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Onegin

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Beiträge erstellt von Onegin

  1. Hallo Nesselröschen

     

     

    ja, Du hat recht, es steckt noch mehr dahinter. 

     

    Das Gedicht steht natürlich in einer Tradition, die auch von der Kahlschlag-Lyrik der unmittelbaren Nachkriegszeit herkommt.

     

     

    Günther Eich: Latrine 

     

    -Urhebergeschützter Text entfernt! 

    MfG die Moderation JC-

     

     

    Daten sind meine "Schuppen" und die "Gesäßtasche" ja  noch geradezu freundlich. 

     

     

    Sowohl bei Eich aber auch in "meine Muse" geht es um Desillusionierung. Eich war bezüglich der kulturellen Tradition desillusioniert, die den Absturz in den gesellschaftlich organisierten Massenmord nicht verhindert hat. Bei. mir geht es, viel weniger rigoros, um einen desillusionierten Blick auf die Muse. Die Muse steht für das , was man in Creative writing Seminaren genau nicht lernen kann: Die Kreativität. 

     

    Die Musen sind in der griechischen Mythologie weibliche, göttliche Figuren. Und es hat zudem besonders in Deutschland eine Tradition der Sakralisierung von Dichtung gegeben (Hölderlin, George, Rilke...), in der dem Dichter die Rolle des Sehers und Quasi-Priesters zufiel. Dazu ist "meine Muse" ein ironisches Gegenstück. 

     

    Die blassblaue Frauenhandschrift ist die Handschrift der Muse. Aber die Qualität ihrer Eingebungen hält sich nur auf der Höhe einer etwas kitschigen Werfel-Novelle. Ebenso ist der Dichter alles andere als eine priesterliche Gestalt, sondern ein älterer Mann mit Haarproblemen. 

     

    Aber das ist ja nur die eine Seite. Es gibt auch eine schöne Seite, wie du schreibst:  Tatsächlich findet sich ja unversehens und wundersamer Weise ein Zettelchen mit Versen auf der Bürste und die mögen wohl sanft & sensibel & weiblich sein. (wobei es sich hier um ein überholtes Frauenbild handelt, es wird jedenfalls von meinen Erfahrungen mit beiden Geschlechtern nicht gedeckt.) Zudem weiß der Dichter genau, was er trotz allem der Muse verdankt. Er legt ja auch die Bürste "dankbar" zurück. 

     

    Das Gedicht ist also doppeldeutig und das macht es zunächst schwer verständlich. In der Antwort auf Carlos habe ich das Wort "böse" zu seiner Charakterisierung benutzt. Na, das war wohl etwas zu viel des Guten: Es ist allenfalls ein wenig boshaft und ich hoffe, es gefällt dir trotzdem.

     

    Liebe Grüße 

     

    Onegin 

     

     

     

     

     

     

     

     

     

  2. Hallo Carlos, 

     

    ich habe den Werfel sogar gelesen. In grauer Vorzeit, war glaube ich etwas süßlich. mein kleines Gedichtlein hier ist sehr ironisch und vielleicht auch etwas böse. Hier auf poeten.de gibt es sehr viele Autoren, die sich in Empfindsamkeitswettbewerben überbieten und die Darstellung ihrer privaten Emotionen schon für Poesie halten. Wenn es nur so einfach wäre! Da setze ich gerne mal einen Kontrapunkt. 

     

    Beste Grüße 

    Onegin 

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  3. Wenn ich mir die Bürste

    durchs schüttere Haar ziehe

     

    entdecke ich
    zwischen zu vielen Schuppen 

     

    manchmal ein Zettelchen 

    mit Versen 

    in blassblauer Frauenhandschrift 

     

    Das Zettelchen stecke ich 

    in die Gesäßtasche meiner Hose 

     

    Die Bürste lege ich dankbar

    auf die Konsole zurück 

     

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  4. warum so kompliziert, Don Carlos? 

     

    Vor einem Kino, in dem anspruchsvollere Filme gezeigt werden (studentisches Publikum), sind Motorräder geparkt. Sie gehören jungen Leiten, die sich an der Bar vergnügen, bevor der Film startet....

     

    Das lyrische Ich ist älter und gehört schon deshalb nicht zu dieser Gruppe. 

     

     

    Gruß Onegin 

     

     

     

     

     

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  5. jemand kommt herein

    nennt sich klawidowitsch

     

    wie der erste band 

    jener russischen lyrikerin 

     

    mit einer stirnglatze

    und dünnem haar 

     

    eine zigarette im mundwinkel 

    und blauen fingerspitzen 

     

    die schwarze Lederjacke 

    zieht er rasch aus 

     

    im raum der geruch 

    von tabak und bier 

     

    und redet nicht redet nicht:

    und wir gehen langsam

     

    auf die wiese

    unter die wäscheleinen 

     

    und stehen stumm

    in der Menge der andern 

     

    und spielen alle 

    das verdammte spiel 

     

    doch jeder

    für sich allein

     

    ich und

    iwan klawidowitsch

     

    bis die nacht 

    auf die schneeflocken fällt

     

    und die tragtiere 

    schon unruhig werden 

     

    denn sie spüren 

    all unsre angst 

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

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  6. Vielen Dank, Nesselröschen, für die Rückmeldung. ja, das Haiku verschenkt sich an seine Leser wie die Weidenblatt ns Meer. und man könne sich nun fragen, was fängt das Meer mit dem Weidenblatt an, besteht von Seiten des Meeres überhaupt eine Weidenblatt-Nachfrage? Analoges gilt natürlich auch für das Haiku... 

     

     

    Liebe Grüße 

    Onegin 

     

     

  7. Acht Ampelanlagen

    sieben Einmündungen

    sechs Verkehrsinseln

    fünf Zebrastreifen

    vier Windrichtungen 

    drei Erinnerungen an Andalusien 

    zwei Trambahnlinien 

    und das Schuhschachtelhaus 

    mit den dunklen Fenstern 

     

    Auf den Weg

    in die Hanauer Landstraße 

    verfolge ich das fröhliche Abendkonzert

    dieses  Rattenorchesters  

    im Funkenlicht 

    offener Kabelschächte

    dazu singt jemand

    und trägt eine Schuhschachtel vorüber

    mit ein paar Münzen drin 

    und der abgeschalteten

    Woolworth-Sonne in Größe 42 

     

    Nun schlägt die letzte Streife auf 

    kontrolliert emsig

    die Schlösser und Schienenstränge  

    und beginnt ihre nächtliche Zählung 

    mit Saharastaub auf den Zungen 

     

    Sechs Einmündungen, 

    fünf Verkehrsinseln,

    vier Tigerstreifen 

    drei Trambahnlinien 

    und eine Wildgans 

     

    Gott sei Dank 

    ist 

    alles noch da  

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

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  8. Hallo Carlos, Hallo Nesselröschen, 

     

     

    mit dem Tanka habe ich versucht, mich der der japanischen Wabi-Sabi-Ästhetik zu nähern. Das ist eine Ästhetik, des Hässlichen, Armseligen, Abgenutzten. usw... Natürlich ist sie, wie so vieles in Japan, vom Buddhismus inspiriert.  Vor ein paar Jahren habe ich auf einer Wanderung tatsächlich einmal einen solchen Knochen gefunden. 

     

    Und irgendwie geht es um Knochen und Staub(Dreck), also ganz grob um das, was Carlos darin gesehen hat. Aber auch, "die Hände in Unschuld waschen" will mir als Assoziation hier gut gefallen. Das wäre dann eine andere Lesart: Das Schrubben als Versuch der Distanzierung von dem Knochen und von allem, was mit ihm zu tun hat. 

     

    Liebe Grüße 

    Onegin 

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  9. Hallo Nesselröschen,

     

    ja so sehe ich es auch, die alte Frau versschwindet im nebel, um nie mehr aufzutauchen. , .und diese Brüchigkeit der eigenen Existenz ist ein urjapanisches Thema. (Buddhismus: Alles vergeht ins Nichts...) Und natürlich soll und muss man Haikus wie alle Dichtung auf mehreren Ebenen lesen. Das macht ja gerade das Vergnügen an Dichtung. aus. Und dann passiert meiner einiger  Meinung nach das: Diese zunächst unklare Faszination für einen Text weitet und erhellt sich zu einem vertieften Verstehen des Geschriebenen und zuletzt auch unserer selbst. 

     

    Hallo loop

     

    nach der Lektüre einiger Seiten japanischer Literaturgeschichte scheint es mir so zu sein, dass die Festlegung des Haiku auf einen Schnappschuss, eine Augenblicksaufnahme der Außenwelt, eine Festlegung von Shiki ist, der am Beginn des des 20. Jahrhunderts gelebt hat.

     

    Die vor ihm lebenden älteren  Meister waren da weniger rigide:

     

     

    Sommergras …!
    von all den Ruhmesträumen
    die letzte Spur

     

    von Bashi ist ja weltberühmt, aber die Zeilen zwei und drei sind nicht Außenwelt und Schnappschuss sondern zunächst ein Gedanke

     

    Wie auch immer: Erlaubt ist , was gefällt. Ich habe auch nichts dagegen, wenn man meine Schreibe einfach als Kurzgedichte bezeichnet. Hauptsache, sie berühren den Leser und die Leserin. 

     

    Vielen Dank für eure Rückmeldungen

    Onegin

     

     

     

     

     

     

     

     

    • Danke 1
  10. Hallo Carlos Hallo Tobuma, 

     

    Danke für eure Rückmeldungen, Das Li ist ein Provinzler, der glaubt, seine Angebetete mit einem neuen Auto zu imponieren. (So wie manche Vögel in der Balz dem Weibchen mit einem Stöckchen im Schnabel imponieren wollen) Das LD ist eine Dulcinea di Toboso. Trotzdem macht sich das Gedicht über die Gefühle des LI nicht lustig. 

     

     Beste Grüße 

    Claus 

     

     

     

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  11. Zuletzt sprach ich sie

    beim Autohaus Schöttle 

    in Oberderdingen 

     

    und ist weiß nicht wohin

    schon lange fortgezogen 

     

    nach Kusterdingen, Bauschlott

    Niederstotzingen oder Ötisheim

     

    Mit dem neuen Audi 

    würd ich sie besuchen


    doch wo,

    sag nur einer mir 

    wo 

     

     

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