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Mischa

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Alle erstellten Inhalte von Mischa

  1. Mischa

    Alles Vorbei...

    Es ist fast off tobics ...@ Kleesblaetter Das Wort "betrügen" kommt ja in Deinem Text nicht vor, na gut! Eben! Allgemein: Mich stört der Begriff "Betrug" und sein Verb "betrügen", - "betrügende Person" in obigem Kommentar... Und in solchen Zusammenhängen. (Wenn eine Spionin auf einen angestzt wurde, dann vielleicht...) Von "betrügen" und "Betrug" sprechen, auch wenn das Geschehene Dich sehr empört, aufwühlt, Dich schmerzt, das darf man meines Erachtens nicht. Das ist ein juristischer Begriff ...irgendwie. Und ein Wort, was mit Besitzdenken zusammenhängt. Und gerade beim Verlieben und bei sehr großer Verzückung fasziniert doch gerade diese unendliche Freiheit und Unbeschwertheit, die man erfährt und erfahren hat... subjektiv erlebt. Mir ist das auch schon passiert, und es war ein schrecklicher Kampf in meiner Seele. Daß sich eine andere Seele, ihren Neigungen "frei" folgend, anders entschieden hat. Eine große Wut, und Verzweiflung blieb auf meiner Seite zurück, während die andere, ja.. "Person" 8-) ... scheinbar einfach unverschämt von einem "Paradies" in ein anderes "Paradies" hinüberwechselte, ..und ich?.. nackt in einer eiskalten Winter-Wüste und in einer kahlen Einöde zurückbleiben mußte, und sozusagen doppelt bezahlen mußte! Das ist Betrug, gewiß, doch nicht die Person hatte mich betrogen, sondern das Schicksal oder die Natur, oder das Leben, je nachdem, wie man das sehn will. (Paradox genug, wie so machtvolle natürliche Neigungen Freiheits-Gefühle suggerieren .. ) Denn ich liebte den verlorenen Menschen ja noch immer. Das stellte mich eben vor diese grausame Herausforderung, um der eigenen Würde willen... Es ging ja nicht um einen Handel, um ein Geschäft! Wo der / die Andere dann ein besseres Auto, Pferd, Haus, einen Teppich kauft... eine Sache. Sondern eine lebendige Seele hat sich ... , oft geschieht das unwilllkürlich und in mächtiger gegenseitiger Anziehung, daß man gar nicht von "entscheiden" sprechen kann.. zwei lebendige Seelen haben sich mächtig angezogen.. Wo es schon problematisch wird, in der geschlechtlichen Liebe von Entscheidung, von Freiheit zu reden, was eine Handlung von "Betrug" ja voraussetzt... Und eine dritte lebendige Seele bleibt zurück. Das ist sehr grausam, was das Leben da mit uns macht. Der Kampf für mich bestand auch darin, mich selbst nicht zu einem Händler zu degradieren, der eben für zweite Wahl und für schlechte Ware befunden wurde, obwohl der Kaufvertrag bereits unterzeichnet, und man sich handelseinig geworden wäre... Wenn nicht alles anders dann usw. .. Ich habe mich immer .. auch gegen mich selbst..gewehrt... mich als einen "Betrogenen" zu sehn, sondern mich als Enttäuschten, vom Leben genarrten, bei allem Zorn, bei aller Wut und Traurigkeit ... Und mich über meine Schwachheit geärgert, die geliebte "Person" nie mehr sehn zu wollen, nie mehr sehn zu können, zornig auf... die geliebte "Person" sein zu müssen.. Und auch zornig auf dieses Gefängnis aus Faszination und Abweisungsgefühl, was mich seelisch zur Unfähigkeit verdammte, mir ein ruhiges Urteil zu bilden, ob die "Person" tatsächlich nicht zu mir paßt.. oder ob es wirklich ein großer Verlust war... Die andern beiden "schwirren jetzt in Freiheit und Glückseligkeit" herum, man selber "büßt" in einem Gefängnis aus Befangenheit, Enttäuschung, Selbstzweifel, Verlangen, und muß "brummen", ... Ich hoffe, ich hab mich mit dieser kleinen "Spitzfindigkeit" jetzt nicht unbeliebt gemacht... Mischa
  2. Mischa

    Eine Liste unter der Petro-Oleum-Lampe

    Abstürzende Höhenflüge, hochfliegende Abstürze. Ich erklär mal den Witz (Dritter Dan "Deutsch für Ausländer", :oops: mein lieber Scholli!): Sie muß in dem Augenblick empfunden haben, sich zu wünschen, dereinst so gelebt zu haben, daß sie eigentlich ihr ganzes Leben an dessen Ende würde bereuen müssen... Wenn sie in einer fernen Zukunft auf ihr Leben zurückblicken würde, daß sie dann eigentlich sagen müßte: "Ich bereue alles!" ...eigentlich, um im Trotz der Édith Piaf singen zu können: "non je ne regrette rien!" Die Piaf mochte sie übrigens sehr! Es gibt ja diese romantisch anmutenden religiösen Anschauungen, daß der nach Erlösung Suchende tief in die Sünde ("Sünde" kommt in etwa von "sich sondern") abgeschnitten von allen guten Geistern, hinabtauchen muß, um ein umfassenderes Verstehen des Leidens der menschlichen Natur zu erlangen. Ich kümmerte mich immer mehr darum, was diese Schulungsweg-Beschreibungen transportieren, nicht wie sie heißen. (Es gibt soviele religiöse Strömungen und Glaubensvarianten, daß deren Aufzählung ein Buch füllt..) Oft wird nämlich mißverstanden, man müsse "für extra" durch Unvernunft und Sünde hindurch .. Ich denke hier immer an Goldmarie und Pechmarie. Goldmarie sticht sich versehentlich an der Spindel, und muß in den dunklen Brunnen hinab..sie hat kein großes Ziel, sie möchte nur ihre Spindel, den Faden der Zeit wieder finden... sie hat keinen Plan .. sie hat Angst und ist unterdrückt, hat ein böses Gewissen, ihre Hand blutet, sie muß ..springen .. Das konnte ich damals der Freundin, die ihre Liste führte, nicht sagen. Sie hätte es ja eh nicht verstehn mögen.. :lol: LG, Mischa
  3. Mischa

    Die Rose

    Hallo, lieber Beteigeuze! Habe im Urlaub, ich war mit meiner Frau am Meer, der Nordsee, wunderschöne und viele Wildrosen auf der Insel gesehn, mal sehn, ich werde im entsprechenden Bereich (hier geht es offenbar nicht) mal einige Foto hochladen. Es ist das photographieren ja längst wie inflationär.. (ich schreib es mal mit "ph" als Reminiszenz an alte Tage. :lol: , ich fühl mich öfter schon wie ein hundertjähriger, der aus ganz anderen Zeiten herkommt, und nur noch in die Jetzt-Zeit hineinragt, vital zwar noch, und noch keineswegs einsam. Doch bereits öfter schon eher Zeuge, als noch Handelnder..).. Freue mich über Deine Antwort, der Sommer ist handlungsreich und spannend, so hab ich mich auch nicht oft die letzten Wochen online bewegt, außer im eher familiären Bereich. Viel Wanderrungen, reichlich Sport.. Und da liegt es: Wir gehen selbst-für-freilich ganz anders "ans Werk", und was Dein Werk betrifft, da werde ich nicht vorbeigehn mögen, d.h. so ich etwas Zeit habe, werde ich mal einen Deiner Bände erwerben, daher: Welchen empfiehslt Du? Und, zu meiner "Schreiberei" (ich nenne sie seit 25 Jahren so, seit mal ein großer Junge mir immer feixend von der "Pizzerei" sprach, statt "Pizzeria" zu sagen, wenn er dort mit mir einen Imbiß einzunehmen gedachte. Wir waren jünger, und konnten noch reinhaun! ..ohne tagsdarauf gleich drei Kilo mehr auf die Waage zu bringen).. und "Schreiberei" ist ein Wort, was nicht belegt ist, es steckt zwar auch etwas "handwerkliches" darin, doch das "ei" als Silbe weißt auf einen runden, abgeschlossenen, und kleineren, beschaulichen Innen-Raum hin, zwar nicht direkt etymologisch, doch für mein Empfinden.. Ich habe ein wenig nachgedacht, welche Persönlichkeiten mich wohl beeinflußt haben könnten, außer Bob Dylan, Michael Ende und H.C. Artmann, denn ich las niemals wirklich gerne, das sagten mir "die anderen", daß ich gerne lesen täte. Und da fällt mir schlicht Hermann Hesse ein, vor allem sein Glasperlenspiel, der Demian, Narziss und Goldmund. Hesse kam ja erst spät zum wirklichen Schreiben. Und mir geht es ähnlich, was sein Zweifeln an den Hierarchien geistiger Werte betrifft, ..betraf ..welche einstein Bildungs-Bürgertum vorgegeben hatte. Bei Hesse gibt es Artikulationen, die gehen natürlich heute absolut nich mehr, etwa "barbarisch, negerhafte Untergangs-Musik" :lol: ... für Jazz... (Klar gibt es in Jazz, Pop und all den Stilen, die sich im 20. JH formiert haben viele reichhaltige Möglichkeiten, Untergangs-Stimmungen, Sentimente, kathetralistische Ego-Erhöhungen auszukosten), doch Hesse hatte immer große Sehnsucht nach Vitalität, die nicht zugleich auch roh ist. Der unterdrückte Junge, in eine Schulbank eingepfercht, inmitten einer bewegungsfeindlichen Welt war ihm ein Graus. Seine Protagonisten "gehen immer ein" am prallen Lebendigen, da deren Vitalität nicht ausgebildet ist, bzw. durch Dekadenz zerrüttet. :roll: Mir ist heute Bewegung, Sport und Tanz fast lieber, als Lektüre. Fast. Denn, nicht nur "fit for fun", sondern auch "fit for sorrow" gibt es. Wer in einer gewissen Bewegung ist, kommt den Quellen des Poetischen spannenderweise nah. Das war in älteren Tagen (ab 2004/05) noch einmal eine herrliche und großartige Überraschung für mich: Ich legte überflüssige 15 Kilo Körpergewicht ab, und stellte mühselig den rauchenden, bier - und kaffeetrinkenden Bohemian wieder auf die "Diät" (griech. "Lebensweise") um, die er mit 17 Jahren nach und nach, doch nie ganz verlernt hatte! Nun gut, ein guter Kaffee, ist mir nach wie vor etwas. Rauchen empfinde ich als kulturelle Katastrophe, aber auch das Rauchverbot, das wird nicht wirklich hilfreich sein, vermute ich. Es enthält keinen demokratischen Geist, das Rauchverbot, es ist barbarisch und kulturlos. Aber es ist nun einmal jetzt da, ist Teil unserer Zeit. Dennoch kann ich jedem empfehlen, aus sich selbst heraus.. :mrgreen: ..trotz penetrant belehrender Rauchverbote, das Rauchen aufzugeben. Die Farben werden kräftiger. Wer dann noch Gymnastik und etwas Bewegung (Schwimmen, Hampelmann, Joggen) zuläßt, wird merken, wie sich die Gedanken verflüssigen. Ja, ich rede zwar über Sport, ... ..zwar.. Es ist ja hier und da immer noch "tief drin" das Bild des kettenrauchenden Intellektuellen.. :lol: Soweit mal Liebe Grüße über den Rhein rüber! Mischa
  4. Mischa

    Eine Liste unter der Petro-Oleum-Lampe

    Ich hatte damals das pummelige aber resolute junge Mädchen zur Freundin, die auf alles auf der Welt, und auf alles darunter, darüber und auch dazwischen -neugierig war! Es blieb halt nicht bei der Neugier allein, sie war auf alles mögliche auch neidisch, wenn sie es nicht gleich haben konnte. Sicher, daran kränkeln wir alle ein wenig, wenn wir unser Leben zuweilen banal empfinden und wenn uns die Zeit zu rasch zu vergehen anfängt. Sie jedoch war gerademal zwischen 19 und 20. Und begann eine Liste zu führen. Sie hatte nämlich bemerkt, daß die Älterwerdenden zu manchen Momenten das Klagen anfangen, was sie alles an Konkretem versäumt, und wieviel sie wohl erst an Unvorstellbarem gar -vielleicht- verpaßt hätten: Und da begann sie gewissenhaft alles aufzulisten, was sie, nach ihrem augenblicklichen Befinden, bis zu ihrem 35. Geburtstag auf keinen Fall bereuen beziehungsweise versäumen wollen dürfe. Sie machte, wie gesagt, zuerst eine lange Liste. Sodann begann sie unwichtigere Dinge mit einem Häkchen zu versehen, Dinge, die ihr wichtig schienen, mußten sich ein Unterstreichen gefallen lassen. Die weniger wichtigen Dinge aber, die sie bereits abgehakt hatte, wurden nochmals unterteilt, indem diese entweder mit einem zweiten oder aber gar einem dritten Häkchen versehen wurden. Erfüllen wollte sie sich nämlich eigentlich alles, auf ihrer Liste, die sie eine zeitlang immer weiter vervollständigte. Aber um ökonomisch zu sein, mußte sie eben unterscheiden in wichtiger, unwichtiger und am unwichtigsten. In all dem war ein gewisser Geiz spürbar, den ich damals aber nicht an ihr zu kritisieren wagte: So sehr gefangen hielt mich die Furcht und Ehrfurcht vor soviel kalkulierender Entschlossenheit. Denn es waren keineswegs nur vernünftige Dinge, denen sie den Vorrang gab. Sie orientierte sich wirklich an den Klagen der Älterwerdenden und versuchte so scharfsinnig, wie sie nur konnte, Vernünftigstes und Unvernünftigstes in seiner Wichtigkeit genau gegeneinander abzuwägen. So sehr klug wollte sie sein! Sie sagte, sie wolle später einmal nicht wie so viele dastehen und bereuen. Nicht das geringste wolle sie später einmal bereuen! Als sie mir das gestand, sah sie von ihrem Schreibtisch, auf dem die Liste von der Petro-Oleum-Schirmlampe beschienen wurde, trotzig hinaus in die herankommende blütenschwere Sommernacht mit der gerade schwindenden blauen Stunde, und zwei Tränen rannen theatralisch aus ihren dicken, tiefblauen Kulleraugen über ihre sommersprossigen Wangen. Und sie bot in den Schattenspielen der Lampe das Bild einer trotzigen älterwerdenden Diva, die gerade erkennt, daß sie ihr ganzes vergangenes verruchtes Leben bereut. "Ich bitte dich, du wirst erst zwanzig.. "..;.. "Na und?!" meinte sie stolz .. 2001
  5. Mischa

    Die Rose

    Hi Beteigeuze Bins nochmal. Hab ein Interview mit Bob Dylan gesehn, mit dem -alten - Robert Zimmerman, und da staunte er über manche Verse, er rezitierte welche, die er in seiner Jugend dichtete, wie nebenbei, doch so ... daß er selber staunte, sich wunderte. Er sagte im Interview, er könne jetzt sowas nicht mehr. Er war baff ob seiner damaligen .. Inspiration. Wenn Du meine älteren Gedichte "Reise in die Vergessenheit" oder "Der Leuchtturmwärter" liest, also ich finde darin eine orphische Trunkenheit und Rabiatheit, die quasi wie ohne zu zielen immer fast oder ganz ins Schwarze trifft... ich hatte damals wirklich sehr wenig gelesen, kaum "Bildung". Zu dichten fing ich an, um endlich nicht mehr auf andere Lieder angewiesen zu sein: Sie "erklärten" mich ja nicht. Eigenes mußte erschaffen werden. Es gelang: Ich erschuf mir eigene Gedichte, die mir selber noch viel gaben. Ich vermochte niemehr an die Wucht von "Reise in die Vergessenheit" oder dem "Der Leuchtturmwärter" heranzukommen. Ich war nüchtern pur, als ich sie schrieb, doch trunken von Schmerz, Lebenswillen und Unsicherheit und daraus resultierender Heiterkeit. Es gibt noch andere, wenige Lieder und Dichtungen aus diesen Zeiten, hier nicht veröffentlicht ... Im sehr ausführlich geratenem "Teehaus-Sermon", oder in "Ein Geist will ich Dir sein, und unsichtbar" versuchte ich später nochmal .. fast wie für extra .. und fast bewußt an die Urgewalt der früheren Dichtung anzuknüpfen, es kam Schönes hervor. Doch diese geballte Naivität und Direktheit .. ich habe sie nicht mehr erreicht! Eine Unmittelbarkeit des Empfindens war da, doch refektiv .. leicht .. gebrochen.. Erstmal: Egal! Denn der Leuchtturmwärter, die Reise in die Vergessenheit sind mir ja da. Man könnte sie bemängeln, verhackstücken, Kürzung empfehlen usw. Sie bezaubern mich selbst immer wieder mal. Und manchen Anderen sogar. Soo will ich "dichten".. und notfalls, wenn es keinem gefällt, mir selber für mich selbst.. Theorien mögen nachgereicht werden, was interessiert es mich, Gold gegen Kupfer zu tauschen.. :wink: Reden kann ich zuweilen noch "dichterisch", so wie ich Poesie verstehe. Ich weiß nicht, was der Preis wäre, dafür, noch einmal ganz unreflektiert ohne zu zielen so genau zu treffen. Alle Regeln brechend, und es bleibt kein Auge trocken .. Es gibt eine vitale Unvollkommenheit, in die ich mich nochmal hineinbewegen möchte. Alles Angelesene vergessen! Egal, ob ich gerade jemanden lese, oder nicht.. gut finde, oder nicht.. zu dichten, scheinbar chaotisch, fast wie ohne zu zielen, zu planen, zu treffen, und eben nicht haarscharf daran vorbei.. Wenn ich für mich diesen Anspruch erfüllt habe, hätte, fürchte ich keine Kritik. Und wäre ich der Einzige ..vorerst .. der sich angesprochen fühlte... Augenblicke, .. ob ich da noch einmal in gewissen Momenten hingelange? Wer weiß... :? :| Doch bin ich guten Mutes, ja? :wink: :roll:
  6. Mischa

    Zwei Seiten

    Bei ihr zum Tee " Warum gingst du nie zu ihm? Er war bereit, sich zu verschenken, da, wo er schenken konnte. Sicher, er war arm, aber er umarmte jeden neuen Tag, wenn der vorige leer und trostlos hatte bleiben müssen. Er war bereit, zu Verzeihen, auch vorläufig Dinge zu ertragen, die nur der Himmel selber verzeihen kann ... " Ich liebte ihn schon, doch .. "Weshalb liefst du vor ihm davon? Hm?" Zuviel Leid. Ich haßte sein Pech! Niemand wollte ihn und er war zu jedem freundlich. Und er war aufrichtig, log niemanden an. Darauf war er dann stolz! Na gut. Was blieb ihm auch anderes übrig? Nie war er einfach zufrieden. Wenn ihm heute der Tag gelungen war, beklagte er einen lange Zurückliegenden, wo er Fehler gemacht, etwas versäumt hatte. Er versuchte dabei witzig zu sein, und er war wirklich witzig. Daß er trotz seinen Witzen traurig war, das merkte man schon. Zuviel Enttäuschungen, zuviel Leid. Das kriegst du aus jemandem nicht mehr raus. -------------------------------------------------------------------------------------------- Bei ihm zum Kaffee Sag nicht, die Frauen wären nur scharf auf Ansehen oder Geld. Das ist ein Alibi derjenigen, die anfangen zu merken, daß sie sich keine Frau leisten können. Am Ende. aber erst am Ende bleiben die Frauen dann je nach Geschmack beim Silber hängen, oder dort.. wo Andere einem Mann Ansehen verleihen. Doch sie suchen eigentlich den, der sich selber Ansehen verleihen kann. Bei den finsteren Schweigern vor den Himmeln findest du keine Frauen, höchstens solche die einmal welche gewesen waren. Bei den Buchgelehrten ist es genauso. Alle haben kein Geschlecht, es sind Knollen, die sich unter der Erde vermehren, wie die Kartoffeln. Wenn männliche Wesen sich miteinander die Zeit vertreiben und lustig sind, schick ihnen eine blühende Frau. Es wird Streit geben. Dann wirf ihnen ein Buch über Wohlverhalten und über Gesetze edlen zwischenmenschlichen Umgangs hin, es wird noch mehr Streit geben, dann nimmst du die Frau und verschwindest mit ihr. Sie wird dich zu schätzen wissen. "Du verstehst Dich auf Frauen, nicht wahr?" Ja eben nicht. Sonst würde ich nicht darüber reden, das kannst du mir glauben! Ich habe geglaubt, die Frau sei die Gefährtin des Mannes im Leben. Das trifft zu, allerdings für das Paradies, für das Bild des Lebens, wie es sein sollte. "Nun bist du aus Erfahrung anderer Ansicht über die Frauen?" Nein, ich will nicht. Doch die Gesetze der Welt sind anders. Mir tut das weh. Gerade wenn . ich einige wenige Männer sehe, die das Paradies gar nicht interessiert, sie wissen, wie die Gesetze des Alltags sind und erfreuen sich prächtiger Bekanntschaften zu vielen Frauen! Und da frage ich mich immer, ob sich diese Männer und Frauen denn überhaupt lieben. Es sieht fast so aus. Aus der Nähe betrachtet aber wirkt es bei zu vielen von ihnen wie Kumpanei. Für meine Seele geht nichts Schönes aus von solcher Kumpanei. Für andere Seelen sicher auch nicht. Es ist leider meistens: Ein permanenter Zustand lauer Roheit. Wenn dem doch so ist, so fragte ich mich mit den Jahren: Warum die Natur leugnen, - durch Sehnsucht nach einer besseren Welt, statt nach den grausamen Erfahrungen des alltäglichen Lebens zu handeln und das Paradies vergessen, warum nicht? "Entgegen deinem Empfinden?" Nicht träumen! Wissen, was ist..: Weil... Es genügt, ein wenig auf das Schöne nur zu hoffen: Die Menschen merken das. Sie verübelns dir. Was sie noch merken: Deine Fehler. Die unangenehmen, die du vor dir selber gut versteckt hast, hach, hrcch! Die entdecken sie dir und lachen dich aus! Und dieses Lachen klingt manchmal wie eine Einladung, auf das andere, nenn es eben das "Schöne", was man vermißt, - zu verzichten. Dazu muß man praktisch veranlagt sein, um dieser Einladung nachzukommen. Sonst jagt eine Demütigung die andere. Denn das Gedrängel an der Pforte zur Hölle ist groß. Glaub ja nicht, daß du der einzige währest, der sich für so schlau hält, seine Seele wegzuwerfen. Aber der Teufel nimmt nur die Saftigen und die Kräftigen, Männer genauso.. wie die Frauen auch. Und dann bist -du- .. vor Himmel und Hölle gleichermaßen beschämt... Ab da hab ich mich an den Himmel gehalten. Da ist man doch ein wenig beschützt, bei aller Beschämung und Schwäche. Den Menschen ein Depp, und Gott ein Freund. "Mh.. mh mh.. Duuu machst dir einen Streß auch... ! Andre nicht,.. mir kommt oft vor .. als wolltest du einfach .. alle.. jede... " Wahrscheinlich schon. Zumindest .. verstehn. Ich hasse die Angst, die mich von ihnen .. trennt.. 2003
  7. Vorbemerkung: Der Verfasser -versuchte- unparteisch dokumentierend aus dem eigenen Gedächtnis eine Entwicklung wiederzugeben, und möchte weder moralisieren, noch eigentlich belehren, sondern veranschaulichen. Um einen gemächlich dahintreibenden ruhenden Pol, Zeuge des dramatischen Geschehens ("Freund") entfaltet sich die Handlung. Das Ringen zweier Menschen, befangen in einer gemeinsamen Vorstellung, nämlich konsequent sein zu wollen, schließt jede Begegnung von vornherein aus. Mit sich selbst, mit dem jeweils anderen. Immer wieder wird die Logik durchbrochen, Folgerichtigkeit offenbart sich als eine Interpretation, die zum Kampf um die Deutungs-Hoheit über das eigene Schicksal wird. Die Gegenwart selbst, als Absicht immer auf die Zukunft verschoben, bricht ständig in alle Formen ein. Eine "Lehre" könnte sein: Das Leben ist niemals auf Dauer wasserdicht zu haben.. Unter einer alten Brücke in einer Vollmondnacht. Vom Wasser her quaken Enten und Frösche. Ein Pärchen mit einer Bierflaschenbatterie, nur ihre Umrisse sind zu sehn, manchmal während des Gesprächs das Aufglimmen von Zigaretten: Er: (mit einer Zigarette zwischen den Zähnen öffnet zwei Bierflaschen) und was für ein Leben würdest du gerne führn, ischmein, wenn doch eh der Alltag..., also einfach drauf losgesagt, träumen kostet ja nichts... Sie: Oh, ich sehne mich so.., ich sähne mich nach Freiheit, nach absoluter Freiheit.. Er: aber..dazu ist ja die ganze Welt zu klein!!! Möchtest du fliegen wie ein Vogel ?.. Sie: Ja! Unbeschwert, nur dasein! Fliegen! Losgelöst von aller Schwääre! ..von Leid! ..von Angst! von Forderungen, von Erwartungen anderer Menschen! All das macht mir so Angst! auch frei sein..von der Angst der anderen. Ich weiß oft gar nicht, ob ich sälber Angst kenne, ich glaube, es ist oft nur die Angst der anderen, die ich fühle, die sich wie Gewichte an mich hengt und ..ich kann nicht mehr fliegen.. Ich habe oft empfunden, daß ich schon mit jedem Bissen Brot, den ich zu mir nehme, mich schwerer und empfenglich mache für diese Angst der anderen.. Er: Oja, diese Welt ist voller Angst, und das tägliche Brot sicher auch...hrm.. Sie: Deshalb wurd' ich das, was man „ magersüchtich ” nennt.. und du? wovor hast du Angst? Sag! Er: Tja, warum hat man Angst? Vernichtet zu werden ?.., mh, Nicht vor dem Tod, ...aber vor dem Sterben! Ich lebe so gerne. ( er trinkt einen großen Schluck) ...aah! ich habe Angst, einmal einfach davonzufliegen, ohne je gelebt zu haben. Und Angst vor der Angst der anderen hab ich auch! Deshalb trinke ich gerne! Damit ich so schwer werde... sooo schwer, daß ich..mmh..so wie ein Fels in der Brandung würd' ich gerne sein! Sie: (lehnt sich an seine Schulter, während er die Bierflasche leert).. Er: Ich finde es irgendwie schlimm, wenn man lügen muß, daß man zuweilen selbst nicht..mehr weiß, was man will,..weil man gezwungen ist, sich so oft zu verstellen. Zu viele Wünsche scheinen nur über Umwege erfüllbar zu sein. Wenn du .. zum Beispiel ein Mädchen küssen willst, mußt du ihr zwei Wochen den Hof machen (er seufzt) und dann vielleicht noch drei Abende in der Öffentlichkeit, wo sie dir jeder wegnehmen will, ..fröhlich sein und mit ihr tanzen.. Wenn du gerne Brot bäckst, das würde mir ja was geben, mußt du viele Jahre für weenich Geld bei einem bösen Bäckermeister Frondienste leisten, sonst ist es strafbar, wenn du dein Selbstgebackenes verkäufst. Das ist doch alles ganz schön fies und gemein! Auf den Umwegen aber vertrocknen die echten Wünsche, und. .die feineren Hoffnungen geraten in Vergessenheit. Sie fallen einem (er breitet sachte die Arme aus, in der rechten Hand die brennende Zigarette, in der linken die Bierflasche) ..nach Jahr und Tag auf einmal gar nicht mehr ein!! ..und.. Ich glaube, daß fast jeder Mensch mindestens ein Doppelleben führt! Das Berufsleben, dann das Privatleben, und schließlich die Freizeit...die Freizeit, die dann vielleicht nur noch unter der Bettdecke stattfindet ..alleine natürlich..im Traum.. wie ein.. ein Gebet, ..ein..unerhörtes,... ja! (er muß lachen, sie auch) Sie: Was würdest du gerne tun, wenn du frei wärest von ..Doppel- und Dreifachläben.. Er: Manchmal, wenn ich nachts in Häusern, sogar in Mietskasernen Lichter brennen sehe, egal..ob auf dem Land. . oder in Städten,..wenn ich im Dunkeln noch wo Licht brennen sehe, dann denke ich, wer dort jetzt wohl ist..soviele Geschichten und Menschen, die ich nicht kenne..aber hinter diesen erleuchteten Fenstern.. vielleicht ist dahinter alles nur langweilig und trist. Weißt du, wenn man reist,.. - unterwegs bist, - ..triffst du auch Menschen, aber wenn du Pech hast, erzählen sie nichts von sich, manche haben auch nichts zu erzählen. Einige verstellen sich, erzählen dir weiß gott für ne Schaisse...Vielleicht ist das Leben auf dieser Welt öder und langweiliger als man glauben möchte! ? Manchmal glaube ich, immer am falschen Ort zu sein;- und alles, was mir Freude bereiten könnte, versäume ich. Aber vielleicht ist auch gar nichts zum versäumen da. (er öffnet ein Bier) Ich würde gerne schreiben..darüber..über das Leben, was ist, über das Leben, was nicht ist,.. Sie: Ach, ich versuche manchmal auch zu schreiben.. Du erinnerst mich irgendwie an Aläxis Sorbas, ich glaube, wenn du die Möglichkeiten zu so einem Läben hettest, würdest du äs führen! Er: Oh, dazu fehlt mir einiges.. da hätt ich schon so aufwachsen müssen wie ein Sorbas. Oder gute Chancen, Voraussetzungen .. zum Abhauen haben müsse.. Ich bin wohlbehütet .. aufgezogen worden, wie man so sagt, .. mit allen Verboten und Ängsten, die eine Phantasie sich nur ausdenken kann, um sich selbst zu lähmen. Wenn ich in einem knietiefen Weiher ein Schild mit der Aufschrift „Baden verboten ” sehe, ertrinke ich gehorsam darin. Es sei denn, ich habe vorher paar Bier getrunken. Und die meisten meiner Froinde sind auch nicht anders, haben aber ein größeres Maul. Sie: Scheem dich! Du kannst bestimmt gut schwimmen... du hast mir mal erzählst, du seist im Atlantik, in der Ägäis getaucht und geschwommen! Er: Ja, aber das war gefährlich, harmlos zwar, aber wenn mir jemand Angst gemacht hätte, mir wäre bestimmt 's Herz stehengeblieben. Sie: Du bist süüß, du! Er: Da im Mobbelweiher, drüben bei Senkelstädt, da fürcht' ich mich nicht, da liegts an mir, und nicht am Haifisch oder am messerscharfen Riff börbs.. ~ Sie: Du solltest nicht untertreiben, sich unter Wärt verkaufen, hörst du ?..das darf man nicht. Er: Herrje, hör mir auf mit diesem Wort! Wenn ich das schon höre, „ Wert" „ verkaufen ”.. Sie: Das gehört im Läben auch dazu! Er: ..haben dir meine Gedichte gefallen..? Sie: Sie sind so, wie ich dich kenne (umarmt ihn) sie sind einfach „Du"! Er: ..die werden sich sicher nicht so leicht..verkaufen lassen.. vielleicht bringt ja das Studieren paar Inspirationen.. --------------------------------------------------- Vorhang --------------------------------------------------- Es war einmal: Inmitten einer hochmodernen posttristessen frischen Betonsiedlung, an einem heißen Sonntagnachmittag, auf der Bühne eines dieser ungemütlichen Eiscafés, wo solche winzigen Wackel-Tische und Stühlchen als wackliger Notbehelf zum Hinsetzen manchem das Gefühl geben, lieber ordentlich zu stehen, wenn man es nur dürfte. Dort hält ein jüngerer Mann namens Raphael seinem Freund folgenden Monolog: Freund: ..pfü, recht heiß heute, gell.. Kellner: Kennschen Gaffee, sweimaa?! Sooo! Raphael: ..Melanie ist ein feuriger engagierter Mensch! Sie liebt mich, ja! Es ist eigentlich wundervoll für mich! Trotzdem bin ich traurig! F: Ja, aber warum denn? R: Ja, ich müßte eigentlich stolz sein, wo doch mancher von solchen Frauen nur zu träumen wagt! Eine Frauu, -verstehst du?- die durch und durch Echte, ja!, das Echte will, und alle Halbheiten ablehnt! F: Also, wunderbar! Du warst doch selbst schon immer gegen das Gekünstelte und die Heuchelei.. .oder, gegen den exklusiven Schein, oder. .gegen ängstliche Ausflüchte aus Angst vor Mißverständnissen, .. R: Sicher, nur, ich frage mich im Augenblick immer öfter, ob sie recht hat! Ob sie recht hat, wenn sie sagt.. wenn sie sagt, ich müsse meinen inneren Schweinehund bekämpfen lernen und für das Tatsächlich Wichtige im Leben eintreten. Sie spricht von der Unbestechlichkeit einer hundertprozentigen Verantwortung, die man der Welt gegenüber habe, und die man,wenn man ein Mensch von Güte im Sinne von Qualität sein will keine Sekunde vergessen dürfe. Wenn ich das höre, fühle ich mich mit meinen Schwächen konfrontiert, wo ich an mir selbst, und so, vielleicht noch hart arbeiten muß. Eigentlich ist das doch toll! F: Mh, denk an den Witz mit der Wahrsagerin, die ihrem Klienten verrät, in seinem Garten sei ein Schatz vergraben, und er sei nur dann zu finden und zu heben, wenn man beim Graben auf keinen Fall an ein Nilpferd denken tät. Wie 's dem armen Kerl gegangen ist! R: Sie sagt, Konsequenz sei wichtig, gerade nach all den Erfahrungen meines Scheiterns bei halbherzigen, an sich positiven Projekten mit immerhin hohen Zielen. .Naja.. Jetzt arbeite ich zwar hart an meinem Studium, dennoch ruhe ich mich gerne aus. Ja, ich ruhe mich auch verdammt gerne aus! Und ich habe immer das Gefühl, daß mir beim Ausruhen die besten Gedanken kommen würden, wenn ich nur dieses Ziehen im Bauch nicht hätte, diese permanente Beunruhigung, daß ich soviel gute Ideen haben könnte, wenn ich mich nur nicht ausruhen würde. Aber oft frage ich mich, ob das Ausruhen nicht doch wichtig ist, vielleicht kämen mir viele Inspirationen, wenn ich mich sooo lange ausruhen würde, bis dieses Gefühl im Bauch.. diese Angst vor dem Ausruhen...eben nicht mehr da ist. F: Ja, siehst du! Wie der mit dem Schatz und dem Nilpferd, woran er nicht denken darf .. R: Neulich wurde mir bedrückend schwindelig, als ich im Park auf der Wiese liegend, mir versuchte, zu gönnen, das Ziehen der Wolken zu betrachten. Es waren wunderbar weiße Kumuluswolken am Himmel! Ich ertrug es nicht, das hatte ich noch nie... ich konnte nicht mehr loslassen ..um das zu genießen... ich .. mh.. F: ..seltsam ..es kommt mir vor, als wolltest du jetzt auch noch das ausruhen .. trainieren..? R: Sie aber lacht mich aus und sagt, das sei kindisch und Menschen, die große Inspirationen hatten, hätten sie nie und nimmer im Bett gekriegt oder auf einer Wiese. Und wenn, dann nur in einer kurzen Zwischenpause: Eines arbeitsreichen und erfüllten Lebens. Und gewiß, sagt sie, hatten diese mit der Inspiration beglückten Menschen dann aber sofort wieder Bett und Wiese verlassen, um ihre Inspiration in schweißtreibende Taten umzusetzen. Alles andere anzunehmen wäre kindisch. Und ich habe echte Angst, daß sie Recht hat. Dann wäre echte Lebenserfüllung nur im Fleiß, Fleiß, Fleiß zu finden, und wehe, die Kraft erlahmt einmal und das erreichte Niveau an gewohnter Regsamkeit und Rastlosigkeit kann nicht mehr aufrecht erhalten werden! ? F: (stirnrunzelnd und sehr bedächtig) Tja, aber du sprachst vom Echten, was sie sucht. Ist das für sie nur Höchstleistung? (schlürft am Kaffee) Ja, blinde Erfüllung allgemeiner Normen, im unhinterfragten Selbstverständnis der momentanen Moden? Eben unter anderem die sozial gesellschaftliche Brauchbarkeit eines Menschen? Brauchbarkeit? „für die Welt ”? Welche.. Welt? Gib acht! R: Das ist es ja, was mich so verunsichert! Nun, meine Kunst, ich nannte mich doch nach drei Gläsern manchmal einen „Dichter”. Da, wegen der fünfzehn Gedichte, die ich geschrieben hab, wovon nur ein einziges Reim und Versmaß besitzt. Ich hab mich oft als wie ein Dichter gefühlt, auch ohne drei Gläser! Und auch ohne zig Meisterwerke vollbracht zu haben! Ich, hrm, ich war mir sicher, so etwas wie ein Poet zu sein, und nicht etwa Arzt oder Kfz-Mechaniker oder meinetwegen Landwirt. Manche fühlen doch in sich den Arzt, den Mechaniker, den Anwalt.. bevor sie 's richtig geworden sind! Könnte doch sein?.. Bin ich Poet? ?, mmh.. Aber mir erscheint das jetzt gelogen, ja banal, kindisch, fast wie ein Minderwertigkeitskomplex..Es ist erbärmlich! Weißt du.. es gibt professionelle Autoren, die überlassen in der Kunst nichts dem Zufall, wenn ich von Inspiration nur reeede, die lächeln, mitleidig.. und .. Seit ich Melanie als Geliebte habe, viel lerne und lese, im Studium erfolgreich bin, es mir prinzipiell nicht mehr beschissen geht, ist jedes Gefühl schöpferischer Gewißheit, schon dieser Ausdruck mir jetzt klingt bescheuert, versiegt. Ich habe zwar nicht das Recht, mein augenblickliches Leben zu beklagen, doch.. hätte ich dieses Recht, würde ich bekennen dürfen: Es geht mir schlechter als je zuvor, schlechter als in den Zeiten, als es mir noch schlecht ging. Als ich ziellos war und meistens keine klar definierten Lebensaufgaben hatte, verstehst Du? F: Ich geb mir Mühe.. R: Und all das macht mir echte Angst, unergründliche Angst! F: Ich spüre eine große Unruhe in dir, so unsicher kenn ich dich kaum. Fast, als wärest du gerade aus dem Kittchen ausgebrochen, und würdest ein Versteck suchen, oder so.. (lächelt ernst) R: Denn ich bemühe mich doch nun wirklich und meine Lebensumstände sind ein sicheres Fahrwasser, meine Motive ehrlich.. Begehre ich etwa gegen Melanie und ihre disziplinierte Lebensweise auf? Habe ich etwa kindische Ressentiments gegen die Herausforderung, das Abenteuer eines richtigen und ehrbaren Lebens zu wagen? Und warum... habe ich auf einmal gar keine, wirklich gar keine Phantasie mehr? F: Oh, Du erscheinst mir aber wirklich sehr verkrampft! Glaubst du wirklich, daß diese Melanie dich liebt und dir Seelenkräfte entbinden kann? Dein Zustand ist beängstigend beengend! Meinst du nicht.. R: Siehst du, hua, auch du spürst es schon, wie sehr ich darunter leide, die alten Illusionen nicht mehr als Aufputschmittel oder als Droge zur Verfügung zu ha.. F: Warum denn Illusionen? Du träumtest dich als Dichter, ein Traum der wachsen könnte, sich, wie man sagen könnte, entwickeln würde und.. R: Ich möchte aber nicht zurück! Ich möchte mir nichts vormachen! Wahrscheinlich hat Melanie recht, ... F: Hör doch mal zu, es gibt Desillusionierungen, die gibt es .. R: ..wenn sie sagt, daß ich nie Phantasie hatte, daß ich in allem ein Rohling bin, daß ich lernen muß, als Grundlage ein solides Leben zu führen, ... F: ..es .. hrm.. es gibt Desillusionierung und Enttäuschung, der Traum, Dichter zu sein, geht tiefer, er kann doch in dir wachsen, inmitten von Enttäuschung, Frust, Schmerz, Ängsten.. im Studium meinetwegen sogar ..einfach dran bleib.. R: (unterbricht in heftig).. jaja, meinetwegen, ein solides Leben aber, verstehst du denn nicht?, ..damit wahre Kreativität bei mir überhaupt einsetzen kann.. (er breitet theatralisch die Arme aus) Wenn ich bedenke, wievieles andere in meinem Alter- eben echte, echte Poeten, Autoren- ..schon geschrieben haben! Und das wird gekauft! Falls Begabung bei mir vorhanden war, wurde sie durch die falsche Erziehung und üble Kindheitsbedingungen zwar, später aber von mir selbst durch üblen Lebenswandel aufgerieben. Das fehlt mir heute. Man kann sicher jetzt noch etwas reparieren! ..Aber Illussionen? Ich möchte sie nicht mehr! Bedenke: Jeder würde mich insgeheim belächeln und bedauern! Und ich müßte dieses Lächeln für Wohlwollen und Anerkennung halten! Jeder wüßte um meine Verblendung gegenüber meinen handicaps, außer mir! Ich würde herumschweben, immer drei Zentimeter über dem Boden, .. und jeeeder andere wüßte.... wüßte um meine geistige Impotenz! Jeder, jeder, außer mir! Glaube mir, so sind die Menschen! Melanies Aufrichtigkeit ist eine meiner letzten Chancen. F: Die letzte!!!? (mimt den Erschrockenen), oh mein Gott, und danach? R: (schwitzend und wild) Und nutze ich sie, diese letzte Chance: Vielleicht gerade dadurch nicht die allerallerletzte.. !! F: Ho, du hast dich wohl für die Personifikation eiserner Strenge und für radikale Disziplinierung, auch der Gefühle entschieden, und jetzt quälen dich lauter, lauter Gefühle, früher warst du .. manchmal cool, aber ohne für extra drauf machen zu wollen, lustig, verzweifelt manchmal, zwar, dann wieder locker, flockig, gelöst.. hör mal.. duu.. (er runzelt die Stirne..) R: Ich fühlte mich meiner zu sicher, das war eine trügerische Lockerheit, ich brauche vielleicht erst einmal sogar .. ja.. Druck.. und eingebettet in eine zuversichtliche ganz neue Lebenseinstellung.. viel Disziplin,... F: .. und meinst, du habest dich in sie -in der Gestalt einer Frau- verliebt! Das ist nicht ungefährlich, denn die Frau selber siehst Du nicht mehr. (er grinst Raphael wohlwollend an und hält die Untertasse in der linken, die Tasse in der rechten Hand) Aber ... (seufzt, legt den Kopf zurück, schaut zum Himmel) ..das gibt es sicher oft, so trägt sich zum Beispiel das Bürgertum ....blind füreinander und leistungsstark... Wie hast du sie kennengelernt? R: Ach, das ist unbedeutend. Ich kam von meiner einjährigen Skandinavienreise zurück, war fast pleite, arbeitete in einer Tütenchipsfabrik und soff an so einigen Wochenenden mal... Ich gestand ihr pathetisch übertrieben, daß ich ein halber Alkoholiker sei. Ich wollte ehrlich sein, aber sie bewunderte mich trotzdem. Tja, das war damals. Romantik und Illusion. Heute..heute aber .. (breitet pathetisch wieder die Arme aus).. F: Ouweh! Ouwouwouw! Wärst du doch ein bunter, halbtrunkener Teppichhändler, meinetwegen ein Schlitzohr geblieben oder sowas! Ich fürchte, wenn du ihr ungreifbar und unbegreiflich geblieben wärest.. und .. (lacht laut auf) ..hahahaaarrr .. und dir selber ein Rätsel dazu.. Was mußtest du auch jetzt zu studieren anfangen? Ähnlich zudem, wie sie auch? Du siehst in -ihr- die Personifikation der Disziplin, -du- bist für sie jetzt der innere Schweinehund, den sie zu bändigen sucht! Schade um Eure Leidenschaft. Echt schade.. (starrt wie gebannt ins leere) R: Du meinst doch nicht etwa.. F: Es wird sich bestenfalls um Wochen handeln.. wenn das so festgefahren bleibt, .. ich kenne zumindest dich, und.. Einseitigkeit, pure Disziplin, konzentriert kleinster Fokus ist ein enger Horizont.... das hast du nämlich nie lange ausgehalten.. und deine Natur, deine triebhafte Naivität wußte in dir .. warum .. also, was .. wie soll ich sagen.. (seufzt hilflos auf) R: Aber wir, sie, ich, wir wir könnten versuchen, ..die Leidenschaft! Sie umzuwandeln und und..oder ? ? ? F: O, dann kann es traurige Monate, Jaahre dauern und dir fällt nie im Leben mehr etwas ein.. willst du dich in einen armen Schweinehund verzaubern lassen? Wir möchten zahlen..? .. der Dichter würde eine Illusion.. für immer gewesen sein .. R: Oh, aber das klingt furchtbar. Ich kann 's nicht glauben... neinnein.. -------------------------------------------------- Vorhang -------------------------------------------------------- Wochen später, im selben Eiscafé, fand die Fortsetzung des raphaelischen Monologes statt: Freund: Nun, du hast schwarze Ringe unter den Augen! Was macht das Studium? Und wie geht es der Froindien? Lohnt sich der Aufwand, der dich offensichtlich sehr mitnimmt, mh? Kellner: (Stimme aus dem Inneren des Cafés): Kennschen Gaffee, jaa? Raphael: Ja, auch einen Kaffee! -Was? Auf der Terrasse nur Kännchen? -Na, gut! -Was? Ja, sicher, ein Kännchen. Entschuldigung! ... O, frag besser nicht! lm Augenblick ist alles beschissen! F: Sag bloß nicht, ihr hättet Streit! ? R: Ja wenn es ein greifbarer Streit wäre, wo es ein echtes pro und contra gäbe.. F: Wie ich dich kenne, bekommst du also contra in die ungedeckte Flanke? ..wie immer.. (kichert) R: (nickt) F: Und möchtest dich nicht wehren? .. du weißt nicht mehr, wie? .. stimmts? ..bist du noch du selbst? ..oder hast du dichtgemacht..? .. staut sich da nicht was an, in dir ? ? R: Gut, es gab erbärmliche Streits, ich weiß gar nicht mehr den Hergang .. wie immer nach so was.. Es ist ungefähr so: Ich liebe Melanie zwar und ich achte sie sehr. Ich weiß aber nicht exakt, wo die Grenzen ihrer Übertreibungen liegen! Ähnlich wie auch ihre Frau Mamaa sagt, ... kann ich ihr ja das Arbeiten nicht verbieten! F: Oh, ihre Frau Mamaa?! - Mag dich ihre Familie?? R: Äh, wass? Ärm, .. also.. es heißt, also sie sagt .. die Eltern würden mich für einen ganz netten Kerl halten, der sich echt bemüht, und im übrigen aber wollten sie ihre keine Einmischung bereiten, es hieße immer, sie solle sich ganz alleine entscheiden, ährm.. F: fffffffhh (zieht die Luft zwischen die Zähne ein) R: Weißt du, sie hat jetzt gerade zwei Wochen Ferien.. F: Ach! ..und du bist nicht bei ihr? ?.. R:.. und sie wollte, ..sie ist noch so schön jung, voller Leben, - mit mir unbedingt die ganze Zeit als Urlaub verbringen! Auch an Ersparnissen dazu hatte es weder ihr noch mir im Augenblick gemangelt! Nicht mal das! Aber sie meint, sie müsse sich jetzt selbst demonstrieren, daß sie auf nichts und niemand angewiesen ist. Sie möchte sich selbst ein Exempel statuieren irgendwie.. F: Gib 's zu, du wirst sie verletzt haben! R: Nein! F: Du weißt es mal wieder nicht mehr, oder hast es überhaupt nicht bemerkt!? Sag? R: Oh, ich war sehr fröhlich und ausgelassen, als ihre Ferien näherrückten, vielleicht war ich ihr zu zuversichtlich und meiner Sache zu sicher, aber das ist doch schlimm! Sie rief gleich an, in der Nervenklinik da, wo sie schon öfter als Aushilfe war, gleich einen Tag nach meinem Besuch bei ihr, wo wir uns den Urlaub in hellen Farben und so... Kellner: Eh, Kennschen Gaffee!! R: Ja, danke, weil meine Ferien später anfangen, schlürf, weil meine Ferien später anfangen, hab ich also blau gemacht, kann ich mir leisten, bin ja gut dabei im Studium, trotz meiner ..meiner Leidenschaft.. bin also mit dem Zug hierhergekommen und stehe bei ihr vor der Tür. Da jedoch heißt es also, sie müsse erstmal 'ne Woche arbeiten und dann sei sie auch mal so richtig für mich da. Denkste, nach drei Tagen, wo ich ziemlich frustriert in ihrer Wohnung rumsaß, kam sie, und sagte mir feierlich und streng, daß sie die restlichen Ferien inklusive Wochenenden nun auch zugesagt hätte, freiwillig, alle in der Nervenklinik seien ein Fän von ihr, und es mache ihr einfach Spaß und sie sei glücklich.. F: Ist 's wahr!!! oh gott! ... Personalkosten, billige studentische Aushilfskräfte sind da gefragt, klar (er kratzt sich am Kopf) .. und sie ist sicher tüchtig, motiviert.. die ließen sie dort nich gehn, oder so? R: Was weiß ich!? Wie zur Steigerung schloß sie ihre Wohnung ab, und sagte echt, .. sie schlafe die Ferien bei ihren Eltern, weil 's von da nicht so weit zur Klinik sei. Mensch, als ich sie dort besuchte, da hatte sogar die Mutter ein schlechtes Gewissen gegenüber ihrer Arbeitsfreude.. und so ne besorgte magere Miene.. sie aber lachte uns beide nur aus.. F: .. na.. okee. Und jetzt? R: Ei, ich soll sie nicht besuchen in dieser Zeit. Sie brauche da jetzt schon viel Schlaf, Erholung, Zeit für sich .. Die Arbeit sei ein selbstauferlegter Kurs, wo sie glaubt, besser für ihren künftigen Arztberuf trainieren zu können. Ich soll es als Probe sehen und tolerant sein, sagt sie. Vielleicht ist sie mir über an Zielstrebigkeit und Willenskraft. Ich schäme mich schon irgendwie jetzt für mein hrm.. Liebesverlangen und will sie nicht aus ihrer Bahn werfen, verstehst du.. F: Nein .. R: Aber verbiete mal jemandem engagierten Einsatz, verbiete mal jemanden gute Werke zu tun. An sich zu arbeiten. Zu lernen. Sich zu entwickeln.. F: Oh, gute Werke gibt es zu tausenden, immer wieder, und immer viieel der Arbeit.. verknallt.. (seufzt).. verknallt aber ist man nur selten im Leben, vorausgesetzt allerdings.. (er schaut bekümmert Raphael an..) R: Hör auf, sie sagt sogar, (verquält strahlend) meine Liebe zu ihr gäbe ihr noch mehr Kraft und Freude, selbstlos zu arbeiten.. F: ..aber du gehst leer aus.. R: Du sagst das so selbstverständlich. Ich würde mir so gern selbst ein Urteil dazu bilden, aber ich bin zu verzweifelt, weil ich mich nicht entscheiden kann, ob da was nicht stimmt an ihrem Verhalten, oder ob das wirklich einfach ihre Art ist. Oder was ich falsch mache, ..Sie sagt, ich soll ihre Stärke annehmen, und selbst früh zu Bett gehen und mich auch von meinen schäbigen alten Freunden trennen.. ! F: Tust du 's?! R: Ach, ich mache halt jetzt alles blau. Heut abend geh ich wieder saufen! Ich hatt' mich doch so auf sie gefreut, ich steck das nicht so einfach weg.! F: Was hält sie denn so von m i r ? R: Oh, du seiest mir weit überlegen, nur, du hättest auch eine starke Hand vonnöten, die dich führt.., deine sei Souveränität eine trügerische, da deine Begabungen so nicht voll erschlossen würden.. F: Oh weh, naja, dir stimmungsmäßig überlegen zu sein, ist im Augenblick nicht schwer, äh, hallo, ja, bringen sie uns doch bitte zwei große Zapf-Bier, ja, zwei, -oder? Raphael? R: (nickt) ----------------------------------------------------------------------- Etwas später.. in der Dunkelheit einer Gasse R: ... ein neuer Stern, der am Medizinerhimmel aufgeht, .das sag ich dir, haha.. , und jetz gib doch mal zuu, eh, eeeh, nee, sag, mensch, echt, gib doch mal ruhig zuuuuu ?.. wann ist Zeithaben schon anständich und gerechtferticht.. niiiee .. es sind unsere Zeiten heute, hick, eeh, versteehste das nicht!? F: .. hick.. jajaja.. schon guut, schonn guut, mensch.. gehm mir noch.. ins Helly Heaven, oda ..? ------------------------------------------------------------------ Vorhang ----------------------------------------------------------------------- Ein Vierteljahr später dann, vor einer angelehnten Wohnungstür ,- hinter der gerade so noch ein Bügelbrett sichtbar ist - einer von vielen Wohnungstüren, in einem kahlen Treppenhaus, Raphael und Melanie: folgender Dialog: Raphael: Melanie, Melanie Du hast mir 3 Wochen Ferien versprochen, deine Finanzen stimmen und deine Klausuren sind bestanden! Den Job in der Klinik würdest du nicht verlieren, sie alle sind dein Fän dort. Du hast es doch auch, wie man sagt, verdient! Wir hätten es verdient! Du hast laut geweint, neulich, vor Sehnsucht nach liebevoller Zeit zu zweit ohne jedes Leistungsprinzip.. und jetzt schon wieder, diese Ferien auch wieder mal, diese Bescherung! Melanie: (mit der keifenden Stimme einer wilden Kreissäge, dem Tempo einer Maschinenpistole) Jaa!, Raphaäll, sooo bin ich nun mal, durch und durch nur für das Ächte zu haben. Das hab ich dir aber immer gesagt. Du hast nur nie zuhören mögen! Es ist meine Aufgabe, für die ich voll und ganz einstehe: Nämlich Ärztin zu werden und mit allen mir zu Gebote stähenden Kreften diese Tat auch zu vollbringen! Freizeit heißt Schlendrian und du dürftest in deinem Leben zu oft schon selbst gemerkt haben daß schwächliches Herumhängen suchtfördernd ist! Nach Sex, nach Alkohol, nach nochmehr Herumhängen. Überleg doch! R: Aaarr!!! M: Lieber Raphaäll! Ich habe dich längst durchschaut! Du kannst nichts, du weißt nichts außer deinen poetischen und philosophischen Bättlektüren! Du hast weder praktische Lebenserfahrung noch praktische Menschenkenntnis. Die aber werde ich mir jetzt erwerben, in dem ich selbstbestimmt mein Leben einrichte. Du hast nur Bücher gelesen und löblich auswendig gelernt, was drin steht. Fleißig warst du, jahahaha! Dich mit Worten geschmückt! Um die Verhinderungen deines Lebens besser anklagen zu können, um anderen und auch später mal mir dein Scheitern in die Schuhe schieben zu können! R: Oh, nein, Hilfe, das ist doch nicht wahr...!...!..! M: (sehr laut und scharf) Du möchtest die Schwachen in deinen Gedanken verstehn und verteidigen, weil du selbst schwach bist! Du möchtest das Verhinderte rhetorisch ummänteln, weil du stets im Leben gescheitert bist! Ich aber setze mich in der Nervenklinik für die ein, die nicht mehr schreien können! Nicht mit dummen Gelaber, was niemand liest und hört! R: ....! M: Ich rede! Hindernisse im Läben sind da, damit man sie überwindet, ich sälber finde sogar, daß man sie suchen sollte, statt ihnen auszuweichen, Ich hatte schon Lust auf Ferien und Urlaub, du weißt, wie bedingungslos ich mich entspannen kann, anders wie du, der sich beim Ausruhen ein schlechtes Gewissen macht! Aber ich habe die Herausforderung angenommen und mich freiwillig zum Arbeiten gemeldet. Die Leute in der Klinik sind alle meine Fäns und mögen mich, weil auf mich wänigstens Verlaß ist, Gäld ..spielt bei mir sowieso keine Rolle, aber ich nehm das natürlich auf jeden Fall auch. Nur so hat es auch mein Vater gemacht: Der Fleiß und die Zuferrlessichkait, nicht Gäld, spielen eine Rolle auf dem Wäg in värantwortungsvolle Positionen! R: .. oh gott, a..aber Melanie, wo bist du nur? der Urlaub, die Regeneration, das Leben, die, mh, puh, ja, die liebe? ??.. M: Stoppp! Raphaäll! Ich nehme beides für mich in Anspruch, Läben und Arbeit!! -Ich- im Gegensatz zu -dir- und anderen - regeneriere mich sähr schnell und brauche -nicht- soviel Freizeit, meine Puperteet ist überstanden, ich bin wieder so opferungsbereit und leistungsfeehich wie als Kind! .. eher eben spülerisch gehe ich mit der Leistung um! Ich habe es geschafft, mit meiner Bulimie und Magersucht fertichzuwerden, überleg mal, und jetzt wirfst duu mir Steine in den Wäg? Und Knüppel zwischen die Beine? Ich habe deine verwahrlosten Kumpels gesehn! Die du ruhig ablegen solltest! Deine Kumpels gesehn, um zu wissen, mit welchen Verhinderungen du zu kämpfen hast und verstehe genau, wie es dazu kommen konnte, daß du noch keine Ausbildung hast, kainen, nücht den gerüngsten Ställenwääärt! In den Tag leben, und sich trotzdäm schlächt fühlen, ansaufen dagägen, oder Musik machen, oder im Wald oder am See herumlungern... oft mit komischen Weibern noch ... R: (nimmt resigniert auf der Treppe Platz und trommelt gelangweilt auf sein Knie, mit der andern Hand das Kinn gestützt) M: (umfaucht ihn wie eine Katz) Es ist deine F e i g h e i t gewesen, die dich sozial unbrauchbar gemacht hat, und nicht die anderen, die dich da verhindert haben und auf deiner sogenannten Empfindsamkeit herumgetrampelt sind, hahaha, F e i g h e i t und eine tüchtige Portion Faulheit, durch schwierige Außenseiterverhältnisse eine bequääme Ausrede vor sich sälbst gefunden zu haben, nicht wahr? -um sich jääääder, aber auch jää-därr gesällschaftlichen Värantwortung zu entziehen! R: Wir waren eigentlich beim Urlaub! Oooh, hätt' ich dir nie meine Geschichte, und, - dazu was ganz anderes, nämlich meinen Lebenskummer erzählt! Beides schmeißt du nämlich jetzt zusammen, und dann über einen Haufen in den Müll...als wäre ich ein Bitterling, ein Jammerlappen, ohne jede, jede Liebe für das Leben.. M: Das 'Leeeben', wenn du es denn führen würdest, du lesst dich traiben, sogar im Studium, denn du bist zwar mal wieder flaissig, aber ohne Pleeene (tippt sich heftig an die Stirn).. hast noch keinerlei .. Referenzen.. nichts.. nichts .. R: So ist das also, Und ich dacht, eine neue Zeit!.., und vielleicht vergessen alter Leiden, das Lösen vieler Rätsel, die mir das Leben aufgab und aufgibt, und, und halt neue Inspiration?!.. M: (schreit auf) Ha! ln- spi- ra-tiooon? Meine Devise lautet: Immer erst rächt! Du hast längst resigniert, du kannst nicht schreiben, (immer hysterischer werdend) .. du kannst niie - düchten, düchten schon gar nicht! ha hä ph (holt tief Luft) .. und hast auch keinen Sinn für das Schöne, weißt' warum? Alles benörgelst du, alles begeiferst du, weil du zu f e i g e bist, anzuerkennen, daß andere was können. Deine Gedichte und Geschichten sind mehr als schlecht! Bei meinen eigenen hab' ich das erkannt, und gottseidank mit dem Schreiben aufgehört! (fast zärtlich jetzt) Warum akzeptierst du nicht für dich die Konsequenzen deiner Unbegabung und bewunderst endlich: die Kunst und die Künstler?! R: Ich glaube immer noch an eine- klingt wohl blöd- hrm.. (leise und kleinlaut) ..Schaffenskrise.. (schaut schamhaft zu Boden) M: Du würdest auch besser arbeiten gehn, damit du in den Ferien auf andere Gedanken kommst. Geh duu doch auch arbeiten in deinen Ferien, damit wir irgendwann einmal richtige Ferien machen können! Uns -richtig- was leisten.. R: Oh, kein Bedarf! Wieso? wären jetzt -f a l s c h e- Ferien? Und damit du dann wieder kurz vorher einen wunderschönen Ferienjob hast, wo alle deine Fääns.. M: JAAA! Und wenn schon? Ich bin es mir sälber und auch meinen Ältern, meinen Geschwistärrn und meinem Studium ideellermaßen schuldig, meine Brauchbarkeit unter Beweis zu stellen - obwohl ich es eigentlich nicht mal nötig hätte. Earnstgenommen zu werden von der Gesällschaft ist mir wichtiger als verliebt herumzuhängen und wenn du das nicht verstehst, dann überleg dir gut, ob dir die Freundschaft zu mir so viel wärrt ist, mich von meinen Prinzipien abbringen zu wollen! Mich von meinen Prinzipien abbringen !!! .. dasss, das schaffst du nicht !! R: Melanie!! Eins noch: Ich habe ja nie rumgehangen! Ich machte eben unkonventionelle Sachen. Die freie Kunstschule, sicher, für's Theater war ich eher unbegabt, das hab ich selber einsehn müssen! Als Selbstdarsteller mich Regisseuren beugen, mich in deren Interpretationen einfügen sollen ..Die zwei Jahre auf dem Biohof wo mir meine Frau, wir waren frisch verheiratet, mit diesem Musiklehrer weglief, sicher, .. Aufenthaltsbewilligung futsch, Prozeßkosten, Streß ohne Ende, Nervenzusammenbruch, abgehaun, Kartonfabrik, ich wollte doch nicht inne Psychiatrie!! All das hab ich dir nie erzählt, damit du mich dafür 'runtermachst! Ich wollte mich doch dieser deiner Gesellschaft da nicht conträr verweigern, nur, die Gesellschaft, das war nie alles für mich, es gibt sie, ja, sie ist lästig, finde ich, mit Konventionen, Normen, Verboten, all den dumpfen Loiten, fleißig, aber hohl, und immer im Recht, nur weil sie morgens aufstehn und wo zu arbeiten anfangen.. das hab ich nicht zu dir gesagt, um damit meinen Weltschmerz zu kaschieren.. M: (betrübt) Raphaäll.. zu so Gerede kann ich oft nichts mehr zu sagen. Wältschmärz. Gibt es nicht, ist eine Erfindung aus Büchern und eine längst zurückliegenden Mode.. eine.. Konvention.. nich? Die Wält, Raphaäll, ist ganz anders. Du (schaut ihn traurig an) willst nicht zuhörn, nichts wissen.. R: Ich wollte nicht Fahrradfahren, nach unten treten, nach oben ducken, wie andere! Ich wollte meine Jobs doch leben... ich suchte, reiste, wollte lernen, nicht müssen.. M: Hab ich da was falsch verstanden? (aufschreiend) Abgehaun bist du überall! Du hast nachgegeben- statt zu überwinden! R: Ich bin einmal abgehauen.. auf dem Biohof weil ich sonst durchgedreht wäre! Der Kerl arbeitete ab sechs Uhr morgens im Dauerlauf, und erwartete das auch von mir, nach der Scheidung erstmal keine weitere Aufenthaltsbewilligung, der Vertrag belief sich noch auf 10 Monate, da sagte ich dem 'Lebe wohl', ja.. (duckt sich).. und zwei Wochen später Nervenleiden, Tremor, Zittern, wenn dir das was sagt, Frau Doktor Arzt.. M: Ein Leisetreter also auch noch! Anställe Deiner damaligen Frau..., ich wäre auch.. irgendwann durchgebrannt! Weg von dir! Statt bässere Arbeitsbedingungen auszuhandeln, ließest du dich lieber verheizen..., hast eure Liebe, eure junge Ehe auf dem Gewissen, nich? (schaut ihn bitter die Stirne runzelnd an).. hast dir keinen Freiraum auszuhandeln getraut.. R: Der Mann war Idealist. Das müßtest du verstehn, gerade du.. Ich hab öfter mal wo es schlecht zuging, ganz schön Krach ge.. (stellt sich in Pose, wirft sich in die Brust) M: Jaja, weiß.. ..und deine ...Aggressionen konstruktiv in vernünftige Bahnen lenken kannst du auch nicht! Das hab ich selbst zu oft mit dir erlebt.. (schaut in mit magerm Trauerblick an) ..Ja siehst du denn nicht, wie wenig dir die ganze Läktüre der Anthroposophie, Psychologie, Philosophie gebracht hat. Von dir kann man nicht mal einen Rat bekommen, geschweige denn, einen befolgen! Und nun, nun will mir der grooße Manitu also weismachen, ich würde zwanghaft die Ferien versäumen!! Ich w i l l arbeiten, jawohl! Und eine Wochenendbeziehung! Wollte ich sowieso nicht! und wenn du 's wissen willst, die nächsten Ferien arbeite ich bereits auch schon! Wie immer: Aushilfe in der Psychiatrie in Senkelstädt! (mit vor der Brust verschränkten Armen tappt sie herausfordernd mit einem Fuß und stellt sich ins Profil) R: (murmelnd zu sich selbst: ) Hilfe, hilfe.. ( dann zu ihr gespielt kleinlaut Auf den ersten und den letzten Tag? M: Hjawohl, auf den äärsten und den lätzten! R: ..und die Tränen neulich, mich nie zu sehn, das, ja verdammt, vier Wochen lange Schwärmen von den Ferien,.. ich das nicht zwanghaft, ist das überhaupt noch... nur.. noch....Arbeitssucht ? ? M: (feierlich) Raphaäll! (mit ausdrücklicher rhetorischer Pause, in gefaßtem Ton dann) Ich habe erkannt, daß alles Sucht ist, und Arbeitssucht ist die gesündeste! - für alle neemlich, für mich, und für die anderen, ich bekomme etwas dafüür, .. und gebe auch etwas von mir, - und wie gesagt: Gäld spielt dabei kaine Rolle.. R: ...ja und ich... ? M: Ich bin geheilt von meiner Magersucht und Bulimie, ich bin endlich wieder körperlich topfit, jetzt wirfst.. R: Du sagtest mal, wegen mir, ich hätte eine so guten Einfluß auf dein Gesundwerden, .. naja.. lange her.. und is ja auch egal.. M: .. jetzt wirft gerade der, von dem ich erwartet hatte, daß er zu mir steht, Verständnis hätte, du setzt mich unter Druck und wirfst mir Knüppel zwischen die Beine, und, was besonders penetrant ist: Auch noch mit der Wehleidstour, deine armen Ferien! Aber, fertig jetzt, ich beginne nun, mein Leben endlich so zu leben wie ich es will! Komm! Küß mich! Ich liebe Dich, wir werden uns lange nicht sehn! Sie fallen sich in die Arme, der Vorhang fällt -------------------------------------------------------------------- ----------------------------------------------------------------------- Wieder das Eiscafé, diesmal im Winter, folglich sitzt man jetzt drinnen, hinter und an einer großen Glasscheibe, draußen im frühen Halbdunkel der hochmoderne, posttristesse Beton mit etwas Schnee und Eiszapfen. Raphael und sein Freund am Fenstertisch unter einer Korblampe, auf dem Tisch mit weiß, rosa und rot karierter Tischdecke ein riesiger überdimensionaler Plastikaschenbecher. Kellner: Kennschen Gaffee, jaa? Raphael: Ein Bier bitte und einen doppelten Dornkaat! Kellner: Hjaaa! Und Kolläägge auch eine Bier odaa..? Freund: Ein Kännchen Ka. .eine Tass..ein Kännchen, ja doch! Kellner: Kennschen Gaffee odder neeet? Freund: Ein Kännchen Kaffee, ja! Kellner: Kennschen Gaffee un einäää Biaa un Dorngaaat dobbel! Okee! Freund: Nun, geschrieben hat sie also nochmal? Deine Ausraster, ihr das teure Lieblings-Geschirr zerschmissen, war auch nicht schön, damals, wo es doch eh klar war, sag? Raphael: Daran lag's nicht, ja gut, es war der letzte Funken ins Pulverfaß, klar war eigentlich nie.. verstehst du .. nie irgendwas .. weder bei mir.. Freund: Was ist nun, warum schrieb sie? Du liebst sie noch, seh ich dir an, verfluchte Sch.. Raphael: Ja, eben darum. Es ist furchtbar! (holt einen Brief aus der Hosentasche nebst einem Papier-Taschentuch) Sie schreibt folgendermaßen: Fast jede Woche beglückt mich ein anderer Liebhaber, wichtig ist nicht das dämliche Gerede, wichtig allein ist es, daß die Körper sich verstehn! Freund: Das steht da? Raphael: Echt! Das steht da, voll! F: Huu, recht schwül! wird 's heute, mh? R: ..mensch, hör auf .. F: .. was für ein Vertrauen sie noch zu dir hat..immerhin.. (seufzt).. geliebt hat sie dich sehr, daß merkte man.. nur etwaas.. mh... zu seeehr .. weiß nich.. ( senkt kurz verlegen den Blick, hebt dann wieder den Kopf, blickt Raphael an) R: Oh weh, wenn du wüßtest wie das tut.., sie schreibt: Da ich dazu verdammt bin und auch das Glück habe, nur das Echte erleben zu wollen... F: Das Ächte ! R: Hrm! also, sie schreibt.. Kellner: Aine Biaa un dobbelde Doornkaat; Kennschen Gaffee kommt sofort, jaa? R: Danke, (Blubber, blubber) börbsss, Sie schreibt: du mich in meiner Leidenschaft, kraftvoll das Leben, meinen Sex, meine erotische Ader zu erfahren, behindert hast, und es soviel nachzuholen.. F: Muß sie nicht arbeiten?? Kellner: Kennschen Gaffee, soo! F: Danke, - sonst mußte sie doch immer!? R: .. schreibt: ..das Medizinstudium mir weltfremd heutzutage scheint, und keine weitere Erfüllung mehr für mich bietet, vielleicht später einmal, ganz wie ich - "ich" hat sie übrigens mehrmals unterstrichen -(blubber)- börbs- ganz wie i c h es will, denn in meinem Alter geht das Leben vor!.. und eine Ausbildung in der Nervenklinik Senkelstädt, wo ich einen besten Ruf habe als examinierte Krankenschwester in Betracht ziehe. F: Ach, echt, das Studium geschmissen? Na gut, das Physicum hat sie ja.. mmh.. Sie mußte doch immer lernen, wenn du sie besucht hast!? Nicht? R:..schreibt: ...und mein Leben und meine Welt gewaltig und reich...du brauchst emotionale Sicherheit, dadurch bleibt dein Erfahrungshorizont ewig eng....du mich nie verstanden hast.. nichts begriffen hast.. und zu schwach bist, ein Idealist und gut zu sein, und genauso aber zu schwach, wirklich asozial oder böse zu sein. Du bist ein bedauernswerter Träumer, nicht gut genug und auch nicht böse genug, um für die Welt je bedeutend zu sein! F: Da ist sicher was dran... R: Ihr momentaner Geliebter ist Metzger, .. hab ich gehört.. F: Ach ja, tatsächlich ?- Was einem da wohl für Bilder kommen, was? Weißt du: Da führt nichts dran vorbei, du wirst sie vergessen müssen! Metzger hin, Metzger her.. Metzger ist dir nicht poetisch genug, was? Metzger sind auch Menschen, die gestreichelt werden wollen.. Sie war, seien wir fair, mindestens n o c h nicht, aber auf jeden Fall n i c h t unbefangen und verspielt und genug, um für deine klitzekleine große Welt und dein Leben je wirklich bedeutend zu sein! Hättest halt ein Teppichhändler, meinetwegen Lumpensammler, mit Ohrring sein müssen, bleiben müssen, prinzipiell unnahbar für sie, und immer mit dem Nimbus des rätselhaften, ihre Welt immer nur wie ein Komet kurz erhellend, um wieder zu verschwinden für längere Zeit, so ganz ohne..weíßt schon.. sie wußte zuviel von dir.. R: ..ach, schön gesagt, aber ich fühle mich wie der letzte Depp! F: .. nicht ächt genug?? R: Börbsss, aaah - äh, so eins, ja da, mhmh! Kellner:.. noch aine Biaa, ja? Gut, sofoot! R:...übermorgen Vor-Examen.. F:.. und?! vorbereitet?.. R:.. nichts .. F: ..mh, schmerzt es sehr? .. R: ..und wie.. ..im selben Moment holt an einem entfernten Nachbartisch ein Angetrunkener einen Lachsack aus seiner dicken, altmodischen Einkaufstasche, und ein ätzend mechanisches Gewieher und Gelächter erschallt, der Angetrunkene grinst herzig, zum Kellner, dann auch grüßend zu Raphael und seinem Freund, .. auch der Freund bestellt sich jetzt ein Bier .. ----------------------------------------------------------------- Vorhang ------------------------------------------------------------------------ 1998
  8. Mischa

    der tag

    Der Tag Aufwachen! Nr. X!? ...und eine Handvoll Träume im zerwühlten Bett.. wo ist links wo rechts in Schluchten donnern die U- Bahnen aufwärts in den weißen Himmel und Nieselregen in Schachtausgängen flüchtig hingemalt die neusten letzten Wünsche auf Beton es weint noch um die Nacht ein Winseln flüchtet verfolgt von einem Zentner Wut ein erwachter Zeiger richtet auf und ein Der Morgen dämmert, blinzelnd kehre ich zurück in die warme Gegenwart aus köstlich mattem Fleisch und Blut: So nah wie nie sonst bieten sich Träume an Wer weißt sie jetzt ab, wer sollte? Die große Fahrt der Nacht ist ausgestanden angeschwemmt ein Kopfkissen inmitten bunter Kiesel und schäumender Brandung nach und nach fades, trübes, dürres Seegras, zischender Strand, schon wieder Ebbe komm, gib mir noch einen Kuß, Mädchen, liebe Traumelf mit den tausend Lächeln, Feuer nicht nur alter, sondern nie gewesner Tage und noch ist nicht soweit Tag in mir, .... als daß ich jetzt schon meinen Ascheneimer ausleeren ginge Du und du und du, ja sing mir noch einmal vom Mond, dem großen alten Traumschloß dort, wo wir abends immer silbern Wein getrunken haben, bis alle Sinne davon sungen staunend schwangen unsre Stimmen, die so gelöst die Mündung in die Wasser aller Stimmen fanden, frei stand’s in jedem Klang zu lesen und zu klingen in Lauten Takten Tönen was uns bei Tag versiegelt bleibt Nein! Geh weg.. die Träume beginnen zu sieden und verdampfen in Erwachen der Tag brennt an! Man geht zur Arbeit man geht zur Angst..... man geht zur Wut..... man geht zur Schande die drängende Frage des Erwachens wird beantwortet die gewohnten Blicke schauen den Alltag ein Schönheit troff noch von allen Kanten dieses diesen Morgens sie abdrängend bahnt sich die Pflicht ihren Weg frei Schritt auf Schritt, Blick auf Blick ist der Lebensraum gemeißelt in die schmerzliche Schrille tausender Geschehnisse und Möglichkeiten aus denen dumpf Traum und Schlaf von fernher flutend überraschende Ahnungen geflochten zurücklassen an den grenzen des kampfes um ein menschliches dasein 1992
  9. Mischa

    Die Rose

    Hi Beteigeuze Als erstes möchte ich mich nochmals für das, finde ich (und sicher viele Andere), so gelungene Gedicht "Die Rose" bedanken, diese Rose, unter dem Thema "Herzensangelegenheiten" hat uns, dank Deiner Offenheit hier weit .. unter "off topics" .. auf einen Spaziergang geführt.. Danke! :oops: Denn ich denke, wir haben hier vieles assoziiert, was uns im Leben, bis ins persönliche hinein, unsere Herzensangelegenheiten sind! Was ich über meine Furcht, "neidisch" zu sein, wo ich unter Einsamkeitsgefühlen litt, und neugierig das Leben von ferne bewunderter Menschen mit meinem verglich, trägt Züge biographischer Rückschau, denn ich bin schon älter. Ich las einmal, Neid sei die unerlöste Vorstufe zum Interesse am Anderen, merkte jedoch, daß ich schon ein Schrittchen weiter war. Und mich als schüchterner, nachdenklicher Mensch schämte, wenn ich sehr einsam war. Dazu neigte, mich übermäßig anzuklagen. Innere Konfliktschleifen können einem viel "Speicherplatz" auf der eigenen "Festplatte" wegnehmen. Allein, der Mensch ist kein PC. Zum Beispiel... kann man seine Gewinnchancen im schulischen, beruflichen oder sportlichen Wettbewerb durch neurolinguistisches "Programmieren" wesentlich erhöhen, doch niemals Antworten finden auf tiefere Lebensfragen. Daher habe ich mich nie auf "das Positive" konzentriert, mich nie psychotherapeutisch "coachen" lassen, war aber auch niemals ein resignativer Düsterling. Ich wollte die Welt, und ich wollte mich selbst niemals selektiv wahrnehmen. Mich, wenn nötig bis auf den Grund ziehn lassen. In längst vergangener Zeit, so erzählten Eltern, Onkel, Tanten, war es in meiner Geburtsstadt, wohl auch anderswo, noch üblich, daß jüngere Fraun und Männer sommers mal über den Rhein schwammen. Da die Strömung sehr heftig ist, trieb man sehr weit stromabwärts, öfter einige Kilometer weit. Es gab manchmal Wirbel, nicht allzu oft, wenn man sich auskannte, doch es konnte geschehn, daß ein Rheinschwimmer in einen solchen Sog geriet. Nun galt es um des Überlebens willen Kräfte zu sparen. Man ließ sich hinunterziehn, denn am Grund war der Sog am schwächsten, und man konnte tauchend wieder entkommen. Erst am Grund setzte man alle seine Kräfte ein. Es mag dem einen größenwahnsinnig anmuten, dem anderen respektlos, für mich waren alle "Großen", ob Dichter, ob Philosophen, oder Sänger und Sportler erst einmal Menschen. So hatte ich es auch von daheim her gelernt: Menschen mit für dies und das günstigeren Voraussetzungen. Mit einem anderen Schicksal. (.. auch wenn der Satz meine schulischen Leistungen, die ich nicht brachte, befeuern sollte ..). Darin bestätigte mich zudem ja die Lektüre "großer Vor-Bilder", Hesse sagt sinngemäß in einer Erzählung "und ich bat den lieben Gott.. laß mich ein" - sage ich mal, .. großer Freiheitskämpfer wie Gandhi werden.. ein großer Dichter wie Rilke" (ein ? Rilke.. ein ? Hugo von Hofmannsthal..?.. ein ? Stefan Zweig?.. gibt es mehrere :mrgreen: ) .."und der liebe Gott sagte: Aber .. "... einen Gandhi, Rilke, Novalis .. "den habe ich doch schon!" .. auch dem kleinen Gerhard Hauptmann soll als Kind gesagt worden sein: "Du mußt erst einmal etwas werden" worauf er antwortete: "Aber ich bin doch schon etwas!" Jedoch sagte auch einer meiner Lehrer: "Wenn jemand sagt, '..hätte ich damals wenigstens hunderttausend Mark gehabt, dann hätte ich eine Relativitätstheorie hingelegt!' .. so halte ich das für Blödsinn. Wenn ich eine Relativitätstheorie in mir andrängen spüre, dann schreibe ich sie überall, notfalls mit Bleistift auf Pin-Up-Zettelchen!" Wer bin ich? Odysseus entkam dem einäugigen Riesen Polyphem, in dem er sich "Niemand" nannte. Wenn ich heute etwas nicht bewältigen kann, schlafe ich gerne, lege mich kurz hin, wenn möglich, oder schlafe drei Nächte darüber. Am liebsten lese oder schreibe ich am frühen Morgen, weil ich dann mein ganzes "Potential" ungehemmter zur Verfügung habe. Ich bin "ein Poet", ein "Philosoph", "ein lebensbejahender Mensch", "ein verwahrloster Träumer" .. all das sind mir selektive Wahrnehmungen, die kommen und gehen. Wenn ich "einen Auftritt" auf der Bühne des Lebens habe, kostümiere ich mich entsprechend. Und halte mich, je nachdem, wie ich wirken will, an die Kleiderordnung, oder auch nicht. Ansonsten kann ich nur versuchen, so unbefangen wie möglich auf die Dinge zuzugehn. Dazu wäre vieles hier zu weit führende zu sagen, klar. Ein Mensch ist eine Geschichte, die sich in die Welt hinein erzählt, sie ist erst abgeschlossen, wenn er/sie nicht mehr lebt. Da herrscht nicht immer Ordnung im Sinne klarer De-Finitionen. Es gibt Zeiten, da geht alles ganz leicht, man glaubt, alles "im Griff" zu haben. Dann dreht plötzlich der Wind.. Ich meinte das mit dem "in Frieden sein" durchaus biographisch, bezüglich des Einzelnen. Was ist nun meine Philosophie? Wenn man mich kennt, könnte man meinen. Vieles. Mal so, mal so. Etwa, ich hätte mir hier etwas herausgepickt, und da etwas genommen. Weil mich vieles interessiert. Und habe daraus eine eigene Lebensphilosophie gemacht? Ich habe keine Philosophie. Der eine nannte mich "Naturmensch" (o gott, Rousseau?), ein anderer "überheblich", wieder jemand "spirituell", oder schlicht "philosophisch", oder "poetisch", andere erlebten mich gar als "viehische Frohnatur, unverwüstlich", wieder andere als "düster, und ewig gründelnd und depressiv". Und ich bemerkte mit den Jahren auch, wie sehr das jeweils von den Lebenskonzepten und biographischen Situationen derer abhing, die mir begegneten. Mancher mochte nur "diesen", mancher nur "jenen" Aspekt meines ganzen Wesens für sich zulassen, ein anderer suchte einen Fußabtreter, noch ein anderer Streit. Es gibt angenehme, und unangenehme Zuständigkeiten, man kann dagegen angehen oder mitgehen. Nun, man ist ja keine Windfahne, und so lernt man "sprechen und schweigen". Artikulieren, Protestieren, Lob und Tadel, Fliehen und Sich Stellen. Analysieren, welche "Rollen" man spielt, welche "Rollen" Andere spielen, - für einen Selbst .. Macht Es ist eher unbescheiden, wenn ich mich eher als "Niemand" empfinde. "Poet" und "Philosoph" sind mit soviel Vorstellungen, - so kommt es mich an, belegt, - oder gar der Titel "Privatgelehrter". Ein selbstverliehenes Adelsprädikat? Ich bin keineswegs ein fast durchsichtiges, gleichsam ätherisches Wesen, keineswegs, und auch nicht ein Suchender, oder auf Selbstfindung. Wenn ich es früher darauf anlegte, konnte ich mich mit dem Nimbus einer funkelnden und originellen Persönlichkeit umgeben. Oder mich der Katharsis eines 14 Stundentages in unkonventionellen Behinderteneinrichtungen oder im biologischen Landbau unterziehen. Oder zu Fuß und trämpend mit wenig Gepäck und Geld wochenlang unterwegs sein. Und viele meiner eigenen Fehler in anderen Menschen wiederfinden. Da ich nur sporadisch ein geselliger Mensch bin, und .. vieles .. an der Einsamkeit nicht fürchte, bin ich außer Gefahr, etwa ein "Guru" zu werden. Vorbild oder Menschenführer zu werden scheint leichter zu sein, als sich's mancher vorzustellen wagt, es bedarf einer gewissen Einfühlsamkeit, und eines streng engen Horizonts. Und eben eine machtvolle Furcht vor der Einsamkeit und Bedeutungslosigkeit! Natürlich meine ich schlechte Vorbilder, schlechte Menschenführer, schlechte Orientierer. Zudem meines Erachtens die Zeiten vorbei sind, in denen sich Menschen um "Große Vorbilder" scharten und scharen konnten, wie Herden unter hohen schützenden Bäumen mit weitausladendem Geäst. Auch wenn dies oberflächlich besehen ganz anders aussehn mag, ich vermute, daß sich ein humanes Gemeinwesen auch wirtschaftlich wirklich bezahlt macht. (Stichworte "Menschenrechte", "Menschenwürde", "Skeptizismus", "Massenzeitalter begünstigt das Bewußtwerden des Individuum"). Die Erde ist freilich nicht das Paradies, und ist auch nicht die Hölle. Doch beide haben gleichermaßen "Zutritt".. Liebe: Glück kann man nicht schmieden. So, wie Gärtner, Bauern und Segelschiffe keinen Einfluß auf Wind und Wetter haben. Seiner Ausrüstung Sorge zu tragen, und das tun, was die Gezeiten erfordern. Es geht m.E. gar nicht so sehr darum, sich zu ändern, um ein Anderer zu werden, sondern darum, immer wieder Sich Selbst zu bleiben. Doch das ist dasselbe. Manchmal muß man tiefgreifende Änderungen in Angriff nehmen, um endlich wieder Sich Selbst zu sein. Und kann sagen, "ja, das bin ich!" ... und dann ist es seltsam, eindeutig zu antworten auf ein "was machst du?", "wer bist du?".. Das könnte eine Binsenweisheit sein, wenn man sich nicht vergegenwärtigt, wieviele Menschen mit irrationalen Schuldkomplexen beladen sind (Ideologien, Relljon), oder sich als minderwertiges Humankapital empfinden, und ohne rechte Zunge für ihr Leid sich selbst ein Rätsel bleiben, für ihr Innerstes stumm sind. Und noch lange nicht für sich selbst sprechen können, geschweige denn, sich ohne ..Schubladen-Denke.. die Welt eines "Du" erschließen, freilassend. Dennoch, es wird geschrieben, wie nie zuvor. Ich vermute, es wird mehr geschrieben, als gelesen wird. Und siehe da, Stéphane Mallarmé hat dies offenbar zu seiner Zeit schon erspürt.. Auf der Flucht sucht der entwurzelte Mensch (des "Massenzeitalters") nach Worten, um in sich zur Ruhe zu kommen. Er wird geschwätzig, oder verstummt, was oft "dasselbe" ist. Erst allmählich beheimatet sich mancher, z.B. in der Sprache. Meine literarische Schwäche ist nach Jahrzehnten immer noch "Der Dialog". "Krieg muß man schwänzen, Spiel ohne Grenzen!" (Peter Gabriel.. ) :wink: Es ist das vornehmste Ziel der Menschennatur, den realen Krieg zu überwinden, wie und wo auch immer er sich zeitigt. Liebe kann Krieg sein. Ein geistiger Kampf ums Dasein, der mit immer faireren Mitteln ausgefochten werden sollte. Ein Ringen in einem selbst, ein Ringen um Verständigung und mit der Mitwelt. Vielen Dank, für all die Gedanken, und auch die Lesetips. Ich wünsche Dir von Herzen alles Gute! Mischa
  10. Mischa

    Die Rose

    Hallo! Beteigeuze Das sehe ich wohl auch so. Welcher "man" hat "vorgenommen"? Kunst-Experten, denke ich. Von woher beziehen die ihre Legitimation? Sie haben ihre Position inne, an der Schnittstelle zwischen "Produzent" und "Verbraucher". Ähm, ja! Verstehe. Ich sehe mich selbst auch als Poet. Mich als Philosophen zu empfinden, traue ich mich nicht.. :roll: Hans Carl Artmann sagt in der "Acht-Punkte-Proklamation des poetischen Actes", daß man Dichter sein könne, ohne jemals ein Wort geschrieben oder gesprochen zu haben. Ich selbst sehe das ähnlich. jedoch ohne Proklamationen und großes Bahai! Bei Artmann trat mir eben eine eigene, unausgesprochene Empfindung zum ersten Mal in Worte gefaßt entgegen. Womöglich gibt es einen "poetischen Bewußtseins-Zustand"... das laß ich mal offen.. Auch der Begriff "Leidenschaft" ist für mich bereits problematisch, auch wenn ich mühelos darüber hinwegsehe, wenn mir jemand von "Begeisterung" und "Leidenschaft" spricht, "ich weiß ja, was gemeint ist". Leidenschaft und Begeisterung sind für mich die Kehrseite von "Verzweiflung". Weil sich für mich darin ein Lebenswille ausspricht, der bis hin zum Trotz "jetzt erst recht!" kulminieren kann. Doch auch dann, wenn es dem Menschen gelingt, Frieden zu finden, wird Poesie sein. Mein Leiden an der Welt, wie sie nun einmal ist, kreist oft über dem Graben, der das "Arbeits- und Verantwortungs-Bewußtsein" vom "Poetischen Bewußtsein" trennt. Das ist bis in unsere Zeit ein Eiserner Vorhang, dort, wo gerade nur noch Extreme wahrgenommen und dann artikuliert werden. Poesie "arbeitet nicht"! Sie ist daher Privileg, ja Verbrechen, und Non-Sens! Verantwortungslos. Dort, wo sich Dichtung "bezahlt macht", "arbeitet sie"! Sie wird Wirtschaftsfaktor und legitimiert sich zumindest ein Stück weit. Diese Gedanken denken in mir, auch wenn sie mitnichten meine eigenen sind, und ich beobachte sie dabei... -------------------- Es scheint, daß die philosophisch, poetische Anlage früh durchbricht, bei etlichen mir bekannten Menschen geschah und geschieht dies in diesem Alter. Etwa um die "12".. Bei mir war es ein Zenbuch im Bücherschrank meiner Mutter. Dieses Buch "leuchtete" nicht. Der weinrote Stoffeinband war schon ganz blaß geworden, und ein tristes Grau hatte sich mit dem schönen Dunkelrot vermischt. Erst beim fünften klammheimlichen Hervorholen bemerkte ich, daß ein japanisches Schriftzeichen in Gold auf der Vorderseite eingeprägt war. Im Buch drin stand zu lesen, daß dies das Zeichen für japanisch "Mu" sei, was in etwa mit "Nichts", "Leere" übersetzt werden könne... "Bücher können zu einem sprechen, wenn niemand da ist, der mit einem spricht!" sagte lange später einmal ein guter Freund zu mir. Und ich ließ mir erzählen. Auch wenn ich so vieles nicht verstand. Zu dieser Zeit lernte ich, Worte und Inhalte und Begriffe und vieles mehr, .. in Offenheit in mich aufzunehmen. Geteilt zu sein, - in die Hoffnung, unterwegs eines Tages besser zu verstehn, - und in den Schmerz, vielleicht nie zu verstehn. Das ist eigentlich bis heute so geblieben. Es ging ja nie um "Begriffe", es ging um das Leben selbst. Sogar Kant ging es um das Leben selbst, wenn er "dem Ding an sich" entschlußfreudig entsagt. ----------------------------------------------------- Oh, das hat erstens biographische Ursachen Da spielte bei mir die kleinbürgerliche Herkunft mit hinein. Ich erwachte zu mir selbst unter den Bedingungen eines Milieus, in dem sich der Mensch unentwegt als "gespalten" erlebt. In "Schuld" und "Verpflichtung", in "ehrlich" und "unehrlich", in "faul" und "fleißig", und fast immer wörtlich auch in "Dienst" und "Schnaps". In "schlecht" und "gut". Wo die Empfindung des "angenehmen", wenn man sie hatte, einem selbst verdächtig vorkam. Und jedes Unangenehme als Vorbote einer charakterlichen Stärkung interpretiert wird. Auch war ich offenbar ein wenig "aus der Art geschlagen". Mit Herkunfts-Milieu meine ich nicht allein "Eltern", sondern ein Selbstverständnis, was die persönliche Aneignung und Zurückweisung vorzufindender Wirklichkeiten determiniert. Mancher fühlt sich heimisch darin und schlägt Wurzeln. Nicht aber jeder.. Eine Seele, die so geprägt ist, braucht lange, um sich freizudenken. Wer konditioniert ist, daß jedes Gespräch schnell in "Anklage" versus "Rechtfertigung" mündet, wo es gilt, zeitig, wie beim Schach, rasch die Position der "Anklage" einzunehmen, um den Anderen, der als "Konkurrenten" erlebt wird, in die Defensive zu nötigen, weiß in einsamen Stunden wenig mit sich anzufangen. Und ein Disput, der von "Balz" und hohem Blutdruck geprägt ist, ist der Sache nicht dienlich und führt den Menschen in uns nicht weit. So blieb ich in meinen geistigen Bedürfnissen oft allein. Klar wollte auch ich gefallen, schlug gern wie ein Pfau mein Rad. Doch ich empfand Gespräch, Musizieren als ernsthaftes Spiel. Dinge, die sich lebendig entfalten sollten. Ehe ich viel herumlabere: Ich war in meiner Jugend bezüglich der Entwicklung meines Intellekts gelähmt. Drohungen wie: "Du hast zwei linke Hände, für dich gilt: Abitur oder Tod", .."Dein Leben endet kläglich unter der Brücke, warte nur ab!" wurden mir so tief in die Seele gebrannt, daß Schule ein endloser Leidensweg für mich war, und meine Seele reagierte mit Schlaf und Apathie, immer mehr, bis ich nicht einmal mehr vieren und fünfen, nur noch sechsen schrieb... Bücher, die nichts mit der Schule zu tun hatten, waren mir, mal offen, mal unausgesprochen quasi "verboten". Seltsamerweise glaubte ich den Zensuren, Eltern, Schulpsychologen, Lehrern nicht, in einer machtvollen inneren Entschlossenheit. Doch ich konnte nur behalten, was mich interessierte. Wenn was im Unterricht drankam, was ich selber zuvor spannend fand, verlor ich den Bezug. Ein regelrechter "pawlowscher Effekt".. zweitens Später, auf dem sog. zweiten Bildungsweg holte ich fast wie in einer zweiten Kindheit nicht nur intellektuell vieles nach, sondern auch das berauschende Erlebnis, Lernen als Spiel zu erleben, und gute Noten "wurden eingefahren" wie eine hohe Punktzahl beim Dartspielen. Als ich dann Geschichte und Germanistik studierte, fing ich angesichts der Fülle des Lernstoffes in Faszination und Begeisterung zu brennen an. Nach und nach kam ich mit dem Verarbeiten der anzulesenden und eigenständig angelesenen Informationen nicht mehr nach. Fragte mich nach intensiven Grammatik-Repetitorien und Linguistik-Exerzitien, ob "viehles" nun mit oder ohne "h" geschrieben wird, und dachte, Besteller und Bestseller waren homophon, bis ich das "s" bemerkte.. Das kam wohl daher, daß ich unterbewußt jedes Wort in Segmente zerlegt, auf Suffixe, Präfixe, Infixe untersuchte, auf seine Stellung im Satz, den Text auf Textsorte überprüfte und klassifizierte, und unter Umständen noch einer geschichtlichen Epoche und deren Philosophie hin einordnete. Dazu die ganze "weiterführende" Sekundärliteratur plus Autoren-Biographien. Normalerweise ist das ja so: Wir haben eine Frage, und erarbeiten uns die Antwort. In der Schule lernen wir Antworten, aber die Zeit reicht eben nicht aus, als daß dort jeder Fragen stellen könnte. Außerdem gibt es in der Schule dumme Fragen, und gute Fragen. Vielleicht sagt auch mal ein Lehrer oder Professor: “Es gibt keine wirklich dummen Fragen!” Dieser Mann fühlt sich dann wahrscheinlich nicht sehr wohl im Lehrbetrieb, oder er ist sehr mächtig, oder will sich einfach wichtig machen. Wie aber gelangt man zu Fragen? Bestimmt nicht durch die Schule, oder durch die Lehre, oder durch ein Universitäts-Studium. Zu Fragen gelange ich, wenn zum Beispiel mein Opa stirbt, wenn ich braungebrannt in der sommerlichen Abendsonne sitze, wenn ich Erdbeeren ernte oder Unkraut jäte. Wenn ich meinen ersten Pornofilm gesehen habe. Wenn ich zum ersten Mal ein Auto gefahren habe. Wenn ich Brot backe oder ein Pferd reite und pflege. Zu Fragen gelange ich, wenn ich zum ersten Mal geliebt werde, und wenn ich zum ersten Mal nicht mehr geliebt werde. Oder wenn ich mich geprügelt habe, oder einer wundervollen Musik gelauscht habe. Und natürlich auch nach dem Schulunterricht und einer guten Vorlesung auf der Universität. Eben!, unter vielem anderen! Echte Fragen werden "gestillt", nicht einfach nur beantwortet.. Wenn Du so schreibst, dann möchte ich Dich darum bitten, mir entsprechende Werke zu empfehlen, die mir etwas den Symbolismus erschließen könnten. Leider sind meine Französisch-Kenntnisse nur rudimentär, das schränkt mich ein. (Ebenso, wie mir das Alt-Griechische entgeht..) Romano Guardinis Abhandlungen über Hölderlin, über Rilkes Deutung des Daseins, die mir empfohlen wurden, sagten mir sehr zu, Bücher, mit denen man reden kann. ------------------------------------------------------------- Soziale Interaktivität in all ihren Problematiken, Politik, Soziologie und Psychologie berühren mich. Und die Frage nach den Grenzen der zwischenmenschlichen Beziehungen (Extreme: Autodidaktik versus konventionellem Wissenschafts-Diskurs, Freie Liebe versus Notgemeinschaft). Einsamkeit und Individualisierung, Freiheit. Und meine lebenslange Suche nach Dialog, Brüderlichkeit. Das Leiden um des Überlebenmüssens, Sich verstecken in Gemeinschaft und Clans-Strukturen, Ausgrenzung, die Frage nach welcher Gerechtigkeit und nach dem Schicksal. Die Stimme der Demagogik, und alle übelsten Schattenseiten der Poesie, die ausgesuchtesten Beschimpfungen, und die schleichenden zwischenmenschlichen Gifte, die Entwertung und Umdeutung der Worte beschäftigen mich schon ein Leben lang. Dort, wo ich wachse, wo ich gar erwachsen geworden bin, fühle ich mich vom Zynismus jeglicher Art angesprochen. Und empfinde einen "Auftrag", das "innere spielende Kind" in mir selbst, und im Menschen zu verteidigen, den Kern der Menschenwürde. Ich selbst "trage" mir dies "auf". In Freiheit. Dort, wo ich Poet bin, ist mir die Welt auch manchmal ein Kampf von Ungeheuern und Dämonen und übermächtigen Göttern, denen der Mensch selbst immer unterlegen ist. Und, da denke ich mir oft, allein das menschliche Mühen um ein dynamisches Gleichgewicht im Ergründen der Gedankenwelten, die immer größer sind, als er selbst, könnte zu Weisheit führen. Tolkiens "Mittelerde" ist der Mensch. Dort, wo ich Realist bin, gehe ich davon aus, daß alle meine praktischen und mentalen Begabungen mäßig sind. Das muß ich mir zugestehen dürfen, nach fünfzig Lebensjahren. Das Wissen um die eigene Begrenztheit ist letztlich dem Selbstwertgefühl eher zuträglich. Gehe davon aus, daß der Einzelne gegenüber den institutionellen Gegebenheiten seiner jeweiligen Epoche (Gedanken von heute) relativ machtlos ist, denn sie sind die Rinde und Borke des Baumes. Dort aber, wo geträumt, gehofft und gesponnen wird, die noch unsortierten Gedanken blühn, spielend, ist das Kambium des Baums (Gedanken von übermorgen). Und ich bemühe mich, nach meinen möglichen Kräften die Zeit zu verstehen, der ich lebe, in all ihren neuen Entwicklungen, und wie sie ihre Hoffnungen und Ängste generiert, auch die Vorurteile und Moden. Realisten arbeiten mit dem Gewordenen. Poesie kann mit dem Ungewordenen, und mit dem Zeitlosen (Ewigkeit) in Berührung bringen. Schau, Beteigeuze, mir sind junge Menschen bekannt, die lesen Wittgensteins Traktat wie ich einen Asterix, und dann nehmen sie sich Kants Kritiken vor, in einer Behaglichkeit, mit der ich Grimms Märchen las. Und so weiter, über Hegel, Adorno, Sartre, Heidegger, Steiner, Ken Wilber und etwas Marx.. Und finden anbei noch Gelegenheit und innere Freiheit, all dies zu vergleichen und darüber selbst weiterzudenken. Darüber könnte ich vor "Neid" erblassen. Neid? Es ist mir auch eine Freude. Mir wurde erst spät bewußt, daß viele Menschen unter Neid ein wirklich antipathisches Gefühl, eine Wut empfinden können. Darum muß ich vorsichtig sein, wenn ich das Wort "Neid" benutze. Schlimmstenfalls tauchte in mir eine mit einer tüchtigen Portion Selbstmitleid gewürzte Neugierde auf das Leben Anderer auf, wenn sie an etwas teilhatten, von dem ich mir selber etwas für mich versprach. Doch nie wäre ich auf den Gedanken gekommen, einem Anderen dafür zu grollen, daß er an einer Welt teilhat, und auch imstande ist, daran teilzuhaben, die mir selbst verschlossen ist, oder verschlossen scheint. Denn ich lebte und folgte meinen Neigungen, obgleich ich oft aneckte, und das ohne ein dickes Fell zu haben. Wenn ich "Neid" sagte, meinte ich eine komplett verunsicherte Neugierde, ob da draußen Menschen sind, die mich verstehn, ohne daß ich störe, und was ich alles falsch machen könnte, Störfaktor zu werden. Wenn ich "schlechtes Gewissen" sagte, meinte ich meinte Existenzangst. Noch heute merke ich, wie ich "Vokabeln lernen" muß, Wortbedeutungen tief ausloten muß, um überhaupt annähernd "sagen" zu können, was ich meine könnte ... Doch auch Neugierde kann uns ja unterbewußt blenden, da wir stets geneigt sind, nach etwas zu forschen, was uns irgendwie abgeht, fehlt, und uns Unvollständig sein läßt. Mitgefühl und Empathie jedoch erfordern die Kunst des Zuhörens. Nicht allein die Künste des Fragenstellens erschließen einem die Welt... soweit mal.. :oops: Danke Dir für Dein Antworten! Herzlich Mischa
  11. Bist Du selber davon betroffen? Oder hast Du Dich nur da versucht, hineinzuversetzen? Darf ich das überhaupt fragen? Du mußt es also nicht beantworten. Fürchtest Du das, was sie "den sozialen Tod" nennen? In schlechten Zeiten, sagt man, trennt sich "die Spreu vom Weizen", bezüglich z.B. Freundschaften.. Es ist natürlich nicht so einfach, denn wenn wir in größerer Not sind, möchten wir uns verstecken, um die nicht zu belasten, die uns früher einmal wichtig waren. Um später, wenn wir wieder ..gesund .. sind, zurückzukehren. Wenn wir einer Tätigkeit lange nachgehn, die uns eher nicht, oder gar nicht gefällt, träumen wir davon, wie gut es wäre, mehr Zeit zu haben. Allerdings, wenn wir dann zwar Zeit, viel Zeit vor uns liegen haben, und innerlich aufgewühlt sind, kaum einen Gedanken fassen können, dann.. .. dann, vergeht die Zeit, und keine Zeit kommt. Nur die Zeit die kommt, heilt Wunden, nie die Zeit, die geht.. Möchte Dir nach und nach, oder mit einem Mal wieder eine Zeit kommen, die Neues bringt, was dann .. auch hält, was sie verspricht. Alles Gute, Mischa
  12. Lied der See-Frauen beim Netzespinnen und -flicken Mancher irrt durch Sehnsuchtsgärten getäuscht von süßem Weh verträumt in Schmerz das halbe Leben doch draußen lockt der See auf seinen Wellen leuchten Sonnen die lachen kichernd auf die grooße Sonne lacht vom Himmel das blaue Wasser lacht hinauf Machen morgen, gestern Schmerzen So bade dich im neuen Tag Atme Winde Wolken Düfte umarme jeden der dich mag und ist dein Herz keinem gewachsen so schau dem Gras beim Wachsen zu und ist im Winter alles duster find in Moos und Wäldern Ruh Denn mancher irrt durch Sehnsuchtsgärten getäuscht von süßem Weh verträumt in Schmerz sein halbes Leben doch draußen lockt der See auf seinen Wellen leuchten Sonnen die lachen kichernd auf die grooße Sonne lacht vom Himmel das blaue Wasser lacht hinauf Ein freies Herz brauchst du auch morgen drum tröste keiner dich als du denn fremder Trost bringt fremde Sorgen drum hast du Kummer? schließ dich zu! hast dich doch selber, und das schon so lang die Liebsten kommen, genieß deine Zeit der Weg zu dir hin, der ist manchmal weit, den geht nicht jeder, sei drum nicht bang: Denn mancher irrt durch Sehnsuchtsgärten noch.. getäuscht von süßem Weh verträumt in Schmerz das halbe Leben und draußen lockt der See auf seinen Wellen leuchten Sonnen die lachen kichernd auf die grooße Sonne lacht vom Himmel das blaue Wasser lacht hinauf 2003
  13. Mischa

    in memoriam ...

    In memoriam ... Ein gestummter Dichter ist lange kein Musiker doch auch er erinnert die See, wittert gesprächiges unter ihrer Haut kühl wird ihm in einer Nacht am stillen Fenster flüstern Worte auf Zehenspitzen fester zusammengenäht "Fenster zur Nacht" ist zu meiden wo stünden denn nicht fast allen Lampen stramm leuchtend herein Lange haben wir Wälder und Grünes, auch Feuchtes schon meiden müssen wenn das Sehnen sich nur ein paar starke und ruhige Mäander weit kräuseln durfte eine Oberfläche von Stürmen geglättet, oder aufgewühlt schimmmert und glitzert Sonnen und so erinnerst du nur noch die See wer kehrte jemals von dort zurück? würdest du? wer hat denn gewußt um schöne Faltenwürfe, die nicht nur die Unschuld kleiden nein, auch die Wahrheit ziert sich so nicht Dumpfheit allein reizt sich mit Schmuck das nackte Kleid, man nimmt es dir nicht, ohne den Atem auch mich friert in jedem Kostüm, auch friert die Nacktheit ohne ein Paradies und keine fleißige Eitelkeit brachte das je zurück wovon des heimlich lustigen Baches Glitzern immer noch plaudert träumt auch der Faltenwurf der See und wer sich je hinauswagte seine Worte, seine Lieder frieren nicht mehr 1994
  14. Mischa

    Die Nacht...

    Die Nacht Ich öffnete das Fenster und die dunkle weißbläuliche Stadt sang ihre Nachtsynphonie Die rauschenden Gesänge, die aus bewegten Fernen tönten, ließen mich Bilder der halben Wirklichkeit ahnen Da war das Summen der Fabrikhallen, die ihre Produkte unter hier unhörbaren Schreien dorthin ausspiehn, wohin es mich zog Stempel ferner Handelskontore.. Mein Lauschen überstieg die Gartenzäune an stillen Häusern ..vorbei.. an mir so lieben Augen jetzt schlafender Mädchen ihrem Träumen und Schlaf wohlbehütet wer weiß tastete sich vor zu den Autobahnen deren Rauschen mit den Güter- und Fernzügen um die Wette sang In den Schleiern des Lärmens wartete zwischen Vergangenheit und Zukunft .. Gegenwart.. rasend über Straßen, die zu Schiffen und Leuchttürmen und durch hohe Gebirge, an Flüssen entlang durch weite Ebenen führten, Erinnerung an Tage als ich oft an Fenstern saß von Autos Fernzügen Flugzeugen und an Landschaften vorbeigestoßen wurde ohne einen Laut von ihnen zu vernehmen Szenen aus Alltagen leuchteten kurz und unverpflichtend auf Spiegelbilder eigenen Alltags lange lange her Auf Schiffen über das Meer angesichts der weitesten Horizonte Straßen des Mondes und der Sonne draußen pfiff der Wind Unter der Klanglandschaft der nächtlichen Stadt schwieg die alte Zeit als Erde Humus vergessene Fundamente Scherben zerbrochene Steine Knochenreste morsche Holzteile vielleicht von Ochsenwagen und Pferdekutschen - all das was man in stillen ausgewogen klimatisierten Museen staubfrei sieht- Weinkrüge schlummern dort unten im Schoße ihrer gerechten Verwitterung einst wehten Lieder um sie Versunkene Straßen! ...Straßen... gab es immer schon.. die weit weg führten oft fröhlich im Sommer, verbittert winters suchende Augen der Reisenden ausruhend in Gesprächen austauschend neue Ziele und Adressen in Herbergen und Postkutschen in Zügen oder Flugzeugen um sich vielleicht einmal wiederzusehen „Sie sind wirklich nett“ „Du bist süß“ „Wirklich sehr interessant, was Sie so sagen“ „Wo möchtest du danach noch hin?“ schon der erste Gruß ist ein kleiner Abschied „Gute Reise... danke...“ Da klang das belanglose „Paris New York London Tokio Helsinki Ulan Bator Kairo Sydney Kalkutta Hong Kong“ anders als in der Zeitung oder daheim beim Erzählen oder Erinnern Es klang nach Stimmen noch unbekannter Freunde und Freundinnen, nach offenen Ohren und Herzen unbeschrieben vom Trott Da tauchten Palmengestade, Kamelkarawanen alter Filme auf, Ozeanriesen, Regen auf rutschigen Hochgebirgspässen, im Zelt in tiefen stillen Wäldern, zu Fuß durch irgendwelche fremde Städte in der frühen Jugend, mit dem Rad über frischsommerliche oder launächtliche Landstraßen, mit Schlafsack, Busenfreunden und melancholischer Flöte, zwei Kinder im Dickicht forschend verloren in der Welt des riesigen unergründlichen Stadtparks Seit mir die Nacht eine Frau geworden ist habe ich so oft am Fenster ihrem großen Lied gelauscht zu groß zu weit und unaussprechlich ist mir ihr Lied ... wie die leisen Klänge so gewaltig sind.. sie waren das Echo tausender Wirklichkeiten von denen ich getrennt sein muß, in meinem kurzen Leben, vielleicht ganz bis zum Ende.. Es war die Nacht mit ihren vielen tausend Bildern die mir immer unsichtbar im Erwachen täglich entschwindet und mich mit mir selbst allein zurückläßt Wie gerne hätte ich ihr Land schon oft als wacher Findender betreten in unendlicher Wonne ihre Gefilde entdeckt und entdeckt ich durfte nur ihr Echo ahnen und im Echo verlor ich mich und ging ein in ihre Melodie als unbewußter Klang, losgelöst von Instrument und Saite 1991
  15. Mischa

    ein frühling im lazarett

    durch die schleier aus fieber und tränen sahst du noch die dir wohlgesonnenen, und schöpftest mut zur gesundheit, ja du fühltest sie in dir wachsen und dich bereit, das neuland deiner begnadigung zu betreten, alles zuvor war ja blindes irren durch weiten und engen wirrer träume hier war nun ein maß, ein festland aus regelmäßigkeit, dauer und immer tröstlicher wiederkehr du fühltest echte reue nach den durchlittenen höllen aus fußtritten und schlägen und heißen stößen von unten nach einer oberfläche hin, eine oberfläche, die amlebenbleiben hieß, dein herz, jede seeligkeit war ja längst dahin, dann dazu warst du dort nicht geboren, und stark werden, srärker werden jeden tag war ja alles, und immer weniger vorher und nachher fand darin raum und dann schlug dich etwas nieder und entzwei und wurdest gefangener der dir verhassten welt des friedens, ein gefangener im kokon von verwundung, krankheit und fieber, und verhasst war dir der gedanke an die vergeltung und strafung, die dir hier wohl zu werden drohte, der du noch nicht wußtest, wie ihr entkommen, wie ihr ins gesicht schlagen nur um dich dem gefühl, da war es wieder, zu entringen, das von unterwerfung und erniedrigung in süßen verlockungen sprach, wie tränen und brot, wie erlaubter und behüteter und sorgsam bewachter schlaf, gleichgültig mit welcher art von erniedrigung und zustimmung sie zu erkaufen wären, nicken, zu einem unverständlichen urteil, was dich wieder schwach machen würde, um mit gesenktem blick einen weg zu gehen, ohne zuschlagen zu können? und dann ließen sie dich, sprachen zu deinen wunden zuerst, und brachten dir wasser, dicke suppen und brot, hießen dich liegen und fragten nichts und redeten manchmal, ob du eine mutter, einen vater und geschwister hattest, onkel oder tanten, und redeten von ihren freunden, geschwistern, müttern, vätern, von einst und heute und ihrer art, in der welt tätig zu sein, und wie das leben sie ankam und allmählich konntest du gehen, auf und ab, mit trockenem hals und fröstelndem blut unter der steifen haut und jeder blick, jedes wort an dich ließ träume in dein dünnes neues bewußtsein einbrechen und in umarmendem schlaf stürztest du tiefer in die kissen, und viele stimmen besprachen in tiefen träumen dein ganzes wesen neu und du erwachtest, als wenn du geweint hättest, matt und erfrischt, ohne den stachel irgendeines giftes und lächeltest oft ganz ohne vorsicht, wie du es zuvor noch nie getan hast und wie und wo denn auch und du vergaßest all das, wohinein du beinahe schon geboren, all dein voriges leben schien nur eine reflexhafte regung deiner natur gewesen, wie ein wirrer, sprachloser wachtraum, und hier war auf einmal kein feind und kein freund mehr, keine spur von nötigung, kein zwang, streng auf die fesseln deiner gedanken zu achten, kein zwang, stets mit wort und tat zu reagieren auf das, was deine fahne von dir zu hören verlangte, um es zu danken zwar, mit rausch, plünderung, und ..atem, ja atem in die lungen atmen dürfen ohne zu schreien und ohne zu schweigen reden dürfen .. und ..auch hören dürfen.. aufblicken ..dürfen ..auf einmal .. dürfen!
  16. Mischa

    Die Rose

    Der Maler Emil Nolde soll über sein Verhältnis zu Farben gesagt haben: "Mir war, als ob sie meine Hände liebten", diesen Satz kann ich transferieren in "angesichts des Meeres baute sich unter den Händen derer, die bis an die Küsten gelangt waren, das Boot" .. "unter den Händen des geübten Töpfers gestaltet sich zum Schwung der Scheibe die Vase" ... die Gedanken findet der Einzelne vor sich ausgebreitet, in dem er die Welt erkennt und in ihr zu lesen, zu schauen, und zu lauschen beginnt" .. jetzt rede ich bald selbst wie ein zweiter George... und Michelangelo soll gesagt haben: "Die Gestalten sind in meinen ausgewählten Steinen, ich schlage nur das Überstehende weg, um die Gestalten sichtbar zu machen" .. ..ich schlage nur weg .. :mrgreen: :lol: So jedoch war mir, wenn ich etwas aufschrieb. Eine Freude, oder etwas Tragikomisches hatte sich meiner Empfindung bemächtigt, ein Schmerz lag auf meiner Seele, und gestaltete sich im Tagtraum zu Bildern, die oft nicht einmal gleich Metaphern waren, doch im Gegenlicht noch andere Bedeutungen zu funkeln begannen, dann .. wenn sich der Text schließlich geschrieben hatte.. Ich liebäugelte einst damit, mich einmal "Privat-Gelehrter" oder gar "Poet" nennen zu dürfen, doch "Ruhm" und "Namen" ist nur das Echo der Welt auf das, was wir ihr anbieten. Bleibt die Welt stumm, oder nicht, wenn ein Mensch sich nur Selber hat, an manchen Tagen, ist es ja schon viel. Denn, als ich mich einarbeitete in Lyriktheorie, Literaturepochen, Interpretationen über bedeutende Dichtung und in die Biographien ihrer Schöpfer, Gedanken über die Sprache selber, füllte sich tatsächlich mein Verstand mit immer mehr Nüchternheit, daß eine Spannung entstand zur Seele selbst, deren Überbrückung zum Emotionalen hin zwar rauschhaft empfunden wurde, doch es zehrte mich tatsächlich auch aus. :? Die Naivität meines Schreibens litt unter den vielen Informationen, die ich gar nicht mehr bewältigen konnte. Vieles mir so mühsam Angelesene wurde mir einfach nicht mehr zu einem Wissen, wurde Last auf Last. Und statt der erhofften Bereicherung und Inspiration, mit Verlaub, verblödete ich zusehends, und erblindete fast für das Leben selbst. Ich hätte auch Briefmarken sammeln können. Ich hätte mir gerne viel, viel mehr angelesen. Denn, in einem zeitlich angemessenen Abstand können aus Informationen tatsächlich nach und nach Einsichten werden. Weil mir zuviel Informationen zur Last werden, mußte ich loslassen, manches anheim stellen. Auch solches schließlich, worüber ich sogar gerne vieles "gewußt" hätte.. Loslassen, trotz des drohenden Satzes.. "use it, or loose it!" Kurzum, ich weiß viel zu wenig (wenn auch "wo es drinsteht"), um über ein Informations- und Quellen-Plateau zu verfügen, so wie es mancher Akademiker besitzt, und wie es mir manchmal Akademiker zu vermitteln wußten (nicht alle, gewiß nicht). So kann es sein, daß ich manches tiefere -bei George etwa-, gar nicht recht verstehe. Ich wußte auch nicht, wer seine "Vorbilder" waren. :oops: Was ich bei ihm .. nachvollziehen .. kann, ist sein Bedürfnis nach Exklusivität :roll: . Wie es sich etwa im Gedicht "Der Teppich"... auszudrücken sucht. Allerdings die (programmatische) Exklusivität einem konkreten Personenkreis einzuräumen, oder sich selbst, ist .. nicht immer sehr ..weise.. gedacht. Glaube ich. Auch wenn die Versuchung groß werden kann, solches zu tun. Eben aus einer Art ...Trotz.. (?). Sicher, es war die Zeit, in der er lebte. Nunja, wenn wir in besonderen Situationen stecken, die eben, ganz allgemein gesagt, nicht alltäglich sind, da sehnen wir uns alle nach Mitmenschen, die uns auch ganz wahrhaft nahe stehn.. nach unserem exklusiven Kreis. :wink: Es fällt mir schwer, ein Bild einzurahmen, schon gar nicht ein Gedicht. Oder gar .. ein Gebet.. Das Empfinden .. spricht .. nicht. (Nach meiner Ansicht.. ) Die Schrift dürfte aus Bildern entstanden sein, die erst in der Begegnung mit der Abstraktion der Ziffern zu Zeichen reduziert wurden. Genaues "weiß" ich nicht. Sprache gestaltete sich womöglich aus einem Gesang. Musik, wenn Melos, Takt und Rhythmus zusammen wirken, stellt eine Ordnung der Zeit dar. Welche sich optisch in Ornamenten abbilden kann. Doch wer will das "wissen"? Wer möchte darüber denken? Wenige, und diese wenigen doch immer, wenn sie in einer Einkehr verweilen, dessen Metapher der Heilige Hain, oder ein Tempel ist. Exklusivität. Für uns Heutige bedeutet dies wohl eher: "Der nüchterne Alltag soll draußen bleiben!" Nicht immer sofort ein unerwünschter, nicht geladener Gast. Es ist dem Empfinden schmerzlich, einen Goldreif gegen Papiergeld einzutauschen. Die Interpretation eines poetischen Aktes tut dies. Sie spricht. Ein Gedicht spricht nicht. Nicht die Sprache unseres Alltags. Ein Erlebnis, welches uns nicht durch Rede zuteil wird. Darum zitiere ich abschließend eines meiner (wenigen) "Lieblings-Gedichte" von George. (..und bitte, die Überlänge :? dieses Kommentars zu entschuldigen.. ich möchte es manchmal ... :roll: ..etwas genauer .. sagen .. was in mir denkt.. :oops: :| ) Und, ja, die "Seltenen", welche die ersehnte Einsicht und Lösung finden, das sind wir alle, dort, wo wir berührt werden vom Großen Geheimnis. Insgeheim. Herzlich, Mischa
  17. Herzlichen Dank, Carlo. :oops: Es ist schön, wie Du wirklich diese Welt betreten hast.
  18. Mischa

    Die Rose

    Hallo Beteigeuze Immer wieder mal überlegte ich, ob ich dem Wunsch, Dir nochmal zu antworten, nachgeben solle. Denn ich habe recherchiert, und gesehen, daß Du das bist, was man einen professionellen Dichter und Schriftsteller nennt. Hätte ich es doch nicht getan :oops: (das Recherchieren), dachte ich erstmal spontan. Nun entwickelten sich folgende Gedanken.. Ich erinnerte mich, kennst Du sie?,.. an die Erzählung "Tonjo Kröger" (Thomas Mann), an die Begebenheit auf Deck eines Schiffes, bei Nacht, wo der Profi-Dichter Tonjo einem Kaufmann begegnet, und dessen "brave Kaufmanns-Verse" über den Sternenhimmel - mitfühlend zwar - belächelt. Der "Kaufmann", der vitale bürgerliche Mensch, - alltäglich dem nackten Kalkül und seinem rationellen Wirtschafts-Denken ausgeliefert, um seine Existenz zu erhalten -, findet sich unter dem Sternenhimmel. Leicht angetrunken, fabuliert der Kaufmann über Sterne und Unendlichkeit. Tonjo erinnert sich an die zahlreichen "braven Gedichte", die Fäns ihm zusenden und zusendeten... "brave Kaufmannsverse" über Sterne, Liebe, Herz und Schmerz. Die handfest rechnenden "Materialisten" sehnen sich in ihrer "Freizeit"-Poesie nach "Seele", die Freiheit und Weite zu versprechen scheint. Tonjo hingegen nach einem geregelten Leben, nach physischer Vitalität, gesellschaftlicher Akzeptanz, und konventionell geregeltem Einkommen. Er wird professioneller Künstler, der, so Thomas Mann in der Erzählung "ganz gestorben sein muß, um ganz Schaffender zu sein". :roll: Die Erzählung "Tonjo Kröger", abgesehn vom autobiographischen, transportiert eine dichotome Gegenüberstellung, der "Decadent"und der "Bürgerliche" Mensch die im "fin de siecle" populär war. Der überfeinerte, nah an der Selbstauflösung (oft auch physisch) "vergeistigte" schwierige Mensch, und der vor Gesundheit strotzende, fast empfindungslos rohe, doch auch unkomplizierte Unternehmer-Mensch... Diese Dichotomie war natürlich äußerst problematisch. Und eine Grundlage vieler Vorurteile in politischen und kulturellen Auseinandersetzungen. :| Heute scheint es geradezu anders herum gedacht zu werden. Schreiben und Dichten werden als "Handwerk" hock: gesehen. Auch wenn uns allen inmitten der industriellen Verfertigungs-Produkte auf dem Markt längst klar ist, daß "ein Handwerk" alles, alles andere als "geistlos" ist, ganz im Gegenteil! Es stört mich jedoch diese Sichtweise empfindlich, wenn es um Schreiben, Malen, Musizieren, Tanzen usw. geht. Von einem Handwerk zu reden. Zünfte, Gilden, Kammern tauchen in meiner Assoziation auf, "sie setzen Normen, und fordern Normen ein". Auch das Wort "Künstler" ist mir persönlich daher .. verhasst :oops: ! Jedoch: Bezüglich der Welt, wie sie nun einmal ist, ist es mir gleichgültig. :wink: Ich möchte meine Ansichten nicht aufreibend gegen den Strom einer Epoche einpflocken... Was bleibt? Ist bei vielen von uns vielleicht die Furcht, vor eben diesem "Ersterben.. "... um in ein Schaffen einzugehn....(?) - und all dessen mögliche Folgen - , welche .. nicht die Professionalisierung ... welche irgendein Anspruch, wie auch immer, an Perfektion, besser "Idealismus", mmh.. besser Hingabe an die "Sache" mit sich bringen .. könnte! Manche, die mir begegnet sind, waren geneigt, lieber eine Sache schlampig zu machen, um sich ja nicht "das Spiel" des dilettierens*, das "Hobby" zu verderben.Was ich immer schade fand, denn oft genügt ja etwas Polieren, und ein kleiner Schliff, und auch ein scheinbar Weniges ..leuchtet, und vermittelt ungeahnte Freude. Worte.. Welche Erfahrungen hast Du bezüglich Deiner Liebe zur Poesie gesammelt, durch das "berufsmäßige"? Die Gefahr meiner Offenherzigkeit könnte jetzt darin bestehn, daß ich mißverstanden werde, ich wollte die Welt teilen in Dilettanten und Professionelle. Das ist sie "äußerlich" besehen wohl. Doch vom menschlich/innerem Standpunkt für mich keineswegs. Ich träumte einmal in jüngeren Jahren davon, "Künstler", wie auch immer, zu werden. Davon bin ich längst abgerückt. Doch ich liebe das Schreiben, nach wie vor. Es gibt mir.. Heimat! * Zur Zeit der Jahrhundertwende vom langen 19. Jahrhundert in das 20. Jahrhundert war der Begriff des "Dilettanten" positiv besetzt. Der Begriff hatte es wohl schwer, diese gute Besetzung zu halten (ital. "dilettare" "sich erfreun"), vielleicht weil er klanglich in Nachbarschaft zum lateinischen "delere, deletum esse"- "zerstört werden" schwingt (so erging es zumindest mir..)... Ein Dilettant war einer, der einer, meist musischen Tätigkeit nachging, ohne diese beruflich auszuüben. -----------------
  19. Mischa

    Die neuen Nachbarn

    Folgenden Brief erhielt Raphael, als er nach Abbruch seines Studiums auf dem Lande zu leben beschlossen hatte. In Zeiten der Krise lockt das Urwüchsige der Gemeinschaft, der Mensch hat das Bedürfnis, mit seinesgleichen zusammenzurücken! Das Landleben in seiner Ursprünglichkeit verspricht dem Suchenden, das Wesentliche schätzen zu lernen, und eine Erweiterung seiner Kommunikationsfähigkeiten im Kreise einer geselligen Nachbarschaft, die den urbanen Zwängen ebenso abgeneigt zu sein verspricht, wie man selbst! Der Empfang war herzlich und feuchtfröhlich mit einem Filmriß über die Bühne gegangen, und hatte ein Nachspiel. Nicht jedem Zeitgenossen werden immer so freundlich offene Worte zuteil. Sehr verehrter Froind Wie ich sehe, hast Du in unserer Nachbarschaft eine Wohnung bezogen, Dich gestern auf unserem Gartenfest vorgestellt und wurdest auch betrunken und ausgelassen wie wir alle. Gewiß, wir werden Dich zu größeren Festivitäten in unserer Nachbarschaft wieder einladen, wenn Du Dich mit dem Einnehmen der Mahlzeiten und dem Beobachten unserer Geselligkeiten zufriedengibst. Aber gib es auf, mit uns Gespräche beginnen zu wollen, denn schon meiner Frau ist unangenehm aufgefallen, daß Du zu viel und zu gerne sprichst. Das kommt wohl daher, daß Du zuviel denkst. Aber das mögen wir hier nicht, und auch meine Frau mag das schon gar nicht. Wenn Du das nicht kapieren kannst, so wirst Du es früh genug noch merken, wie Du das nicht kapierst. Und Du hast mir also als Geschenk Drei Flaschen Wein tagsdarauf hin mitgebracht. Wohl um Dich für die Zukunft freizukaufen? Falls Du mal Schaisse baust? Um anzudeuten, daß Du nicht nur nehmen, sondern auch geben möchtest? All unseren Freunden aus der Nachbarschaft etwa auch!?? Das wird Dir wenig nützen, denn wir mögen Dich nicht. Wenn ich alleine im Wald wohnte, hätte seit drei-vier Monaten keinen Menschen gesehen, wärst Du mir vielleicht willkommen. Aber wir sind hier schon viele. Und wir kennen viele andere, die nicht von hier sind, die uns oft besuchen und uns Zerstreuung gewähren, wie sie nach unserem Geschmack ist. Wir mögen uns alle hier und unsere Streitereien gingen bisher trotz mancher unzulänglichen Versöhnung gut aus Und das gelingt uns schon seit geraumer Zeit. Meinst Du, wir wären darauf aus, oder könnten es uns erlauben, das Gleichgewicht unserer Verbindungen und Bekanntschaften nun zu gefährden, indem wir bedenkenlos Deinen Gedanken und Geschichten lauschen. Ich möchte in unserer aller Namen nicht abstreiten, daß Deine Gedanken und Geschichten und Lebensschwänke heiter und spannend, auch tiefsinnig und nachdenklich stimmend sind. Das Problem liegt auch nicht darin, daß wir etwa geschmacklose und stumpfe Zeitgenossen wären, die eine gewitzte oder sogar mit Schwermut geschmückte Darbietung nie zu schätzen wüßten. Nein, wir schätzen schon eine anspruchsvolle Unterhaltung. Aber wir wollen sie nicht mit Dir. Oder glaubst Du Dich so originell, da Du uns unverzichtbar wärest? Sieh mal: Zum Beispiel ein gutes Buch, man kann es öffnen und schließen, je nach Interesse und Bedarf. Oder ein Fernsehgerät.! Wie einfach eine Gesellschaft damit von einem Einzelnen zum Schweigen gebracht werden kann, ohne sie aufzulösen! Man fühlt sich wohl und schweigt sich nicht einmal an, ist gemeinsam in den Ablauf der Bilder gebannt. Wer das nicht möchte, schaut aus Rücksicht auf die anderen noch einmal auf die Armbanduhr und geht. Bin ich alleine oder zu zweit, gilt für den Fernseher ohnehin das einfache an und aus, je nach Interesse, Müdigkeit und Bedarf. Ein Buch hat in der Regel eine oder mehrere abgeschlossene Geschichten, ebenso ein Film. Die Nachrichten in Radio und Zeitung oder im Fernsehn, sie belangen unseren Alltag nicht. Aber Du bist einfach ein Risiko! Eine Geschichte, mehrere Geschichten, die wir gar nicht alle kennen, und abgeschlossen bist Du auch nicht. Verstehst Du?! Wer weiß, wohin das mit Dir führt! Sicher, Du hast viel erlebt, Du weißt manches zu beobachten und zu sagen,.. wir können das für uns alleine auch, und wie gesagt: Wenn wir nach einer Erweiterung unseres Horizontes verlangen, haben wir Bücher, PC, Radio und Fernseher. Als ich mir Deine Drei Flaschen Wein betrachtete, von denen Du ganz sicher glaubst, daß wir eine oder zwei davon einmal zusammen trinken werden, tja, da mach ich mir auch so meine Gedanken: Denk nicht, Du seiest der einzige, der hier denkt. . Ich will es Dir sagen: Du hast sie mir gebracht, weil Du nicht alleine sein willst. Da bist Du an den falschen Ort gekommen! Glaub mir: Es gäbe bestimmt attraktivere Begegnungen und Zusammenkünfte für solche wie Dich, wenn es auf der Welt mehr nach Deinen Wünschen ginge. Da stünden nun bei mir nicht Drei Flaschen Wein. Und auch nicht anderswo! Ich kann es Dir sagen, wo sie stünden, wenn es nach Deinen Wünschen ginge, mein Froind: Bei Dir stünden sie jetzt. Merkst Du was? Ich kann es durchaus verstehen, ich bin ja kein Unmensch, daß Du Kontakt zu anderen Menschen suchst, denn diese kennen wieder andere Menschen und so hangelt man sich an solchen Seilschaften durchs Leben, hat Unterhaltung, zerstreuende Erlebnisse, Gelegenheiten zu verschiedensten Schnäppchen und kommt vielleicht sogar nach und nach auch in den Genuß von Beziehungen ..für vielerlei neue und alte menschliche Bedürfnisse. Sicher, und irgendwo muß man beginnen. Wenn es nur so einfach wäre! Erstens haben wir alles schon, was Du zu bieten hast. Wir brauchen Dein Auto nicht, wir brauchen Deinen nicht allzugroßen Geldbeutel nicht. Wir borgen uns hierzuort wenn, dann lieber im vertrauten Kreis. Geld, Butter, Werkzeug. Kannst Du alles auch haben. Kochen können wir sicher auch nicht schlechter als Du. Doch ich muß in unserer aller Namen gestehn: Wir haben hier eine geschlossene Gesellschaft! Und wenn Du Dich hier mit Dir alleine zu beschäftigen gedenkst, wird Dich niemand kränken noch stören wollen. Aber gib es auf, ergründen zu wollen, wer wir sind, was uns bedrängt und bedrückt, wo wir herkommen und warum wir so wurden, wie wir sind, wir wollen nämlich nicht "kennengelernt" werden. Da wüßtest Du viel zu viel über uns. Denk nur: Wir wollen uns hier nicht einmal gegenseitig kennenlernen. Und sogar uns selber, alleine für uns, wollen wir nicht.. kennenlernen! Sicher, ich war einmal ähnlich wie Du, mir war langweilig und ich sehnte mich nach vielen Erlebnissen, ich versuchte, mit vielen Menschen auszukommen, die ich genausowenig mochte wie sie mich und ich redete mir ein, ich hätte Menschenliebe im Herzen, einfach nur, um nicht den Mut zu verlieren, indem mir das bewußt wurde, was ich eh schon immer wußte. Daß sie mir alle eigentlich ganz gleichgültig sind. Daß ich versuchte, mit denen, die ich geradeso um mich hatte, klarzukommen, um ihren Freunden vorgestellt zu werden. Denn ich hoffte, daß ihre Freunde vielleicht irgendwie interessanter sind. Oder daß die Freunde dieser Freunde vielleicht irgendwie interessanter sind. Immer aber, wenn ich jemanden mein Vertrauen geschenkt hatte, gab es auf einmal etwas in meinem Verhalten, oder in meiner Art, das ihn oder sie enttäuschte, rasch noch bevor er oder sie mich hätte enttäuschen können. Und danach taten sie dann etwas, was mich enttäuscht hätte, wenn sie mir nicht schon eher, als erste, das Vertrauen entzogen hätten. Gut, was?! So mancher ist geschickter, als man denkt, zuerst kriegst Du den Schwarzen Peter, dann erst aufs Dach. Ob jemand Dich bestiehlt, sich mit Dir prügelt, schlecht über Dich redet, erst bastelt sich jeder einen guten Grund, Dir was anzutun, gegen den Du erstmal ankommen mußt... Also gib es auf Dich hier einschleimen zu wollen. Ja, sicher, Du hörst uns nun jeden Nachmittag auf unserer Terrasse lachen, hörst vielleicht Sektkorken knallen und uns Witze erzählen. Und Du würdest sicher auch gerne diese Witze hören, darüber lachen, und Dir werden, wenn Du uns so hörst, bestimmt eine Menge eigener Witze einfallen, die Du uns so gerne erzählen würdest. Und wir werden Dich nicht einladen, herüberzukommen. Tja. Und wenn Du das fragwürdige Glück hast, doch einmal bei uns in den Alltag hereinzugeraten,.. vielleicht hilfst Du uns, weil Du zufällig dazukommst, einen schweren Gegenstand von einem Lieferwagen ins Haus wuchten - sicher, solche Sachen kommen bei Nachbarn vor - dann ist es für Dich ratsam, im eigenen Interesse ganz still das Getränk, was wir Dir angeboten haben, zu Dir zu nehmen, auch wenn wir uns an unserer Geselligkeit gerade erfreuen und wieder unsere Witze machen. Wenn die Witze, die Dir einfallen auch noch so gut oder sogar besser sein sollten, wir werden erstens nicht darüber lachen und zweitens werden wir sie auf einmal überhören. lch rate Dir deshalb, höflich nach dem austrinken wie es sich gehört auf deine Armbanduhr zu sehen, und still dankend zu gehen. Und wenn wir Dich zum bleiben auffordern, dann versteh das ja so, wie es gemeint ist! Sei nett, vor allem zu den Fraun, und bedaure, keine Zeit mehr zu haben, denn keiner wird es Dir übelnehmen. Und dann geh. Du denkst wohl, die Witze die wir uns erzählen, wären uns allen neu. Du denkst wohl, wir wären fröhliche Nachbarn, wenn bei uns auf der Terrasse im Frühling und Sommer manchmal Korken knallen. Denk es ruhig, vielleicht ist es manchmal so. Und, wie schon gesagt, wir wollen ja nicht "kennengelernt" werden. Ich weiß doch: Du denkst, wir wären sicherlich fröhliche Loite,- weil Du nicht alleine sein willst. Klar, wir sind neugierig. Wir wissen schon, wie wir es anzustellen haben, Dein lnteresse an Dir selbst zu wecken. Du wirst dann wahrscheinlich denken, Du habest Dich gut mit uns unterhalten, wenn es doch einmal zu so etwas kommen sollte... Und wir wissen wieder etwas mehr über Dich, Du aber nicht über uns, das ist der Witz dabei. Dann wirst Du irgendwann merken, daß Du nur von Dir erzählst. Unsere Fraun werden Dir das als erstes klarmachen. Denn wir wollen hier nur über uns erzählen. Und siehst Du: Jetzt schämst Du Dich. Nicht gescheit Dein loses Maul über Dich gehalten zu haben. Einer kleinen Einladung von uns zu weit gefolgt zu sein. Selber schuld oder? Ja, sicher, es ist nicht einfach, einen kleinen Abend gesellig herumzukriegen unter Leuten, die von sich selbst nichts preisgeben. Ohne zu viel zu rauchen, ohne sich zu besaufen, und Dein Job? Gibt nicht viel erwähnenswertes her, und Deine Bücher, die Du gerade liest, interessieren uns ganz bestimmt nicht. Und wenn es dann still wird, und lange Pausen eintreten im Gespräch, dann geh besser. Und trink und rauche alleine Zuhause weiter, dann bleibst Du uns egal und ersparst uns und Dir die Erkenntnis und das Resultat: Daß wir Dich eigentlich und ganz einfach nicht mögen. Das ist sicher sehr starker Tobak gleich in den ersten Tagen, wo Du hierhergezogen bist! Aber diese Drei Flaschen Wein, wenn ich sie mir so ansehe, und Deine naive Fröhlichkeit an unserer Feier an Deinem ersten Abend hier, all das Gelächter über deine Witze,.. weißt Du, es war einigen von uns zu laut. Leute, die wir mögen, die werden am ersten Tag nicht gleich so gefeiert und von allen gemeinsam umlagert. Ich will Dich nur warnen vor uns. Ich möchte Dich aber auch gleich ein wenig trösten. Denn, weißt Du, es ist nach meinen Erfahrungen eigentlich unmöglich, sich "beliebt" zu machen. Sicherlich, Du kannst es ausprobieren. Du kannst einige Zeit damit Erfolg haben, aber im Grunde machst Du Dir da nur etwas vor, denn Du -machst- Dich nur beliebt, Du bist es deshalb noch lange nicht. Du wirst es spätestens dann merken, wenn es wirklich zählen könnte, und drauf ankäme, beliebt zu sein! Du wirst merken, daß jeder, solange es nichts kostete, Dein Spiel, Dich beliebt zu machen, mitgespielt hat, obwohl es alle durchschaut haben. Du hast Dich angenehm gemacht. Das, was den andern an Dir unangenehm war, herausgefiltert. Und bist doch nur immer lächerlicher, kastrierter und weniger geworden. Alles nur, weil Du nicht alleine sein willst. Aber so, wie Du wirklich bist, so mögen wir Dich nicht. Und so, wie Du wirklich bist, mein Froind so kennen wir Dich alle eigentlich schon in den ersten fünf Minuten Und glaube ja nicht, Du könntest mit einem bewußten Einwirkenwollen auf den sogenannten "ersten Eindruck" irgendwas herausschinden. Wir alle erkennen Dich sofort und fühlen sofort, ob wir Dich mögen oder nicht. Dabei spielt es keine Rolle, ob Du traurig oder fröhlich, ob Du todernst, ob Du verletzt oder unverletzt oder sogar in Not daherkommst. Die ersten fünf Minuten entscheiden nicht. Aber in den ersten fünf Minuten solltest Du Dich entscheiden, denn auch Du kannst fühlen, ob Du gemocht wirst, oder abgelehnt, es sei denn, Du hast gewisse naive Gründe oder Träume im Kopf, es Dir selbst gegenüber ignorieren zu wollen, nicht wahr? Mein Froind, Du wirst mich für sehr verschroben halten, und ich verstehe Dich, denn auch ich hatte mal eine Zeit, wo ich mir in den Kopf gesetzt hatte, ich müßte nicht allein sein, wenn ich nur ganz fest dazu entschlossen sei, nicht allein sein zu wollen. Bedenke immerhin meine Worte, wenn ich Dich vor unserer stillen Abneigung warne: Es gibt eigentlich nur Liebe auf den ersten Blick, oder Abneigung auf den ersten Blick und jeder, der wachsam beobachtet, weiß das! Alles, was dazwischenliegt, ist sicher interessant, aber ohne rechte Erfüllung. Du kannst Konversations- und Rhetorikkurse, professionelle Flirt-, Benimmkurse besuchen, Du kannst Dir hübschere Kleidung zulegen, Dich mit angenehmen Dingen umgeben, es sichert Dir keine Zuneigung. Sicher, banal, all das, was ich Dir sage, plappert ähnlich schon jedes Kind und jeder Erwachsene Aber Du kannst Dich, und allzuoft geschieht das den Menschen, mit Dir fremden Gedanken umgeben, mit Dir fremden Zuneigungen und Abneigungen. Die kannst Du anziehen, wie schöne Kleidung, aber die Herzen lassen sich nicht täuschen, nur, sie spielen mit Dir, manche fremden Herzen, die Du zu gewinnen glaubst, indem Du Dein eigenes Herz so maskierst. Oder die Umstände können Dir gewogen sein, es gelingt Dir, zu blenden. Aber es gibt immer Augenblicke, in denen Du gezwungen sein wirst, Dich zu entscheiden, verlaß Dich darauf, und ehrlich, mein Froind: Je eher solche Augenblicke kommen, -und gewöhnlich kommen sie blitzschnell-, desto besser ist es für Dich. Dabei aber lernt man nicht einmal wirklich die Abgründe derer kennen, denen man zu schmeicheln glaubt.. sondern ist gezwungen, sich mit Maßen zu messen, die nicht der eigenen Erträglichkeit entsprechen. Und das wird einem nur täglich peinlicher und peinlicher. Du wirst schon beim großen Gartenfest bemerkt haben, daß bei uns auch viele "bunte" Loite verkehren, uns besuchen angesehene Musiker, Bildhauer, Handleser, Glasbläser, Kunstschmiede, Weltreisende und Maler. Du wirst sicher neugierig sein, wenn Du von uns linksliegengelassen, falls es eben wieder zu einer Höflichkeitseinladung kommt, den Erzählungen lauschst, wenn über Kunstheorien, Weltgegenden, Völkermentalitäten, Lebenskonzeptionen und spannende Erlebnisse, über tolle unausgereifte Ideen, die aber bald in Taten umgesetzt werden, über Geheimtips für die Kunst und fürs Reisen fabuliert und berichtet wird. Du wirst mit der Hoffnung spielen, auch an der Unterhaltung teilnehmen zu dürfen, eben einen dieser bunten Loite auf die Seite Deiner Bekanntschaft zu ziehen. Du könntest sicher mit ihnen schön reden, wüßtest auch einiges Bedoitsame Dir aus den Fingern zu saugen, vielleicht würdest Du gerne von ihnen gelobt werden, weil sie Dir so unnahbar und begehrenswert erscheinen: Weil wir schon gar nicht zulassen werden, daß Du in Kontakt mit ihnen kommst, -und würdest Du auch die ganz späte Stunde lauernd abwarten, wo die Gespräche sich vereinzeln, und mancher interessant wirkende Mensch auch einmal alleine dasitzt, und alle offener, gelöster und angetrunken sind, die Beleuchtung dunkler... Denn wir haben Verantwortung für unsere Gäste und es sind unsere Bekannte und nicht Deine, und wir kennen sie schon lange, und sie haben auch bewiesen, daß sie als solche zu uns passen. Ohne einen gewährenden Wink von uns wird sich kaum einer oder eine von ihnen auf ein wirklich langes Gespräch mit Dir einlassen, schon aus Höflichkeit gegenüber uns und unserer Einladung. Und diesen Wink werden sie nicht erhalten, im Gegenteil, denn, wie gesagt: Wir mögen Dich nicht. Und wir haben lange gebraucht, um all diese wertvollen Leute unterwegs und auch von Berufs wegen kennenzulernen, und wissen als Gastgeber höflich mit ihnen umzugehen, was den Gästen, die uns weniger nahestehen sicherlich abgeht. Wir möchten ihnen dann auch einen Abend ohne Belästigung garantieren! Und kluges Gerede, wie es vielleicht von Dir dann kommen mag, vielleicht um Dich in ihrem Lob oder Deinem klammheimlichen Eigenlob zu sonnen, solches Gerede geht ihnen von Berufs wegen schon auf die Nerven und sie möchten bei uns genießen, mal nicht klug interviewt zu werden. Siehst Du? Auch diese Hoffnung auf einfach zu erlangende Kurzweil oder Vitamin B zerschlage ich Dir. Wenn Dich "bunte Loite" interessieren, mußt Du sie Dir selber zusammensuchen, bei uns ist eher nicht der Ort, sie behaglich kennenzulernen. Und solltest Du dennoch auf dem nächsten großen Gartenfest ein Gespräch mit so jemanden beginnen: Wir mögen das nicht! Da wird sich schon rechtzeitig jemand blockierend zu euch setzen, notfalls einen heftigen Streit mit Dir beginnen, damit sich inzwischen Dein so begehrter Gesprächspartner in aller Ruhe entfernen kann und das auch will. Weil wir ihm zuvorkommend nachhelfen. Und ihn auch warnen. Ja, so sind wir hier! Wir, Deine neuen Nachbarn. Ich bin so frei, und will fair zu Dir sein! Gib also die Hoffnung auf eine gesellige Zeit mit uns auf. Es hat keinen Zweck. Und ich mein es auf keinen Fall böse. Vielleicht kannst Du uns ein wenig verstehen, es täte Dir gut, denn Verständnis brauchen wir nicht, unsere Tage miteinander sind auch nicht immer zufriedenstellend und angenehm, gell, aber wir mögen uns, und das ist schließlich das Entscheidende! Sicher, Du magst jetzt hirnen und sinnen und Dich fragen "warum, warum?" -denn uns offenherzig zu fragen, wird Dir auch wenig nützen. So will ich Dich noch einmal trösten, weil Du es bist: Wenn Du nicht gemocht wirst, so liegt der Grund dazu zu nicht allein bei Dir, sondern dazwischen, zwischen Dir und denen, die Dich nicht mögen! Es ist vieles einfacher, als Du vielleicht denkst! Der Grund, daß wir Dich nicht mögen ist eben die Tatsache, daß wir Dich nicht mögen. Wir können dazu genausowenig wie Du. Von diesem Grund herauf können wir -viele Lebensbereiche umfassend- vielerlei komplizierteste Antworten hervorheben, wir könnten sogar versuchen, uns zu mögen, um dann die kompliziertesten Szenarien miteinander zu haben, obwohl wir jetzt doch schon wissen, daß es umsonst ist. Die Erklärungen wären wirklich endlos, auf den verschiedensten Ebenen gäbe es "warums?" und ihre „ weils! " dazu, und, mein Froind, das kann auf Dauer sehr, sehr unbefriedigend werden. Immer wieder würde einem eine neue Nuance auffallen, die es scheinbar begründet. Wer das mag? Einen richtigen endlosen Gedankenteppich könntest Dir weben aus "warums?" und "weils!" und doch trüge dieser Teppich, egal wie sehr Du ihn auch ausdehnst und immer weiter webst, immer den Namen: "Sie mögen mich nicht!" Und dazu sollte Dir Deine Zeit doch zu schade sein! Statt diesen mühseligen Teppich zu weben, gestehe Dir einfach ein, daß es in Dir auch einen Ort gibt, wo Du sicher weißt: Ich mag sie nicht. Auch hierüber solltest Du keinen Teppich weben. Nur, weil Du einfach nicht alleine sein willst! Oh! Drei Flaschen Wein, und noch ausgesuchten! Hast es Dir was kosten lassen, wie? Also wußtest Du doch schon ein bißchen, daß Du zumindest nicht günstig bei uns wegkommst, mh? Na siehst Du! Weißt Du was? Diese Drei Flaschen werde ich alleine ohne Dich trinken, viel zu schade, um eine davon nur mit Dir zu teilen. Und trink Du zuhause Deinen eigenen Wein, alleine! Oder eben, wenn die Umstände günstig sind, trink ihn mit jemanden, der Dich mag! Und den Du auch, wirklich, gerne hast. Und stoß ruhig auch an: Auf friedliche Nachbarn! 1998 ---------------------------------------------------------- Auch hier ist es eigentlich müsig, zu erwähnen, daß die im Brief gegebenen "Ratschläge" nur eine bissige Ironie auf sämtliche zwischenmenschlichen Berührungs-Ängste sind, und keineswegs als Lebensweisheiten, zu denen man nachdenklich das Haupt wiegt, aufgefaßt werden sollen. Dennoch findet man sich im Leben hin und wieder wie in einen Kokon eingesponnen, und die Mitmenschen scheinen sich entsprechend zu verhalten, wie in obiger Parodie (auf das wirklich wahre Leben), oder man selber fürchtet von anderen ein solches Verhalten, schlimmstenfalls fällt beides fatal zusammen, und verstärkt sich so. ------------------------------------------------------------
  20. Mischa

    spätsommer in finland

    spätsommer in finland wenn in wellen die farben verschwimmen wirst du nur neu in perlendem glimmen vogelgezirpe am nebligen strand verlierst deine träumlein wie die finger den sand lausch nur ja lausch viel zu weit ist es her sprich ja nicht weils rauscht ungefähr, ungefähr nebelschweife atmen glucksend sich aus schau nur ja siehst du da drin dein zuhaus weit und verborgen wo niemand dich sieht und all dein gemurmel von selber fortflieht wie silberne perlchen streichts dir die haut macht streicheln zu verslein das schwebende kraut und birken und weiden ihr saftiger stamm säumen weithin die strände irgendwo irgendwann ein ufer weit draußen im dunstreich zerrann dort wo die waldfee den hügel gewann blau sinkt das licht in die grünwispernde welt leise wehts lüftchen kein blättchen was fällt das tauchhäubchen nur mit dem köpfchen aufschnellt im gebüsch hat ein fuchs jetzt die lauscher gestellt fort nur nur fort schnarrt die wildente schrill schnarrt sie hier oder dort dann wars wieder still zärtlich umschließt du das ruder vom kahn geträumt nur geträumt murmeln blätter und bug weit ganz hinaus und hinein willst du fahrn kaum ahnst du die zeit noch in der kein lied dir genug 1991
  21. Mischa

    Das vergessene Haus

    Und wenn es so wäre, daß Du hättest gehen können? damals, irgendwann gegangen wärst nur und nur Deinem Herz, dem Drang ganz Deiner Seele allein gefolgt wenn Du niemals gehört hättest zu früh gewußt vom Brot, was man den ganz Armen wegnimmt von den Bomben, die soviele Träume seit jeher verbrannten hättest Du niemals erst von Weitem und in Dir das Weinen und die Schreie gehört die wirklich unheilbaren und nie erlebt, wie man Liebende auseinanderreißt mit Klugheit und Hinterlist und mit vorgetäuschtem Mißverständnis lästige Freundschaft beendet und der Zauber breiter bunter Straßen die vielen, vielen Gesichter dort Dich nicht so tief erschreckt hätten und hättest Du niemals den Hass am eigenen Körper verspürt so lange, ach bis Deine Seele davon brannte, so tief gehasst hast, währenddem Du fast noch wußtest daß Du nie wolltest wolltest Du .. hassen? … hast Du denn „hier“ geschrien, als …? wenn Du nur gegangen wärst alle Vorwürfe, alle Sorge, alle Mode in den Wind geschlagen hättest niemals Dich um Verständnis bemüht und niemals Stolz empfunden hättest dort steht ein altes Haus, hinter Büschen, unter Tannen, ohne Nachbarschaft Wände aus Brettern und Balken, ein Bretterboden, ein Tisch aus Holz, drei Stühle und zwischen Spinnweben (was sonst) ein zerrissener Wandbehang Ja, das Haus ist muffig, es liegt (im Augenblick) nicht hell genug, man wird müde von seinem Anblick, so müde es ist das Haus Deiner Träume damals es steht, leer, die Fenster hat der Wind sie eingedrückt ? das Licht zur blauen Stunde ist darin dunkelgrün wie der Forst eine Kerze würde es erhellen Deine Gitarre würde frei darin erklingen, unbedrückt von fremden Ohren Du würdest Dich niemals mehr rasieren, niemals waschen, nur mit Kernseife hättest raue Hände von irgendeiner gemütlichen Arbeit in der Gegend etwas Tabak, etwas Bier, Brot, Käse und eine eigene Sprache ohne viel Erinnerung an anderer Leute Zunge und Urteil die Dämmerungen wären bei Dir zu Gast wie die Hirsche am Salzstein würden sie Dich abends aufsuchen würdest gewaltige Lieder ersinnen ohne Dich je zu fragen, was sie bedeuten an ihrer Weite die Stunden und Horizonte durchmessen selige weitausladende Schritte durchs Gehölz auf Zehenspitzen durchs Unterholz mit den Hunden würdest Du essen wenn Du Hunger hast und wenn Du satt bist rülpsen würdest mit Deinen Katzen sitzen und zu seltenen Besuchern lachen wenn Du froh bist und zu allem was man Dir zuträgt aus der Welt Deine feste unverrückbare Meinung äußern und lächeln...
  22. Mischa

    der leuchtturmwärter

    Den "Leuchtturmwärter" dichtete ich 1991 auf einer Überfahrt von Stockholm nach Turku. Auf dem Fährschiff unten war die Hölle los, dort wurde getanzt, gesoffen, und nachts auch geb.. und schließlich geschlafen. Ich hatte eh keine Kabine gebucht. Alles war teuer. Ein Kaffee kostete umgerechnet etwa 15 Mark. Eine belegtes Brötchen etwa 18 Mark. Zwar hatte ich was Geld, aber, bei den Preisen hätte ich es auch verbrennen können, mir die Zigarette mit nem fünfzig Markschein anstecken, weil Streichhölzer auch teuer waren.. Ich war der einzige an Deck, und da gab es dieses Phänomen, wenn man weiter im Norden ist: Die Sonne ging ganz langsam unter. Es war noch kalt dort oben, es war Mai. Aber an diesem Abend, ich hatte schon eine lange Bahnfahrt hinter mir, war mir absolut nicht nach "Guter Unterhaltung". Ich war der einzige an Deck, und unten im Bauch des Schiffes ging die Party, die zig Parties ab. Wir fuhren durch die, wie ich erst lange danach herausfand, weil mir damals vieles egal war, durch die Schärenküste (Ostsee), lauter grüne Inselchen auf Felssockeln.., und ein langer, langer Sonnenuntergang, weil im Norden die Sonnenbahn ja immer flacher wird. Das Gedicht dichtete ich nur, ohne zu schreiben, im Stehen an Deck und sah all die Farbenpracht, so etwas hatte ich noch nie erlebt! Erst später, fünf Tage nach meiner Ankunft in Orimattila bei Lahti im Inland, hatte ich es immer noch in der Seele und da beschloß ich, es doch aufzuschreiben. Es wollte aufgeschrieben werden, denn es blieb einfach in meinem Gedächtnis, obwohl ich es "für nichts" in den Wind des Sonnenuntergangs aufs Meer raus gesprochen hatte. Schön, daß es "wirkte", .. auf Dich, karlo.. Herzlich, Mischa
  23. Mischa

    der leuchtturmwärter

    Der Leuchtturmwärter Die Augen des Meeres im Westen die Leuchtfeuer überall sind zu weit um deinen Kuß auch nur zu hören, wenn dein Mund den rauschenden Wind einsaugt und ein Tropfen Gischt, der deine Lippen streift und gleich verweht ist einer von den Weißt Du Wievielen Es Überhaupt Erlaubt Ist zu tropfen, zu wehen, zu spritzen von den Wassern bis das Meer vergeht Das dumpfe Brausen in deinen Träumen wird wahrer werden die Sterne und Leuchtfeuer, die Horizonte klarer vielleicht findest du sogar ein Boot um überzusetzen über das Meer der Jahrtausende Leben zum Quell wo der Sturm ausbricht der dir bis heute die Segel füllt von so weit hergekommen rausche mein Blut, rausche es wird alles wieder gut Stilles Wasser im Westen: So liegt alle Vergangenheit ruhig bewegt Augen tief in der Stille erblicken sich nicht mehr wie das Rauschen des Blutes in deinem Haupt von grauem Haar umkost bald du in die Dämmerung träumst wo Wolken wehend bewegt ein Bild niemals finden doch immer so fern, so nah so alt, so jung so groß, so winzig deiner Seele in Türkis ein Leben über das Sterben hinaus künden die goldenen Insignien zerlöst der letzte Strahl endlos tief blau Türkis- Blau!! und wie du darin das Rauschen deines Blutes vernimmst weißt du, daß heute noch nur deine Augen dir sehen und du deshalb nur ahnen kannst Stilles Wasser im Westen und so spiegelt eine Fensterscheibe Blumenvasen, Tassen, Kaffeekrüge zum Ticken des Chronometers ein Gesicht neben meinen Rücken und diese Augen sind aller Erinnerung so fern so wie das metallene Ticken der Wanduhr haben manche Augen in diesem Leben da draußen, ich fühl es- vielleicht niemals geküßt viele Blicke ich spür es, sie fehlen wurden zu selten vermißt: und das Lachen? : ein höfliches „Guten Tag“ man erschrickt darüber! an nebligen Tagen ist danach etwas erfrischt... schaut zurück ins Meer deiner Augen der Gruß ist versunken „wieder ein Angesicht mehr -... versunken“ kannst du dir noch sagen In dem Rauschen des Windes um dein graues Haupt zieht das Blut der Sonne nach Westen dort, wo Schiffe in stillen Wassern sich zu goldenen Leuchttürmen tragen lassen hingegeben wie Wolken, lose und sachte Alles, was heute heilig bleibt ist die Freude des Hoffens zwischen Abschied und Ankunft; Geburt und Tod und die Dunkelheit beugt sich über das wispernde blaue Wasser die Leuchttürme funkeln grell ins Kupfer der Dämmerung der Wasser im Westen die Lichter dort, ich gab ihnen soviele Namen und war doch niemals --sie schienen mir den Weg!!— dort ich glaube, es sind Lampen ohne jemand dabei mit dem man getrunken oder Karten gespielt, ernst gewesen oder gelacht hat nur Lampen -- und die Namen -- sind fort Namenlose Lampen sagen dir keine ersehnten Träume mehr, die dich einst eine Mutter leise flüstern lehrte, als ein Schiff dich in ihren Armen über das Meer trug Lampen blinken Nein-- diese Augen hat noch kein Kuß berührt sie weinen Tränen kalten Mondlichts, sieh! da!: es tanzt in die Flut und blonde Haare werden silber weit weit gefahren glaub mir es wird alles gut Und wie die Flut und der Walfisch, der alte einst die Länder und das Warten auf morgen verschlang wird deine Brust dein Herz in sich begraben, die Sonne sinkt ins Meer einen Winter lang und die Sterne scheinen in heller Pracht ferne -- kalte -- Fremde 1991
  24. Mischa

    Engzellenhaft?

    lch habe geglaubt, zu träumen. Ja, ich habe einer Welt vertraut, einer schönen, runden Welt. Nun gut, vertraut nicht im Sinne dessen, was wir unter Vertrauen in eine exakte und plausible Realität verstehen. Aber ich vertraute einer in aller Wirklichkeit vollständigen Welt der langen grauen Gänge, Hallen und Räumchen eines großen Gebäudes nüchterner Selbstlosigkeit: Meine Schule zuerst, dann die Stätte meiner Internierung als Auszubildender, dann meine Kaserne, dann Ort meiner Lehrtätigkeit. Am Ende stand ich schließlich mit geöffneten Augen mitten in einem lebenslangen Justizvollzug ohne einen Ausweg. Eine Welt, der ich anfangs aus Routine und opportuner Alltäglichkeit vertraute, in der ich dann allmählich mißtrauisch auf Distanz gehalten zur Seite geschoben, und schließlich als Unschuldiger eingebunkert und umhergeführt wurde als lebendige Akte. Gemustert als Objekt einerseits justizwissenschaftlicher Kühle, die an mir ihre Bewährung suchte, andererseits als Objekt der Begierde vieler Prozeßbeobachter und Zuschauer, die einen Schauer meiner ansichtig erleben wollten, um den Genuß eigener Sicherheit an mir zu befriedigen. Unter dem Mäntelchen gesellschaftlich beschränkten Mitgefühls gegenüber dem Verhafteten. So hilflos zu befriedigen. Sonst wären sie nicht zum Zuschauen gekommen. Sie alle waren sich nicht sicher, lebten orientierungslos in einem inneren Labyrinth der Angst, und in ihre Gehirnwindungen hatten sich längst die Gänge und Hallen und Verwaltungsstuben der Welt, in der wir leben, tief eingegraben. Und erst Kirchenglocken am Nachmittag beendeten einen Traum, der kein Alptraum, aber ein trauriger Traum war. Ich empfand keine Erleichterung, als ich erwachte, denn ich hätte gern mehr erfahren, egal, wie trist all das Geträumte auch war. Denn dieser Traum war ein Teil des Lebens auf der Erde selbst, und keine skurrilisch bedrückende, pure Phantasie, der man mal wieder durch ein Erwachen aus dem Mittagsschlaf entronnen ist: Und es wartet nach der Dusche ein brötchengedeckter, sonnenbeschienener Frühstückstisch mit dem Duft der Bohne der Kaffeekirsche und dem behaubten Frühstücks-Ei, Marmelade und Honig funkeln im Glas wie flüssiger Edelstein dazu ... Als frischgebackener junger Lehramts-Kandidat hatte ich einer Unterrichtsstunde beigewohnt, die von einer Polizei-Razzia interruptiert wurde, und unter einer Schulbank nächstens meines Sitzplatzes wurden 300 Gramm Haschisch gefunden Fatalerweise lief alles darauf hinaus, daß mir in die Schuhe geschoben wurde, es in die Schule geschmuggelt zu haben, um mich bei schwierigeren Schülern "einzuschleimen". Ich hatte von vornherein keine Chance, meine Unschuld zu beteuern. Zumal die Jungenclique dahingehend geschlossen gegen mich aussagten. Auch deren Eltern waren rasch gegen mich eingenommen. Und die Lehrer der Schule betonten die relative "Anständigkeit" ihrer Buben, und daß "ein solches Verhalten von Schulkindern" ausgeschlossen sei: “Im Unterricht mit solchen Mengen das Risiko einzugehen, Handel zu treiben?! Das glauben nur Erwachsene kalkulieren zu können, die sich, wie dieser Lehrer hier, an einer Schule überhaupt sicher fühlen.” Auch wenn die Zöglinge etwas härtere Burschen seien, wäre diese Menge für deren Alter und immerhin auch familiäres Milieu einfach zu groß. Und so schrien und argumentierten sie, Eltern, Polizisten, Schüler und Lehrer höhnten, spotteten klug und sich gegenseitig bestätigend alle, alle gegen mich an, weil ich alles abstritt. Sie gaben erst Ruhe, als ich einräumte, daß Andere als ich über die Wahrheit oder Unwahrheit meiner Aussagen eine Entscheidung zu treffen hätten. Daß ich mich einer Untersuchung meiner Unschuld beugen würde. Darauf hatte man gewartet, alle wurden gleich still, aber nicht freundlich. Alle sahen mich ernst und für verloren an, und atmeten auf. Zwar wurde mir versichert, daß der Fall untersucht würde, und alles ans Tageslicht käme, und daß ich, falls meine Unschuld nachgewiesen würde, “nicht das geringste zu befürchten!!” hätte. Gleichwohl wurde ich tagelang durch lange Gänge von Beamten begleitet, wurde in verschiedenen Zimmern festgehalten, um dort Fragebögen auszufüllen, verschiedene Tests an Apparaten zu machen, zwanglose Gespräche mit unbekannten Leuten in Zivil, Uniform oder weißen Umhängen und Kitteln zu führen, Unterschriften unter Listen und Erklärungen zu setzen, bis man mich schließlich in einer Art Absteigezimmer, als “freier Mann", “...Sie können von hier aus gehen, wohin sie wollen!!". Quartier zu nehmen nötigte. Ich solle meinen guten Willen bekunden, und doch bitte, rein freiwillig, versteht sich, darauf verzichten, zum Essen und Schlafen immer zwischendurch nachhause zu gehen. (In meine kleine Wohnwabe in einem Mittelkomfort-Silo für Junggesellen im Ausbildungszölibat.) Ich begriff diese Einladung der Verwaltung zuerst wirklich als willkommene Abwechslung und war froh, meine entgegenkommende Offenheit, auch im Umgang mit Menschen in autoritärer Position unter Beweis stellen zu dürfen. Das Zimmer befand sich in einem Flügel des riesigen Vollzugskomplexes mit Büros, Untersuchungsgefängnis, Krankenstation, Gerichtssälen, Schreibstuben und Bibliotheken, Parkhäusern und kleinen Imbiß-und Zeitungsbuden. Auch Polizeiaufgebot war dort großzügig stationiert, was schon an den gepanzerten Fahrzeugen auf einem Parkfeld zu sehen war, und an einem mäßig frequentierten Hubschrauberlandefeld inmitten einer der Dachpark-Anlagen mit Wasserspielen. Gelbe Gardinen am Fenster. Die automatische Jalousie vor dem Fenster aber konnte nur extern geschlossen werden, im Zimmer selber suchte ich vergebens einen Schalter dafür. Schmales Bett. Waschbecken. In dieser Vollzugs-Stadt lebte ich jetzt etwa sechs Tage, aß belegte Brötchen, trank Mineralwasser und las Zeitungen. Der Kiosk eben, auf dem Gang meines Stockwerks. Während zwei Sekretärinnen, die mit meiner Sache beauftragt waren, mir dauernd sich verschlechternden Bericht über mein Verfahren gaben. Das gibt sich, dachte ich. .. Das gibt sich. Ich aß ruhig und mit Appetit die Wurstebrötchen vom Kiosk auf dem Gang. Bis mir von uniformierten Beamten verkündet wurde, daß nun mein Vorverfahren eröffnet werde. Man wolle und dürfe mir nicht verschweigen, daß ich nach einem ungünstigen Vorverfahren bis zum Hauptverfahren mit zwei Jahren Vorbeugungs-Haft in einer Engzelle zu rechnen habe, die jedoch 8 Stunden pro Tag zum Anstaltskomplex hin geöffnet werde, um die Gefangenen zu Arbeitsverrichtung und zum Exerzieren und Hymnen-Chorgesang anzuhalten .. .“All das macht die Besinnungsübung der Engzelle gut erträglich und schult sehr human Körper und Geist, wie jeder weiß!” Engzelle, das wußte jeder Bürger des Glücklichen Republikanischen Bündnisses bedeutete nicht bloß 1,5 m x 1.5m Fußboden, sondern auch 1,5 m Deckenhöhe. Denn mehr Raum brauche ein Mensch nicht, um ordentlich über sich selber nachzudenken - Man dürfe auch lesen dort. “Erstmal dran gewöhnt, ein Urlaub für den Geist!” Es sei alles Gewohnheits-Sache und stärke den Charakter der Gefangenen nachhaltig weit über jegliche Haft hinaus, wie mir ein rundlicher Beamter warmherzig und fettig mit saurem Mundgeruch aus rotem Kopf versicherte, als sie mich zum Auftaktprozeß der Einleitung des Vorverfahrens "leider" abholen mußten . Jetzt schon verlor die Situation alles von der anfänglichen Gemütlichkeit. Zuerrst ging es in ein kleines Gesprächszimmer, wo ich alleine einige Zeit auf eine Frau in mittleren Jahren warten mußte. Als sie mit einer Mineralwasserflasche hereinkam, roch sie nach Leberwurst und Kaffee. Sie war behaglich gekleidet, so, wie man sich zuhause in der Freizeit bewegt. Sie “wohnte” quasi hier. Soviel konnte ich aus der subjektiven Behaglichkeit, die sie verströmte, zumindest ablesen. “Sie haben einen schönen Beruf!“ sagte ich artig. “Oh, danke, das finde ich auch!” antwortete sie gleich unter roten Flecken, die sich spontan an ihrem Hals und in ihrem Gesicht bildeten. Sie unterdrückte verkrampft ihr geschmeicheltes Lächeln und sah mich streng an. Wir einigten uns auf einen traurigen Blick von ihr zu mir…Unter ihren Zeitungen, die sie dabei hatte, kramte sie einen Block hervor, und las daraus die einzelnen Punkte meiner “Rechtsbelehrung“, die sie mir erteilen sollte, vor. Draußen wartete der dicke Beamte mit dem roten Kopf und dem empfindlichen Magen, um mich nach der Rechtsbelehrung wieder in Empfang zu nehmen. Die Belehrung lautete: Falls im Vorverfahren die Annahme sich als zwingend erweisen würde, daß ich per anschließendem Hauptverfahren zu den zwei Jahren verurteilt werden konnte, müsse man mich in Voraushaft nehmen, in die sogenannte Vorbeugungs-Haft, um Fluchtgefahr sowie eine Bestrafungsversäumnis auszuschließen und ich sei gut beraten, mir keinerlei Protesthaltung äußerlich anmerken zu lassen. Besser sei vorurteilsfreies Wohlwollen und kooperative innere Aufgeschlossenheit gegenüber der Richterin. Mir würde auch bei späterem Freispruch dereinst eine kleine Haftvergütung, spätestens dann, zustehen.. Aber die Hauptverhandlungen würden wegen Personalmangels und der ungeheuren Anzahl noch ausstehender Prozesse nie genau vorhersehbar sein. Bis dahin müsse ich in Engzellenvoraushaft eben aushalten. Ja, daß auf diese Weise neuerdings aus einer zweijährigen eine vier- oder fünfjährige Haft würde, dies sei leider keine Seltenheit. Die längste “Zweijährige” habe sage und schreibe acht Jahre gedauert, aber so etwas, daß dürfe nun wirklich nicht passieren, und diese Sache hätte auch ein gehöriges Nachspiel gehabt, der Prozeß hierüber dauere noch an.. Der so nun wirklich sich als Geschädigter ..er bekäme die doppelte Haftvergütung, das sei schon jetzt so gut wie sicher .. Jaja.. Nun, ich sei ja auch nicht für umsonst in meiner jetzigen Lage, na also, gut, daß ich es einsähe, daß mir nicht einfach geglaubt werden dürfe, alles vieler Prüfungen, nicht?, bedürfe... usw. usw. So ermahnte man mich. Als könnte man jemanden auf etwas Unvorhersehbares einstimmen. Auf einmal bekam mein dicker Wachmann mit dem roten Kopf Verstärkung, da ging es für mich mitten in einer fünfköpfigen Polizei-Eskorte durch viele Gänge. Mal fensterlos und neonbeleuchtet. Mal durch großzügig befensterte Bürotrakte, von diesen Fenstern aus konnte ich nochmals die Dachparks mit den Springbrunnen und hohen Bäumen betrachten, sie waren menschenleer, und die Bänke um die Springbrunnen herum waren es sowieso. Über große Freitreppen hinter Glasfassaden weiter durch Hintertreppenlabyrinthe, wo mir überall auch mancher liebgewordene Bekannte aus meiner Ausbildungs- und Studienzeit begegnete. Und wie sie wieder alle mich zischelnd ermahnten, kooperativ zu sein und mir keine Schuldgefühle, falls ich sie hätte, und keine Widerborstigkeit, falls ich solche fühlte, anmerken zu lassen. “Merke dir, jede Rechtfertigung deinerseits ist eine Selbstanklage, jedes Selbstmitleid mit deiner Situation beschädigt deinen noch vorhandenen Ruf, eine stabile Person zu sein.” “Werde nicht zornig, sonst gibt es schnell mal Medikamente!” Wir kamen schließlich zu einer Barriere, wo mir alle Hosentaschen entleert wurden, meine Jacke mit dem Geldbeutel (für den Kiosk..) und meinen Zivildokumenten beschlagnahmt. Ich mußte mich kurz auf einen Stuhl setzen. Schuhe und Strümpfe wurden mir von den Uniformierten ausgezogen. Ich müsse mich daran gewöhnen, meine Hände in Zukunft in angespannten Situationen vor dem Nabel ineinanderzulegen, Handflächen nach oben, bitte!, - fünfzehn Zentimeter vom Körper weg. Dann mußte ich mir Handschellen anlegen lassen, ich durfte Arme und Hände auf der Vorderseite behalten. Es täte ihnen so leid, sagte jetzt der dicke Beamte, es roch nach Magensäure und nach hellsüß desodoriertem Schweiß, als er an mir herumlaborierte… Aber das Protokoll verlange eindeutig den Schutz von Zuschauern, Richtern und den übrigen Beibefugten. Barfuß und gefesselt ging es weiter.. Ich merkte. daß meine Schuld inzwischen beschlossene Sache war: Ein Uhrwerk, längst aufgezogen, um nun heruntertacken mit allem Geläut und sämtlichen Glockenschlägen. Bis ich Jahre später aus der Engzelle zum ersten Mal wieder an einen Kiosk dürfen werde, Wurstebrötchen, Limonade-mit-einer-Zuckerart-und-einer-Art-Trinkwasser und eine Zeitung werde kaufen dürfen.. Es wird ein Jetzt sein, so wie dieses Jetzt. Ich spürte Panik, ich begann zu zittern, es gelang mir aber, diese Attacke zu vergessen. Denn es wurde noch einmal sehr aufregend und spannend. Nämlich überwältigend: Wir betraten eine kleine Arena in einem Kuppel-Saal, dort saßen in den mittleren Rängen nach oben zu die zarten Lehrer, betrübt nach mir sehend, voll pflichtbewußt dokumentierter Abscheu und angstvoll verdrängtem Mitleid, die Schüler saßen mit den Eltern ganz unten, auch ängstlich blickend, aber voll Neugier, dazu sah ich weit oben viele ehemalige Freundinnen von mir, die jetzt bei den Zeitungen arbeiteten -und ängstlich neugierig war ich auch. Ich mußte auf der niedrigen Turnhallenbank in der Arena, als ganz links außen Sitzender in einer Reihe “verschiedener belasteter Leute” Platz nehmen, und sah somit jetzt von ganz unten in das hörsaalartig gestaltete Rund der steil gestaffelten Zuschauerränge Reihe für Reihe hinauf. Ich war sofort mitten in einem Prozeß um eine große Drogenhändler-Bande, die ich gar nicht kannte, die mich aber alle, alle schon barfüßig und gefesselt dasitzend, geheuchelt freudig als einen der Ihrigen begrüßt hatten! Mmmh. Im Halb-Trichter der Zuschauerränge saßen, wie gesagt, weit oben viele alte Bekannte im Publikum, mit entsetzten und mitleidig in die Länge gezogenen Gesichtern, jeder ließ den Unterkiefer bei geschlossenem Munde hängen, und starrte leer, als ich bange hinaufsah und die Blicke sich hätten treffen können. Und mir wurde bewußt. daß ich sie alle auf immer verloren hatte, falls meine Unschuld jetzt nicht an den Tag käme. Doch als ich meine neuen “Freunde", die mir der Prozeß hier zubedacht hatte, alle im “Handschellenschmuck" bearmreift stolz dasitzen sah, wurde mir klar, daß mein bisheriges Leben, mein korrektes, strebsames, aufgeschlossenes, vorurteilsfreies und immer hilfsbereites Leben für immer beendet war. Wir saßen über dem Gummiboden dieser Arena auf der Turnhallenbank ganz unten, sahen nach links hinauf in das Halbrund der Hörsaalreihen zum Publikum, geradeaus vor uns die zweiflügelige Tür, über der die große Uhr hing, unter der viele Polizeibeamte mit kurzärmeligen Olivhemdchen mit vor der Brust verschränkten Armen standen. Sie standen auf der ersten Stufe der Treppe, die von der großen Tür auf den Gummiboden des Saales zu uns hinabführte. Rechts, fünfzehn Meter von uns entfernt erhob sich eine schwarze, massivhölzerne treppenbestufte Pyramide, auf der ganz oben auf einem Thron soeben die Richterin Platz nahm, in einem schwarzen Talar mit weißer Halsschleife, in der Manier evangelischer Pastorinnen. Ihr Thron war durch eine ungeheuer hohe, längliche Rückenlehne zusätzlich ausgewiesen, fast lächerlich schon anzusehen. Eine ganze Körperlänge tiefer auf der schwarzen Pult-Pyramide nahmen rechts von ihr der Staatsanwalt, und links von ihr der Verteidiger Platz, auch in schwarzen Umhängen, mit einem hohen schwarzen Stehkragen weit über Ohrenhöhe, beide. An der Basis der Pyramide auf immerhin noch einem Meter Höhe vom Boden vier ältere weißhaarige Protokolleure. Alle in schwarz. Neben mir saß ein gewinnend lächelnder, hellsmaragdäugiger, sommersprossiger rötlicher Blondschopf in einem blauen Jeanshemd, der nach einem guten Rasierwasser und Schweiß roch, und mich lieb lächelnd begrüßte: “Man sagt doch besser nichts, wenn man nichts weiß, nicht wahr?” und... “Jedes Wort zuviel bringt immer nur weitere Verlegenheiten." raunte er mir innig und freundschaftlich zu, daß ich sogleich von einer menschlichen Wärme ihm gegenüber ergriffen wurde, die mit Traurigkeit gemischt war. "Und noch etwas.." raunte er unvermeidlich weiter, seine beiden, von Handschellen bereiften Hände zum Ausschnitt seines Hemdes hebend. "Schau mal, meine Tätowierung auf der Brust. Sie ist mein verläßlicher Edelstein." "Mhmhh" summte ich, weil ich es ja ahnte. Dennoch sah ich in den Ausschnitt seines Hemdes und links über der sommer­ sproßigen, haarlosen rosa Brust sah ich am dämmerlichten Zelt seines duftenden Hemdes ein Blitz-Messer geschickt verborgen befestigt und ohne daß seine Stimme an Freundlichkeit im geringsten einbüßte, flüsterte er "wir haben ja alle keine Chance, wenn wir etwas sagen, was wir nicht wissen. Das Böse zieht immer sämtliche Register, damit ihm niemand zuvorkommt, nicht wahr? Bist doch ein süßer Kerl, oder? Wir wollen doch alle einen Weg zuende bringen, den wir nicht gewollt haben, oder? Was immer du tust, du bist ein Feigling, verstehst du? Oder tot.” Ich überlegte, etwas zu erwidern, weil ich ihn gleich mochte, um ihm meiner menschlichen Zuneigung auch ohne Nachhilfen zu vergewissern, aber mir deutete die vergebliche komplex gefügte Situation an, nichts zu sagen und nichts zu sein und ich sah seufzend zur Decke hinauf eine Betonkuppel von der sich schlanke beinartige Träger absetzten, die den ganzen Saal umklammert hielten, in Form eines achtstrahligen Sterns. Imposant und neutral, nicht einmal düster. Hier! Jetzt! Den Blondschopf werde ich noch oft auf dem Exerzierplatz wahrend der Enghaft treffen. Dachte ich noch, als die Richterin ganz oben Atem holte, um den Prozeß einzurufen. Der geneigte Leser kann sich denken, daß ich enttäuscht war, nun zu erwachen. Die Glocken einer nahen Kirche läuteten lange.. Mir hätte nämlich eine Ansprache der Richterin, die Anklageverlesung des Staatsanwaltes Gewißheit und damit etwas Erleichterung gebracht. Nach dem Erwachen war ich noch lange äußerst beunruhigt, und hätte mich nicht gewundert sofort noch einmal zu erwachen, um mich erneut in der Arena des Gerichts wiederzufinden. Aber vielleicht bin ich dort in Ohnmacht gefallen, erlitt einen Schlaganfall mit tödlichem Ausgang, oder es gab einen Tumult, und der Blondschopf hat mich niedergestochen, weil er mich mit jemand verwechselte, oder ich verschwand nach dem Vorverfahren für immer in der Monotonie eines Strafvollzugs? Das fatalste einer fatalen Existenz ist, wenn ihr Ende offenbleibt, und: Ein offenes Ende ist letztendlich immer auch ein Bild eines Traumes. 2004
  25. Mischa

    am feuer in der nacht

    Okee, Mr. Columbo... kennst Du noch den schusseligen Mr. mit dem zerknitterten .. wie heißt diese Art Mantel?, den auch Boghart oft trug .. öhm, wo war ich? Ach ja .. hock: .. im Dichterforum.. :lol: Ich freu mich, daß es Dich auch erreicht hat, das Am Lagerfeuer/Kamin-Sitz-Gedicht..
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