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venetische trommel

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Beiträge erstellt von venetische trommel

  1. F: Erzählen Sie mir von der Hütte, mich würde Ihre Version der Entstehungsgeschichte interessieren.

     

    A: Ein unmöglicher Pfad führte hinauf zu der Grabstätte, die mein Vater gewählt hatte.

    Noch in der Nacht seiner Bestattung wurde das Fundament für ein kleines Häuschen gelegt,

    oder eher eine kleine Hütte mit Kamin, in der sich verirrte Wanderer ausruhen konnten,

    wenn sie, überrascht von der Anstrengung, die ihnen der Weg nach oben bereitete, nicht wussten,

    ob sie es wieder nach unten schaffen würden.

    Niemand konnte sagen, woher das Baumaterial kam oder wer es dort hoch geschafft hatte.

    Es wurde auch keine große Sache draus gemacht. Die Hütte war einfach da.

    Die Möbel, allesamt aus Walnußholz gefertigt, und mit kunstvollen, doch abstrakten Schnitzereien verziert,

    ließen in jedem, der dort oben Zuflucht suchte, eine feierliche Stimmung aufkommen.

    Man erzählte sich, dass dort alle, die es nicht wieder runter geschafft hatten eine leise Vorahnung beschlich, und sie ihren letzten

    Gedanken in das Holz ritzten, das so schön war, dass man es eigentlich nur mit Ehrfurcht berühren konnte.

     

    F: Ihnen ist bewusst, dass es dort oben keine Hütte gibt, dass es dort oben nur Felsen gibt, die vielleicht entfernt an die Form

    eines Hauses erinnern? (der Fragensteller öffnet ein Satelitenbild auf Google Earth und dreht den Bildschirm herum)

     

    A: Ja und nein, die ersten paar Male, als ich dort oben war, da dachte ich es wäre die Höhenkrankheit, dass ich anfange

    zu halluzinieren. Sauerstoffmangel usw.

    Doch mit jeder Besteigung wurde das Bild klarer, die Hütte wurde greifbar und plötzlich war sie vollkommen real.

    Ich weiß, sie halten mich jetzt für verrückt, und das ist auch in Ordnung aus ihrer Sicht. Doch habe ich sie mit eigenen

    Augen gesehen, dort jahrelang gelebt, die Schnitzereien in mein Notizbuch gezeichnet, ich hab es dort oben liegen lassen.

    Es war nicht mehr wichtig für mich. Wie dieses Gespräch, ich weiß, sie müssen das tun, prüfen ob meine Gedanken konform sind

    mit denen der vorherrschenden, zivilisierten Gesellschaft, doch das ist mir eigentlich alles vollkommen egal. Konsultieren sie einen Richter,

    wenn sie unsicher sind und weisen sie mich ein. Ich kann das verstehen.

     

    F: Wieso sollte ich das tun? Wir führen nur ein Gespräch.

     

    A: Wie war ihr Vater so?

     

    F: ...

     

    A: Ich kann mich nur aus Erzählungen an ihn erinnern. Komisch, denn das ist ja eigentlich gar keine echte Erinnerung,

    dennoch fühlt es sich wie eine an. Aber wer weiß das schon, vielleicht können wir ja Erinnerungen von Mensch zu Mensch, von Hirn zu Hirn übertragen,

    es hat einfach nur noch keiner rausgefunden wie das geht. Und manchmal passiert es halt zufällig.

    Schon wieder zu verrückt, was? Ich seh das in ihrem Blick. Aber keine Sorge, sie wissen ja ich bin eher der ruhige Typ, sie müssen das Gerät, das da um ihren Hals hängt nicht benutzen.

     

    F: Herr ..., es geht hier um ihre Zukunft !

     

    A: Ach ja? Tut es das?

     

    F: ...

     

    A: ...

  2. Lieber Perry,

     

    Dein Gedicht lässt bei mir ein Gefühl der Gemütlichkeit und Geborgenheit aufkommen. Da ich selbst jemand bin, der sich mit den Windmühlen arrangiert hat und ich weiß, dass dieser Kampf durchaus Spaß machen kann, passt das für mich sehr gut in den Text.

    Die Bilder kommen für mich sehr klar und gut rüber und ich kriege Lust mir solch einen Pavillon zu bauen.

     

    LG

     

    venetische trommel

  3. Lieber Eulenflügel,

     

    vielen Dank für deine Antwort.

    Ich habe mich beim Schreiben des Gedichts an meine Jahre der Wohnungslosigkeit, durchzogen von nicht immer freiwilligen Psychiatrie Aufenthalten erinnert, welche in der Tat verstörend wirken können und sollen.

    Daher freue ich mich, dass das irgendwie rüber gekommen ist.

    Das Ende ist als kleiner Hoffnungsschimmer gedacht.

     

    LG

     

    venetische trommel

  4. von den decken

    in gedankengängen bröselt

    beton verdichtet sich

    bis die rostige stahltüre bricht

     

    schlag ein neues gesicht

    aus der versteinerten miene

    tränen fallen klackernd

    ins leere

     

    den mund voller sand

    einen backstein im hals

    atmen fällt schwer

    die angst ein seltsamer tanz

     

    so schön und so leicht

    ihr gesang auch erscheint

    blicke niemals zurück

    wirst zu stein stück für stück

  5. Bei einem Glas Cognac ließ Reinhold die Ereignisse, welche dazu führten, dass er diesen Moment der Glückseligkeit überhaupt noch erleben durfte, noch einmal Revue passieren.

    Reinhold, diesen Namen hatte er seit einer Ewigkeit nicht benutzt.

    Der feine Tropfen brachte sein Blut in Wallung.

    So wie in dem Moment, als der Mann in Schwarz an ihn herantrat.

     

    Damals sollte es noch der Standart Fusel aus dem Discounter sein, der ihn in einsamen Nächten seine zahlreichen Fehltritte und Entgleisungen vergessen ließ.

    Umso größer war seine Verwunderung über das Angebot, das ihm der kleine Mann durch seinen beeindruckenden Schnauzbart hindurch unterbreitete.

    Reinhold war das, was man landläufig ein Urgestein nennt. Er hatte seinen festen Platz in der Gemeinschaft, aber niemand interessierte sich wirklich für ihn. Mit Ende 60 standen ihm keine großen Veränderungen mehr bevor, er war Realist. Sein Lebenswandel forderte langsam die Jahre ein, die Reinhold auf der Jagd nach billigen Verlockungen einst leichtsinnig verspielte. Und es bis heute tat.

     

    Der Mann redete davon, dass die Führungsebene keinen Ausweg mehr sehe, von der Klinik in Uganda, und dass seine körperlichen Voraussetzungen passen würden. Das Persönlichkeitsprofil sei nicht so wichtig, da könne man schon was machen.

    Seine Kinder würden auf ein beachtliches Vermögen stoßen, ein entsprechendes Konto auf Reinholds Namen wurde bereits eingerichtet.

    Nach der Transformation war ihm jeglicher Kontakt zu ihnen verboten, doch damit konnte er leben, denn er fühlte sich schon seit längerer Zeit als eine Last für andere.

     

    Reinhold überlegte nicht lange. Die Verheißung auf einen Ausweg aus seiner bescheidenen Existenz überwog die Gefahr, dass seine Organe auf dem Schwarzmarkt gehandelt wurden. Noch in der gleichen Nacht packte er alles was ihm wichtig war in den kleinen Rollkoffer, der schon seinen Vater auf dessen zahlreichen Dienstreisen begleitete. Er schloss nicht ab, als er zum letzten Mal sein Haus verließ.

     

    Auf dem Flug spielte man auf seinen Wunsch hin die Feuerzangenbowle, während er zwei Valium zum Kaffee einnahm.

    Vom Flughafen aus mussten sie den Hubschrauber zu der kleinen Klinik in den Bergen nehmen, wo man ihm Doktor Kiessling vorstellte.

     

    Man teilte ihm nur das wichtigste mit, dass es ein 26 Jähriger sein würde, gesund und kräftig. Das Beruhigungsmittel trug dazu bei, dass Reinhold auch gar nicht viel mehr wissen wollte.

    Als er aufwachte war der Mann mit dem Schnauzbart wieder da.

     

     

    „Willkommen, Herr Amthor“

  6. Tod eines Fallenstellers

     

    in verborgenen winkeln versteckt sich das kribbeln im nacken durch tastende blicke

     

    herzzerreißende doppelgänger am fließband erschaffen begründen täglich eine neue religion und opfern die kinder ihrer menschlichen vorlagen

     

    eine fährte führt nun in mehrere richtungen

    in plastik verhüllt

    ob tag ob nacht immer das gleiche grelle licht

    alle sind müde doch jeder bleibt wach

     

    der sternenhimmel ein denkmal aus vergangenen zeiten hat längst seinen glanz verloren

    nur durch kristalle betrachtet erkennt man noch was

     

    die letzte falle sollte sein meisterstück sein

    er tappte freudig hinein

  7. Hey, vielen Dank für das positive Feedback.

    Tatsächlich ging es mir nicht um Flüchtlinge oder Mallorca, sondern um meine Eindrücke bei einem Spaziergang um den Ümminger See, die Leute dort und wie selbstverständlich alles zugemüllt wird. Ja das mit dem Zeilenumbruch ist so eine Sache. Ich sollte wohl aufhören in den Google Notizen zu schreiben, aber das ist so schön bequem

  8. sie sitzen da in der fremde gemeinsam

    angst vor neuem

    hoffnungsschimmer wie brotkrumen ausgeworfen

    bilden einen kreis

     

    die lumpen tragen schriftzüge

    gesichtslose namen

    männlichkeit hat ihren preis

    einer beweist sich die anderen singen sein lied

     

    die luft wie lauwarmer seetang zäh und klebrig

    eine erfrischende rauchschwade zieht vorbei

    als jemand das innere eines einweggrills mit seinem smartphone erkunden will

     

    was auf sich halten heißt ein raubtier halten

    augen werden zugemacht gefühle nicht verletzt

    angst zeigen nur die anderen

    deshalb plastikbesteck

     

    schilder voll mit verboten treiben einen verirrten fisch zurück in die schaumige brühe

    dabei würde er so gern mal land sehen

    viel zeit bleibt ihm nicht

  9. Hallo Bernd,

     

    ich fühle mich bei deinem Schiffer gut aufgehoben und beim Lesen kommt bei mir eine richtige Seemanns Stimmung auf, oder zumindest das, was ich mir darunter vorstelle.

    Lediglich der dritte Satz im ersten Absatz hört sich für mich nicht stimmig an.

  10. Dort wo die Wolken sich brechen

    auf kaltem Gestein

    steh' ich voll Angst und voll Freude

    Und fühl mich ganz klein.

     

    All die Sorgen vergessen

    der Wind wäscht mich rein.

    Zärtlich spannt er die Leinen

    In Fesseln, so frei.

     

    Renne zu auf den Abgrund

    Das Herz rast so schnell

    Verliere den Boden

    Und alles wird ruhig.

     

    Ein Falke begrüßt mich

    als wär ich nie weg

    Die Sonne sie küsst mich

    Ich will nie wieder weg.

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