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Berufung

 

Wie eine Marionette, an Fäden geführt, habe ich 3 Jahre Lehrzeit erlebt. Es war eine schöne Zeit und doch fehlt mir der Bezug zu meinem Inneren. Wie lange noch werden die Marionettenfäden ihre Macht ausüben können, mich durchs Leben ziehen, ohne dass ich bei mir selbst sein kann?

 

Im Herbst beginne ich das Studium der Luftfahrttechnik an der FH in Aachen. Ulli vermietet mir das zehn Quadratmeter kleine Zimmer zum Hinterhof. Er selbst bewohnt das große Zimmer zur Straße, in dem sich auch unsere kleine Küche befindet. Ulli ist ein angenehmer, ruhiger Zeitgenosse, der in der Lage ist bei sich zu bleiben, sich selbst zu leben, der seine eigene Sichtweise zum Leben hat und sich daran auch orientiert und sie lebt, ganz im Gegensatz zu den normalen, gesellschaftlich konform ausgerichteten Menschen. Das gefällt mir und genau diese Eigenart von ihm wird für mich noch bedeutungsvoll.

 

In der Uni erlebe ich wieder einmal, dass Arbeit, Erfolg und gesellschaftlicher Status für mich keine wirkliche Bedeutung haben; denn Arbeit wird gemacht, Erfolg stellt sich entsprechend ein, und der gesellschaftliche Status ist eine Maske, hinter welcher die Persönlichkeit versteckt wird. Nein, das ist nicht Meins. Mein Interesse gilt den Menschen, dem sozialen Miteinander, den individuellen Persönlichkeiten mit ihrem Verhalten, Träumen, Wünschen und Absichten. Will diese Dinge außer mir niemand wahrnehmen?

 

Schon nach wenigen Wochen versetzen mich meine Studienkameraden in Erstaunen und Entsetzen. Ich bin fassungslos ob ihrer unterwürfigen Funktionswilligkeit, die selbstverständlich mit der Ausblendung der individuellen persönlichen Entfaltung einhergeht, und mich entsetzt das vorsätzlich betrügerische Sozialverhalten, nur um sich einen kleinen Vorteil gegenüber seinen Kameraden zu verschaffen. Jetzt verstehe ich den Begriff Ellbogengesellschaft, denn ich erlebe ihn hier direkt und persönlich. Ungläubig schaue ich diesem Treiben zu und stelle mir die Frage: Will ich so sein? 

 

Nein!

 

Ich bin wieder da!

Die unsichtbare Wand, die mich von meiner Seele trennte ist verschwunden. Die unsichtbaren Fäden, die mich wie eine Marionette bewegten, haben sich aufgelöst. Ich bin wieder da, wieder mit meiner Seele eins, bin wieder Herr meines Lebens – endlich!

 

Nein, die Berufswelt, wo ich meine individuelle Entfaltung ausschalten muss, kommt für mich nicht in Frage.

Nein, die Ellbogengesellschaft mit dem betrügerischen Sozialverhalten ist für mich ein NO GO.

Nein, so ein Mensch kann ich nicht sein, so ein Mensch will ich nicht sein, so ein Mensch mag ich nicht sein. Mir ist jetzt vollkommen klar, das Menschsein kommt für mich nicht in Frage, ist keine Option für mich.

 

Doch was ist mein Ding, was ist mein Leben, was kann, will und mag ich sein? Und mir ist eindeutig klar,

dass meine Individualität, meine Persönlichkeit, mein Leben

meine Bestimmung ist,

mein Beruf und meine Berufung!

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Lieber @Jules V.,

den Schluss, den Du ziehst, finde ich sehr wahr und wichtig: Die Bestimmung eines jeden Menschen liegt darin, ungehemmt er selbst zu sein. Man selbst ist seine Bestimmung. Das mag simpel klingen, aber in einer so bunten und ständig urteilenden Welt voller Einflüsse, Erwartungen und festgelegter Strukturen ist es sicherlich sehr schwer, zu dem zu finden, was wir das "wahre Selbst" nennen. Ordnung und Struktur funktionieren umso besser, je mehr der einzelne ihnen seine Individualität unterordnet. Ich gebe Dir also durchaus recht. Dennoch finde ich diese Aussage:

Am 25.9.2021 um 06:02 schrieb Jules V.:

Nein, die Berufswelt, wo ich meine individuelle Entfaltung ausschalten muss, kommt für mich nicht in Frage.

ziemlich "eitel" und schwierig (ohne das beleidigend zu meinen). Ich verstehe nicht ganz, wie man ohne Teilhabe am Berufsleben seinen Lebensunterhalt bestreiten sollte. Man muss ja schließlich irgendwie Geld verdienen, auch wenn man die Sinnhaftigkeit dieser Tatsache in Frage stellt, es ist nun mal so. Außerdem ist es doch ziemlich arrogant gegenüber Arbeitslosen, die alles für gute Bildung und einen gut bezahlten Job geben würden, zu sagen, man fühle sich von eben dem beeinträchtigt.

Ich persönlich denke, die Kunst des Lebens besteht darin, sich zu gewissen Teilen den Strukturen unserer Welt zu fügen, ohne dabei sich selbst aus den Augen zu verlieren.

 

Gerne gelesen,

Viele Grüße,

Hase

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