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Feedback jeder Art Identitätskrise

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Bin ich ein Menschlein


das träumte es sei ein Stein ?


 


Oder bin ich 


 


ein Stein der träumt


er sei ein Menschlein ?


 
Hallo, moin Dionysos
für ein*e Bildhauer*Inn wird ein Stein zur Protagonist*in. So wie das LI in unserem Gedichte. Er/ sie wird versuchen dem Stein Lebendigkeit zu geben. Während die Skulptur entsteht, eine Beziehung dazu aufbauen. Schöne Formen entstehen lassen.
Ausserdem sind Steine  verschieden beschaffen, haben schon verschiedene Formen, Strukturen verschiedene Wärmeleitfähigkeit. Ich liebe Steine, finde sie nicht leblos. Also was spielt es für eine Rolle, als was du aufwachst!
HG Josina
 
Hallo Dionysos,
ich habe dein Gedicht mehrmals gelesen, sämtliche Beiträge und noch dazu eifrig gegoogelt. Ich habe versucht, mich über Sein und Schein schlau zu machen: Ich bin so schlau wie vorher! 
Aber allein das Interesse, dass so viele Leute über dieses abstrakte Thema zeigen zeigt mir, dass die Deutschen die geborenen Denker sind. 
IHS 
Carlos
 
 
 
Hallo Dionysos,


ich habe dein Gedicht mehrmals gelesen, sämtliche Beiträge und noch dazu eifrig gegoogelt. Ich habe versucht, mich über Sein und Schein schlau zu machen: Ich bin so schlau wie vorher! 


Aber schon das Interesse, dass so viele Leute über dieses abstrakte Thema zeigen zeigt mir, dass die Deutschen die geborenen Denker sind. 


IHS 


Carlos


 


 
 
hi Carlos. Es geht mir im Grunde auch so.. Wie heißt es so schön: "Ich weiß, dass ich nichts weiß" aber das Meditieren darüber, erst Recht in Gemeinschaft, finde ich unglaublich anregend.   Alle Beiträge sind unheimlich bereichernd. Sie wirken in mir noch tagelang nach. Manchmal erwische ich mich dabei, wie ich am Ende der Woche eine Antwort auf einen Kommentar von Anfang der Woche finde oder etwas, was ich dazu noch unbedingt loswerden möchte oder ein Gedicht hat sich in mein Herz geschlichen .. Zu Deinem beitrag, der das Thema "mensch" und "menschlein" ins Rollen brachte habe ich viel nachgedacht: Was genau hindert ihn daran einen Zugang zu finden als "menschlein" ? Ich konnte nur mutmaßen fand es aber einen sehr interessanten Gedanken, obowhl es natürlich, wie ich ja auch schrieb, für mich okay ist. 
 
Danke fürs nochmalige Vorbeischauen. 
 
Was heißt IHS ? Ich habs satt ?  Ich kenn es nur als Iesus Hominum Salvator. Das passt aber nicht wirklich ...
 
mes compliments
 
Dio 
Diskussionen um die ehernen Regeln der Reimkunst sind ja oftmals eine zweischneidige Angelegenheit. Hat sich der Autor/in dem Regelwerk anzupassen, oder geht er damit eine Entindividualisierung ein? Kann jeder halten wie ein Dachdecker, klar.


Aber muss die Lesekunst manchmal nicht auch darin  bestehen, den natürlichen Rhythmus des Schreibers aufzuspüren und ihm zu folgen?  


Denn das Verrückte ist ja, dass Gedichte auf der Bühne zuweilen sehr gut funktionieren, die hier beim Lesen durchfallen und bei Hardlinern sogar Ohr- und Augenkrebs erzeugen würden. Beim Bemühen um Perfektion entsteht oft Starre und es lauert nicht selten die Gefahr, nur noch eine  Form erfüllen zu wollen, die Geschichten hinten anzustellen und einen einschläferndsn lyrischen Leierkasten zu bedienen.


Weil diese  Diskrepanz zwischen der geschriebenen und der vorgetragenen Wortmelodie  besteht, gibt es in der Musik und zuweilen in modernen Theaterinszenierungen  die Phrasierung, ein Gestaltungsprinzip, der Töne innerhalb einer musikalischen Phrase hinsichtlich Lautstärke, Rhythmik, Artikulation und Pausensetzung festlegt. Mit der Notation wird allgemein verbindlich aufgeschrieben, wie es sich anhören soll. Der Musiker gleicht vieles ( z.T. automatisch ) aus, z.B. durch Heben und Senken der Stimme, Kürzen und Dehnen von Silben, durch Rhythmisierung  etc..


Die Phrasierung hat sich beim lyrischen Menschlein leider nicht durchgesetzt, womit jeder das Gedicht wie ein Musiker in gleicher Art und weise lesen und aufführen könnte. Gedichte sind für Bücher gemacht. Bei gekonntem Vortrag würde wohl niemand über ein Menschlein stolpern, im Gegenteil, hier entfaltet sich u. U. unnachahmliche Individualität, Ausdruckskraft oder Komik, die im Bemühen um perfekte Reime allzuleicht untergeht.


L.G.Amadea


 


 


 
 
Hi Amadea, 
 
das ist eine spannende Frage, die Du stellst und uns ausführst. Die Erläuterungen zur Phrasierung und die Problematisierung der Entindividualisierung nähern sich dem Thema aus meiner Sicht exakt in Richtung der neuralgischen Punkte und haben mich sehr erreicht. Letztlich sollte, wie Du schreibst,  beides seine Daseinsberechtigung haben und erfüllt die Menschen, die Rezipienten ja auch gleichermaßen. Das eine schließt das andere ja auch nicht aus: also zunächst eine Skizze hinzuschreiben und sie dann auszuarbeiten oder es eben bei der Skizzierung zu belassen und darüber zu improvisieren. Ich persönlich tue mich immer sehr schwer damit nachzuarbeiten. Das fällt mir insbesondere bei längeren Texten deutlich auf die Füße. Ich bin eher ein eruptiver Schreiber. Aber je mehr Hintergrundwissen ich durch Kommentare wie zB von @Claudi "en passent" erlange, umso mehr merke ich auch, dass es mich doch beschäftigt. Ich lese auch immer die stilistischen Kommentare unter anderen Gedichten.  Es bleibt interessant. 
 
Ich bin jedenfalls wieder über die intellektuelle Tiefe und Betrachtungsbreite Deiner Auseinandersetzung begeistert. Danke. 
 
mes compliments
 
Dio 
 


 


Einfach gut gefragt Dio,


der Schluss mein ich,


dazu denk ich mal so


der Schein ist das Sein


das  sich im Traume gibt,


bevor man im Sein erwacht,


welchem der Traum unterliegt,


denn das Sein fördert erst den Schein


durch Träume, die, im Schlafe bei uns verweil'n,


so in etwa würde ich das dazu erstmal sehen,


auf jeden Fall wieder sehr gern gelesen.


Schönen Abend dir noch zuweil'n.


 


LG Ralf 


 
 
Hi Ralf, ich danke Dir und bin mittelerweile ein treuer Leser Deiner Morgengedichte geworden. Ich finde Deinen Gedanken, dass Sein und Schein einander bedingen und sich auseinander entwickeln, insbesondere im Traum, hochinteressant. Ich denke, daran ist viel Wahres. 
 
mes compliments
 
Dio 
Nun lieber Dio,
da gehen ja die Meinungen sehr unterschiedlich damit um.
Wer wäre denn wohl so vermessen,
um auf das Menschsein zu vergessen,
egal aus welcher Sicht betrachtet,
die Menschlichkeit sei wohl beachtet,
doch gleichzeitig unendlich schwer,
wohl von so vielen immer mehr.
An eignen Taten sollst du reifen,
dies selbst auch hier im Jetzt begreifen,
wer wäre denn nur so vermessen,
auf dies nur immerzu vergessen
und doch geschieht's fast Tag für Tag....

Es könnte noch vertieft werden aber es gefällt sehr und Reim hin oder her, 'Menschlein' passt schon meines Erachtens  
Mit lieben Gruß in Deinen Nachmittag, Uschi
 
 
Hi Uschi, 
 
vielen Dank für Deine Gedanken zum Thema, die mir sehr gut gefallen und mich inspirieren. Du setzt den Fokus auf "Menschsein", auf "Menschlichkeit" und rückst damit das Verbindende ins Zentrum Deiner Gedanken und gleichzeitig den Aufruf "an eigenen Taten zu reifen". Ich glaube auch: das eine tun ohne das andere zu unterlassen ist ein guter Anfang. 
Hi Dio,


 


mir gefällt sie auch gut, deine Abwandlung. Stein contra Schmetterling, die luftig äetherische Leichtigkeit des Schmetterlings zu der verdichteten Materie des Steins. Die Schwere des Steins kommt hier gut und das Menschlein gefällt  mir auch, weil es den Menschen etwas kleiner macht und nicht als großen Weltenlenker sondern als eben das kleine unwissende Microteil im Riesenuniversum impliziert.


 


Reimen tut sich schon


doch ohne Metrum : keinen Lohn!


Das ist es leider (habe es durch viele Mäuse etwas besser erlernt zu hören), auch mein Lesestolperstein gewesen. Abhilfe fällt mir ad hoc aber leider auch grad keine ein. Aber mir gefällts trotzdem, ein esoterische Problemstellung durch das Menschlein etwas lockerer gemacht.


 


Liebe Grüße


Sali


 
 
Hi Sali, 
 
ich finde es schön, wie Du das "Menschlein" nicht nur rettest, sondern bestätigst. Im Grunde sind wir unwissende Mikroteile im Riesenuniversum. Es ist alles so unvorstellbar, dass man verstehen kann, wie ein Gigant wie Sokrates dazu kommt zu sagen: ich weiß, dass ich nichts weiß.. Ist es ein esoterisches Problem ? ICh stelle mir die Frage immer wieder gerne zur Kontrolle auch im Alltag von Zeit zu Zeit: WER bin ICH (eigentlich) ? 
 
mes compliments
 
Dio 
 
Ich habe das Gefühl, daß sich "Menschlein" nur schwer reinem läßt, wenngleich das auf den ersten Blick nicht so aussieht. Mögl., daß die Grundbetonungen von "Mensch" und "lein" zu verwandt sind.


Vielleicht so?


"Es sammelte ein Menschlein fein


im Wald so manchen schönen Stein."


 


 
 
Hi Heiko, 
 
ich danke Dir für Deine Hilfestellung und Zugewandheit. Dein Reim gefällt mir. Ich bin mir aber gerade unsicher, ob @Claudi ihn gelten lassen würde 
 
mes compliments
 
Dio 
Lieber Dio, da ich für mich herausgefunden habe, dass ich ein Mensch bin und auch sein will, über ich mich als Menschlein mit all meinen Gefühlen im Mensch sein auf dem steinigen Weg durchs Leben. 


 


Gern darüber nachgegrübelt, ob träumender Mensch oder Stein. 


 


Lieben Gruß Darkjuls
 
Hi Juls, 
 
 
du hast herausgefunden, was "Du" bist und willst. Ich frage mich oft, wer "wirklich" Herr in meinem Hause ist (wer die Dinge "bewirkt") .. Ich danke Dir. 
 
mes compliments
 
Dio 
 
Vielleicht alles beide. Der Schein ist das Sein? 


Somit bist du sowohl das Menschlein als auch der Stein zugleich. Weil diese Dinge ja nur in deinem Kopf existieren. Deine Wahrnehmung lässt sie erscheinen, lässt den Schein vom Sein erscheinen. 


 


Ein ziemlich ungewöhnlicher Vergleich von dir hier. Warum ein Stein? Warum kein Tier? Wolltest du die Frage aufwerfen: was ist wirklich belebt und was nicht? Oder ausdrücken, alles ist Energie, der Stein wie das Menschlein? 


 


Da bleibt noch die Frage zu beantworten was besser wäre zu sein. Mensch oder Stein. Der Sänger Steve von Till meint in einem Lied folgendes dazu: 


"If I could be just one thing. 


I´d be a stone on the hillside."


 


LG JC


 


 


PS: Übung! Geh raus auf einen Feldweg. Setz dich einfach an den Wegesrand und tu so als wärst du ein unbeweglicher Stein. Der Sinn dieser Übung.... es gibt keinen! 
 
Hi Josh, mir gefällt Dein holistische Sichtweise. Am Ende ist vielleicht alles ein. Der Zusammenfall der Gegensätze ? 
 
mes compliments

Dio 
Hallo, moin Dionysos


für ein*e Bildhauer*Inn wird ein Stein zur Protagonist*in. So wie das LI in unserem Gedichte. Er/ sie wird versuchen dem Stein Lebendigkeit zu geben. Während die Skulptur entsteht, eine Beziehung dazu aufbauen. Schöne Formen entstehen lassen.


Ausserdem sind Steine  verschieden beschaffen, haben schon verschiedene Formen, Strukturen verschiedene Wärmeleitfähigkeit. Ich liebe Steine, finde sie nicht leblos. Also was spielt es für eine Rolle, als was du aufwachst!


HG Josina
 
Hi Josina, ich finde Deine Ausdeutung sehr bemerkenswert. Möglicherweise spielt es am Ende gar keien Rolle die Frage überhaupt gestellt zu haben ? Eine spannende Frage
 
mes compliments 
 
Dio 
 

Claudis Themen
ich danke Dir für Deine Hilfestellung und Zugewandheit. Dein Reim gefällt mir. Ich bin mir aber gerade unsicher, ob @Claudi ihn gelten lassen würde 
 
Hallo nochmal, lieber Dio,
 
da du nachfragst, will ich gerne versuchen, das Problem verständlich zu machen. Ich zeichne mal die betonten Silben am Ende der beiden Verse fett ein:
 
Es sammelte ein Menschlein fein
im Wald so manchen schönen Stein.
 
Hier steht das unbetonte "lein" zwischen den betonten Silben "Mensch" und "fein". Fein und Stein reimen sich wunderbar! Man könnte theoretisch, wenn es nicht so bescheuert klänge, aus dem zweisilbigen Menschlein auch ein dreisilbiges Menschelein machen. Da wäre es leicht, "lein" einfach betont zu sprechen und auf Stein zu reimen.
 
LG Claudi
 
 


 Aber je mehr Hintergrundwissen ich durch Kommentare wie zB von @Claudi "en passent" erlange, umso mehr merke ich auch, dass es mich doch beschäftigt. Ich lese auch immer die stilistischen Kommentare unter anderen Gedichten.
Das hört sich ja nach Weiterentwicklung an aus der Identitätskrise?
Dein obiges Gedicht lebt mEa. eher von der Skizze einer Idee, als von der optimalen Reim-Form,  Mensch Menschlein- Menschelein kann man diskutieren, sind aber hierbei Nebenschauplatz. Als Anschauungsgedicht ist es daher in meinen Augen weniger geeignet. Aber warum nicht, es sind ja persönliche Anliegen und Gedanken, die du daran knüpfst. 
Der Hang zur Perfektion hat  durchaus mehrere Väter, die plötzlich den gnadenlosen Zensor in uns wecken.
Waschechte Poeten fabulieren dann schnell etwas von Götterolymp, wenn sie zur Perfektionsfeile greifen, um es ihren Vorbildern gleichzutun. Wollte man  pathologische Aspekte oder eine schnöde Lobhudelei außen vorlassen, so blieben für mich im wesentlichen zwei Anreize, die  es rechtfertigen, mein Gedicht möglichst perfekt in Szene setzen zu wollen:  die Liebe zur Ästhetik  und latent  vielleicht auch dem Zuvorkommen von Kritik.
Da du in unnachahmlicher Weise Gefühle anzusprechen weißt, besitzt du bereits etwas, was vielen Gedichten fehlt. Ich weiß nicht wieviel du davon verlierst, wenn du als Gralshüter einer Form endest und diese womöglich über den Inhalt stellst, schwer vorstellbar,
wir werden sehen,
L.G.Amadea
 
 
 
 
 
 
Hi @Amadea ich sehe mich da auch nicht. aber möglicherweise findet doch die ein oder andere Regel Einzug wenn es ihr gelingt das gedicht im schaffensprozess von ihrer notwendigkeit zu überzeugen. die gedichte penibel formal nachzuarbeiten dafür fehlt mir zur zeit die lust. wie machst du es denn ?
 
mes compliments 
 
Dio 
 
Ich musste  eingeschlafen sein * 


Träumte ich sei ein Stein


Ich musste aufgewacht sein


als Menschlein


 


Bin ich ein Menschlein


das träumte es sei ein Stein ?


 


Oder bin ich 


 


ein Stein der träumt


er sei ein Menschlein ?


 


Was ist Schein


und was ist


 


Sein ?


 
Du erlaubst, dass ich dein Gedicht mir mal in eine Reim und Strophenform zurecht gebügelt habe,
ohne hoffentlich nicht allzusehr an der Aussage gerüttelt zu haben :
 
musste  eingeschlafen sein,
träumte fest, ich sei ein Stein,
aufgewacht im Mondenschein
fühlt ich mich als Mensch ganz klein.
 
Bin ich Mensch nun, der allein
träumt, sein Dasein wär ein Stein ?
Oder bin ich doch ein Stein,
der nur träumt, ein Mensch zu sein ?
 
Was ist  Sein und was nur Schein?
(tief grübelnd schlief ich wieder ein )

Es ist wie mit einem perfekt ausgemaltem Bild, und einer angedeuteten Illustrierung einer Idee. Das ist beides nicht vergleichbar,  und ein paar Striche schmälern nicht den Wert der dahinterstehenden Gedanken. Lagerfeld wusste mit zwei Strichen ganze Kollektionen zu entwerfen und den kreativen Kosmos seiner Mitarbeiter anzuschmeißen. Keiner käme wohl auf die Idee, abstrakte Bilder zu konkreten Bildern auszumalen. Ein Picasso wäre kein Picasso mehr und ein Dio kein Dio.
Als Gedicht würde ich mir wohl eher eine Skizze an die Wand hängen, da die Reimform auch massiv, vordergründig und aufdringlich daherleiernd in Erscheinung zu treten weiß. Es ist nicht von ungefähr, dass z.B. Haiku- Formen ohne Reimschmuck auskommen, da dieses einfach nur vom Bild ablenkt und unnötiges Lob auf sich zieht, was der Grundidee abträglich wäre.
Für ein Poesiealbum ist wohl eher die wohlfeile Reimform angebracht.
L.G.Amadea
 
Ich musste  eingeschlafen sein,


träumte fest, ich sei ein Stein,


Und aufgewacht im Mondenschein


fühlt ich mich als Mensch ganz klein.


 


Bin ich ein Mensch nun, der allein


träumt, ein Dasein wär ein Stein ?


Oder bin ich doch nur Stein,


der davon träumt, ein Mensch zu sein ?


 


Was ist hier Sein und was nur Schein?


(tief grübelnd schlief ich wieder ein )
 
gefällt mir sehr gut ! vor allem dass du die szene unmittelbar zwischen aufwachen und einschlafen setzt. das gibt dem ganzen eine glaubhafte überlappung der welten deine weiteren kommentare kann ich sehr gut nachvollziehen. ich denke auch dass idealerweise sich die richtige form schon im entstehen einfinden sollte um die balance zwischen frische und authentizität und zu halten. dazu sollte das handwerk vermutlich so virtuos beherrscht werden dass es den unbewussten schaffensprozess intellektuell nicht kippen lässt sondern bestärkt. da gibt es doch dieses zitat von picasso: Lerne die Regeln wie ein Profi, damit du sie wie ein Künstler brechen kannst 
 
Einen schönen Sonntagmorgen liebe Leute,
 
ein sehr schöner Faden zu einem sehr schönen Beitrag.
 
Die Diskussion über Form, Stil und Aussage in einem Gedicht finde ich sehr befruchtend, auch wenn sie immer wiederkehrend ist.
Muss  man wirklich erst ein Handwerk beherrschen um dann die Regeln brechen zu können? Muss man die Regeln kennen?
Müssen tut man nichts, aber zu kennen und können erweitert den Horizont und begrenzt oder erweitert die Möglichkeiten, je nachdem.
Darf man den Inhalt der Form opfern? Die Form der Glocke macht den Klang, aber mit Rissen im Material ist es auch vorbei mit schönem Klang.
Form ist Zwang, Formlosigkeit Freiheit. 
Ich denke letztendlich ist es Geschmackssache. Ein Gedicht kann in der schönsten Form daherkommen und doch leer und fad sein, ein anderes holpert und reißt den Leser mit, hat Tiefe und was wunderbares.
Die Form erhöht den Lesegenuss und wenn man die Worte findet die in die Form passen erhöht es die Befriedigung beim schreiben. 
Wenn Form und Inhalt zusammenpassen, eine neue Sichtweise vermitteln, etwas altes neu beleuchten, einen anderen Blickwinkel darstellen, in Schönheit glänzen etc etc ... das kann nur ein Künstler und Kunstwerke sind rar. (nicht wie auf dem Kunstmarkt in der Kunst zu einer Gelddruckerei gemacht wird). Man sagt die Schönheit liegt im Auge des Betrachters, aber das ist nur ein Teil der Wahrheit  der 2. Teil ist: Schönheit entfaltet sich im Auge des Betrachters wenn sie den Betrachter zu erreichen vermag.
Manches lässt sich leicht verbessern, bei anderen Gedichten kann es Jahre dauern  oder sie verändern sich nie und bleiben mit ner Delle in der Form. Manch einer baut sich seine eigenen Formen und gießt seine Gedanken hinein, ein anderer verzichtet gänzlich darauf.
Individualität macht die Vielfalt und Vielfalt ist spannend. 
Menschsein bedeutet auch dass Menschlein sich entwickelt, strebt und manchmal auch, dass er sich verbessern möchte
 
Für @Carlos möchte ich hier den Ursprungstext einfügen:
 
 
Gestern Nacht träumte ich,
ich wär ein Schmetterling
und flog von Blume zu Blume.
Da erwachte ich und siehe:
Alles war nur ein Traum.
Jetzt weiß ich nicht:
Bin ich ein Mensch der träumte,
er sei ein Schmetterling,
oder bin ich ein Schmetterling,
der träumt, er sei ein Mensch?
 
 Zhuangzi
 
Die Frage ist nicht nur wer bin ich. Sondern auch was. 
Nach Sein und Schein, nach Realität und Trugbild.
Bin ich der Traum oder der Träumende.
Bin ich der der denkt oder der der gedacht wird.
Das sind nicht nur metaphysische Fragen, sondern auch esoterische. Können wir im Traum reisen, die Gestalt wandeln. Ist der Geist oder die Seele fähig eine andere Gestalt anzunehmen, also eine Frage gibt es Seelenreisen.
Manche Träume sind ja so intensiv, dass wir beim erwachen nicht an ihrer Realität zweifeln und erstmal ne Zeit brauchen um uns wieder einzusortieren in das was wir gestern auch schon waren.
Würden wir, die Seele, der Geist oder das Bewusstsein sich in einen Stein begeben, der verdichtetsten Materie auf Erden, wie schwer wäre es sich daraus wieder zu lösen?
Wenn wir im Traum ein Schmetterling sind, ist dieser dann das Ich, bin ich der Schmetterling? Ist, wenn ich aus dem Traum erwache, der Schmetterling Teil meines Ichs, bin ich schon immer ein Schmetterling gewesen? Bin ich beides, sind Körper austauschbar? Was ist Ich, was Bewusstsein, gibt es das, ist es etwas das ausserhalb eines Körpers Bestand hat?
Das ist die Frage: Was bin ich.
Das führt uns zurück aus Asien nach Europa: Ich denke also bin ich.
Auch da folgt unweigerlich die Frage: was bin ich ... etc etc....
 
Das alles ist so spannend wie die Frage nach der Form
 
Liebe Grüße
Sali
 
 
 
ich danke Dir und bin mittlerweile ein treuer Leser Deiner Morgengedichte geworden.
 
Und dafür mein Freund,
liegt der Dank ganz bei mir,
denn es sei eingeräumt,
das du es treu liest
ist wie ein Lob von dir,
nicht jeder mag das
als interessant ansehen.
 
Es ist schön zu wissen,
das es noch jemand gibt,
der sich den Morgen
im Reim lesend hingibt,
das freut mich sehr
und mein Dank
ehrlich spricht
zu Dir wie @Gina
@anais und @Ponorist
um die treuesten dabei zu nennen,
die sich zum bereimten Morgen bekennen.
 
Ich finde Deinen Gedanken, dass Sein und Schein einander bedingen und sich auseinander entwickeln, insbesondere im Traum, hochinteressant. Ich denke, daran ist viel Wahres. 
 
Der Schein kommt immer erst aus dem Sein zum Vorschein, auf was man das auch immer bezieht. Meine Lebensphilosophie leitet sich auch aus einem Spruch zu Sein und Schein ab:
"Viel leisten, wenig hervortreten, mehr sein als scheinen."  Autor Carl von Clausewitz, der hat diesen aber leicht abgewandelt, denn ursprünglich ist der von Alfred von Schlieffen mit "Wenig hervortreten, viel leisten, mehr sein als scheinen." was aber beim Sinn des Spruches und danach zu leben keinen großen Unterschied macht.  Es ist für mich immer sehr interessant wo Sein und Schein Anwendung findet, wenn beide Wörter/Bedeutungen in einem Zusammenhang genannt werden. So war es auch bei dir und es war mal wieder schön darüber nachzudenken.
 
Hab noch einen schönen Sonntag.
 
LG Ralf
 
Ich nehme mal an, daß wir dadurch, daß wir uns darüber Gedanken machen, ob wir sind oder ob nicht, beweisen, daß wir sind, sonst könnten wir nicht darüber nachdenken, ob wir sind oder ob nicht.
 
Ein Stein würde nur denken: "Hier liege ich; ich kann nicht anders!"
 
Hallo Dio,
 
jetzt gebe ich auch noch meinem Senf zu deinem Text (Stein oder nicht Stein) dazu , ohne  näher auf die spannende Diskussion und die Universumsbetrachtungen einzugehen.
 
 
Es gibt übrigens eine ganz herrliche Folge des "Tatortreinigers" (Der Fluch -  Folge #17), in dem eine  Eigenheit der deutschen Sprache dem zum Reimen verdonnerten Protagonisten zum Verhängnis wird: Es reimt sich nichts auf "Mensch". (Sehenswert!)
 
 
Du löst das Problem  mit der Verkleinerung, was dann allerdings  verniedlicht und reimtechnisch verwässert klingt.
 
Ich finde ja, dass dies in der Unermesslichkeit des Universums nichts ausmacht, denn letztendlich ist alles eine Geste des Universums, es hat allerdings (also in meinen Ohren) zu wenig Griff.
 
An der Stelle finde ich das ungereimte einfache  Wort "Mensch" gut,  auch wenn du Gefahr läufst, aus dem verwunschenen Schloss der Gereimtheiten zu  fliegen.
 
In mir löst es ein Aufmerken aus.
 
Gerne gelesen,
Mi
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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