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Egon Biechl

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Beiträge erstellt von Egon Biechl

  1. Mein Papa heißt Alois Biechl, wird 1899 als das dritte von vier Kindern im Tiroler Jenbach geboren. Er verunglückt beim Rangieren von Eisenbahnwaggons. Der rechte Unterschenkel muss ihm amputiert werden. Seither bezieht er, der Vierzigjährige, von der Deutschen Reichsbahn eine Invalidenrente.
    Trotzdem ist mein lieber Vater ein lustiger Kampl und verhilft seiner Haushälterin zu gesegneten Umständen. Sechs Monate nach ihrer Hochzeit komme ich 1942 nicht mit dem Namen meiner Mutter als Berger, sondern immerhin schon als Biechl zur Welt. Egon heiße ich auf ausdrücklichen Wunsch meiner Taufzeugin Tante Grete, wofür ich ihr tatsächlich immer sehr dankbar sein werde.
    Innsbruck, wo wir wohnen, ist Hauptstadt von Tirol, das nicht nur zu Großdeutschland gehört, sondern seit Anfang 1942 namentlich schon einer der Donau– und  Alpenreichsgaue ist.
    Angewiesen auf einen sitzenden Beruf erlernt mein Vater in der Berufsschule Karlstein an der Thaya das Uhrmacherhandwerk. Danach wird er – untauglich für den Wehrdienst – zusammen mit meiner Mutter und mir nach Huben, einem Weiler zwischen Längenfeld und Sölden im Ötztal, evakuiert und in einen verlassenen Bauernhof einquartiert.
    Für unseren Lebensunterhalt tischlert und zimmert er und bearbeitet Blech und Eisen. Er behebt Kurzschlüsse und ähnliche Probleme. Vor allem natürlich repariert er, der Tausendsassa, Uhren. Damit bekommt er neben    etwas Bargeld auch Lebensmittel. In Innsbruck stanzt er auch blecherne Hakenkreuze für die Nationalsozialisten. Das macht er ausschließlich wegen des Geldes, denn er selbst ist immer noch ein überzeugter Anhänger der im Moment zur Gänze verbotenen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP).
    Von Jugend an war er begeisterter Anhänger dieser politischen Richtung gewesen und ihretwegen war er 1936 an seinem 37. Geburtstag vom Katholizismus zur Evangelischen Kirche übergetreten, hatte Papst Pius XI. in seiner Enzyklika Quadragesimo anno im Jahr 1931 doch behauptet:
    „Es ist unmöglich, gleichzeitig guter Katholik und wirklicher Sozialist zu sein.”
    Damals war ihm noch nicht bewusst gewesen, dass die protestantischen Christen zwar nicht direkt gegen die  Sozialdemokratie, aber mehr als die Katholiken dem Dritten Reich positiv gegenüberstanden. Seine sozialistische Lebenshaltung, verstärkt durch die Furcht, dass er aufgrund seiner Amputation dem lebensunwerten Leben zugeordnet würde, hält ihn von der NSDAP fern.

    Mutter_Vater_240.jpg

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  2. Wenn man etwas verleiht, will man ja gut dastehen.

    Und:

    Auch aus Pilzen kann man schmackhafte Liköre mazerieren! Geschmacklich sin Pfifferlinge (für unsere österreichischen Freunde: Eierschwammerl), Morcheln, Parasol, Herren- bzw. Steinpilze, Schitake.

    Was ich dieser Fremdsprache (mazerieren, Schitake) entnehmen kann, können sie einem zu Kopfe steigen.

  3. Herzlichen Dank für den Willkomm Fletje. Ich habe gestaunt, dass wir - Milbentaxi & Schwammerl - Dich an solche Situatioen erinnern ließen. Bei mir hat es von 4 auf 2 Beine wieder geklappt. Fremde Hilfe kann ich mehr hier bei meinem Einstand brauchen als damals. Ich würde mich freuen, Deinen ganzen Glückspilz lesen zu dürfen. Ich bitte Dich darum.

    Liebe Grüße

    Egon

  4. Liebe Anonyma,

    es freut mich, dass Du meine Kurzgeschichte gelesen hast und dass sie Dich veranlasst hat, mir ein Kommentar zu schicken. Ehrlich gesagt: ich bin für's Pilze-Sammeln verantwortlich, für das Zubereiten ist es meine liebe Frau. Bei ihr schmeckt es auch immer sehr gut (und sie kann sicher sein, dass ich kein Gewächs - oder was immer es sein mag - bringe, weswegen sie Angst haben müsste, wel ich das Unterscheiden schon beginnend ab meiner Kindheit gelernt habe.)

    Liebe Grüße

    Egon

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  5. Liebe Autorin, bei uns gibt es zwar auch starken Wind, aber was ist das gegen einen Orkan in Verbindung zum Meer. Für mich hier in Wien ist das exotisch, ist die Ostsee doch so weit und von mir nur einmal gesehen. Dein Gedicht ist eine beeindruckende Erinnerung daran.

    Liebe Grüße

    Egon

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  6. Meine geliebte Frau, üblicherweise Initiatorin unserer Wanderungen, weigert sich heute spontan, mit mir durch das Gestrüpp zu kriechen, wie sie es nennt. Ich würde nie wagen, eine ähnliche Anregung ihrerseits in Frage zu stellen oder gar einfach abzulehnen.
    Sie sagt zu mir: „Alter Mann, steck vorsichtshalber dein Mobiltelefon ein, damit du mich erreichen kannst, solltest du hinfallen und mit deinem angewachsenen Rucksack da vorne nicht mehr aufstehen können!”
    Wie geschickt Gina doch meine zu Beginn erwähnten Attribute ansprechen kann, ohne dabei in eine extreme Ausdrucksweise zu verfallen! Allerdings vergisst sie nicht, ihre Worte mit einer Warnung, bezogen auf meine Gebrechlichkeit, zu würzen.
    Aus ureigenstem Antrieb und nicht bewogen durch die wohlgemeinte stereotype Aufforderung aus weiblichem Mund, mich mehr zu bewegen, geht es sehr viel leichter, mein Lebendgewicht in Trab zu setzen. Ich tu es in der unumstößlichen Vorfreude, sehr bald die am Vortag mühelos entdeckten Pilze lustvoll abzugrasen.
    Tatsächlich finde ich nahe am Waldrand den prachtvollen Steinpilz, der mich schon gestern entzückt hat. Ich schneide ihn knapp über dem Mycel, den Wurzeln des Pilzes, ab und stecke ihn in mein schickes Einkaufssackerl aus plastifiziertem Material, welches mir meine Gina als geeignet und mit der einer Erdbeere gleichenden Hülle auch als möglichst stilecht empfohlen hat. Stolz begebe ich mich auf den Weg.
    Frohgemut wandere ich den Waldweg entlang und wundere mich dann doch sehr, dass Eierschwammerln, die ich tags zuvor zwar von Weitem leuchten gesehen, aber ohne geeignetes Behältnis nicht mitgenommen habe, so weit entfernt vom Herrenpilz wachsen. Schrittweise wird mir aber bewusst, dass jemand dieselben – und zwar alle – gepflückt haben musste. Mit großem Bedauern ergebe ich mich in mein Schicksal, ärgere mich dann aber doch, als ich den siegreichen Konkurrenten dreißig Meter vor mir bei der Schwammerljagd entdecke. Ich freilich entdecke noch einige Steinpilze.
    Betreffend Pfifferlinge freilich bleibt mir nichts anderes über, als meine Jagdgefilde in ein anderes, mir noch unbekanntes Terrain zu verlagern, was jedoch meinen Sammeleifer nicht bremsen kann, sondern nur meinen Jagdinstinkt schärft. Zwischen all den hellen Buchenblättern und den vielen, teils wunderschönen aber ungenießbaren Pilzen und Narrischen Schwammerln finde ich tatsächlich einen weiteren Gemeinen Steinpilz, was meine Arroganz weckt, ich wäre der gewieftere Pilzesammler als mein so unverschämter Konkurrent, der ja am ersten Herrenpilz vorbeigegangen sein musste.
    Ich spiele schon mit dem Gedanken, den Heimweg anzutreten, da entdecke ich – zwar nicht am Rand des Weges, sondern im unwegsamen Gelände – mehrere große, prachtvolle Exemplare von Eierschwammerln und – welch große Überraschung – einen stolzen Parasol. Warum sind diese großartigen Pilze bis dato nicht in einem der Sammelbehälter gelandet? Sie sprießen total keck an der Böschung eines glitzernden und plätschernden Bacherls, und zwar am jenseitigen Ufer. Für mich ist das eine willkommene Gelegenheit, den vorangegangenen Frust über die eben erlittene Niederlage etwas zu kaschieren. Gleich darauf entdecke ich einen geringfügig aus dem Wasser ragenden Stein, der verspricht, meine Flussüberquerung zu ermöglichen. Ich vertraue dem Angebot uneingeschränkt und besteige ohne Zögern diesen Stein und gleich darauf jenen, der sich mir am gegenseitigen Ufer als Pendant anbietet. Aber in diesem Moment schießt mir durch den Kopf: „Wie hieve ich meine 120 oder mindestens 115 Kilo (so genau weiß ich das nie) das Steilufer hinauf, um die verheißungsvollen, gelborangen Prachtexemplare von Eierschwammerln und den Parasol pflücken zu können?“ Der dünne Baumstamm, der selbst mir vorbehaltlos Stütze bieten würde, ist leider dreißig Zentimeter zu weit entfernt. Zur Verfügung steht aber ein Ersatz für den Notfall: eine zwar beträchtlich dünnere, aber links und rechts im Boden verankerte Wurzel. Selbstverständlich ergreife ich diese Chance, diesen Strohhalm, sofort ohne Zögern.
    Für einen schlankeren, geschickteren Zeitgenossen hätte das ohne weiteres gereicht. Ich aber plumpse rücklings in das seichte Rinnsal, wo ich mit dem Hosenboden im Wasser lande. Auch meine Sammeltasche fällt ins Wasser und entleert sich rascher als mir lieb ist. So entschwindet auch wieder einer der Herrenpilze, die mir zuvor in die Hände gefallen sind.
    Jetzt ist mir alles egal, ich wate mit wassergefüllten Wanderstiefeln – ohne irgendeinen Halt zu suchen – zum Flecken mit der ersehnten Ernte. Bärentatzen ganz nahe bei unserem Haus entschädigen und besänftigen mich zusätzlich. Ich bin jetzt so frohgemut, dass ich meiner Frau beim Vorzeigen der erbeuteten Schätze freudestrahlend berichten kann, ich wäre ins Wasser gefallen. Sie vermittelt mir keinerlei Eindruck von Sarkasmus, sondern hilft mir zielstrebig bei der Schadensbegrenzung. Anschließend lachen wir beide herzlich über diesen Vorfall, am besten symbolisiert durch einen am Rücken liegenden Käfer.

    Bildschirmfoto 2022-02-21 um 16.29.49.jpg

    Das Copyright für das Foto "Milbentaxi" liegt bei Marianne Schön

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