Melda-Sabine Fischer
Autorin
Im Wartezimmer

Wenn die Wehwehchen werden schlimmer,
dann setz‘ ich mich ins Wartezimmer.
Ich lauf zum Doktor schnellen Beines,
der ist ein Arzt für „Allgemeines“.
Ich bin dort wöchentlich 5 Stunden,
da hocken meist die gleichen Kunden.
Zum Beispiel sitzt da oft Herr Wehr,
den quälen Flatulenzen sehr.
Solange er sie unterdrückt,
sind die Patienten hoch beglückt.
Doch wenn die Winde ihm entfleuchen,
fängt selbst sein Dackel an zu keuchen.

Da sitzt die Putzfrau Hilde Schmidt,
ist etwas taub und kriegt nichts mit.
Weil sie schwer hört, fragt sie verstohlen:
„Ach könnten Sie das wiederholen?“
Herr Wehr schreit: „Es scheint nicht verkehrt,
Sie kauften sich ein Hörgerät!“
„Ich hatte eins“, hört man sie lallen,
„das ist mir nachts ins Klo gefallen!“
Herr Wehr, der schüttelt nur den Kopf:
„Dann nehmen Sie doch einen Topf,
in den Sie künftig nächtens strullern,
dann kann nichts in den Abfluss kullern!“
Frau Bolte stöhnt ob ihrer Rente,
weil sie sich nichts mehr leisten könnte.
Selbst ein Gebiss sei nicht mehr drin,
ihr Lebensstandard sei dahin.
„Die Zähne wollte ich mir borgen
bei unsrem Pastor heute Morgen,
doch musste er für alle Alten
noch erst die Morgenmesse halten.“
Zum Arzt hat er -wie abgemacht-
die Zähne noch vorbeigebracht.
Dann geht er wieder -sehr verlegen-,
erteilt uns vorher noch den Segen.
Der Bankdirektor August Liebig
will nicht mehr warten und wird kiebig,
weil als Patient privater Kasse
das Warten er von Grund auf hasse.
Es mault von links der Metzger Urmel:
„Sie haben wohl was an der Murmel,
auch ich will hier nicht Wurzeln treiben,
ich muss noch eine Sau entleiben!“
Frau Schneiderhahn -tief dekolletiert-
ist an der Oper engagiert,
sie singt ´ne Arie aus Tiefland,
die Stimmung ist nun auf dem Tiefstand.
„Ach“, trällert sie entrückt, „Ihr Lieben,
dies Stück, das müsste ich noch üben,
denn neulich kamen ungelogen
statt Rosen, Gurken angeflogen.
Rechts in der Ecke hockt Frau Manger
mit ihrer Tochter, die ist schwanger.
Sie hatte es mit Meyers Jobst
zu wild getrieben hinterm Obst.
„Die heut’ge Jugend“, spricht Frau Bolte,
„ist nicht mehr so, wie sie sein sollte.
Man kannte früher keine Pille,
wir schmusten nur in aller Stille.“
Der Apotheker Josef Pflicht
spricht schmerzverzerrt -denn er hat Gicht-:
„Die Jugend (Pflicht sitzt an der Tür)
hat fürs Verhüten kein Gespür!“
Frau Schneiderhahn jetzt intoniert
ein Wiegenlied -was leicht pikiert-:
„Das ist von Brahms, Du liebe Güte,
der kannte keine Lümmel-Tüte.“
Ein jedes Sonderangebot,
das kennt Adele Morgenrot :
„Bei Netto haben sie jetzt Fisch
zum halben Preis, doch nicht ganz frisch.
Bei C&A, da gibt es Mieder,
die gibt’s in Rot und auch in Flieder.“
Der Metzger Urmel meint: „Oh Graus,
im Mieder säh‘ ich neckisch aus.“

Herr Wehr -weil alle andren lachten-:
„Sie können ja im Mieder schlachten,
die Sau wird sich bestimmt nicht wehren,
wenn Sie sie in Dessous betören!“
Ich sitze schmunzelnd in der Mitte,
die Schwester ruft: „Der Nächste bitte!“
Obwohl ich weiß, jetzt bin ich dran,
da lasse ich Herrn Liebig ran.
Der Bankdirektor hat’s ja eilig,
mir ist das Wartezimmer heilig,
hör‘ lieber zu, notier mir alles,
das Leben bietet so viel Pralles.
Ich lausche gerne den Geschichten,
vielleicht hilft mir das ja beim dichten!?
Mein Krankheitsbild ist eh besonders,
es ähnelt dem des Hypochonders.
@Copyright Text und Bilder: Melda-Sabine Fischer – Näheres zu ihrem Autorenleben siehe Profil

Wenn die Wehwehchen werden schlimmer,
dann setz‘ ich mich ins Wartezimmer.
Ich lauf zum Doktor schnellen Beines,
der ist ein Arzt für „Allgemeines“.
Ich bin dort wöchentlich 5 Stunden,
da hocken meist die gleichen Kunden.
Zum Beispiel sitzt da oft Herr Wehr,
den quälen Flatulenzen sehr.
Solange er sie unterdrückt,
sind die Patienten hoch beglückt.
Doch wenn die Winde ihm entfleuchen,
fängt selbst sein Dackel an zu keuchen.

Da sitzt die Putzfrau Hilde Schmidt,
ist etwas taub und kriegt nichts mit.
Weil sie schwer hört, fragt sie verstohlen:
„Ach könnten Sie das wiederholen?“
Herr Wehr schreit: „Es scheint nicht verkehrt,
Sie kauften sich ein Hörgerät!“
„Ich hatte eins“, hört man sie lallen,
„das ist mir nachts ins Klo gefallen!“
Herr Wehr, der schüttelt nur den Kopf:
„Dann nehmen Sie doch einen Topf,
in den Sie künftig nächtens strullern,
dann kann nichts in den Abfluss kullern!“
Frau Bolte stöhnt ob ihrer Rente,
weil sie sich nichts mehr leisten könnte.
Selbst ein Gebiss sei nicht mehr drin,
ihr Lebensstandard sei dahin.
„Die Zähne wollte ich mir borgen
bei unsrem Pastor heute Morgen,
doch musste er für alle Alten
noch erst die Morgenmesse halten.“
Zum Arzt hat er -wie abgemacht-
die Zähne noch vorbeigebracht.
Dann geht er wieder -sehr verlegen-,
erteilt uns vorher noch den Segen.
Der Bankdirektor August Liebig
will nicht mehr warten und wird kiebig,
weil als Patient privater Kasse
das Warten er von Grund auf hasse.
Es mault von links der Metzger Urmel:
„Sie haben wohl was an der Murmel,
auch ich will hier nicht Wurzeln treiben,
ich muss noch eine Sau entleiben!“
Frau Schneiderhahn -tief dekolletiert-
ist an der Oper engagiert,
sie singt ´ne Arie aus Tiefland,
die Stimmung ist nun auf dem Tiefstand.
„Ach“, trällert sie entrückt, „Ihr Lieben,
dies Stück, das müsste ich noch üben,
denn neulich kamen ungelogen
statt Rosen, Gurken angeflogen.
Rechts in der Ecke hockt Frau Manger
mit ihrer Tochter, die ist schwanger.
Sie hatte es mit Meyers Jobst
zu wild getrieben hinterm Obst.
„Die heut’ge Jugend“, spricht Frau Bolte,
„ist nicht mehr so, wie sie sein sollte.
Man kannte früher keine Pille,
wir schmusten nur in aller Stille.“
Der Apotheker Josef Pflicht
spricht schmerzverzerrt -denn er hat Gicht-:
„Die Jugend (Pflicht sitzt an der Tür)
hat fürs Verhüten kein Gespür!“
Frau Schneiderhahn jetzt intoniert
ein Wiegenlied -was leicht pikiert-:
„Das ist von Brahms, Du liebe Güte,
der kannte keine Lümmel-Tüte.“
Ein jedes Sonderangebot,
das kennt Adele Morgenrot :
„Bei Netto haben sie jetzt Fisch
zum halben Preis, doch nicht ganz frisch.
Bei C&A, da gibt es Mieder,
die gibt’s in Rot und auch in Flieder.“
Der Metzger Urmel meint: „Oh Graus,
im Mieder säh‘ ich neckisch aus.“

Herr Wehr -weil alle andren lachten-:
„Sie können ja im Mieder schlachten,
die Sau wird sich bestimmt nicht wehren,
wenn Sie sie in Dessous betören!“
Ich sitze schmunzelnd in der Mitte,
die Schwester ruft: „Der Nächste bitte!“
Obwohl ich weiß, jetzt bin ich dran,
da lasse ich Herrn Liebig ran.
Der Bankdirektor hat’s ja eilig,
mir ist das Wartezimmer heilig,
hör‘ lieber zu, notier mir alles,
das Leben bietet so viel Pralles.
Ich lausche gerne den Geschichten,
vielleicht hilft mir das ja beim dichten!?
Mein Krankheitsbild ist eh besonders,
es ähnelt dem des Hypochonders.
@Copyright Text und Bilder: Melda-Sabine Fischer – Näheres zu ihrem Autorenleben siehe Profil