Liebe Claudi,
Wer hat euch mit dem Taktstock lahmgeprügelt?
Ihr hängt so monoton und abgeschlafft
im Jambenleierkasten. Wen beflügelt
stupides Auf und Ab? Der letzte Saft
ist raus, die kleinste Falte glattgebügelt,
ihr faden Verse ohne Lebenskraft!
Bewegt euch! Verdammt, ich will euch ungezügelt –
doch keiner zügelt meine Leidenschaft.
Ich bin ja ein Liebhaber des jambischen Versmaßes. Ich glaube, ich könnte Bücher im Jambus schreiben. Du zeigst hier, wie man ihn richtig anwendet, und lebhaft gestaltet, eben ohne Leierkasten.
Sehr wichtig ist, wie Fietje schon erwähnte, die Nutzung abwechslungsreicher Worte (Wortfüsse), Abwechslung in der Länge und im Betonungsschema (trochäusche Worte). Die Länge der Worte bestimmt und variiert die Sprechgeschwindigkeit.
Wichtig sind auch Abwechslung im Satzbau (oft an Satzzeichen innerhalb des Verses zu erkennen) und Enjambements (Sätze, die die Versgrenzen sprengen).
Es kann auch mal eine doppelte Senkung in die Verse eingebaut werden (siehe Vers 7). Was hier nicht vorkommt ist eine metrische Lizenz, wie sie oft am Versanfang vorkommt, oder ein bewusst in den Versaufbau eingebauter Hebungsprall.
Schön gemacht, sind die Verse, die im Vers den Text veranschaulichen: im Vers 3 zeigt das Wort "Jambenleierkasten"
den Leierkasten nur ansatzweise, weil es ein "schönes" langes Wort ist, dass schnell gesprochen wird, aber Vers 6 ist rythmisch wirklich relativ fad.
Mir fehlt eigentlich nur der rythmische Knaller im Abschlussvers, ein Hebungsprall vielleicht. Mir ist aber noch keiner eingefallen;-).
Ich habe so ein Gedicht mal umgekehrt geschrieben, als Loblied des meisterhaft abwechslungsreichen Verses. Aber das kam überheblich beim Leser an. So ist deine Wahl klug, es umgekehrt zu machen.
Sehr schöne Verse!
Gruß Lé.