Die kleinen Enkel liefen lächelnd zum Opa der gemütlich auf seinem Schaukelstuhl saß.
„Opa Joshua! Opa Joshua! Erzähl uns wieder vom Krieg!“
„Ja Opa, erzähl uns noch was vom Krieg! Bitte! Bitte, Opa!“
Opa Joshua stöhnte und richtete sich aus seiner eingesunkenen Haltung auf.
„Na schön, ihr beiden.“
„Jaaaa!“
„Hurra!“
Mit großen Augen legten sich beide Geschwister auf den Teppich vor dem Stuhl und warteten gespannt dass er anfing.
„Mal sehen… ach ja! Da wäre die Geschichte von Dimitri. Dimi, genannt „der Blitz!" Es war nach der Niederlage in Russland, als wir uns immer weiter zurück ziehen mussten. Auf den endlos weiten Feldern der Ukraine fing der Alptraum an, beim ersten Gewitter. Es erwischte unseren Panzerkommandanten, auf dem Latrinenplatz. Er war mit einer Zeitung unter dem Arm dahin unterwegs gewesen, dunkle Wolken, Blitze zuckten hin und wieder hervor, aber lautlos. Als er schließlich anfing sein Geschäft zu erledigen, explodierte der erste Donnerschlag am Himmel. Gleichzeitig krachte ein Gewehrschuss aus dem hohen Gras und erwischte unseren Kommandanten… beim kacken!“
Die Enkel formten ihre Münder zu einem sprachlosen „O“.
Egal wie wir auch suchten und suchten. Der Feind blieb unsichtbar. Wir begruben unseren Kommandanten, erwiesen ihm die letzte Ehre, erwähnten einen ruhmvollen Tod in einer Schlacht in einem Brief an die Verwandten, und zogen weiter. Nur wenige Tage darauf gab es wieder ein Gewitter. Und stellt euch vor… wieder erwischte es einen von uns auf dem Latrinenplatz! Nun waren wir sicher, dass wir einen eisernen Verfolger hatten, der nur auf seine Gelegenheit wartete, uns beim Kacken zu erschießen. Da ich immer für die Wahl des Latrinenplatzes zuständig war, gab man mir eine Mitschuld am Tod der Männer, die ich natürlich vehemend bestritt! Als wir weiter fliehen mussten, trafen wir in einem verlassenen Dorf auf eine andere Kompanie. Wir tauschten Neuigkeiten aus und plötzlich fiel dann dieser Name: „Dimi, der Blitz!“ Wer? Fragte ich. Der Mann erzählte mir, es ginge ein Gerücht herum, dass es einen Sowjetischen Scharfschützen gebe, der gezielt deutsche Soldaten nur bei Gewittern und beim Kacken erschießen würde. Wir wurden kreidebleich als wir das hörten. Wir hatten es ja selbst zwei Mal erlebt! Als dann das nächste Gewitter kam, lagen wir alle angespannt in unseren Stellungen. Seltsamerweise sah jeder so aus, als müsste er dringend seine Not verrichten. Aber keiner wagte aufzustehen und zum Latrinenplatz zu gehen, wo er lauerte… und nur auf seine Gelegenheit wartete, seine Strichliste mit einem breiten Grinsen zu erweitern. Bis zum heutigen Tag sag ich euch, traue ich mich nicht, wenn es gewittert, auf die Schüssel zu gehen. Dimi…“
Opa Joshua schüttelte nur noch den Kopf.
„Wow…“
„Oooh…“
„Und daher kommt auch der Fluch: Der Blitz soll dich beim Scheißen treffen!“
Erzählte der Opa mit erhobenem Zeigefinger. Die Tochter kam dazu.
„Papa, was erzählst du schon wieder für einen Blödsinn! Lass den Unsinn und hilf mir mal lieber im Garten, wie du es versprochen hast!“
Opa Joshua lachte.
„Komme Sofort, liebes.“
Die Enkel rannten zum Spielen in den Garten hinaus. Opa Joshua folgte. Als er an der Tür stand, blickte er zum Himmel auf und kratzte sich am Hintern.
„Ich warte lieber noch bis zum Abend…“, sagte er zu sich selbst.
