Liebe Sama,
willkommen im Forum. Du hattest um Feedback und Hilfe zur Form gebeten. Ich sehe allerdings, dass du dich schon ziemlich erfolgreich bemüht hast, eine klassische Gedichtform, nämlich ein deutsches Sonett zu schreiben, bestehend aus den beiden Strophen (S) und zwei Terzetten (T).
Metrisch gesehen hast du den vierhebigen Jambus gewählt, und ihn auch gut realisiert. In S1V2, T1V1 und T1V2 gibt es jeweils eine Hebungsprall (zwei betonte Silben nebeneinander, die aber umgehend, durch zwei aufeinanderfolgende Betonungssenkungen wieder in Reihe gebracht werden; so ist das absolut in Ordnung. Das zeigt, dass du vermutlich ein gutes Gehör für den Betonungsrythmus der Verse hast.
Die Reime sind nicht ganz so perfekt gewählt. Vor allem der Reim "bau/traun" ist eigentlich keiner. Hier würde ich den dritten Vers anpassen z.B. "wo ich mich keinem (niemand) anvertrau".
Zu bemängeln wäre auf jeden Fall, dass du den Reim auf "mir/Gier/mir/ihr/mir" so oft verwendest. Eigentlich sollte kein Reimwort mehrfach in einem Gedicht auftauchen, wie jetzt das "mir" (dreimal). Und in den Strophen und Terzetten sollten auch besser nicht die gleichen Reimsilben genutzt werden (wie hier das "mir").
Zuletzt fallen mir noch zwei Sätze auf, die zugunsten des Reimes zu sehr verkünstelt sind:
Bin nicht mehr meiner selber Herr
Sie riecht an meinen Blättern mir
Möglich wäre vielleicht so etwas wie:
Bin nicht im eignen Haus der Herr
Sie riecht mir unter meine Zier
In roter Blüte strahlt mein Kleid
Im Mai steh ich am Plattenbau
Will niemandem mich anvertraun’
Versteck’ unter Purpur mein Leid
Die Bienen lassen ab von mir
Ertragen meinen Duft nicht mehr
Bin nicht mehr meiner selber Herr
Doch Augen trachten voller Gier
Ein Mann beugt sich hinab zu mir
Und reißt mich mitsamt Wurzeln aus
Läuft schnellen Schrittes er zu ihr
Bringt Todessehnsucht ihr ins Haus
Sie riecht an meinen Blättern mir
Und springt danach zum Fenster raus
Unterm Strich ist das ein guter Versuch. Das gibt Anlass zur Freude auf schöne Gedichte in Zukunft.
Als Anregung für die nächsten Sonette. Bau ruhig auch zweisilbige Reime ein; die Mischung machts. Probiere auch mal Verse mit 5 Hebungen. Da kannst du leichter mit dem Satzaufbau spielen.
Gruß von Lé.
Lieber Lé,
wow, vielen, herzlichen Dank für das ausführliche Feedback und die Hilfe! Habe mich tatsächlich in letzter Zeit etwas mit Metren beschäftigt. Bin mir allerdings nach wie vor unsicher, bei der Bestimmung der Hebungen. Darf ich dich an dieser Stelle noch fragen, da du in S1V2 und T1V1 jeweils einen Hebungsprall markiert hast, ob ein einsilbiges Verb immer betont sein muss?
Der Hinweis zu "bau" und "trau" hilft mir auch sehr weiter! Das klingt gleich viel schöner!
Die künstliche Wirkung meiner Strophen fällt mir auch selbst immer wieder auf. Das Problem habe ich bei jedem meiner Gedichte, deshalb verwerfe ich alles meist am nächsten Tag wieder. Deine Alternative klingt viel angenehmer in meinen Ohren. Ich sollte das Geschriebene wohl wirklich immer ein paar Tage ruhen lassen.
Und ja, meine wiederholten Reimworte erscheinen irgendwie, als hätte ich mir keine Mühe gegeben, da hätte ich Bessere finden können.
Dass du mir die Hebungen gekennzeichnet hast, ist super! Damit kann ich arbeiten! Möchte nämlich eigl. Hebungsprall und mehrfache Senkungen vermeiden. Hätte es gern bedeutungsvoll aber ordentlich!
Danke auch für deine Anregungen zuletzt!
Herzliche Grüße,
Sama
Hallo Sama,
ein weitgehend gelungener Einstand, Lé hat dir bereits gute Tipps gegeben. In diesem Sinne habe ich etwas an der ersten Strophe gefeilt, wobei mir zweimal "mein" nicht so zusagt:
In roter Blüte strahlt mein Kleid
Im Monat Mai am Plattenbau
wo keinem ich mich anvertrau
bedeckt von Purpur weilt mein Leid
Mein Tipp noch: Gedichte sind eigentlich fast nie fertig. Also gib ihnen mehr Zeit zum Reifen und probiere Variationen aus, meistens hilft es.
Willkommen und einen lieben Gruß
Nöck
Lieber Nöck,
auch dir vielen Dank für deine Worte! Du hast ganz recht, ich bin mit meinem Schreiben oft zu ungeduldig. Ein Gedicht verdient Zeit und Aufmerksamkeit.
Deine Alliteration von "Monat Mai" gefällt mir sehr und auch "bedeckt von Purpur" klingt viel lyrischer als in meiner Erstversion.
"wo keinem ich mich anvertrau" - Darüber muss ich gerade ein bisschen nachdenken. Gefällt mir eigentlich auch besser, stilistisch, nur ändert es minimal die Bedeutung. Sie will sich niemandem anvertrauen, der Ort spielt keine Rolle. Das wäre auch anderswo so. Vielleicht bin ich da aber auch zu spitzfindig.
Für das "mein" werde ich mir wirklich noch etwas überlegen.
Darf ich dich gerade fragen, weil ich neu hier bin, ob ich jetzt einfach an dem zuerst geposteten Gedicht herumbasteln darf, oder müsste ich dafür dann einen neuen Post erstellen?
Nochmals herzlichen dank und ebenfalls liebe Grüße,
Sama