Es war in einer milden Frühherbstnacht 1989, als ein Knistern in der Luft lag, das so plötzlich war, dass man glauben musste, es habe sich aus urewigen Tiefen heraus entladen. Mitten im Taumel des Überschwangs lagen West- und Ostdeutschland unversehens einander in den Armen und schauten einander in funkelnde Augen. Da sagte Ostdeutschland: "Ich hab dich wirklich sehr gern, aber ich weiß nicht... Es geht mir alles ein bisschen schnell." "Aber ich liebe dich", erklärte Westdeutschland. "Hab keine Angst! Ich werde gut für dich sorgen." Ostdeutschland blickte unter sich, hin- und hergerissen zwischen Euphorie und Vorsicht und rang um diese Worte: "Weißt du, ich habe gerade eine schwierige Zeit hinter mir und weiß ehrlich gesagt nicht ganz, wo mir der Kopf steht. Ich glaube, ich muss mich erst noch richtig finden. Ich brauche einen Neustart und bin mir einfach nicht sicher, ob ich schon bereit bin, mich zu binden." Hastig mahnte Westdeutschland: "Aber wir haben keine Zeit zu verlieren. Was ist, wenn dein Ex, der betrunkene Russe wieder zurückkommt?!" "Na gut", sagte Ostdeutschland - nicht "ja" und nicht "nein" und so kam es zur Drive-in-Hochzeit in Las Vegas.
Jener Hochzeitsnacht entstammten viele Kinder. Eines dieser Kinder bin ich. Wie so viele Kinder einer überhasteten Ehe, die aufgrund einer seltsamen Mischung aus Trägheit und Vernunft aufrechterhalten wird, ist meine Dankbarkeit mit Scham verbunden. Die Liebe zum Vater kommt einer Ablehnung der Mutter gleich, die Liebe zur Mutter erscheint mir wie ein Verrat an den Vater und doch kann ich nicht anders, als beide zu lieben. Alles andere wäre eine Negation meines eigenen Lebens. Vielleicht wäre etwas Geduld ratsam für meine Eltern gewesen, aber was dies für mich bedeutet hätte, will ich mir nicht ausmalen. Daher kann ich mir auch keine Scheidung wünschen. Die einzigen Momente, die dies plausibel machen, sind die wenigen Minuten im Jahr, wenn meine Eltern miteinander tanzen, einander zum Hochzeitstag gratulieren und sagen: "Wir gehören zusammen." Ob aus Tradition, ob in der Akzeptanz unveränderlicher Tatsachen oder weil sie in diesen Momenten erkennen, dass sie nie aufgehört haben, einander zu lieben, sondern es lediglichen vergaßen - indem sie es sagen, ist es wahr.
Jener Hochzeitsnacht entstammten viele Kinder. Eines dieser Kinder bin ich. Wie so viele Kinder einer überhasteten Ehe, die aufgrund einer seltsamen Mischung aus Trägheit und Vernunft aufrechterhalten wird, ist meine Dankbarkeit mit Scham verbunden. Die Liebe zum Vater kommt einer Ablehnung der Mutter gleich, die Liebe zur Mutter erscheint mir wie ein Verrat an den Vater und doch kann ich nicht anders, als beide zu lieben. Alles andere wäre eine Negation meines eigenen Lebens. Vielleicht wäre etwas Geduld ratsam für meine Eltern gewesen, aber was dies für mich bedeutet hätte, will ich mir nicht ausmalen. Daher kann ich mir auch keine Scheidung wünschen. Die einzigen Momente, die dies plausibel machen, sind die wenigen Minuten im Jahr, wenn meine Eltern miteinander tanzen, einander zum Hochzeitstag gratulieren und sagen: "Wir gehören zusammen." Ob aus Tradition, ob in der Akzeptanz unveränderlicher Tatsachen oder weil sie in diesen Momenten erkennen, dass sie nie aufgehört haben, einander zu lieben, sondern es lediglichen vergaßen - indem sie es sagen, ist es wahr.