In der Oper
Ins Opernhaus geht Onkel Ferdi,
die spielen irgendwas von Verdi.
Der Onkel war bisher noch nie da,
vielleicht gibt man ja heut‘ Aida !?
Des Onkels Wünsche sind recht wahllos,
er nähm‘ natürlich auch Don Carlos.
„Mir ist es Wurscht“, der Onkel denkt,
die Karte wurde ihm geschenkt.
Mit weißem Hemd und mit Krawatte
und mit ´nem Anzug, den er hatte
gekauft zur Hochzeit von Sohn Klaus,
will er heut hin zum Opernhaus.
Der Onkel ist ein kluger Mann,
schafft sich ein Opernglas noch an.
Vom ersten Rang in Reihe zehn
kann man damit gleich besser sehn‘.
Er tritt recht frohgelaunt vors Haus
und schreitet Richtung Opernhaus,
kauft im Foyer noch ein Programm
und kämmt sein Haar noch mittels Kamm.
Den Mantel, der ihm etwas knapp,
gibt er an jener Theke ab,
wo Wichtrud Krause ihn behände
dann weghängt bis zum Opernende.
Er reiht sich ein in ein Gedränge,
das vor ihm strebt in Richtung Ränge,
die Treppen rauf -wohl dreißig Stufen-,
da hört er hinter sich ein Rufen:
„Mein Herr“, ruft lauthals Wichtrud Krause,
„ich will nicht warten bis zur Pause.
Ihr Opernglas im Mantel steckte,
Sie war’n schon weg, als ich’s entdeckte!“
Der Onkel nimmt fünf Euro her,
gibt es Frau Krause als Salaire,
bedankt sich höflich mit dem Satz:
„Dann geh‘ ich mal zu meinem Platz.“
Zum dritten Mal hat es geläutet,
was in der Oper wohl bedeutet,
die Sänger treten bald hervor
und singen dir dann etwas vor.
Das Licht erlischt, man hört nur Munkeln:
„Die Künstler singen wohl im Dunkeln!?“
Der Vorhang hebt sich, es wird grell,
im Rampenlicht steht Wilhelm Tell.
„Was macht der Tell denn in Ägypten,
der hat bestimmt die falschen Skripten?!“
So wundert sich der Onkel Ferdi:
„Das ist doch sicher nicht von Verdi !?“
„Das ist Rossini “, spricht Franz Schmitz,
klemmt adipös im Nachbarsitz.
Als treuer Opernabonnent
Franz Schmitz ein jedes Machwerk kennt.
„Das Werk basiert auf Schillers Drama,
nur weiß ich nicht, warum ein Lama
auf dieser Opernbühne steht,
ich hoffe sehr, dass es gleich geht!
Das Tier ist nicht des Pudels Kern,
ich mag’s gern klassisch, nicht modern!
Der Regisseur spinnt meist enorm,
gibt er dem Stück ´ne neue Form.“
Abrupt tritt da ein Männerchor
aus dunklem Hintergrund hervor,
der singt recht laut, aus vollem Hals,
das Lied vom Jäger aus Kurpfalz.
„Da schimmelt doch die Tortellini,
das Lied ist doch nicht von Rossini “,
so mosert laut der dicke Schmitz,
„dies zu vermischen ist ein Witz!“
Sodann der Tell, ein Bass mit Klasse,
durchschreitet eine hohle Gasse.
Dort steht ´ne Kuh mit Namen Fury,
das Ganze spielt im Kanton Uri.
Der Kanton, der liegt in der Schweiz,
dies hat den ganz besond´ren Reiz,
dass Wilhelm Tell (der Mann hat Nerven!)
beginnt, ins Publikum zu werfen…
…zehn Ricola mit seinen Händen,
doch dabei lässt er’s nicht bewenden.
Er schiebt sich, weil es sehr gesund,
schnell selbst noch eines in den Schlund.
Man sieht ganz deutlich, wie er zuckt,
er hat jetzt das Bonbon verschluckt,
kann nicht mehr singen, nur noch prusten,
fängt an, laut in Schiss-Moll zu husten.
Jetzt der bekannte Rütli-Schwur,
es singt der Männerchor in Dur
als Landvolk, welches unverdrossen
erklärt sich so zu Eidgenossen.
Im zweiten Akt erscheint Aida
mit einer Demo der Pegida
und fremdenfeindlichen Parolen,
das Publikum fängt an zu johlen.
Jetzt links vom Bühnenrand sich schält
der Landvogt Gessler, der gequält
als Bariton kurz intoniert,
dass das Geschehen ihn pikiert.
Der Tell, er hätte ihn vergrätzt
und in der Ehre schwer verletzt.
Tell wollte Gesslers Hut nicht grüßen,
drum muss der Tell jetzt dafür büßen.
Der Hut, er hing an einer Stange,
dem Tell wird plötzlich Angst und Bange.
Der Vogt will (was den Tell verdrießt),
dass er vom Kopf des Sohnes schießt…
…die Frucht, die uns schon mal verdrossen,
weil uns das Paradies verschlossen.
Der Tell erbittet eine Gnad:
„Geht auch ´ne Schüssel Obstsalat?,…
…vielleicht tut’s auch `ne Schlangengurke?“
„Nun schieß schon endlich, alter Schurke“,
so brüllt der Landvogt, er wird bös‘,
auch Onkel Ferdi wird nervös.
Im dritten Akt sitzt die Soubrette
mit Magen-Darm auf der Toilette;
die Intendantin, Martha Kühne,
schickt Lohengrin jetzt auf die Bühne.
Der singt uns dann -wir sind ganz Ohr-
ein Lied von Richard Wagner vor.
Sein Schwan wirkt völlig ausgeruht,
doch Lohengrin wird ausgebuht.
Das Publikum ist jetzt putzmunter,
da fällt ein Kronleuchter herunter,
man sieht die Scherben weithin spritzen
bis dorthin, wo die Geiger sitzen.
Das Lama hat verschreckt gezuckt
und gleich den Dirigent bespuckt.
Drauf hat das Tier sich -ungelogen-
schnell hinter‘s Bühnenbild verzogen.
Der Sohn vom Tell, mit Namen Walter,
singt als Tenor jetzt: „Hör mal Alter,
schieß endlich mir geflissentlich
vom Kopf das Obst, ich bitte Dich!“
Und Walter reicht dem Vater Tell
nun Pfeil und Bogen auf die Schnell‘,
dazu ´nen Apfel (Granny Smith),
doch Papa Tell hat reichlich Schiss:
„Mit Pfeil und Bogen, das wird schwer,
habt ihr denn nicht ein Luftgewehr?“
Von rechts, gehüllt in Samt-Gewänder,
singt jetzt in Moll ein Holländer,…
…den wohl als fliegend jeder kennt:
„Komm‘ Tell, mach hin, Du hast Talent.
Grad neulich hast Du unverdrossen
den Hamlet auch mit links erschossen.
Aida muss heut‘ noch nach Nizza,
singt als Sopran: „Du kriegst ´ne Pizza,
wenn Du jetzt endlich schießbereit,
Mensch Tell, mach hin, es wird jetzt Zeit.“
Der Tell, obwohl die Hand ihm zittert,
nimmt jetzt den Apfel ganz verbittert,
legt sanft ihn auf des Sohnes Schopf,
singt in As-Dur: „Ich armer Tropf.“
Ein Schuss, ein Schrei, es ist gelungen,
der Apfel ist vom Kopf gesprungen.
Der Pfeil, er hat ihn prompt ereilt
und in der Mitte durchgeteilt.
Man intoniert: „Es ist vollbracht,
wir wünschen allen gute Nacht.“
Im ersten Rang, in Reihe zehn,
macht man sich auf, nach Haus zu geh‘n.
Vier Stunden hat man unversehrt
dem Chaos heute zugehört.
„Viel zu modern!“, denkt Onkel Ferdi.
Im Grab rotiert Giuseppe Verdi.
@Copyright Melda-Sabine Fischer – Näheres zu ihrem Autorenleben siehe Profil
Ins Opernhaus geht Onkel Ferdi,
die spielen irgendwas von Verdi.
Der Onkel war bisher noch nie da,
vielleicht gibt man ja heut‘ Aida !?
Des Onkels Wünsche sind recht wahllos,
er nähm‘ natürlich auch Don Carlos.
„Mir ist es Wurscht“, der Onkel denkt,
die Karte wurde ihm geschenkt.
Mit weißem Hemd und mit Krawatte
und mit ´nem Anzug, den er hatte
gekauft zur Hochzeit von Sohn Klaus,
will er heut hin zum Opernhaus.
Der Onkel ist ein kluger Mann,
schafft sich ein Opernglas noch an.
Vom ersten Rang in Reihe zehn
kann man damit gleich besser sehn‘.
Er tritt recht frohgelaunt vors Haus
und schreitet Richtung Opernhaus,
kauft im Foyer noch ein Programm
und kämmt sein Haar noch mittels Kamm.
Den Mantel, der ihm etwas knapp,
gibt er an jener Theke ab,
wo Wichtrud Krause ihn behände
dann weghängt bis zum Opernende.
Er reiht sich ein in ein Gedränge,
das vor ihm strebt in Richtung Ränge,
die Treppen rauf -wohl dreißig Stufen-,
da hört er hinter sich ein Rufen:
„Mein Herr“, ruft lauthals Wichtrud Krause,
„ich will nicht warten bis zur Pause.
Ihr Opernglas im Mantel steckte,
Sie war’n schon weg, als ich’s entdeckte!“
Der Onkel nimmt fünf Euro her,
gibt es Frau Krause als Salaire,
bedankt sich höflich mit dem Satz:
„Dann geh‘ ich mal zu meinem Platz.“
Zum dritten Mal hat es geläutet,
was in der Oper wohl bedeutet,
die Sänger treten bald hervor
und singen dir dann etwas vor.
Das Licht erlischt, man hört nur Munkeln:
„Die Künstler singen wohl im Dunkeln!?“
Der Vorhang hebt sich, es wird grell,
im Rampenlicht steht Wilhelm Tell.
„Was macht der Tell denn in Ägypten,
der hat bestimmt die falschen Skripten?!“
So wundert sich der Onkel Ferdi:
„Das ist doch sicher nicht von Verdi !?“
„Das ist Rossini “, spricht Franz Schmitz,
klemmt adipös im Nachbarsitz.
Als treuer Opernabonnent
Franz Schmitz ein jedes Machwerk kennt.
„Das Werk basiert auf Schillers Drama,
nur weiß ich nicht, warum ein Lama
auf dieser Opernbühne steht,
ich hoffe sehr, dass es gleich geht!
Das Tier ist nicht des Pudels Kern,
ich mag’s gern klassisch, nicht modern!
Der Regisseur spinnt meist enorm,
gibt er dem Stück ´ne neue Form.“
Abrupt tritt da ein Männerchor
aus dunklem Hintergrund hervor,
der singt recht laut, aus vollem Hals,
das Lied vom Jäger aus Kurpfalz.
„Da schimmelt doch die Tortellini,
das Lied ist doch nicht von Rossini “,
so mosert laut der dicke Schmitz,
„dies zu vermischen ist ein Witz!“
Sodann der Tell, ein Bass mit Klasse,
durchschreitet eine hohle Gasse.
Dort steht ´ne Kuh mit Namen Fury,
das Ganze spielt im Kanton Uri.
Der Kanton, der liegt in der Schweiz,
dies hat den ganz besond´ren Reiz,
dass Wilhelm Tell (der Mann hat Nerven!)
beginnt, ins Publikum zu werfen…
…zehn Ricola mit seinen Händen,
doch dabei lässt er’s nicht bewenden.
Er schiebt sich, weil es sehr gesund,
schnell selbst noch eines in den Schlund.
Man sieht ganz deutlich, wie er zuckt,
er hat jetzt das Bonbon verschluckt,
kann nicht mehr singen, nur noch prusten,
fängt an, laut in Schiss-Moll zu husten.
Jetzt der bekannte Rütli-Schwur,
es singt der Männerchor in Dur
als Landvolk, welches unverdrossen
erklärt sich so zu Eidgenossen.
Im zweiten Akt erscheint Aida
mit einer Demo der Pegida
und fremdenfeindlichen Parolen,
das Publikum fängt an zu johlen.
Jetzt links vom Bühnenrand sich schält
der Landvogt Gessler, der gequält
als Bariton kurz intoniert,
dass das Geschehen ihn pikiert.
Der Tell, er hätte ihn vergrätzt
und in der Ehre schwer verletzt.
Tell wollte Gesslers Hut nicht grüßen,
drum muss der Tell jetzt dafür büßen.
Der Hut, er hing an einer Stange,
dem Tell wird plötzlich Angst und Bange.
Der Vogt will (was den Tell verdrießt),
dass er vom Kopf des Sohnes schießt…
…die Frucht, die uns schon mal verdrossen,
weil uns das Paradies verschlossen.
Der Tell erbittet eine Gnad:
„Geht auch ´ne Schüssel Obstsalat?,…
…vielleicht tut’s auch `ne Schlangengurke?“
„Nun schieß schon endlich, alter Schurke“,
so brüllt der Landvogt, er wird bös‘,
auch Onkel Ferdi wird nervös.
Im dritten Akt sitzt die Soubrette
mit Magen-Darm auf der Toilette;
die Intendantin, Martha Kühne,
schickt Lohengrin jetzt auf die Bühne.
Der singt uns dann -wir sind ganz Ohr-
ein Lied von Richard Wagner vor.
Sein Schwan wirkt völlig ausgeruht,
doch Lohengrin wird ausgebuht.
Das Publikum ist jetzt putzmunter,
da fällt ein Kronleuchter herunter,
man sieht die Scherben weithin spritzen
bis dorthin, wo die Geiger sitzen.
Das Lama hat verschreckt gezuckt
und gleich den Dirigent bespuckt.
Drauf hat das Tier sich -ungelogen-
schnell hinter‘s Bühnenbild verzogen.
Der Sohn vom Tell, mit Namen Walter,
singt als Tenor jetzt: „Hör mal Alter,
schieß endlich mir geflissentlich
vom Kopf das Obst, ich bitte Dich!“
Und Walter reicht dem Vater Tell
nun Pfeil und Bogen auf die Schnell‘,
dazu ´nen Apfel (Granny Smith),
doch Papa Tell hat reichlich Schiss:
„Mit Pfeil und Bogen, das wird schwer,
habt ihr denn nicht ein Luftgewehr?“
Von rechts, gehüllt in Samt-Gewänder,
singt jetzt in Moll ein Holländer,…
…den wohl als fliegend jeder kennt:
„Komm‘ Tell, mach hin, Du hast Talent.
Grad neulich hast Du unverdrossen
den Hamlet auch mit links erschossen.
Aida muss heut‘ noch nach Nizza,
singt als Sopran: „Du kriegst ´ne Pizza,
wenn Du jetzt endlich schießbereit,
Mensch Tell, mach hin, es wird jetzt Zeit.“
Der Tell, obwohl die Hand ihm zittert,
nimmt jetzt den Apfel ganz verbittert,
legt sanft ihn auf des Sohnes Schopf,
singt in As-Dur: „Ich armer Tropf.“
Ein Schuss, ein Schrei, es ist gelungen,
der Apfel ist vom Kopf gesprungen.
Der Pfeil, er hat ihn prompt ereilt
und in der Mitte durchgeteilt.
Man intoniert: „Es ist vollbracht,
wir wünschen allen gute Nacht.“
Im ersten Rang, in Reihe zehn,
macht man sich auf, nach Haus zu geh‘n.
Vier Stunden hat man unversehrt
dem Chaos heute zugehört.
„Viel zu modern!“, denkt Onkel Ferdi.
Im Grab rotiert Giuseppe Verdi.
@Copyright Melda-Sabine Fischer – Näheres zu ihrem Autorenleben siehe Profil