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Die zehnte Flasche Bier und noch keine Nachricht von dir


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Mein Smartphone köpft die zehnte Flasche Bier, aber noch keine Nachricht von dir. Ich bin nervös, denn schließlich bist du die Pünktlichkeit in Person und hast mich schon so weit gebracht, dass ich bei jedem Date schon vor dir da bin, um bloß nicht den Anschein zu erwecken, ich wäre unzuverlässig. Dabei lebe ich am liebsten in den Tag hinein und besitze seit Jahren keine Armbanduhr mehr. Was mache ich hier eigentlich, es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich auffliege, denn lang gehegte Gepflogenheiten lassen sich nicht beiläufig abstreifen wie eine Unterhose. Ich erinnre mich an unser erstes zusammentreffen. Löcher in die Luft starrend, rannte ich dich über den Haufen, um dann Kopf voraus gegen die Mülltonne zu klatschen. Kurzzeitig verlor ich das Bewusstsein. Als ich wieder zu mir kam, standst du über mir und schautest auf dein Handy „Mist, ich komme noch zu spät!“

 

Kein „Wie geht es Dir?“, oder „Alles in Ordnung?“, nein, einfach „Mist, ich komme noch zu spät!“ Und trotzdem bin ich seit diesem Moment wie hypnotisiert, nicht mehr ich selbst. Ich half mir selbst auf die schwankenden Beine und fragte höfflich „Entschuldigung, was ist passiert, ich kann mich nicht erinnern?“ Du strafftest dich und Antwortest dann hastig aber nicht unfreundlich “Sie haben mich wohl übersehen und sind dann über mein Knie geflogen und mit dem Kopf gegen den Mülleimer. Ich konnte mich gerade noch halten, sonst wäre ich auch zu Boden gegangen. Geht es Ihnen gut?“, fragtest du dann doch noch mit einem besorgten Ausdruck im Gesicht. „Ich denke schon, mein Kopf brummt und mir ist etwas schwindelig, ansonsten spüre ich keine weiteren Verletzungen“, erwiderte ich, während ich meinen Körper abtastete. „Es tut mir leid“, schob ich verlegen hinterher. „Ich habe es leider eilig, hier ist meine Karte, falls doch noch etwas sein sollte“ und schon warst du verschwunden. Immer noch benommen setzte ich mich wieder auf den Bürgersteig, nicht ganz sicher, obvon dem Sturz oder von der Ausstrahlung deines wunderbaren Wesens.

 

Zu Hause angekommen musste ich mich erst einmal übergeben, der Kopfschlag war wohl doch heftiger als zuerst angenommen. Ich befürchtete eine Gehirnerschütterung und rang mit mir, ob ich nicht besser ein Krankenhaus aufsuchen sollte. Verwarf den Gedanken aber schnell wieder. Es war Freitag und ich musste am nächsten Tag nicht arbeiten, also erst einmal abwarten wie es sich entwickelt. Am nächsten Morgen ging es mir nicht wesentlich besser und ich fuhr in die nahe gelegene Klinik. Nach einer 2-minütigen Standpauke der Notärztin, warum ich nicht sofort gekommen wäre und einem abschätzigen “TypischMann!“, wurde ich ohne Befund durchleuchtet und mit einer Halskrause ausgestattet.„War das ein Freizeitunfall, oder ein Wegeunfall von der Arbeit nach Hause?“, wurde ich gefragt. „Wohl irgendwas dazwischen“, antwortete ich wahrheitsgemäß „Ichhabe nicht den direkten Heimweg genommen, sondern bin in der Stadt noch spazieren gewesen und wollte auch noch etwas fürs Wochenende besorgen. Dann bin ich unachtsam am Bordstein hängen geblieben und gegen einen Mülleimer geknallt. Zeugen waren leider keine zugegen!“ Die Ärztin blickte kurz auf „Ihre Krankenkasse wird sich bei Ihnen melden, wenn sie meinen Bericht bekommt. Dort können Sie den Unfallhergang dann so angeben. Die Krankenkasse wird dann entscheiden, wie der Fall einzustufen ist. Ich schreibe Sie erst einmal eine Woche krank, melden Sie sich bitte Übermorgen bei ihrem Hausarzt. Sollte es Ihnen morgen nicht besser gehen, kommen Sie bitte noch einmal zu uns.“, entließ sich mich mit einem einstudierten aber doch warmherzigen Lächeln.

 

Zu Hause musste ich mich erst einmal hinlegen und schlafen, der Morgen war anstrengend und hinterließ seine Spuren. Am frühen Abend bin ich aufgewacht, leicht verärgert, weil ich nicht wusste, wie ich jetzt die Nacht schlafen sollte. Ich kochte mir einen Tee und setzte mich vor die Flimmerkiste. Das konzentrierte Gucken strengte mich an und so schaltete ich kurze Zeit später den Apparat wieder aus. Ich trank meinen Tee und holte deine Karte aus dem Portemonnaie. Erst jetzt fiel mir wieder auf, was für einen schönen Namen du hattest, Jasmin von der Heide. Ich versuchte, mich an dein Gesicht zu erinnern, aber es gelangmir nicht. Ich wusste nur, dass dein Anblick mich tief berührte. Oder lag es nur an dem Schlag auf den Kopf? Wie alt du wohl bist, fragte ich mich. Ich betrachtete deine Karte, passend zu deinem Namen war die Umrandung ein Geflecht aus Jasmin Blüten. Dein Name, in einem eleganten schwungvollen Schriftstiel und darunter die Telefonnummer im gleichen Schriftfont. Der Aufmachung der Karte entnahm ich, dass du deinen Namen mochtest. Ganz im Gegensatz zu mir. Ich habe meinen Namen immer als ein persönliches Verbrechen meiner Eltern empfunden, obwohl ich sie sehr liebe. Ich hatte einmal angefragt, ob sie zu dem Zeitpunkt der Namensfindung beide längerfristig nicht zurechnungsfähig waren! Zum Glück, rufen mich die meisten Menschen bei meinem Spitznamen, der zwar auch nicht meinen Vorstellungen entspricht, aber immer noch besser als mein richtiger Name ist. Alle Versuche, einen selbst gewählten Spitznamen zu etablieren, scheiterten an der Sturheit meines Umfeldes. Nun, wie man mir des Öfteren bestätigte, war ich zumindest optisch und körperlich im brauchbaren Mittelfeld angesiedelt und das solle ich mich mal nicht zu sehr über den Namen beschweren. Nobody ist perfekt.

 

Die Stunden vergingen ereignislos und meine Gedanken drehten sich nur um ein Thema, soll ich Kontakt zu dir aufnehmen oder nicht! Ich wollte dir auf keinen Fall Unannehmlichkeiten bereiten und habe dein Mitwirken am Unfall extra nicht im Unfallbericht mit angegeben. Damit habe ich aber auch einen nachvollziehbaren Grund aufgegeben, dich zu kontaktieren. Wie würde ich reagieren, wenn mich jemand anrufen würde mit dem Spruch “Hallo, ich bin der Depp, der Dich umgerannt hat und wollte Dir nur mitteilen, dass ich noch lebe. Aus Mitleid musst Du jetzt aber mit mir ausgehen!“ Verzweiflung macht sich in mir breit, ich war solchen Situationen nicht gewachsen. Auch wenn meine große Klappe allgemein bekannt war, konnte ich meine Schüchternheit bis jetzt meistens unbemerkt überspielen. Bis dato wurde ich immer erobert, aber aus eigenem Antrieb habe ich bei den Damen noch nie etwas auf die Kette gekriegt. Dementsprechend habe ich das genommen, was sich mir freiwillig angeboten hat, in der Hoffnung, dass alles Weitere sich entwickeln würde. Pustekuchen, ein Reinfall nach dem anderen. Mehr Schmerz als Herz. Irgendwann bin ich über die ganze ergebnislose Grübelei dann doch wieder müde geworden und auf der Couch eingeschlafen. Leicht erschlagen wachte ich auf, der Morgen begrüßte mich mit einem satten Sonnenlicht, das sich seit Tagen nicht mehr blicken gelassen hat. Ich fühlte mich besser und als ich deine Karte auf dem Tisch liegen sah, war ich fest entschlossen, dich anzurufen, aber nicht ohne vorher zu duschen und eine TasseKaffee zu trinken.

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Du meldetest dich knapp mit „Von der Heide.“, aber das hat ausgereicht, um mir den Boden unter den Füssen wegzuziehen und mein in stundenlanger Schwerstarbeit zusammengetragenes Selbstvertrauen und die vorbereiteten Gesprächsthemen in Luft aufzulösen. „Hallo, ist da jemand?“ Fragtest du nach. „Ja, auch Hallo“, stammelte ich „ Hier ist der Depp, der Sie über den Haufen gerannt hat.“, oh mein Gott, augenblicklich versank ich hochrot im Boden und wollte sofort auflegen, aber meine Finger reagierten aus irgendeinem Grund nicht auf meinen Befehl. Ein erfrischendes und lang anhaltendes heiteres Lachen kam mir aus dem Hörer entgegen „Entschuldige!“, sagtest du, nachdem du wieder zu Atem gekommen warst. „Situationskomik pur, so hat sich noch nie jemand bei mir angemeldet, aber ich weiß genau, wer Sie sind. Wie geht es Ihnen? Ich bin ja so froh, dass Sie anrufen! Ich hatte so ein schlechtes Gewissen, das ich Sie einfach zurückgelassen habe, ohne genau zu wissen, ob Sie sich nicht doch ernsthafter verletzt haben. Ihr Einschlag war heftig und Sie sahen auch ziemlich mitgenommen aus, aber ich hatte es sehr eilig, wenn das mein Verhalten auch nicht entschuldigen kann, ich hätte mich erst um Sie kümmern müssen!“ Deine Worte flossen nur so dahin und jedes deiner Worte hallte in mir nach, das ich fast nicht bemerkte, dass du nicht mehr redetest und auf eine Antwort von mir wartetest. „Ne, kein Problem, ist schon in Ordnung! Ich wollte auch nicht lange stören, sondern nur kurzdurchgeben, dass soweit alles in Butter ist. Ich habe wohl eine leichte Gehirnerschütterung, aber sonst fehlt mir nichts. Ich wollte mich auch bei Ihnen entschuldigen, es war wirklich keine Absicht Sie über den Haufen zu rennen.“Erwiderte ich kleinlaut. „Sie hatten sich doch schon direkt Vorort bei mir entschuldigt und ich hätte mich einfach kümmern müssen, deshalb muss ich mich wohl eher bei Ihnen entschuldigen. So eine Unachtsamkeit kann ja schließlich jedem Mal passieren. Ich freu mich auf jeden Fall, dass es Ihnen gut geht und wir darüber sprechen konnten, jetzt bin ich beruhigter!“, sagtest du in einem warmen und aufrichtigem Tonfall. Plötzlich wusste ich nicht mehr, was ich noch sagen sollte, und hatte Angst, das Gespräch zu beenden. Ich wollte es einfach nicht beenden, deshalb log ich in den Hörer hinein “Ich hatte mich schon entschuldigt? Daran kann ich mich gar nicht erinnern!“ Daraufhin erzähltest du mir den genauen Ablauf des Geschehens und wie erschrocken du warst, wie ich nach dem Sturz aussah und das du die Nächte nicht schlafen konntest, weil du dich sorgtest und dir Vorwürfe gemacht hast über dein Verhalten. Am Ende deiner Erzählung, war meine Befangenheit wir verflogen und ich hatte das Gefühl, wir würden uns schon ewig kennen. Trotzdem wundert es mich heute noch, dass ich es tatsächlich über die Lippen brachte, dich zum Essen einzuladen und du dieEinladung ohne zu zögern, und mit aufrichtiger Freude in der Stimme annahmst. Und jetzt stehe ich hier und Sorge mich! Mein Smartphone köpft die nächste Flasche Bier und noch immer keine Nachricht von Dir.

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Hallo freiform,

 

deine Kurzgeschichte ist sehr gut geschrieben. Nur verwirrt sie ein wenig. Ich vermute mal während er auf seine Dame seines Herzens wartet, trinkt er ein Bier nach dem Anderen. Hoffentlich ist er nicht zu betrunken wenn sie endlich anruft und er kann dann noch vernünftig mit ihr reden, sonst ist er schneller wieder Single als er vermutet.

 

Die Andere Sache ist, kommt noch ein Teil und ist deine Geschichte jetzt beendet. So ganz verstehe ich das Ende nicht. Kann natürlich sein das du mit Absicht das Ende offen lässt damit der Leser sich seine eigene Vorstellung macht.

 

Gerne gelesen.

 

Grüße

 

Kydrian

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  • 2 Wochen später...

Hallo Gina,

danke für den Tipp, das werde ich mal ausprobieren!

Immerhin habe ich jetzt gelernt, das eine Geschichte anscheinend nicht mehr als 1000 Zeichen besitzen darf.

 

grüßend Freiform

 

 

 

 

Hallo Kydrian

Ich danke dir ganz herzlich für deinen Besuch und den schönen Kommentar!

Es freut mich sehr, dass du mit meinem Text etwas anfangen kannst.

 

Du hast vollkommen Recht, die erste Zeile kann verwirrend sein!

Zur Aufklärung, der Protagonist wartet auf seine Liebste, und während er wartet, bekommt er Nachrichten auf sein Smartphone von anderen Personen. Als Benachrichtigungston für neue Nachrichten hat er das Öffnen einer Flasche ausgewählt (Samsung Smartphone „Opener“). „Sein Smartphone köpft die zehnte Flasche Bier“ bedeutet also nichts anderes, das auf seinen Smartphone 10 Nachrichten eingegangen sind, nur halt keine von seiner Liebsten. Er ist also nicht alkoholisiert, eher liebestrunken. Ich hatte befürchtet das es vielleicht nicht verstanden wird, aber no risk no fun.

 

Danke für dein Interesse!

 

 

grüßend Freiform

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  • 2 Jahre später...

@Freiform

 

Der Text ist sehr gut zu lesen. Das, was mich etwas stört, was nicht mit dem Rest harmoniert ist das:

Am 7.1.2020 um 19:13 schrieb Freiform:

Mein Smartphone köpft die zehnte Flasche Bier

Das drückt, den Probanden in eine deutlich negatives Feld. Ich hätte es milder ausgedrückt." Auch die dritte Flasche Bier konnte die Zeit und meine Aufregung nicht stoppen.

Nachtrag: Es sei denn, du bezweckst damit etwas.

 

Ansonsten ist dein Text lesenswert, auch wenn ich Perry Rhodan bevorzuge.

 

Tschüss.

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  • 3 Wochen später...

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