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LIEBE DIE STARB VOR DER ZEIT aus den Briefen zwischen Arthur Schnitzler und Olga Waissnix


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LIEBE DIE STARB VOR DER ZEIT
Arthur Schnitzler und Olga Waissnix
Ein Briefwechsel

Anfang December 1886

Lieber Herr Doctor!

 

Kennen Sie das Märchen vom Rübezahl & der Prinzessin? Der Berggeist raubte einst ein Königskind und um es zu zerstreuen, gab er ihm einen Zauberstab u. Ein Rübenfeld. Eine leise Berührung und jede Rübe wurde eine liebe Gespielin. Auch mir hatte ein gütiges Geschick solch einen Zauberstab beschert.

Wie süß dufteten die Fichtenbäume in meinem Zimmern, wie weich kauerte ich in meiner Kaminecke umgauckelt von den Spukgestalten meines selbstgeschaffenen Reiches. -

Aber nie zufrieden sehnt man sich hinaus aus der Märchenwelt in die Wirklichkeit. Sie glauben gar nicht wie traurig es stimmt, wenn man bei der Rückkehr alles ganz verändert wiedersieht. Der süße poetische Blütendurft ist zumeist abgestreift, manche sind so ganz anders, manche vollkommen verloren.

Einige wenige, und das ist ein großes Glück, trifft man zwar wieder und viel besser, aber welche Kämpfe, bis man sie aus dem Chaos herausarbeitet, welche Qual sich selber wiederzufinden! -

Da hab' ich meine Einsamkeit in den letzten Tagen lieb gewonnen. Sie kennt zwar keine zarte Regung, gleichgültig ist ihr jeder Seelenkampf, u. Kalt & gewissenhaft erfüllt sie nur ihre Pflicht, dafür sind aber all die kleinlichen Fehler & Schwächen der Menschen, dieses ewige, ekelige Haschen nach Gefallen, all' der Flirt, all' die liebenswürdige, so grenzenlos verletzende Falschheit hier Fremdlinge. -

Um die Gesellschaft zu amüsiren, um sich selbst auf den Piedestal der Corectheit & Anständigkeit zu erheben raubt man graziös lächelnd dem Nebenmenschen seinen guten Namen u „wird dabei nicht reicher, macht aber den Anderen so bettelarm“. -
Verzeihen Sie, da´ich Sie als den ziemlich Unbeteiligten heute mit meinem melancholischen Geschätz langweile. Aber man hat manchmal so trübe Tage. -

Wann werden Sie Ihr Versprechen, uns im Winter zu besuchen, halten? Stellen Sie sich, o holder Städter, unser Dorf nicht ärger vor, als es ist. Es ist zwar ziemlich ursprünglich und sehr kalt, doch wird man weder erschlagen, noch erfriert man.

Wenn sie einmal, vielleicht Sonntag, absolut nichts besseres zu thun hätten, so würde es meinen Mann u. Mich sehr freuen, wenn Sie, lieber Herr Doctor, uns bald das Vergnügen Ihres lieben Besuches machten. Am 8. 9. 10. d. M. Bin ich aber nicht hier, da geht’s wieder nach Steiermark auf eine Jagd.

Auf baldiges Wiedersehen

 

OW.

Nachträglich noch eine Bitte, die ich gern mündlich aufklären will.
Bitte schweigen Sie über alles mich betreffende im Staate Kohnberger.

 

Music: PianoAmor
Rezitation: Uschi Rischanek

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