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Feedback jeder Art Schwalbe im Eis

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  • Perry
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Schwalbe im Eis
Da war Blau und See und Mutter
und der warme Dunst der Kühe.
Da waren Erde, Kartoffeln und Schwalben
und immer wieder Fische vom nahen See.
Da waren grosse Hände -
warm und von der Arbeit rauh,
weite Felder und schwere Arbeit.
Und alles atmete Heimat.
Dann kam eine Zeit,
da sie
blutige Schwalben fand im Hof.
Ihr Herz erwachte von Trommeln
innen und außen.
Die grossen Hände wurden kalt
und die klaren Augen wie Teiche vor Gewitter:
verschlossen vor Unheil.
Das Trommeln im Herzen kam näher:
Immer öfter fand sie tote Schwalben,
rot vor Blut.
Eines Morgens dann
zerrissen die Trommeln ihr Herz:
Grobe stinkende Männer unter dem Zeichen
von Sichel und Hammer
schnitten Eisblöcke aus der Luft und
hackten die Sprache entzwei.
Die Grossmutter schrie Blut.
In dieser Nacht starb der Mond.

Der Januar liegt begraben
unter einem Leichentuch aus Schnee.
Die Blumen dieses Frühlings trinken
Wasser und Blut.
Hoch droben fliegt
eine junge Schwalbe in den Himmel.
Ihr Schrei bleibt ohne Echo.

gewidmet dem kleinen mädchen im herzen meiner mama
 
Liebe @Sternenherz,
 
das ist so plastisch beschrieben, dass ich meine, den "warmen Dunst der Kühe" zu spüren und die großen arbeitsamen Hände der Mutter (bzw. Großmutter).
Und alles atmete Heimat.
Wie schön (und vergänglich)!
 
Die Schwalben durchziehen das Gedicht in doppelter Hinsicht wie ein roter Faden - am Ende, als wieder Ruhe eingekehrt ist (die beiden letzten Strophen in der Gegenwart) verliert sich der Schrei der Schwalbe in den fremd gewordenen Weiten des Himmels ohne Echo.
zerrissen die Trommeln ihr Herz:
Grobe stinkende Männer unter dem Zeichen
von Sichel und Hammer
schnitten Eisblöcke aus der Luft und
hackten die Sprache entzwei.
Sehr starke Zeilen und Ausdrücke, Metaphern: Sichel und Hammer; die "groben und stinkenden Männer" sagt das, was wir nicht sehen - was geschehen ist; die Sprache entzwei hacken mit fremden Tönen (so kann man es empfinden). Wofür das aus der Luft Schneiden der Eisblöcke steht, kann ich nicht sagen, aber ich fühle es: Aus der blauen, lauen Luft wurde Eis (sinnbildlich mit Säbeln geschnitten?), das in Blöcken herabdonnert, erschlägt, unter Kälte begräbt ... Sehr beeindruckende Zeilen!
 
Die Grossmutter schrie Blut.
In dieser Nacht starb der Mond.
In dieser Nacht starb die Großmutter (die Mutter der Mutter des LI, das hier ein kleines Mädchen ist).
 
Liebe Sternenherz, wie schöne Zeilen! Ich ordne sie noch dem Muttertag zu, und freue mich, sie gelesen zu haben! Ein großes Lob von mir!
 
Nesselröschen (still und nachdenklich, sprachlos)
 
 
 
 
Hallo Sternenherz,
 
die kindliche Idylle wird plötzlich auf grausame Art und Weise zerstört und die wohlbehütete Welt des kleinen Mädchens ist mit einem Schlag zu Ende. Wunderbar geschrieben, so bildreich und schmerzlich berührend, ein düsteres Zeitdokument. Unvorstellbar für den, der es nicht erlebt hat. Wie gut, dass du darüber schreiben kannst.
 
Liebe Grüße
Nöck
 
Lieber @Nöck , liebe @Nesselröschen, liebe @Josina, lieber @Létranger
Danke für Eure Zeilen, das Einfühlen und das Reflektieren meiner Er-innerungen, die keine eigenen sind, sondern die meiner Ahninnen und als solche auch nur "angespürt" , weil nie wirklich und wahrhaftig so erzählt bekommen.
Vom Gefühl her ist es so gewesen ....
 
Ja, Nöck - es ist gut, dass ich Worte gefunden habe, endlich.
Es ist für mich not-wendend, darüber zu schreiben. Dies Gedicht entstand vor mehr als 10 Jahren - damals wühlte das Erleben meiner Ahninnen noch sehr in mir , unaufgearbeitet und unausgesprochen - und spülte mir diese Bilder zu.
 
Nesselröschen ja, die Schwalben kommen mehrfach vor -- sie haben sich in meiner inneren Welt auch sehr verselbständigt - sprich: Sie tauchten in einem weiteren, sehr wichtigen Gedicht für mich wieder auf -- von selber scheinbar. Als ich allerdings diesem Faden nachging, merkte ich, dass da ein innerer, unbewußter bzw. unterbewußter Zusammenhang besteht. Solche Dinge sind es, die Schreiben für mich manchmal magisch, in jedem Falle aber heilend machen.
Die HEimat, die ich dort "empfinde" , sah ich, in Bayern geboren, lange Jahre als die meinige an. Nicht aus Heimatdümpelei, sondern aus einer eigenen, tief empfundenen Nicht-Zugehörigkeit. Inzwischen hat sich das gewandelt. Ich bin froh, eine Bayerin zu sein ... und mag ihre "griabige" und sehr direkte Art sehr.
 
Josina, Danke Dir für Dein Mitschwingen und Mitgefühl.
 
Lètranger, ja das ist mit Herzblut geschrieben... . Danke für Dein Mitschwingen .
 
Danke @SalSeda für Dein Herz
 
Liebe Grüße
 
Sternenherz
 
 
 
 
 
Hallo Sternenherz,
vertrieben zu werden gehört wohl zu den schlimmsten Erlebnissen von Menschen.
Da ist die "Schwalbe" als freier Zugvogel eine gute Methapher, die Qual auf sie zu übertragen.
Um dazu noch etwas zu philosophieren, sind wir nicht alle irgendwie Vertriebene, sei es aus dem Paradies, der Kindheit, der Liebe und letzlich aus dem Leben?
Gern hineingespürt und LG
Perry
 
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