Liebe DD,
faszinierend, ein Gedicht zu lesen, das sowohl eine Liebeserklärung an das Wasser, als auch eine schöne Allegorie auf die Leidenschaft darstellt... und in welchem wohl auch etwas Todessehnsucht mitschwingt. Wobei ich die Todessehnsucht selbst schon auch als metaphorisch lese. Tod ist ja auch ein Verlust des bewussten Denkens und in leidenschaftlichen Momenten mit dem Liebsten steigt man ja zuweilen tiefer in Bereiche der Seele hinab, wo das Licht des Bewusstseins nicht hinreicht. So gesehen ist dieser Wunsch nach dem Versinken im Meer auch ein Wunsch tief in der Leidenschaft zu versinken und dabei all die weltlichen Gedanken auszublenden. Und zugleich ist diese Sehnsucht auch die Sehnsucht, mit dem Wasser eins zu werden, das doch so viele widersprüchliche Eigenschaften in sich vereint:
"Ich spürte, dass ich sterben würde. Und als meine Zeit gekommen war, stand ich auf und wurde, indem ich in das Wasser ging, zu dem Wasser selbst. Und ich umfasste die ganze Welt und spürte ihren tiefsten Grund. Und ich trug die Seerosen in den Tümpeln und die Schiffe auf den Meeren zugleich. Die völlige Stille des Ozeans barg ich in mir, während ich die Kraft der Gezeiten wiedergab, mich an den schroffen Felsen der Küsten zu erschöpfen. Und ich tränkte die Pflanzen, Tiere und Menschen und verlieh ihrer dürstenden Trauer Ausdruck. Und ich rauschte durch die Gebirge, drängte mich durch das alte Gestein, ließ mich durch die Wälder treiben und ruhte in den Seen, worin ich die Sterne spiegelte. Und ich wohnte mir selbst inne, zerfiel in mir, zerstreute mich im Nebel der Welt und fand mich, herabprasselnd in mir selbst wieder. Und dies war mein Atem, bis ich erwachte."
Jedenfalls dürstete mich schon seit Langem nach einem Gedicht, das diese Vielfalt in sich birgt und du hast sie durch die höchst unterschiedlichen Verben versprachlicht: Wiegen, verschwimmen, entwinden, aufbrausen... Das sind alles ganz unterschiedliche Bewegungen in unterschiedlich schnellem Tempo, die sich aber alle zugleich im Wasser finden lassen, wodurch Ruhe und Leidenschaft vereint wird. Auch die Liebe selbst vermag dies. Bei einem Menschen, den man liebt, kommt die Seele zur Ruhe, wird aber eben auch angeregt.
Mir gefällt auch das Reimschema. Es erinnert vage an eine Terzine, nur dass der zweite Vers einer Strophe hier nicht in der Folgestrophe als Reim aufgegriffen wird, sondern reimlos stehen bleibt. Ich weiß nicht genau, was der Effekt des reimlosen Verses ist, aber im Großen und Ganzen wirkt das Gedicht, als befinde es sich in einem Fluss, was das Thema auch atmosphärisch einbettet.
In deinem Donner will ich aufgehen
in deiner wilden Wut aufbrausen
und nie wieder von hier aufstehen
Diese Strophe könnte metrisch verbessert werden, v.a. was die die Endworte des ersten und dritten Verses anbelangt; aber gerade das ist schnell gemacht: "aufgehn" statt "aufgehen" und "aufstehn" statt "aufstehen". Ein bisschen schwieriger wird es mit dem zweiten Vers, weil man ja nicht einfach "aufbrausn" schreiben kann und das Wort auf der ersten Silbe betont wird und, wie es da steht einen Hebungsprall erzeugt. Irgendwie hätte ich hier Lust auf eine Wortneuschöpfung: "In deiner wilden Wut verschäumen" - was meinste? Ist halt schon sehr speziell, aber mir zumindest gefällt es. :achselzucken:
Der dritte Vers bräuchte am besten noch eine Senkung zu Beginn. Aber das dürfte auch nicht so schwer sein. Insofern mein bescheidener Vorschlag für eine angeblich bessere Version:
"In deinem Donner will ich aufgehn
in deiner wilden Wut verschäumen
und dann nie wieder von hier aufstehn"
Falls du was damit anfangen kannst, bediene dich gerne! Falls nicht, ist das natürlich auch kein Problem. An der ansonsten sehr hohen Qualität deines Gedichts ändert es jedenfalls nichts und auch nicht daran, dass ich mich so richtig in das Ambiente der Wassermetapher fallen lassen konnte, die du hier so liebevoll kreiert hast. :smile:
LG