Hallo, Onegin,
Eine andere, unvertraute (Haut-)Farbe. Jemand, der eine andere Sprache spricht, sich nicht 'traut', sich zurückhält, seine Kenntnisse in unserer Sprache vielleicht für unzureichend hält, keinen schlechten Eindruck machen möchte. Unsicher ist, auf 'fremdem Terrain' unterwegs. Wo es wenig bis nichts Vertrautes gibt, das Sicherheit verleihen würde.
Integration. Ich stehe ihr sehr kritisch gegenüber, dieser typischen, deutschen Einstellung, mit der viel zu oft erwartet wird, dass jede(r) sich gefälligst uns, unserer Kultur, unserer Gesellschaftsform, unserer Lebensart anzupassen hat. Ich sehe unsere mangelnde, nicht selten sogar nicht vorhandene Bereitschaft, auch mal Zugeständnisse zu machen, jemandem auch mal entgegen zu kommen, ebenfalls sehr kritisch. Denn so kann es nicht funktionieren - und die Realität zeigt deutlich, dass es so auch nicht funktioniert.
Dabei wäre es doch so einfach. Einfach mal willkommen zu heißen. Entgegen zu kommen. Zu akzeptieren, statt nur zu tolerieren.
Ich stelle mir Folgendes vor: Ein Mensch kommt in unser Land. Er musste aus seiner Heimat fliehen, musste seine Sicherheiten, sein ganzes, bisheriges Leben, oft auch seine Familie, seine Freunde, dort zurücklassen. Und befindet sich nun einer völlig unvertrauten, 'fremden Welt'.
Szenario A: Er wird in eine Asylantenunterkunft gesteckt. Mit Auflagen, Kontrollen, Vorschriften, Verboten, Erlaubnissen und einer Flut an Papieren, die er zu unterschreiben hat. Die Menschen, von denen er umgeben ist, sind so 'verloren' wie er. Nichts bietet ihm Halt, gibt ihm Sicherheit. Pass dich an, werde wir wir! Das ist das Credo, dem er sich überall ausgesetzt findet, Ämter, Behörden. Ablehnung. Ausgrenzung. Misstrauen. Respektlosigkeit. Ihm als Mensch gegenüber, seiner Kultur, seiner Religion gegenüber. Woran also soll er sich halten? Er nimmt, was ihm geblieben ist und klammert sich daran. Spiegelt und gibt zurück, was ihm entgegenbracht wurde. Er kam hierher, weil er hierher kommen wollte, weil er glaubte, hier Schutz zu finden, Sicherheit - eine Chance. Jetzt will er am liebsten wieder weg, wieder zurück - aber das kann er nicht, dieser Weg ist ihm versperrt. Rückkehr wäre tödlich. Wohin also? Er möchte irgendwo anders hin. Hier ist er ein Nichts, ein Niemand, im Nirgendwo. Was ihm also bleibt, ist oft nur die Erinnerung - und seine Religion. Er ist verletzt, frustriert, wütend. Was geschieht nun, wenn dieser Mensch einem Hassprediger zuhört?
Szenario B: Er wird in einem Haus/ einer Wohngemeinschaft untergebracht, in dem Deutsche und Menschen aus den verschiedensten Herkunftsländern und Kulturen zusammen leben. Manchmal ist das Sprachgewirr ein bisschen konfus, aber man kann sich ja auch mit Händen und Füßen verständigen und Sprachen lernen. Er hat das Gefühl, angekommen zu sein. Akzeptiert, respektiert, angenommen zu werden. Von Menschen, als ein Mensch unter Menschen. Neugier und Interesse wird ihm entgegengebracht. Ach - so ist das in deiner Heimat? So hast du gelebt? Er wird nach seinen Interessen gefragt, nach seinen Wünschen, seinen Hoffnungen und Träumen. Man sitzt zusammen, weint zusammen und lacht zusammen.
Er fühlt sich, so fern der Heimat, irgendwie doch zuhause. Er atmet auf, interessiert sich für dieses Land, für diese Kultur, diese Lebensart. Stellt Fragen. Ach, so ist das hier? So lebt ihr hier? Er ist beruhigt, erleichtert, wagt es vielleicht sogar, sich wieder zu freuen, auf die Zukunft. Was geschieht nun, wenn dieser Mensch einem Hassprediger zuhört?
Was ist daran so schwer? Warum wird so gegeizt, warum will nicht geteilt werden? Warum wollen gerade die Menschen, die viel mehr haben, als sie brauchen, nichts abgeben? Warum sind es gerade die Menschen, die viel weniger haben, als sie brauchen, die bereit sind, abzugeben?
Als Atheistin bin ich mit relativ vielem, das in der Bibel steht, nicht einverstanden. Aber warum sollte ich das ganze Buch in Bausch und Bogen ablehnen? Auch in der Bibel gibt es einiges, dem ich zustimme, wie beispielsweise diesem, auch wenn ich die Vater-Sohn-Sicht für zu eng eingegrenzt halte und sie daher hier bewusst ändere und erweitere:
Wo wäre aber unter euch ein Mensch, der seinem Nächsten, wenn er ihn um Brot bittet, einen Stein reichte?Oder welcher Mensch ist unter euch, den sein Nächster um einen Fisch bittet und er gibt ihm statt eines Fisches eine Schlange?
Vorurteile, die oft dauerhafte Urteile sind und bleiben. Dabei könnte es doch wunderbare Erlebnisse geben. Positive Überraschungen. Schönes zu entdecken. Hier im Gedicht wird das dargestellt, durch einen Albaner, der sein Haus pflegt, es ist ein schönes Haus. Ein Albaner, der seine Gäste, jetzt, im Winter, mit einem Glas Glühwein willkommen heißt.
Das ist genau das, was wir tun sollten. Als Menschen unter Menschen sollten Menschen für Menschen da sein, wenn diese Hilfe brauchen. Schon morgen kann jeder Mensch derjenige sein, der selbst Hilfe braucht.
LG,
Anonyma