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rain

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  1. Dystopie

     

     

    Einmal an diesem Punkt angelangt, gibt es nichts mehr zu erklären. Die Zeit zu verstehen ist lange vorüber. Was haben wir nur getan? Wie konnte das alles nur passieren? Fragen, die vollkommen unangemessen sind. Das ist der Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt. Wir alle müssen das Unausweichliche annehmen. Aber was kann man schon erwarten – von einer auf allen Ebenen unfähigen Menschheit. Unser Überleben wurde zum Feind des Lebens. Zum Feind der Erde. Wie Parasiten saugen wir sie aus und geben nie etwas zurück. Die Dystopie wird zur Wirklichkeit. Wir alle sehen, was wir getan haben. Wir alle wissen, was aus uns geworden ist.

     

    Gierige Kreaturen mit gekrümmten Rückgraten, die ihre vor Verlangen schreiende Leere mit Vergänglichkeit füttern, nur um sich dann zu wundern, warum sie niemals satt werden. Blasen ihre gewaltigen, narzisstischen Egos weiterhin auf, um damit ihr löchriges Inneres zu stopfen. Schmücken sich mit gestohlenen Federn und protzig goldenen Kronen und doch schaffen sie es nicht ihre Hässlichkeit zu verbergen. Die Worte, die aus ihren fauligen Mund schießen, fallen zu Boden wie leerer Patronenhülsen, sind nichts mehr als eine zufällige Aneinanderreihung von Lauten. Leer an Aussagekraft, doch auf höchst verheerende Weise trotzdem wirkungsvoll. Sie beschuldigen andere für ihr eigenes Unvermögen, für ihr Scheitern, für ihre Dummheit, während sie im blendend hellen Scheinwerferlicht den nächsten Genozid planen. Ganz ohne Scham. Frei von jeglicher Reue, als ob sie die Konsequenzen ihrer Entscheidungen nicht erahnen könnten. Halten den urteilenden, Schuld zuweisenden Zeigefinger in ihren Anzugs-Hosentaschen schon bereit und feuern sodann den Startschuss zur nächsten Hexenjagd ab.

    Dann gibt es diejenigen, die den Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge nicht mehr finden können. Oder wollen. Wie lange sie wohl noch Augen haben werden, die sie verschließen können? Natürlich ist es schwer etwas aufzugeben, wovon man naiv und gutgläubig dachte, dass es richtig ist – niemand hat je etwas anderes behauptet. Sie weigern sich eine eigene Meinung zu bilden, obwohl es Zugang zur Quelle aller Information gibt. Alle halten sie in den eigenen Händen. Den Schleier der Illusion zu lüften, geht ausnahmslos mit dem Gefühl von Scham einher. Die jämmerlichen Versuche sich vor dieser Pein, dieser Erniedrigung zu schützen, verlockt sie einen heimlichen Pakt mit dem Zerstörer, den Teufel höchstpersönlich, einzugehen. Ohne Frage - die Versuchung ist groß. Sie verkaufen ihren freien Willen, ihr Potenzial, ersticken ihren schöpferischen Geist, um nie für etwas verantwortlich sein zu müssen. Halten das Rad am Laufen, weil sie Veränderung mehr fürchten, als Feuer das Wasser. Am Ende rühmen sie sich in ihren Siechtum, ihren Jähzorn, der nur einen bitteren Geschmack zurück lässt. Sie werden von ihren Neurosen und Zwängen, die sich wie ein Krebsgeschwür ausbreiten, erdrückt. Irgendwann können sie nicht mehr atmen und all jene Verdrängungsmechanismen werden wirkungslos. Sie versuchen auszubrechen, zu fliehen – erfolglos. Sie verstricken sich in Beziehungen, die zu gigantischen, alles verschlingenden Monstern mutieren. Verwechseln Glück mit ausschweifenden, lauten Exzessen, Freiheit mit Gefangenschaft, Geben mit Nehmen und Liebe mit Abhängigkeit. Haben vergessen, wie es überhaupt geht zu lieben. Sie erinnern sich nicht. Verwandeln sich in herum wütende, stinkende Wesen mit tausend Tentakel, die alles in ihrer Umgebung zertrümmern und mit ihren ätzenden Gift besprühen. Zumindest solange sie Kraft und Gift haben. Zurück bleiben leere Haut-Hüllen, ein beschämender, erbärmlicher Haufen Elend, oder verrückt gewordene, psychotische Gestalten. Karikaturen, die nahezu keine Ähnlichkeit zum gewöhnlichen Menschen zeigen.

     

    Und die Wenigen, die noch fähig sind wirklich zu fühlen, können diese Last kaum ertragen. Setzten sich unter Drogen, um ihre Verletzlichkeit zu betäuben. Bauen hohe Mauern um ihre Herzen, basteln Masken, mit dem Ziel ihre Schmerzen und ihr Entsetzten, ihre Ohnmacht zu verstecken. Sie werden verfolgt von dem Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt mit ihnen, dass irgendetwas an ihnen falsch ist. Versuchen sich selbst ein neues, richtigeres Gesicht zu verleihen, doch diese Anpassungsversuche sind von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Sie spüren, dass sie anders sind, wissen aber nicht warum, halten diese zerreißende innere Diskrepanz nicht aus. Suchen nach Antworten auf Fragen, die noch nie gestellt wurden. Sie verlieren sich in ihren fast platzenden Köpfen, können es einfach nicht verstehen. Irgendwann folgt die vernichtende Erkenntnis diese Abscheulichkeit nie verstehen zu können und sie hüllen sich in einen bleiernen Mantel der Resignation ein. Versuchen mit letzter Kraft, mit ihren unheimlichen, verzerrten Fratzen, den Schrecken in die Flucht zu schlagen, um sich selbst nicht in den Selbstmord zu treiben. Zutiefst verunsichert verharren sie zitternd an Ort und Stelle, erstarren vor Panik. Ihre zarten Herzen werden zu Stein. Der letzte Rest von einem Gespür für Moral und Ethik, das in ihnen schlummerte, stirbt mit ihnen und eine eiserne Härte und gnadenlose Ignoranz stellt sich ein.

    Eine Welt frei von Mitgefühl und Rücksicht. Eine Welt der Teilung und der Missgunst, in der wenige viel haben und viele nichts. Die Minderheit verschwendet den Überfluss, während eine unterdrückte Mehrheit schon zur Mittagszeit verhungert, sich nach Nahrung verzehrt. Nahrung für den knochigen Körper, der die überlebenswichtigen Funktionen am Laufen halten soll. Nahrung für die ausgetrocknete, spröde, misstrauische Seele, die wieder träumen will, etwas erfahren will, sich nach Geborgenheit und Wärme sehnt. Eine Wärme, die das gefrorene Blut in den Adern wieder zum fließen bringen soll.

     

    Mit hängenden Schultern und gesenkten Kopf wanken wir den Abgrund entgegen. Aber es ist uns auch irgendwie egal und einige bemerken es nicht einmal. Wir kleben in einem Kreislauf von Gewohnheiten. Beschränken uns auf das Gewöhnliche. Der Konformismus treibt uns alle ins Verderben, versteckt die eigentlich so offensichtliche Not. Sind abgelenkt von bunten Lichtern, die niemals unsere eigenen werden. Unsere Haut - blass und grau, mit Schrammen und Bisswunden übersät, die von zahlreichen brutalen, blutigen Kämpfen erzählen. Herden taumelnder Untoter durchstreifen diese brennende Wüste, in der einst ihre Menschlichkeit verdunstet ist. Keiner ist alleine, aber alle einsam, isoliert. Wir trafen Entscheidungen aus Angst nicht aus Liebe. Und ein Turm, der auf einen solch porösen, unebenen Grund gebaut wurde, muss irgendwann einstürzen. Denn er wurde nicht gebaut, um ewig zu stehen. Das war nie sein Zweck.

    Das System ist ein Symptom der Krankheit des Kollektivs und nur Gott weiß um die Heilung. Aber wir hören sein Geflüster nicht. Das Echo detonierter Bomben hallt noch immer durch die Kammern unserer Herzen, hallt immer noch durch die Straßen, durch die weinenden Wälder. Erfüllt die lehrende, vielleicht mahnende Stille mit Verzweiflung, Wut und Hass. Versperrt die Wege zu unseren aller innewohnenden Heiligtum. Erstickt alles im Keim.

     

    Das Lamm wurde sein eigener Schlächter und jetzt ertrinkt es in seinem eigenen Blut. Die weit aufgerissenen Augen spiegeln nur Tod und Verwesung, bis sie die Geier, die die Lebenden von den Toten kaum mehr unterscheiden können, herauskratzen. In der Abenddämmerung kommen zornige, zähnefletschende Kinder aufs Schlachtfeld gekrochen und nagen knurrend an den Knochen, die die Geier übersehen haben, nur um sich danach wieder in die Dunkelheit zu stehlen. Manchmal hört man ein bitteres Weinen, manchmal ertönt ein klagendes Gejaule, das beim näheren Hinhören eine Geschichte des Verlassen- und Vergessenwerdens erzählen würde – doch niemand hört zu. Niemand sonst ist mehr da. Keiner sieht ihre im Mondschein glänzenden Tränen über ihre Wangen rollen. Tagsüber verstecken sie sich unter den Trümmern, in den Kratern, in den Ruinen der Städte, in Hoffnung verschont zu werden. Aber auch ihnen, diesen unschuldigen, kleinen Geschöpfen, wird keine Gnade zuteil. Sie müssen all das Grauen immer und immer wieder durchleben. Selbst im Schlaf hören sie noch die gequälten, schrillen Schreie des Todes ihrer Zeuger, die ihnen dieses staubige Nichts hinterlassen haben.

     

     

     

    ___________

     

     

    war mir nicht sicher in welche Kategorie das passt - bzw. hab ich keine Ahnung was das überhaupt ist, was ich da geschrieben habe. ein simpler innerer Monolog vll.?

    naja - ich schreibe für gewöhnlich nicht solche Texte. War ein spontanes Experiment, ohne strategischen Vorgehen.

  2. Würde man nicht durch Übersetzungen den Charme einiger Texte verlieren ?

    genau das habe ich mir auch bei diesen Text gedacht - eine reine Übersetzung geht schon, gefällt mir aber in diesen Fall gar nicht. Ich würde auf Deutsch alles anders machen. Es wäre dann halt ein anderer Text. =)
  3. lead

     

    Can't you see? Apocalypse

    Can't you see?

    the high and the low

    the rise an the fall

     

    with a head full of ghosts

    and a heart made of lead

    our doom is spelled

    Why can't you see?

     

    the call of the abyss

    no mercy at all

    we are the shadow

    apocalypse

     

    like imbeciles

    we wasted earth

    empty minds

    catastrophe

     

    in reckless abandon

    like moths have for light

    as far as I can go

    to the eye of the storm

     

    I bear the misery

    of the whole world

    I carry your pain

    How much more I can take?

     

    Why can't you see?

    we can't buy time

    burning churches

    a crooked cross

     

    leaning towers

    come tumbling down

    what is built this way

    must fall apart someday

     

    empty shells

    as cold as ice

    forgot how to love

    the death wears a mask

     

    Can't you see?

    death wears a mask

    apocalypse

    catastrophe

  4. Hallo Dichtel

     

    dein Kommentar fordert mich gerade auf mehreren Ebenen. Zunächst musste ich mich mit dem Begriff "Lyrisches Ich" auseinandersetzten.

    Ich glaub ich mag diese Bindungslosigkeit, wie du es schreibst.

     

    ich habe bewusst sehr unwahrscheinliche Ereignisse herangezogen zB. until chaos chose to die. Da können wir wahrscheinlich lange darauf warten, genauso wie auf das Austrockenen aller Ozeane. Und eben SO lange wird die Verbundheit bestehen, in der es in diesem Text gehen soll. Und nicht einmal der Tod kann sie aufhalten.

     

     

    bin ich mir gar nicht so sicher, ob LI nicht sogar eine Sehnsucht in das absolute Ende herbei sehnt?

    Das ist eine sehr interessante Frage. Vll will LI erlöst werden =D

     

     

    sehr unbefriedigte text_Grüße, Dichtel …

     

    -

    findest du den Text wegen der fehlenden Bezug zu Person, Ort, Zeit unbefriedigend, bzw. weil er soviel offen lässt? Oder findest du ihn einfach nichtssagend und nicht gut? Oder beides?? 8o
  5. Hallo Perry,

     

    Danke für dein Feedback.

    Irgendwie kommen mir meine Texte immer ein bisschen wie "ungesungene Lieder" vor, also lustig, dass du diesen Punkt erwähnst.

    Dieser Text ist denke ich der einzige, der einem Geidcht nahe kommt.

    Ich habe mich schon gefragt, wie es hier mit englischen Texten ist, da ich haputsächlich englisch schreibe.

     

    lg

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