Hallo gummibaum,
wahrlich meisterhaft. Sowohl dein Gedicht, wie das Gemälde.
Beides ist es wert näher und länger zu betrachten und beide tragen Fragen in sich.
Ich versuche mich mal in einer Analyse des Gedichtes:
Jambisch, durchgehend 5-hebig, alternierendes Metrum, 11 und Silben im Wechsel. Umarmender Reim. Männliche und weibliche Kadenzen. In jedem Vers eine Zäsur. Gedichtform: Sonett
(hey Leute, genial was? Das hab ich alles im Forum gelernt Leider ist das nur der Anfang )
Der umarmende Reim ist hier perfekt zum Bild gewählt in dem ja auch viel umarmendes ist: die Gewänder umarmen die Mutter, die Mutter das Kind, Papst und Heilige die Mutter mit dem Kind, die Wolken die Szenerie, der Vorhang das Gemälde.
Du beginnst dein Gedicht und die erste Strophe mit den Worten: Dein Blick
und der Blick scheint mir auch im Gemälde eine zentrale Rolle zu spielen und deswegen ist die prominente Stelle für genau diesen Satz perfekt gewählt.
Du beginnst die zweite Strophe mit der Frage "was nützts".
Allein in den beiden Worten liegt ein seufzender Fatalismus, was nützt es, sich zu wehren, darüber nachzudenken, traurig oder verzweifelt zu sein: niemand entgeht seinem Schicksal und es gibt keine andere WAhl, wir können ihm nur entgegengehen.
Das spiegelt sich auch im ersten Terzett wieder, in den Worten: doch euch ist ja geboten nicht zu fragen.
Auffällig finde ich auch den Wechsel zwischen den Strophen, eine die eher beschreibend, gefolgt von einer empfindend fragenden.
Das Kreuz das nicht zu sehen ist, da muss man eben wissen wo das Bild stand, also in welchem Bezug, das hat Alex ganz richtig gemacht und ich habe es ihm gleichgetan
Interessant finde ich, dass du den wehenden Schleier mit einer Harmonie im Bild in Verbindung bringst, da muss ich nochmal genauer hinsehen.
Die Conclusio wieder ein genialer Schachzug: die Hoffnung, dass sich selbst zu opfern das ewige Leben bringt. Dieser Satz ist ja nicht nur rein religiös christlich zu verstehen. Sondern hat durchaus einen modernen Bezug auch zu den östlichen Weisheitslehren: Das Ego zu opfern bzw loszulassen um Erleuchtung zu erlangen.
Ich könnte noch viel mehr schreiben, aber möchte auch noch ein paar für mih bemerkenswerte Aspekte zum Bild sagen, ich hoffe es ist ok (es geht ja eigentlich um dein Gedicht nicht um das Bild).
Dein Blick so ernst, als schaute er ein Leiden,
das deinem Kind bevorsteht, und du trägst
mit dem, was du im Arm so liebend wägst,
auch Trauer, denn du kannst es nicht vermeiden.
Was nützt's, dass Wolken dir den Weg bereiten
dorthin, wo man das Büßerkreuz schon sieht,
zwei Heilige den Weg, den jeder flieht,
dir weisen und voll Demut dich begleiten,
wenn selbst dein Kind, so schön und leicht getragen,
mit Blicken spiegelt, was im Fernen schwebt?
Doch euch ist ja geboten, nicht zu fragen!
Ein Schleier, welchen Luft beim Eilen hebt,
schafft Harmonie im Bild, und sie lässt wagen
und glauben, dass, wer opfert, ewig lebt.
Zum Gemälde:
Wie nähert man sich einem Gemälde dieser Größe? Als erstes nimmt man wohl den Gesamteidruck war, die Komposition und die Anordnung der Personen.
Aber im Zentrum steht das Antlitz der Muttergottes und das Antlitz dieser wunderschönen jungen Frau.
Dann die Aufmerksamkeit auf die Gesichter und ihre Ausdrücke was sie spiegeln, ich finde sie sprechen Bände! Da könnte ich die Seite vollschreiben.
Am auffälligsten und fast grotesk hervorstechend allerdings finde ich das Jesuskind.
Fangen wir mit der Körperhaltung an:
Es sitzt im typischen Babyhaltegriff der Mutter und genau da stimmt etwas nicht:
die Bein Haltung und die Haltung der rechten Hand.
Hat jemand schon mal ein Baby auf dem Arm der Mutter gesehen, das seine Beine so überschränkt hat und mit der hand das Bein stützt wie ein Alter der gerade fernsieht oder einfach relaxed sein Weinchen schlürft (also ich hab das noch nicht gesehen).
Dann die Haltung der rechten Hand: sie ist nicht so , als wurde es etwas halten oder sich festhalten, sondern fast verkrampft weil die Hand nach hinten geht so als wollte es etwas nicht.
die Haltung des Oberkörpers ist auch nicht Babytypisch, eher vorgeneigt als würde ein Mensch über etwas brütend nachdenken. Für mich ergibt sich im Babykörper eine Gegensätzlichkeit zwischen oben und unten und dem Kopf. Insgesamt sehr viele erwachsene Anteile meine ich da zu sehen.
Bei einem so exakt darstellenden Künstler wie Raffael, frage ich mich einfach: was will er dem Betrachter sagen und ich bin überzeugt davon, dass er sehr viel quasi zwischen den Zeilen , nein Falten sagen wollte. Um dem Ideal der Schönheit die Kunst zum Ausdruckbringen sollte, meine ich hat er unter der Schönheit durch den Ausdruck der Gesichter doch eine menschliche Geschichte hineingelegt. So erscheint mir z.b. der Papst fast fragend, sein Blick sein Gesichtsausdruck scheinen Maria oder das Jesuskind zu fragen ob er/ sie wirklich diesen Weg gehen wollen und sie fast anzuflehen es sich noch einmal zu überlegen
Auch der Ausdruck der hl. Barbara im Gegensatz dazu, scheint fast schuldbewusst und um Vergebung bittend (diese These scheint mir die Handhaltung auf das Herz noch zu unterstreichen).
Beeindruckend war für mich auch, wie sich der Gesichtsausdruck verändert, wenn man sie von Weitem und von Nahem betrachtet. Am deutlichsten zu sehen an den beiden Putten im Vordergrund. Von Weitem betrachtet scheint der Linke etwas stinkig zu sein und als würde er denken... wann kommen die da oben endlich zu Potte, der rechte, fast gelangweilt und genervt denkt auch ..was brauchen denn die da oben so lange. Ganz anders erscheinen ihre Gesichtsausdrücke von Nahem besehen, fast wie als wüssten sie was kommt, bleiben dabei aber Empathielos, distanziert, als warten sie noch auf ihren Einsatz.
Da man Bilder dieser Art ja immer von Weitem sieht, denke ich dass der Maler, beide Ausdrucksweisen bewusst eingesetzt hat. Auftraggeber war ja die katholische Kirche und deren Vorgaben musste er gerecht werden.
Betrachte ich den von dir im Gedicht beschriebenen Aufbauschung des Schleiers und den Griff der Mutter, ihre gehenden Füße, ensteht bei mir der Eindruck einer fließenden Bewegung in der Maria ausholt um ihr Kind nach vornehin darzureichen, es seinem Schicksal und der Zukunft, auch dem Kreuz zu übergeben.
Der geöffnete (Theater) Vorhang, als würde auf der Bühne ein Schauspiel beginnen, symbolisiert für mich auch den Schleier der Zukunft zu lichten, der Blick der Madonna und des Jesuskindes wird frei zu sehen was vor ihnen liegt.
Ach ich könnt noch massenweise schreiben, aber irgendwann ist auch mal Schluss
Lieber @gummibaum,
ich finde dein Gedicht wirklich groß!
Liebe Grüße
Sali