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Feedback jeder Art Drei Schwestern

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  • Sidgrani
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Die Zeit weiß nichts von dir und mir,
sie kennt kein Heute und kein Morgen.
Man spürt sie nicht, doch ist sie hier,
und nie bereit, sich uns zu borgen.
 
Sie ist nicht alt und auch nicht jung
und fest verbunden mit den Schwestern.
Die eine heißt Erinnerung,
sie ruht sich aus im Haus von gestern.
 
Die zweite Schwester strebt zum Licht,
sie muss stets neu die Segel hissen.
Zum Horizont weist ihr Gesicht,
die Zukunft kennt kein Ruhekissen.
 
Die Zeit schenkt sich an jedem Tag
aufs Neue und stets gleich uns allen.
Doch dem, der sie nicht nutzen mag,
ist sie um Mitternacht verfallen.
 
Hallo Sid,
für mich ist die Zeit eine große Schwester, sie zeigt mir wo es lang geht. 😉
Bleibt die Frage, was sind dann Eltern und Brüder in der Zeitfamilie?
Gern hineingespürt und LG
Perry
 
 
Moin Sidgrani,
 
insgesamt ist das ein schöner Text 🙂 
Besonders gefällt mir die bildliche Darstellung der Schwester Erinnerung.
Davon hätte ich gern noch mehr gesehen!

Dieses Bild der 3 Schwestern hat für mich Anleihen von den Moiren, bei denen die eine den Lebensfaden jedes Menschen webt, die andere bestimmte seine Länge und die dritte zerschneidet ihn schlussendlich.
Das geht bildlich nicht ganz so in diesem Text auf, aber das war denke ich auch nicht das Ziel.

Hier haben wir ein neues Schwesterntrio, bestehend aus der Erinnerung (also vergangene Lebenszeit), der Zukunft (also alles, was wir noch vorhaben und vor uns haben), und der Zeit (hier gemeint als gegenwärtige Zeit, in der wir unser Leben leben).
 
Die Zeit, die mittlere Schwester bekommt dabei hier den Hauptfokus und am meisten Raum, was ich an sich schon auch ok finde.
Ein paar andere inhaltliche Aspekte empfinde ich allerdings als störend:
 
sie kennt kein Heute und kein Morgen.
Später wird ja im Text durchaus offenbar, dass sie das Morgen durchaus kennt, ist es nicht Ihre Schwester Zukunft?
Das heute auf der anderen Seite ist doch sie selbst.
Ich finde, der Vers macht mit dem, was noch kommt, keinen Sinn.
 
und nie bereit, sich uns zu borgen.
das ist jetzt eher sprachlich als inhaltlich, aber kann man sich jemandem borgen?
Ganz klar kann man jemandem etwas borgen, aber wie du das Verb hier benutzt, klingt es für  mich sehr schräg.
 
Sie ist nicht alt und auch nicht jung


und fest verbunden mit den Schwestern.
Hier wird für mich dann dieser ungleiche Fokus erstmals deutlich, bei 3 Schwestern fände ich die Formulierung "mit ihren Schwestern" folgerichtiger.
Durch "mit den Schwestern" werden die beiden aber auf eine andere Ebene ins Abseits gestellt.
Vielleicht ist das hier auch ein metrischer Kompromiss.

ODER: Sollen diese beiden Verse bereits eine Umschreibung der Schwester Erinnerung sein?
Das wird hier überhaupt nicht klar, es liest sich so, als wäre das hier weiter Umschreibung der Schwester Zeit, um die es ja in Strophe 1 ging. Dafür hätte die Erinnerung namentlich hier vorher benannt werden müssen.
 
Wo ich eben schon beim Sprachlichen war, auch bei diesen Versen noch eine kleine Anmerkung:
Die Bezugnahme des zweiten Verses ist nicht ganz eindeutig, also ob der Bezug zu "Sie ist" oder zu "Sie ist nicht" hergestellt gehört.
Gerade vor dem Hintergrund, dass die Zeit, wenn es hier nun um sie geht, ja als offenbar wichtigste der Schwestern dasteht, könnte das missverständlich sein.
Unmissverständlicher, so sie denn fest verbunden sein soll, wäre es vielleicht mit "ist fest verbunden mit den Schwestern."
 
Die zweite Schwester strebt zum Licht,


sie muss stets neu die Segel hissen.


Zum Horizont weist ihr Gesicht,


die Zukunft kennt kein Ruhekissen.
Mit dieser Strophe wird die Ungleichheit der 3 Schwestern nochmal mehr betont.
Nachdem die Erinnerung bloße 2 Verse zur Umschreibung erhalten hat, werden der Schwester Zukunft hier nun 4 Verse zuteil.
Wie gesagt, mit dem Ungleichgewicht bezogen auf die Schwester Zeit bin ich fein, aber dass auch Erinnerung und Zukunft so ungleich dargestellt sind, find ich persönlich unglücklich.
 
Hier aber ist der Bezug nun eindeutig, die Strophe startet direkt mit "Die zweite Schwester", so ist die Abgrenzung eindeutig.
Rein bildlich finde ich ihre Umschreibung allerdings nicht so gelungen, wie die der Erinnerung.
Das Licht, die Segel, das Ruhekissen, das ist mir alles zu durcheinander - klar, die Zukunft ist vielfältig, aber das wäre ja allein mit dem Bild des zu unbekannten Horizonten Segelns auch schon sehr abgedeckt gewesen.
 
Doch dem, der sie nicht nutzen mag,


ist sie um Mitternacht verfallen.
"jemandem verfallen sein" - versteh ich nicht.
Warum ist die Zeit verliebt in den, der die geschenkte Zeit nicht nutzt?
 
Du meinst doch eher, dass sie "für den verfällt, der sie nicht nutzen mag", oder?
Also:
Für den, der sie nich tnutzen mag,
wird sie um Mitternacht verfallen.
 
 
Bin gespannt auf deine Ausführungen, insbesondere zum Gleichgewicht zwischen den Schwestern^^
Gern gelesen,
LG Chris

 
 
Moin Chris,
 
danke, dass du dich so intensiv mit dem Gedicht beschäftigt hast. Deine Gedanken dazu kann ich zum größten Teil nachvollziehen.
 
sie kennt kein Heute und kein Morgen.
Später wird ja im Text durchaus offenbar, dass sie das Morgen durchaus kennt, ist es nicht Ihre Schwester Zukunft?
Das heute auf der anderen Seite ist doch sie selbst.
Ich finde, der Vers macht mit dem, was noch kommt, keinen Sinn.
Sie kennt das Morgen (die Zukunft) nicht, denn wenn sie im Morgen ankommt, ist es ja das Heute, das sie allerdings kennt.
 
und nie bereit, sich uns zu borgen.
das ist jetzt eher sprachlich als inhaltlich, aber kann man sich jemandem borgen?
Du hast recht, das geht nicht. Sich etwas zu borgen, z.B. Mehl oder Eier, heißt, man verbraucht es und gibt was Neues zurück. Beim Leihen (Ausleihen), z.B. eine Leiter, gibt man denselben Gegenstand zurück.
 
Da ich wegen des Reimes bei "borgen" bleiben möchte, fällt mir nur Folgendes ein: "und nie bereit, sich zu verborgen".
 
Sie ist nicht alt und auch nicht jung


und fest verbunden mit den Schwestern.
Hier wird für mich dann dieser ungleiche Fokus erstmals deutlich, bei 3 Schwestern fände ich die Formulierung "mit ihren Schwestern" folgerichtiger.
"Verknüpft mit ihren beiden Schwestern" oder "flankiert von ihren beiden Schwestern", fällt mir spontan ein. Wobei ich den Focus ganz bewusst auf die Zeit, die immer gegenwärtig ist, gelegt habe. "Zeit ist das, was man an der Uhr abliest", hat Albert Einstein dazu ganz lapidar gesagt.
 
Die zweite Schwester strebt zum Licht,


sie muss stets neu die Segel hissen.


Zum Horizont weist ihr Gesicht,


die Zukunft kennt kein Ruhekissen.
Mit dieser Strophe wird die Ungleichheit der 3 Schwestern nochmal mehr betont.
So habe ich es auch gedacht, das Heute soll das Wichtigste sein, die Zukunft ist ebenfalls von großer Bedeutung und die Erinnerung verblasst mit der Zeit.
 
Das Licht, die Segel, das Ruhekissen, das ist mir alles zu durcheinander
Hier kann ich dir nicht folgen, die Zukunft ist neugierig wie ein kleines Kind und unaufhaltsam auf Reisen, sie kennt kein Ruhekissen.
 
Du meinst doch eher, dass sie "für den verfällt, der sie nicht nutzen mag", oder?
Also:


Für den, der sie nich tnutzen mag,
wird sie um Mitternacht verfallen.
Das klingt in der Tat besser, obwohl "verfallen" in diesem Kontext natürlich nicht "verliebt" bedeutet, wie kommst du auf diese Idee?
 
Nochmals danke, ich habe mich gerne noch einmal mit meinem Gedicht auseinandergesetzt.
 
Dankende Grüße
Sid
 
Moin Sidgrani,
 
Sie kennt das Morgen (die Zukunft) nicht, denn wenn sie im Morgen ankommt, ist es ja das Heute, das sie allerdings kennt.
 
Ja, das kann ich grundsätzlich nachvollziehen, allerdings führst du ja die eine Schwester namentlich als Zukunft ein, die kennt sie ja. 
Hier sind ja das Konzept Zukunft (morgen) und die Person Schwester deckungsgleich. 
Daher die Anmerkung. 
Ich dachte gerade noch an so etwas wie "Sie wandelt zwischen jetzt und Morgen" - das bringt finde ich auch die passenden Assoziationen mit.
 
Du hast recht, das geht nicht. Sich etwas zu borgen, z.B. Mehl oder Eier, heißt, man verbraucht es und gibt was Neues zurück. Beim Leihen (Ausleihen), z.B. eine Leiter, gibt man denselben Gegenstand zurück.


 


Da ich wegen des Reimes bei "borgen" bleiben möchte, fällt mir nur Folgendes ein: "und nie bereit, sich zu verborgen".
Hmm, es ist schwierig da nun eine Alternative zu finden, der Reim ist nicht so richtig produktiv, aber "verborgen" ist es nicht, dann sollte es lieber bei "borgen" bleiben.
 
Hier kann ich dir nicht folgen, die Zukunft ist neugierig wie ein kleines Kind und unaufhaltsam auf Reisen, sie kennt kein Ruhekissen.
Ja, mir gehts nur um das Zusammenspiel der sprachlichen Bilder. Ein Ruhekissen ist für  mich nicht in derselben Bilderwelt wie eine Segelfahrt zum Horizont. 
Dass man das Bild für Bild natürlich sinnig interpretieren kann, ist ja unbenommen. 
 
Das klingt in der Tat besser, obwohl "verfallen" in diesem Kontext natürlich nicht "verliebt" bedeutet, wie kommst du auf diese Idee?
In deiner Formulierung "dem ... ist sie um Mitternacht verfallen" (also: jemandem verfallen) passt nur die Bedeutung des Verliebtseins.
 
LG Chris
 
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