Der Rabe
Schwarz rauschen seine Schwingen wie sein Blick
ins Alles und ins Über allen Weltgebärdens.
Aus seidnem Faden formt er jenen Strick
um Denkers Hals von einer Phantasie des Werdens,
die schön und eigenständig, berauschend und lebendig
das Einzelne ins Ganze singt
und Ganzes in die Dinge schwingt.
Gesichter zeigen sich dem schwarzen Flug:
uniformiert, gebrochen spielen ihre Mienen.
So selbstbewusst, so wissend scheint ihr Zug.
So stark ihr Schein, so groß ihr Meinen nicht zu dienen.
Doch grad in diesem Lichte enttarnen sich die Wichte
dem strengen Auge, als das Aas,
von dem er früher schon oft fraß.
Der Rabe: steigt als Wissen in ihr Hirn,
schwärzt Schwere federleicht in ihre tauben Seelen,
kräht dunkle Poesie auf ihre Stirn
und pickt die Egel, die als Alp im Herzen schwelen,
heraus und tut sich gütlich an dem, was sie gemütlich
verbleiben lässt in ihrem Tod.
Entreißt dem Leben so die Not.
Er ist ein Berg im Wanderergemüt,
der Ozean, die Sterne im Entdeckersehnen.
Bei seinem Anblick Dichtersinn erblüht,
und alles Spüren, Denken wird ein Dehnen
nach ungeahnten Weiten, wird kühnes, freies Leiten
des Rufens und des Widerhalls
der Einzelnen zu dem des Alls.
Der Anfang schließt im Ende sich zum Kreis,
so wie die Schlinge sich um jenen Geist des Schönen.
Denn Dunkles bloß erzählt uns sein Geheiß,
vermag es aus dem Nichts zu heben und zu krönen:
das Sagen wie das Hören kann Poesie beschwören!
Dies weiß der Rabe seit jeher,
drum fliegt er stets und nimmermehr.
© Sascha Besier