Liebsten zu erwarten,
sitzt sie schön geschminkt im Garten.
Als er in die Laube tritt,
weicht sie einen kleinen Schritt,
legt die Stirn in Sorgenfalten,
ihn ein wenig hinzuhalten:
"Sage mir, geliebter Mann,
wie man dich wohl binden kann!
Dreimal in den letzten Tagen
ist es uns schon fehlgeschlagen.
Weil du dich verschlossen zeigst,
dein Geheimnis mir verschweigst,
sag ich dir ins Angesicht:
Samson, nein - du liebst mich nicht!"
"Da du so sehr in mich dringst
und mich unter Tränen zwingst,
will ich es dir offenbaren:
Nur in meinen langen Haaren
liegt die Quelle meiner Kraft
und auch meiner Leidenschaft."
Wie sein Herz zerfließen muss
bei dem langen, heißen Kuss,
den Delila hoch entzückt
jetzt auf seine Lippen drückt!
Kaum, dass er sie sprechen hört,
schon vom süßen Rausch betört.
Samson sinkt zu ihren Knien,
lässt sich sanft zu Boden ziehen.
Da - geschwind aus dem Verstecke
einer wilden Rosenhecke
stürzt sich die bestellte Meute
wie ein Löwe auf die Beute.
Die ihn lockte ins Verderben
durch ihr holdes Liebeswerben,
sie gewahrt es ohne Tränen,
wie nun Samsons Lockensträhnen
die geschärfte Klinge mäht -
und kein Hahn, der nach ihm kräht.
Noch im Augenblick erschlafft
seine wilde Manneskraft.
Zu vollenden seine Qual,
fährt der kalte, blanke Stahl
wie ein Blitzstrahl blendend nieder
unter seine Augenlider.
Aber die Geliebte spürt
keinen Schmerz, bleibt ungerührt.
In dem kühlen Schlafgemach
zählt sie die Belohnung nach,
zieht den Seidenvorhang zu
und begibt sich still zur Ruh.
III
Tief im öden Kerker schmachtet
Samson nun, vom Volk verachtet,
muss gebeugt im Kreise gehen
und den schweren Mühlstein drehen.
Mit der letzten Kraft der Lunge
fließt es von der schweren Zunge:
"Herr, du kannst mein Elend sehen,
so erhöre auch mein Flehen!
Hab ein letztes Mal Erbarmen
und verleihe meinen Armen
ihre altgewohnte Stärke,
dass ich zu gerechtem Werke
sie noch einmal darf verwenden -
und dann mag mein Leben enden."
Als zum ersten Mal seit Wochen
er mit seinem Gott gesprochen,
hört er, wie mit leisem Schritt
jemand ins Gewölbe tritt.
Kaum hat er sich umgewandt,
fühlt er eines Knaben Hand,
welche ihn behutsam leitet,
während er im Dunkel schreitet,
ahnungsvoll, doch ohne Worte,
durch des Dagontempels Pforte.
Könnte unser Held noch sehen,
würde es ihm jetzt vergehen.
Nicht erspart wird ihm zu hören,
wie in laut gegrölten Chören
Dagons Lob man hier erhebt,
und sein ganzes Ich erbebt.
Eine Orgie ist im Schwang
unter hellem Sang und Klang,
welche lüstern und erregt
sich zum Höhepunkt bewegt:
Ihren Reigentanz beginnen
halb entblößte Tänzerinnen.
Zu verträumten Flötenweisen
lassen sie die Hüften kreisen.
Zu gepflegtem Pokulieren*
soll dies Schauspiel animieren.
Wer vergnügt sich hier mit wem?
Hier und heute kein Problem -
denn das reiche Festgedeck
zielt auf einen hohen Zweck:
Oft nach solchen Bacchanalen
steigen die Geburtenzahlen,
der Philister Volk zu mehren,
dass sie sich noch besser wehren.
Heute wollen sie sich weiden
an des Lieblingsgegners Leiden,
sehen ihn vor aller Welt
öffentlich zur Schau gestellt.
Auf des Tempels weite Bühne
wird der hilflos schwache Hüne
schwankend nun hereingeführt.
Man ergötzt sich ungerührt,
wie die auferlegten Qualen
sich in seinem Antlitz malen.
Zu dem Knaben flüstert er:
"Ach, mir wird das Gehen schwer."
Plötzlich fährt er sich durchs Haar,
das schon nachgewachsen war,
rüttelt kurz an zwei Pilastern,
welche, schlank und alabastern,
vor des Volks entsetzten Blicken
gleich wie Schwefelhölzer knicken.
Unter fürchterlichem Krach
stürzt das ganze Tempeldach.
Alle in dem frohen Reigen
sind zerquetscht wie reife Feigen.
Von dem ganzen Prunk und Tand
bleibt nurmehr ein Haufen Sand.
Samson hatte schon im Leben
Tausenden den Tod gegeben.
Mehr noch stürzen ins Verderben
nun mit seinem frühen Sterben.
Ist ein Held von Gott erkoren,
lässt er niemand ungeschoren...
(* Die Buchstaben p und k in dem Wort "pokulieren" dürfen gerne vertauscht werden)