Hallo Alterwein,
wenn es dich nicht stört, bin ich gern bereit, dir ein paar "Tipps" zu geben. Wobei du mit Tipps nicht wirklich etwas anfangen kannst, sondern es ist Wissen, das du dir erarbeiten solltest, um handwerklich gutgemachte Gedichte schreiben zu können.
Dann fange ich mal an:
Wolken zieh’n am Firmament -
keiner ihren Ursprung kennt,
lautlos immer weiter,
die treuen Himmelsgleiter
Strophe 1
leitet das Gedicht ein. Dann gehst du dazu über, dir Gedanken über die Wolken zu machen. "Keiner ihren Ursprung kennt" ist eine unschöne, überflüssige Inversion (Wortumstellung) aus Gründen des Reimworts. Das sollte man in jedem Fall vermeiden. In der richtigen Reihenfolge hieße dieser Vers ja "keiner kennt ihren Ursprung". Zudem ist es eine Einfügung des Denkens, aus der hingegebenen Betrachtung gerissen. Dann wird es unklar, was "lautlos immer weiter(zieht)" - man stutzt: der Ursprung oder die Wolken? Im vierten Vers "die treuen Himmelsgleiter", fügst du die Erklärung an. Erst jetzt erklärt sich, was "immer weiter(zieht)". Ich halte zudem den Trochäus für dieses Thema nicht angebracht, er wirkt zu hart. Hier wäre der Jambus das richtige Metrum, den du aber erst in Vers 4 einbringst. Es ist wichtig, dass du dich in einem Gedicht einheitlich für ein Metrum entscheidest.
Ich lieg‘ im Gras, den Blick nach oben,
Gestalten sind erneut verschoben.
Jetzt seh‘ ich einen Reiter,
ein Kind läuft immer weiter.
Strophe 2
Vers 2 ist jambisch, aber es verwundert mich das "erneut". Du hast zwar in Strophe 1 davon gesprochen, dass die Wolken weiterziehen, aber kein Wort davon erwähnt, dass du "Gestalten" siehst. Deshalb ist das "erneut" verwunderlich.
Von hinten kommt ein Krokodil,
der "blaue See" ist sein Ziel.
Auch ein paar Schwäne kann ich seh‘n
am Himmelszelt spazieren geh‘n.
Strophe 3
Vers 1 wieder jambisch. "Von hinten" - eine unglückliche Formulierung. Vers 2: Hier verletzt du den Jambus "sein Ziel": xX statt Xx. Die zweite Variante ist aber ausgeschlossen, weil du männliche Kadenzen (Versenden) benutzt, deren letzte Silbe immer betont sein muss. Diesen Vers müsstest du, wenn du das Metrum einhalten willst, überarbeiten. Bisher hast du drei Hebungen (Betonungen) eingesetzt, jetzt aber, in Vers 3, sind es vier Hebungen: xXxXxXxX. Es ist wichtig, dass du in einem Gedicht in jeder Strophe die gleiche Anzahl Hebungen einsetzt. Ein kleiner Hinweis: "geh'n" ohne Apostroph, also "gehn".
Die Sonne löst das Wolkenkind,
das Blau des Himmels Zutritt find.
Die Lerche steigt mit frohem Schall
hinauf in dieses Himmels All.
Strophe 4
Hier kommst du auf das Wolkenkind aus Strophe 1 zurück. Gedanklich ist das zu weit entfernt. Das Wolkenkind müsstest du also in der Strophe 2 erwähnen. Ein Metrumfehler: 4 Hebungen. In Vers 2 wieder eine unschöne Inversion, zudem fehlt dem "find" das t, denn es ist ja eine Verkürzung von findet. Fraglich ist für mich auch, ob eine Lerche mit einem Schall hinaufsteigt, es ist doch eher wohl Gesang. Zudem wieder 4 Hebungen. Vers 4: Hier wird es etwas kurios, denn der Himmel ist das All, es gibt kein All des Himmels.
Sind wirklich WIR der Erde Kern?
glauben es - und wollen gern
den Schöpfer oft vergessen!
Strophe 5:
Die kannst du dir sparen. Sie hat so etwas von "Was lernt uns das?" Du hattest das Gefühl, ohne sie habe das Gedicht keinen Abschluss, deshalb hast du sie geschrieben. Ganz abgesehen davon, dass der Begriff Kern für uns Menschen doch wohl nicht ganz zutrifft.
Zum Schluss noch etwas Allgemeines:
Zu den Kadenzen noch ein Wort: In einem Gedicht müssen in jeder Strophe die Kadenzen übereinstimmen. In deinem Gedicht geht es bunt durcheinander: mal männliche, mal weibliche Kadenzen. Du musst dich entscheiden: entweder männliche (betonte) oder weibliche (unbetonte) Endsilben (Kadenzen).
Nun wirst du erschrecken, weil du so einiges "falsch" gemacht hast. Das musst du nicht, es sind Anfängerfehler. Du hast aus dem Gefühl heraus geschrieben, und das ist schon mal nicht schlecht. Aber ein Gedicht besteht nicht nur aus Gefühl. Hinzu kommen muss irgendwann auch Wissen über Handwerkliches.
Deshalb habe ich das Gedicht mal richtiggehend auseinandergenommen, dir gezeigt, wo es hakt. Nun wirst du dir vielleicht sagen: Ach was, ich schreib so, wie es mir passt. Das kannst du natürlich. Wenn du dir aber handwerkliches Wissen aneignen willst, kann Wikipedia dir eine gute Hilfe sein. Lies viel Gedichte gestandener Autoren, wenn du reimst, Reimgedichte. Wenn du nicht reimst, Gedichte des freien Verses. Alles braucht Zeit. In diesem Sinne wünsche ich dir weiterhin viel Erfolg.
Angelika
P.S. Ich weiß nicht, warum ich das Fettschreiben nicht rausgekriegt habe. Ich muss an irgendeine Taste rangekommen sein. Entschuldige bitte.