Marcel
-
Gesamte Inhalte
142 -
Benutzer seit
-
Letzter Besuch
Inhaltstyp
Profile
Forum
Blogs
Kalender
Wettbewerbe
Beiträge erstellt von Marcel
-
-
Dieser Winter damals
wir waren dicke Freunde
zwei Finger erfroren dir
beim Wühlen nach Guss
und abends schlug dein Vater zu
weil nur drei Kilo in der Karre lagen
Ein anderer Winter
du lachtest auf der Straße
ich drückte deine halbe Hand
der Vater ist tot
du sagtest es laut
Noch heute erinnere ich mich
du lachtest auf der Straße
wie ein Sieger
und gingst sicher übers Eis
- 1
- 1
- 1
-
Als er sie füttern wollte
in der Früh
war die Voliere leer
der Draht zerschnitten
Gelege an die Wand geworfen
Wir stehen im Kreis
mit heißen Kaffeebechern
lachen verlegen
unser Mitgefühl
in die Sirene hinein
Später an der Drehbank
hält er lange den Kopf schief
als höre er ihr Gezwitscher
durch das Dröhnen der Maschinen
- 1
- 1
-
Die Hunde in den Vororten
bellen nur noch verhalten
kuschen vor Fremden
und sehen in ihrem Herrchen
das Zentrum der Welt
die mit saftigen Knochen geizt
Ihre Hütten sind stacheldrahtbewehrt
sie reißen sich die Bäuche blutig
in panischen Träumen
Apportieren ist kein Spiel mehr
oft suchen sie das Stöckchen vergeblich
kehren kriechend zurück
um ohne Winseln
die Schläge zu nehmen
Etwas aber drängt in ihrem Hirn
durch die Angst nach oben
und wenn sie sich alleine glauben
fletschen sie mitunter schon die Zähne
- 1
-
Neon-Serenade
Die Transe streichelt ihr Gemächt.
Schemen glühen unterm Dach.
Dem Einsamen ist jede recht.
Ein Denker hängt Genialem nach.
Aus den Gullys strömt die Masse.
Aus Kneipen blakt es schenkelschlagend.
Ein Penner unterspült die Trasse.
Ein Spieler spielt, sein Los beklagend.
Am Fenster stumm ein offner Mund.
Dahinter fällt die Faust herab.
Die geile Ampel blinkt waidwund.
Und ein Gerechter bricht den Stab.
Nur im Souterrain das Paar
baut mit zwei Rücken sich ein Tier.
Der Spieler holt den Pott ums Haar.
Ein Nachtmensch spielt Klavier.
Ei, wie sie in die Gullys fliehn,
wie der Penner pissend singt,
wie Denker neue Schemen ziehn,
der Schrei des Fenstermundes klingt.
Die frische Transe ist fein raus,
der Kneipe bleibt ein spätes Mädchen.
Das Paar im Keller blendet aus.
Der Richter sortiert Stäbchen.
Der Pianist hält ein verstört.
So endet Nacht für Nacht sein Lied.
Und jeder, jeder hat´s gehört
und weiß, dass wieder nichts geschieht.
- 2
-
Die Konsequenz
I
Ich stand am Ufer
als sie dich aus dem Fluss zogen
du wehrtest dich
als wolle man dir ans Leben
dabei hattest du gerade damit abgeschlossen
In der Zeitung war die Rede von einer Liebe
die zu Ende gegangen war
ohne dass du mitentscheiden durftest
Man hat dich verlassen
allein in der Kälte
las ich zwischen den Zeilen
II
Auch ich bin einer
der verließ
und verlassen wurde
doch habe ich nie
die Kälte des Wassers vorgezogen
III
Es gibt willige Körper
die wärmen für eine Nacht
vielleicht für ein Jahr
wenn man vergisst
wie es war
bevor die Kälte gekommen ist
dann glaubt man wohl
es sei die Wärme
die man immer gesucht hat
Doch diese willigen Körper
auch sie suchen Wärme
und die finden sie nie
bei einem
der nur das Wasser fürchtet
IV
Sie werden dir sagen
es sei verwerflich
sein Leben wegzuwerfen
doch nicht einer wird verraten
wie erniedrigend es ist
Wärme zu empfangen
ohne wärmen zu können
- 1
- 1
-
Hallo, JC,
ich freue mich sehr über das Lob für die Idee!
Tatsächlich wollte ich den Eindruck des LyrIch vage halten. Immerhin regt es sich offenbar auf über vermeintliche Arroganzdes Doppelgängers - wobei es sich ja gerade selbst porträtiert, was ihm nicht bewusst zu sein scheint. Infolgedessen entsteht eine schizophrene Situation, die ihm immer mehr entgleitet, so dass sich immer mehr Doppelgänger reproduzieren.
LG, Marcel
- 1
-
Spiel mit mir
Jetzt zeichne ich meinen Doppelgänger
er lächelt mich an aber nicht wirklich freundlich
eher so als wüsste er mehr als ich über mich
und hätte kein Mitleid mit dem der ihn macht
Die hochgezogene Augenbraue wirkt schon fast arrogant
und in den Mundwinkeln so etwas wie Zynismus
der glaubt sich mir wohl überlegen so wie er ist
zweidimensional farblos und ohne Worte
Gewiss passt er in jeden Ordner in jede Lade
oder schön gerahmt an eine kahle Wand
dabei ist er so verletzlich brennt schnell
ist wasserlöslich und vergilbt im Sonnenlicht
Jetzt lasse ich ihn meinen Doppelgänger zeichnen
wie er wohl klar kommt mit dessen Zügen
vielleicht senkt er ihm die Braue hebt die Mundwinkel
und macht sich ein gutes Bild von ihm
Meine Doppelgänger zeichnen sich bald gegenseitig
und fragen sich ob ich einer der ihren bin
während ich mich frage wer da gerade kommt
verwirrt aus dem Spiegel direkt auf mich zu
-
Plötzlich
Wie ich glühte
in morschen Wäldern
auf klebrigem Asphalt
an Tagen verbrannter Haut
träge Mücken im Stoppelgras
Fledermäuse vorm späten Mond
Der Herbst ist passiert
nur glimmende Funzeln
Schlaf in klammen Polstern
Zeit der hungrigen Krähen
Wetterleuchten rückt heran
dieses Frösteln wird bleiben
- 2
-
Sterbebett
Der Rahmen bestoßen
die Matratze steril
in Plastik geschweißt
ein Gestell für alle Türbreiten
Anschlüsse in jedem Raum
Wo bin ich
wer sind die
Warum scheitert mein Leben
zweifellos zu früh
und unerledigt
und hier
- 1
-
Vielleicht möchte der todkranke Nachbar einfach sicherstellen, dass der Tod nicht ins Haus kommt. Mir gefällt das, weil der Text diese Option offen lässt, aber nicht aufdrängt.
- 1
-
Kleine Variation im Morgengrauen
Kann es besser sein
wenn Dinge sich verschlechtern
Werden wir gesünder
durch die überwundene Krankheit
reicher durch den Bankrott
klüger durch unsere Dummheiten
Wenn alles so schlimm ist
wird dann alles gut
- 2
-
Verdichtung
Unsere Ansätze verkommen
zu Literatur
die Taten opfern wir den Worten
und betrachten das Ergebnis
als Ausdruck der Zeit
die uns füttert mit Bildern
ungerahmt und ausgefranst
aus ihnen das Beste zu machen
Jeder Blick nach außen
zeugt von Arbeit
die noch vor uns liegt
das Aber schon auf der Zunge
stockt uns der Atem
denn wir bringen nichts ins Reine
mit gehäuften Worten
die sich als Abbild verlieren
- 1
-
Spanner
Ich sehe sie
wie sie vor dem Spiegel
ihre Beine rasiert
wie ihre Hand langsam aufwärts gleitet
die Klinge fallen lässt
und verharrt in der Leistenbeuge
wo sich die letzten Ausläufer
ihres störrischen Mösenhaars verlieren
Ich sehe sie
wie sie vor dem Spiegel steht
jetzt im Profil
und kritisch ihren Bauch betrachtet
wie sie ihn einzieht
während ihre Brüste sich recken
zu beiden Seiten eines Muttermals
das ihrem Thorax Stil verleiht
Ich sehe sie
wie sie vor dem Spiegel
das eigene Mienenspiel beobachtet
wie sich ihre Mundwinkel heben
hin zur Freude
sich dann zu Trauer senken
wie sie die linke Braue spannt
in gespielter Überlegenheit
wie sie sich dann vom Spiegel löst
und träge aufs Bett gleitet
neben diesen Nackten
von dem sie annimmt
dass er schläft
- 1
- 1
-
Verbrannt
Wann war ich je mehr als dieser kleine Junge
der ins Tal hinab durch Wälder rannte
knorrige Wermutstöckchen zu sammeln
aus denen willkürlich geworfen
eine märchenhafte Zukunft zu lesen war
mit dem Zopfmädchen an seiner Seite
Später verbrannten wir vertrocknete Sträucher
da waren wir schon groß ihr Haar offen
eine Fee mit glühenden Wangen beim Feuer
erzählten einander Es war einmal
und es ist schön am Berg gewesen
soviel noch ungelebt und möglich
Die Senke ist gerodet für Pfeiler aus Stahl
eine andere Zukunft eine andere Fee
blieb meiner wunden Kehle gnädig
und was brennt sind keine Feuer
nur der Trester im strauchelnden Hirn
immer weniger wird alles und weiter entfernt
- 4
- 1
- 1
-
Hallo, Perry,
ich stimme Dir ja zu: die Meere werden uns wohl überleben. Bei meinem Lied geht es auch weniger um konkrete Kritik am ökologischen Wahnsinn, eher um eine düstere Vision und Endzeitstimmung. Ich habe eben den Blues - wie so viele zur Zeit.
LG, Marcel
- 1
-
Besungene Albträume in Oasen
Immer nach Westen
immer ans Meer
dann noch mehr Meer
von dann bis dannen
Was macht das Meer mehr
als da zu sein
für Fische in Schweröl
für Riffe aus Plastik
und Tiefseemonster
fürs Sommerloch
Immer mehr aus dem Meer
wird gefangen
kommt gekrochen
strandet vor unserem Korb
Teilen mit Möwen
eilen mit Delfinen
am und übers Meer
immer mehr in die Fjorde
und in schillernde Lagunen
Mehr Meere
mehr Wracks
Städte am Grund
und verzweifelte Riesen
Bald kein Meer mehr
mehr Öl mehr Plastik
mehr Strandgut
kein vom Meer
gezogener Horizont
Schiffe durch Wüsten
streben zum Meer
doch da ist keines mehr
- 1
- 1
-
Kunstkniff
Inszenieren wir es doch vom Ende her
und bringen den ersten Akt zuletzt
wie einfach dann alles wird
dieses Sehnen dieses Tasten
mit Blicken und Worten
und das Scheitern bereits hinter uns
- 1
- 1
-
Frühe Erinnerung
Durch die offene Dachluke
vergessen nach dem Sommer
flüchten sie ins Warme
flügelzart einander zugeneigt
Viel Zeit in langen Winternächten
einträchtig den staubigen Speicher
zur weißen Landschaft zuzuscheißen
Kinder stehlen sich im Frühling hinauf
zu dramatischen Kotballschlachten
kapitulierend mit brennenden Augen
vorm Abendbrot mit Donnerwetter
- 1
- 1
-
Kleine Meditation im Morgengrauen
Kann es besser sein
wenn Dinge sich verschlechtern
Werden wir gesünder
durch die überwundene Krankheit
reicher durch den Bankrott
klüger durch unsere Dummheiten
Wenn alles so schlimm ist
wird dann alles gut
- 2
-
Hallo, Leontin,
schön, dass es Dir gefällt, obwohl der Zugang nicht einfach ist. Die Krängung ist übrigens die Seitenneigung eines Schiffes.
LG, Marcel
- 1
-
Bleibende Sehnsucht
Tische mit einer Grundierung aus überschriebenen Paraphen
aufgequollene Bohlen unter den triefenden Augen
auf runzeligen Hockern mit geschnitztem Horn kauern
die Suppe aus einem aufgebohrten Panzer löffeln
und wieder von sich geben aufs gelbschwarz gestreifte Fell
bei jeder unerwarteten Krängung in der Nacht
Leere Ställe und immer noch dieser Heißhunger
vermisst der Horizont im herabstürzenden Grau
die Träume gelenzt beim Ritt auf dem rasenden Kamm
um sich schlagen Arsch an Arsch im klammen Quartier
von Bergen wird geflüstert karg und verbrannt
dahinter diese wunderbare Wüste ohne einen Tropfen Wasser
- 2
-
Aphoristische Meinungsbilder
Die Beliebigkeit von Nachrichten ist manchmal unerträglich
trotzdem muss man hinschauen wie bei einer Havarie
Aber eine beliebige Perspektive ist noch kein Standpunkt
auf dem man sich die Füße vertreten kann
Eigene Ansichten sollte man eher pflegen wie Blumen
ab und zu eine pflücken und als Präsent überreichen
Meinungspluralismus ist schon eine subtile Falle
da ist man plötzlich drinnen und dreht am Rad
Und wer bekanntermaßen zwischen allen Stühlen sitzt
ist sowieso ganz schön auf den Arsch gefallen
- 2
-
Ankunft
Eine Armee der Dissonanzen
mit dem Willen zum Heil
erschreckender Götterfunken
erzeugt von schwarzen Fingerlingen
auf Blech am Hauptbahnhof
Weihnachten wäre passend
für die Flüchtenden am Drehkreuz
doch um ihres Gottes Willen
keinen rumgetränkten Glühwein
Tee wäre vertraut und warm
Immer die Gleise entlang
dem gelben Licht entgegen
keine erkennbaren Rampen
Hände in Stoff gekrallt
so kommt ihr heim
- 1
-
Aufbruch
Gebrechlich alte Bäume
Blätter treiben im Kanal
Fischmäuler dazwischen
die nach Kippen schnappen
und nach meiner Hand
die aus dem Nachen hängt
mit den Blättern schwimmt
jetzt Fahrt aufnimmt
nach der Kehre vorm Wehr
und das rettende Ufer flieht
der kühlende Wind
verspricht Ferne
- 1
- 1
- 2
Stille Nacht
in Liebe & Freundschaft
Geschrieben am
Mit Gesprächen verbrachte Nächte
vergehen schnell
also schweige ich
und verschließe dir den Mund
mit einem Kuss
Einsiedler wie ich erzählen zu viel
wenn die Dunkelheit hereinbricht
denn ihr Zuhörer ist geduldig
und verliert nie ein Wort
anders als du
Dir träufle ich Wachs ins Ohr
denn uns kann ein Flüstern
die Masken zerbrechen
und das Strahlen deines Gesichts
schreit mir dann ins Fleisch
alle Sinne betäubend
Kein Schmerz mehr
keine Vergangenheit
was gestern sprachlos war
ist heute stumm
dabei könnten wir kopfüber reden
und lauschen von Mund zu Mund
doch was dann
wenn wir vernehmen
unser Hohelied
in einander fremden Zungen