Hallo traumspinner und herzlich willkommen! :smile:
Ich sehe an deinem Tag (oder wie man das nennt), dass du dir Kritik wünschst und möchte dir auch gerne helfen - zumindest möchte ich ein paar verbesserungswürdige Stellen aufzeigen.
Inhaltlich fällt mir auf, dass du ein paar mehr oder weniger gängige Behauptungen über die Liebe aufstellst: Sinn des Lebens, macht süchtig... Das macht das Gesagte nachvollziehbar, aber Gedichte wollen nicht nur nachvollzogen werden. Sie wollen im Leser Erlebtes wachrufen. Vielleicht täte es dem Gedicht gut, wenn Manches nur andeutest oder metaphorisch verkleidest. Denn gerade weil diese Aussagen weithin bekannt sind, nicht nur von einem Menschen gedacht werden, kann man diese Gedanken sehr leicht im Leser "aktivieren", wenn man den richtigen "Knopf" findet.
So könnte man die Liebe z.B. als einen roten Faden bezeichnen, auf dem man sich als Seiltänzer vorsichtig nach vor balancieren muss - zurück kann und will man als Seiltänzer ja nicht. Weiß nicht, ist auch nicht die tiefgründigste Metapher jetzt von mir; aber nur so als Beispiel zur Illustration. Vielleicht fällt dir ja etwas ein, was den Text dahingehend etwas aufpeppt.
Noch ein kleiner Tipp in dem Zusammenhang: Da Liebe ja etwas sehr Persönliches ist, würde ich nicht so viele Allaussagen dazu formulieren. Das macht das Gedicht abstrakt, kopflastig und lässt den Leser die intensiven Gefühle, die das Verliebtsein begleiten nicht spüren. Da würden ein paar konkrete Szenen dem Text vermutlich guttun.
Was die Metrik angeht, greife ich mir exemplarisch mal die erste Strophe heraus. Dann fällt es dir vielleicht auch leichter, die anderen Strophen zu verbessern:
Was ist Liebe, nur ein Gefühl
So viel mehr, der Sinn zu leben
Verlange ich hier denn zu viel
Muss wer andres mir das geben
Also, der Großteil der Strophe (und des Gedichts) ist metrisch sauber. Aber da sind immer wieder Kleinigkeiten, die mich aus dem Takt bringen.
Der zweite und vierte Vers sind astrein im Trochäus, der dritte Vers im Jambus geschrieben. Man könnte sich vielleicht daran stören, dass dadurch die Versanfänge unterschiedlich betont sind, weil man intuitiv eine gewisse Ähnlichkeit erwartet und wenn diese Erwartung gebrochen wird, gerät man ins Stolpern beim Lesen. Aber ich meine, wenn du den alternierenden Charakter (Jambus, Trochäus, Jambus, Trochäus) konsequent beibehältst, ist das mehr als in Ordnung. Man kann ja auch sein Rhythmusgefühl danach ausrichten.
Was hingegen tatsächlich problematisch ist: Wenn du ganz von diesem Muster abweichst, wie hier im ersten Vers. Du siehst oben, wie ich die Betonungen durch Fettschreibung hervorgehoben habe. Da kannst du erkennen, das nach der zweiten Hebung ("Lie") nicht (wie im Jambus oder Trochäus) eine, sondern zwei Senkungen folgen. Das ist dann nicht mehr in einem Rhythmus zu lesen. Hier könntest du den Vers ganz einfach retten, indem du das "nur" entfernst (wobei ich glaube, das dir das inhaltlich wichtig ist, aber du wirst bestimmt auch eine andere Lösung dafür finden). Um dann noch das Muster (Jambus, Trochäus...) beizubehalten, könntest du noch eine unbetonte Silbe voranstellen, z.B. "nun" oder so. Das ist zwar auch nicht so richtig schön und nur eine Notlösung, aber dann wäre zumindest der Klang erst einmal gerettet:
"Nun, was ist Liebe? Ein Gefühl?"
Ich denke, insgesamt sollte es nicht zu schwierig sein, das Metrum zu glätten in dem Gedicht. Das sind meist nur Kleinigkeiten, die du ändern müsstest. Man muss dann eben immer darauf achten, ob man dann noch immer das sagt, was man sagen will und ob man es in einer Weise sagt, die ansprechend oder zumindest nicht seltsam ist. Aber das wirst du schon hinkriegen, wenn du möchtest.
Ohne sie bleibt stets die Sehnsucht
Die Suche nach Vollkommenheit
Liebe, welch kostbare Frucht
Schwelgen in Vergangenheit
Diese Strophe zitiere ich in erster Linie, um ein paar Dinge zum Reim zu sagen:
Sehnsucht und Frucht reimen sich nicht wirklich. Sie sehen zwar aus wie Reime, aber da Sehnsucht auf "Sehn" betont wird und Frucht eben auf "Frucht" (wo auch sonst?). Dadurch, das die zu reimende Silbe einmal betont und einmal unbetont ist, kommt der Reim nicht wirklich als Reim an. Wirklich reimen würde es sich nur, wenn du "Sehnsucht" auf "Dehnfrucht" reimst, was inhaltlich natürlich völliger Blödsinn wäre; war auch nur zur Verdeutlichung, warum sich "Sehnsucht" und "Frucht" nicht reimen. Das wird nicht leicht, die beiden Verse zu retten. Vermutlich wäre es das Beste, die letzte Strophe komplett neu zu schreiben, weil auch das andere Reimpaar Eheprobleme hat:
"Vollkommenheit" und "Vergangenheit" zu reimen, würde ich zwar nicht als "streng verboten" bezeichnen, aber zumindest als "unbeholfen". Denn im Grunde reimst du ja nur "-heit" auf "-heit" und damit einen Suffix auf sich selbst. Dir fallen sicherlich hunderte Worte ein, die auf "-heit" enden (Gelassenheit, Gesundheit, Sicherheit, Schönheit...). Die reimen sich alle, aber das ist dann nicht originell, sondern wirkt erzwungen. Reime sollten am besten so wirken, als wären sie zufällig entstanden (obwohl dahinter natürlich manchmal viel Aufwand steckt).
Ich hoffe, ich habe dich mit meiner Kritik jetzt nicht völlig abgeschreckt. Das ist ganz und gar nicht mein Ziel. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen und auch Goethe kam nicht aus dem Geburtskanal und hat Sonette über den Geburtsschmerz geschrieben. Das muss man alles erst lernen und das Gute ist: Man kann es auch alles lernen. Und dafür wollte ich dir hier nur eine Orientierung geben mit den wichtigsten Punkten, die du künftig beim Schreiben beachten darfst. Kann mir auch vorstellen, dass das jetzt zu viel Input auf einmal war. Natürlich darfst du dich auch erst einmal auf einen Aspekt konzentrieren (z.B. Metrik) und wenn du dort vorankommst, nimmst du die nächste Herausforderung an. Schritt für Schritt, Gedicht für Gedicht, lernt man immer mehr dazu und da gibt es nach oben keine Grenzen. :smile:
Ich hoffe, du bleibst am Ball und ich wünsche dir weiterhin viel Spaß beim Schreiben (denn der Spaß an der Sache ist ohnehin das Wichtigste). :thumbup:
LG