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Das Tagebuch der Emelie M. Carezzio


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21.06.2018, Emelie Maria Carezzio stürmt in ihr Zimmer, doch Zuhause ist sie lange nicht. Mit einem tiefen Seufzer lässt sie sich auf die harte Matratze, das weißen Kissen und die ebenso weiße, wie nichtssagende Bettdecke fallen. Eine geschlagene Stunde liegt sie da, ohne den Ansatz eines Gedanken. In ihrem Kopf herrscht sonst wirres Chaos, ungeordnetes Treiben, sodass eine gewisse Leere wohltuend wirkt. Die Neonlampe im Flur flackert vor sich hin und der schmale Streifen Licht zwängt sich durch die halbgeöffnete Tür. Für unsere frisch verliebte ist Zeit eigentlich nichts weiter als eine unbedeutende Randnotiz, deren Inhalt mit wenigen Worten zusammenzufassen ist. Viele unerträgliche schlimme Augenblicke aneinandergereiht, um den Vorherigen an Grausamkeit zu überbieten. Dies ist die Definition des Pessimisten. Nach der Schule tankt sie Mut, um sich für den nächsten Tag, wie ein Ritter erneut in die Schlacht werfen zu können und so wie mancher von denen den Lindwurm erschlägt, so schlägt sie damit die Zeit tot. Ihre Gedanken, wenn sie wirklich mal welche hat, sind wie ein Puzzle, dessen Teile nicht zusammenpassen. Ähnlich verhält es sich mit den zwei separaten Leben, welche sie so gerne zu einem machen will. Endlich überwindet sie jedoch die aufkommende Lethargie, greift nach ihrem Tagebuch, das unter dem Kissen liegt und beginnt zu schreiben.

 

Es ist die Freude auf einen bestimmen Teil des Tages, sowie die Angst vor Selbigem. Im Grunde lebe ich nur für diesen einen Moment, der mit emotionaler Kraft und wunderschön leichter Trägheit wie eine Ballade vorüberzieht, wodurch jede verstrichene Sekunde einem klar werden lässt, dass man sein Leben nur verschwendet, wenn man sie nicht genießt.

Wenn Liebe eine Krankheit wäre, dann eine Allergie. In seiner Gegenwart beginne ich schwer zu atmen, mir wird heiß, ich ersticke an meinen eigenen Worten und ist er weg, geht es mir wieder.....schlecht. Nagut, vielleicht ist Liebe doch keine Allergie. Denn obwohl ich in seiner Gegenwart abwesend bin, mag ich meine unbeholfene Art in gewisser Weise sogar, weil man dadurch erst erkennt, wie sehr ich von ihm abhängig bin. Kein Tag vergeht, an dem ich mich nicht bemühe durch seine scheinbar undurchdringliche, makellose, weiße Fassade hindurch zu brechen, um in ihm zu finden, was mich so fasziniert.

 

Es brodelt der bis dato schlummernde Vulkan. Seine Hitze treibt die Schweißperlen auf die Stirn des Mädchens und weckt es aus ihren feuchten Träumen. Es ist dieses eigenwillige, pessimistische Naturell, welches ihr so imponiert. Seine betrübten aber manchmal eben auch verträumten Augen geben ihr das Gefühl nicht alleine mit dem zu sein, was sie fühlt. Wenn sie doch nur im Ansatz verstehen würde, was er ihr mit seinem Schweigen sagen will. Immer wenn er Trübsal bläst, klingt das für Emelie so, als möchte er viel lieber ein frohes Lied vor sich hin pfeifen. Doch bringt er dabei im besten Falle lediglich einen seiner vielen absolut nichts über ihn aussagenden Sätze hervor, welche sie zwar zum einen sauer, ihn aber zum Anderen auch süß werden lassen.

Das einzig Beständige, das an diesen vollkommen ritualisierten Tagen eher wie eine Meditation und nicht wie ein Dornröschenschlaf wirkt, ist das Schreiben ihres Tagebuchs.

Sagenhaft im Wortsinne, so unwahrscheinlich ist Emelies Glaube an eine ernsthafte Beziehung.

Da die Hoffnung auf dieses große Glück allerdings jede mögliche Enttäuschung ignoriert, ist das Appellieren an ihren Verstand vergebene Liebesmüh.

Schließlich ist der Moment gekommen, dem sie so sehr entgegengefiebert hat. Eine junge Dame holt sie aus dem Zimmer und geleitet sie in ein anderes. Dort sitzt er, im weißen Kittel, mit Stift und Papier, sowie einer Schale voller Medikamente und therapiert die Liebenden.

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