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Fassungslos

( Eine Selbstvernichtung in fünf Strophen )

 

I Der Desinteressierte

 

Bevor es irgendjemand anders sagt

und es so meint

sag ich es selbst ganz frank und frei

Ich dichte nicht

hab nicht studiert und nicht gestiert nach

dem, was passt in unsere Zeit

hab nur geliebt

und möchte glauben dass es

Liebe sei

noch immer

vom Dichten höchstens Ahnung

aus Gefühl... Wachheit vielleicht, doch aber

keinen Schimmer

und entsetzlich ist, ich weiß, mein

schieres Desinteresse

zu nennen jedenfalls, denn

kann ich’s lieben, ob zufrieden

oder nicht, wird’s mir genügen

als Gedicht

dies sei erwähnt, doch zu viel Wirbel

ist’s nicht wert, falls es dich schert:

ich dichte nicht !

 

II Talent frei

 

Bevor es irgendjemand anders schreibt

gleich ob er’s meint

schreib ich’s doch lieber selbst ins Reine

weil ich’s so meine, jedenfalls

solang’s mich gibt und ich es kann

sei es gesagt so wie getan ich dichte nicht !

Fussligen Mündern, trägen Hirnen

meinen Schreibfluss, Worte leihen

käm’ mir vor wie ein Verbrechen

wie sollt’ ich mir das verzeihen ?

als Verbrecher, das ist wahr, würde ich dichten

doch mitnichten könnt ich auch

nur einen Preis entgegen nehmen

ohne mich zu schämen

jedoch

ich würde dichten,

überlassen kann ich’s jenen

denen Scham aus mir sehr gut

bekannten Gründen nur im Wege steht

mir stünden diese roten Flecken im Gesicht

im Leben nicht

und um sie zu verbergen fehlt mir das Talent

stattdessen

ist mein blitzblankes Gewissen

mir tatsächlich angemessen

und um meinen Stolz pro forma doch

zu retten nenn' ich’s bei mir so:

Talent – frei aber nicht abwesend

gleich der Anerkennung jener

die es wissen ob zufrieden oder nicht

ich weiß es selbst, ich lüge nicht

und wenn’s ( doch ) so scheint, dann schieb' es eben

auf des Schreibers’ wirren Geist

nichts anderes ist, was zu dir spricht:

Ich dichte nicht !!

 

III Zwiebelschälen

 

Bevor es irgendjemand anders wagt

und sich verspricht

kleid' ich es selbst maßvoll in Worte

wähle Anzahl und auch Sorte

doch ich dichte nicht

benutze nur und forme

Du kannst lesen ich kann schreiben

musst du weinen, dann erkennst Du 's ist

wie Zwiebelschälen, was ich tu

dir setz' ich's vor weil ich’s nicht esse

und was geschaffen ist vergesse

so wie ich lerne, nur um später

zu vergessen, denn verlassen können

ist die allerhöchste Meisterschaft für den,

der schafft, die hab ich mir sehr mühsam selber

angeeignet, das hat mir keiner

beigebracht und lernen musst ich’s doch

so einsam ist der Künstler nur für den Genuss

wie gut, dass ich nicht auch noch

dichten muss, ich fürchte fast, dann wär'

für mich mit allem Schluss

dem, was ich wichtig glaube

und geseh'n mit eig'nem Auge inhaliere

um zu warten, bis die Sprache mir gefallen will

und mich die Worte finden

die dann mir alleine flüstern:

„Das ist ein Gedicht !“ und ich’s glauben kann

auch wenn ich es negiere

ich behalt' es gern für mich, wichtig ist nur

dass ich es nicht verliere, bin eben Egoist

und stell mir einen Freibrief aus

mach du nur was du willst daraus. Ich fühle und

es grämt mich nicht – ich dichte nicht !!!

IV Fassungslos

 

Bevor es irgendjemand anders tut

und mich enttäuscht

stell ich mich selbst der bangen Frage

ob die Zeit, in der ich lebe irgendwann

die meine ist, ja, wenigstens so werden kann

nachdem sie mich das Leben kostet

ob es eine Ankunft gibt

in dieser Welt für eben jene, die die meine

ich mit Recht so nennen kann...

das wär' die Zeit, in der, wer schreibt wie ich,

sich Dichter nennen kann, glücklicher Mann,

glückliche Frau, ich warte nicht, ich weiß genau

Gebildete und Kenner

sie finden keinen Nenner, der dem meinen

so entgegenkommt, dass ich’s mit Recht erwarten

dürfte, was für mich Gerechtigkeit !

S ist eben doch nicht meine Zeit.

Unvoreingenommenheit ?

Ein Idiom, das gegenwärtig gar nicht passt,

anmaßend fast, sie zu verlangen,

es wär' zu schön, um wahr zu sein –

dies Recht gilt nur für andere Welten,

mögen sie auf unsere treffen, irgendwann...

so fern sie liegen, nenn' es eine Ewigkeit. –

Die such ich wohl, denn ewig ist mir hier

der flücht’ge Augenblick, schau ich nach vorn

oder zurück komm ich ins Klagen

schwer im Magen dann liegt mir des Künstlers’ Pech

das mich gewiss nicht trifft als ersten

ich werd' auch nicht der letzte sein

wär' ich gemein ich könnt mich daran trösten...

nein, fassungslos, das bleibe ich weil ich das bin,

nicht weil es so geschrieben stünde, 's ist kein Gedicht,

denn glaub es mir, ich dichte nicht, ich wollt

es zwar, doch es gebricht mir an Talent

solang die Zeit nicht passt, bast

-a.

Mir ist klar, ganz ohne Ironie fehlt mir

die Poesie und jede andre Zeit verdient sie nicht

wie mit ihr ich solang ich nicht in meiner lebe

und sie zurecht so nennen kann:

meine Zeit. Was kann denn die, in der ich bin,

zu meiner machen ? Vielleicht, dass ich ein Ende finde

während ich mich in Gedanken und

mit ihnen winde – wie

eine Schraube, die sich endlos dreht,

nie in ein Gewinde geht, weil keins sich findet,

vielleicht gar fast unsichtbar im freien Raum

von Edison erdachtes Licht

doch ohne Strom – ich dichte nicht !!!!

 

V Räuber jeder Illusion

 

Bevor es irgendjemand anders will

und daran scheitert

mach ich es selbst und bleib gesund dabei

ich dichte nicht, ich spinne

und ich spinne gut – bevor es jemand anders tut !

Du liest dies hier ? Du armer Tropf, dann

folgst du mir und tust’s mir gleich

und bleibst wohl arm... man wird nicht reich

man ist es nur im Inneren und ist allein

lass dich nicht um den Finger wickeln

Gesellschaft – sie will ehrlich doch erworben werden

oder liebevoll geschenkt, wer mit mir denkt

der teilt auch meine Einsamkeit

und wird von mir verlassen bleiben

so ist’s mit mir, ich lehn' es ab

dein Ja oder das eines Anderen

mir zu erschleichen, wie ein eitler Heiratsschwindler

kunstvoll, geistreich, listig und doch nur ein Opfer suchend

da, wo er ganz sicher fündig wird.

Ach so, auch du bist einsam hier, verkannt, gebannt,

fühlst dich verstanden ? Trau mir nicht,

verbiete dir so wie ich mir Zustimmung als Indiz

zu finden in Gedanken eines Anderen !

Dann gehören wir zusammen

fassungslos und frei, denn dies allein sei

mein Talent im Hier und Jetzt, und fehlt es mir

dann ist es wahr und mir die schlimmste Wirklichkeit

dann bin ich wirklich nicht so weit wie ich gern wäre

alles was ich tue hieße Flucht... oh nein,

ich dichte nicht, kein Widerwort aus meiner Feder

und kein Spott aus hohlem Bauch

dann wirst auch du zwischen den Zeilen

nichts mehr finden,

brauchst dich nicht schinden und

nicht denken, solltest aber glauben, dass

nur Eines stimmt

auch wenn sich hier ein Dichter selbst

den Titel nimmt

ein Räuber jeder Illusion

damit die Wahrheit übrig bleibt

du kennst ihn schon

denn das bin ich

zum letzten Mal dicht ich dir das:

ich dichte nicht !!!!!

 

Rupert 3.6.2006

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