Marcel
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Beiträge erstellt von Marcel
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Hallo, Anonyma,
es hat mich sehr gefreut, wie intensiv Du dich mit meinem kleinen Text auseinandergesetzt und sogar diese Detektivarbeit im Netz auf dich genommen hast. Ich weiss manchmal einfach nicht, was besser ist, wenn ich auf ein Ereignis oder eine Person Bezug nehme: Hilfestellung durch Fußnote, erläuternder Titel oder die Lesart dem Leser überlassen. Hier habe ich womöglich den Bekanntheitsgrad vom "Steinernen Mann" überschätzt.
LG, Marcel
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Legendenbildung
(Augsburg im Winter)
Sechs nackte Kinder
um einen Schrein versammelt
an dem ein versehrter Bäcker steht
der eine Öllampe hält
während seine Augen irrlichtern
über die Tafel mit den Liedern
die er singen soll
damit Engel erscheinen
und Holzmehl von der Decke rieselt
frisch gemahlen und duftend
nach rosigen nackten Kindern
mit putzigen Ärschen
und kleinen Schwänzen
neckisch entblößt an einem Kindersarg
um die Stadt zu retten
vor Brandschatzung und Tod
wenn die Stadtgöttin nicht hilft
und Anbetung unnütz wird
wie faules Brot im Graben
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Hallo, Perry,
der Traum ist aus; dennoch würde ich in der letzten Zeile "aufsteigen" wählen, da Du die Blasen ja auch erwacht mit Worten füllst. Kleinnörgelei, okay! Ein sehr schöner Text, gute Grundidee.
LG, Marcel
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Gedanken machen
Emsig zu Kokons spinnen
Und lange warten
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Ansichtig
Ich weiß gewiss dein Gesicht
die Falten denen deine Tränen folgen
den weich gewordenen uneitlen Mund
Ich weiß die Blässe
wenn du kränkelst
die Röte in Schmerz wie in Lust
Ich weiß die Empörung
im hilflosen Schrei
und die Aufgabe
in der ersterbenden Stimme
Ich weiß deinen Katzenblick zu deuten
die Trägheit die dich befällt
angesichts der Mutproben anderer
Ich weiß dein Ohr sich richten
nach dem Ungesagten
das dein aufgebrachtes Lauschen wahrt
Deiner bin ich ansichtig
jetzt und hier und ganz weit fort
deine schattige Miene strahlt nicht weniger
als dein giftgrüner Teint im Neonlicht
in dem du dich zeigst
wenn du mir ungehalten bist
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Gerade so viel, dass es ergreift. Gerade so wenig, dass es nicht in Pathos versinkt. Und Dein Vortrag sehr schön!
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Auch ich rieche den Regen zwischen den Zeilen ... und hätte vielleicht ein paar Tropfen eingefangen, bevor ich den Schirm öffne. Sehr schöner Text! LG, Marcel
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Aus der Bahn heraus
im Strahl der Sonne verbrennt
dieser Horizont
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Guten Morgen, Carlos,
Du bist wahrlich einer, der "tiefer" liest. Hab Dank!
LG, Marcel
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Gesichtsverlust
Bei Windstille am Teich
bin ich meiner sicher
durch die Spiegelung meines Gesichts
auf der ruhigen Wasseroberfläche
Doch frischt es auf
zerfließt mein Abbild
und treibt mit den erwachenden Wellen
dem Schilfrohr entgegen
bis die erste Böe es zerreißt
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Hallo, Nesselröschen (schöner Name!),
hab Dank dafür, dass Du dich so ausgiebig mit meinem kleinen Text befasst hast. Ja, die Grundstimmung ist zweifellos pessimistisch, aber es gibt auch wenig Grund für Optmismus, ob an unseren Außengrenzen oder unseren alltäglichen Grenzen (das Nachbarbüro). Außengrenzen, wenn das Wort schon Verwendung findet, implizieren auch Innengrenzen, und davon gibt es auch viele. Wie oft begrenzen wir uns selbst bzw. bescheiden uns angesichts dessen, was um uns herum und mit uns geschieht?!
Die Retter wie auch die Abgänge sind als offizielle Lesart aufgegriffen. Natürlich hat einer, der nicht hilft, diese Bezeichnung nicht verdient. Abgänge sind eine zynische Bezeichnung für die Ertrunkenen; es soll ja nicht so nahe an uns herangehen, was da passiert.
LG, Marcel
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Hallo, Carlos,
vielleicht ist der Einstieg wirklich nicht zu toppen, aber ich bin kein Freund knapper Sentenzen und habe es gerne, wenn ich mich in meinen Texten bewegen kann. Gerade in unserem Metier empfindet das wohl jeder anders.
LG, Marcel
Hallo, Heiko,
ja, das ist gemein, aber Absicht. Ich habe als Leser wie als Schreiber die Erfahrung gemacht, dass die fehlende Interpunktion beim Lesen für höhere Konzentration sorgt. Bei längeren Texten mag es nicht immer sinnverzerrend sein, wenn man mal über eine Stelle hinweg liest, wohl aber in solch kurzen Arbeiten. Ich hatte auch eine Phase, in der ich auf die Großschreibung verzichtet habe, aber damit wurde ich mit der Zeit immer unzufriedener. Vielleicht komme ich irgendwann auch wieder dahin, Punkte und Kommas zu setzen.
LG, Marcel
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Die Nacht gewährt uns kein Entkommen
Wir haben Kriege geführt
jetzt führen die Kriege uns
ans erwartete Ende bis uns
vor dem Morgen graut als
Hinterlassene kaum besiegter
Traumländer deren Grenzen
neu gezogen wurden über Nacht
Wir führen Tagebücher und Traumprotokolle
dokumentieren jeden Angriff aus
dem Nachbarbüro reflektieren
nächtliche Exzesse aus dem Gedächtnis
kennen die Abgänge aus dem Mittelmeer
entschuldigen und schulden
zahlen Lösegeld für Kinder und Schweigegeld
für Retter die wegschauen
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Das alte Lied
Die Ohnmacht
nährte auch deine Melodie
hast gesungen vom Wunsch
eine Taube zu sein
doch dann war es nur Rauch
der trieb im Wind
Es ist das alte Lied
von der verlorenen Schwester
die keine Flügel besaß
zu gelangen in die Heimat
Du sangst es
bis dir die Stimme erstarb
und ein gleiches erklang andernorts
wenn Entflohene sich fanden
unter fremden Himmeln
und nicht einer Nachricht wusste
von Angekommenen
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Windstiller Garten
Unkrauthügel
handgerupft
raue Hände streicheln schöner
Dämmerung
Spiel ohne Höschen
Mückenstiche
zum Lachen
oder war es doch ein Dorn
Der Rosenduft berauscht
wir torkeln zur Terrasse
Liegen wie Löffel
in der Lade
du erzählst Heiteres
im Schlaf
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Winterquartier
Der Brunnen ist abgedeckt
die Fenster frisch verkittet
Glaswolle dichtet das Dach
Von der Weide trotten die Kühe
ins düstere Heulager
Die Sommerkleider sind eingemottet
die Sandalen verpackt
das Schirmchen eines Eisbechers
steckt noch in der Erde des Gummibaums
Aus der Stadt
kehren die Geflüchteten zurück
in ihre Elternhäuser
Die Früchte sind eingelegt
die Kartoffeln im Keller
und die Äpfel noch ohne Runzeln
Der eisige Wind ist ein Versprechen
auf lange satte Abende am Fernseher
ohne Gesprächsbedarf
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Tauwetter
Eine vernarbte Wunde die nässt
unter dem Profil der Schritte
Der Himmel eifert deinen Augen nach
schon weichen Wolken vor der Weite
Bald straffen sich die schweren Halme
und stehen lind im Licht
das heranschleicht durch den Dunst
Komm fass mich um
damit das Frösteln geht
von so viel Welt
Komm führe mich
mein Blick ist klamm
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Der erste milde Tag
Das verlassene Haus
der verwilderte Garten
die vergessene Zisterne
Bin hinabgetaucht
auf den Grund
zum modernden Laub
vom letzten Herbst
Hab die alte Kröte gefunden
mit ihren Winterträumen
vorsichtig blinzelte sie
die wärmende Sonne an
und mich
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Hallo, Carlos,
es handelt sich hier um ein Wortspiel. "Ausfluss humanistischer Bildung" umschreibt Wikung und Auswirkung solcher Bildung, andererseits bezeichnet Ausfluss auch die Absonderung etwelcher Körpersekrete, was nicht immer sehr appetitlich ist. Dies soll natürlich satirisch überspitzt zum Ausdruck bringen, dass man diesem Bildungsideal durchaus kritisch gegenüberstehen sollte. Mein schräger Humor ...
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Demontage
Weder unappetitlicher Ausfluss humanistischer Bildung noch die Erinnerungen an Taschenlampenabenteuer kindlicher Lektüre unter der Bettdecke können die Götter wecken. Über sie zu lesen, macht Sterblichkeit genießbar, denn lesen heißt leben, und sie sind doch tot. Nur Phantasie pulsiert wirklich. Odins räudige Wölfe bespritzen nicht mehr die Weltesche. Kein Ghul stürmt mehr die Regenbogenbrücke. Kinder haben Seile gespannt.
Wie dröhnt mein gestoßenes Hirn. Ein Beben, dass Pokale hüpfen. Habe doch einst jedes tollwütige Weib aus dem Panzer geschält, an jeder Brust gesaugt, jeden Schoß mir untertan gemacht. Und wie schlürfte ich Kraft für den schlaffen Schlauch im Blut meiner Feinde. Und als die Brüder an meiner Seite fielen, rief ich: „Nehmt sein Herz. Meines ist mir heilig!“
Bin einst über Moore gewandert, habe Lohen geteilt. Mein Stiefel war gefürchtet. Und als man mir den Freund erschlug, den treuen Wildesel, entstand das Lied vom Menschenwürger. Wolfszeit, kündeten die Nornen. So leicht war der Leib. An meinem Federkorb wäre auch das Drachenschwert zersplittert. So ging ich hin durch die Feuerwände, über Lavaströme, querte Meere, stieß durch die Nebel herab in die Gymnasien. Vom Leben in den Wahn. Schattenfalten über Kinderaugen, rot das Weiße, begraben der Glanz dieser Blicke. Zum Helden geboren, zum Gräuel gemacht. Gestellt in den Hagel von Spatzenschleudern. Demütig das Knie auf dem Linoleum, gebleicht das Haar von rieselndem Stuck. Wie Schlacke die Haut am versehrten Arm. Meinen Ruf hört der Einäugige nicht mehr, hingemacht auf greisem Thron, zu Füßen den Hauf von Nachgeborenen. Opfer des Fluchs, den samenlose Bälger ersannen.
Ich bin der letzte der meinen. Und ich stelle mich dem Los. Den Schild überm Gemächt, schaue ich in die Reihen meiner Bezwinger. Kein Mitleid. Wolfszeit, tönt es mir entgegen. Man löst mir den Helm …
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Nacht
Die ruhenden Schatten
an der Zimmerdecke des Schlaflosen
beim windstillen Rauschen der fernen Bahn
Der müde Alte mit offener Hose
an erleuchteten Fenstern
mit Liebe dahinter
Traum deckt wie ein schweres Tuch
manche nesteln am Rand
und frieren dabei
Drüben im Schuppen
buckelt die Katze
über dem toten Wurf
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Hallo, Alex,
liebe Worte ... ich freue mich sehr über Deinen Zuspruch.
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Carlos,
vielen Dank für das Goldgräber-Kompliment!
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Damit umgehen
An so etwas stirbt man nicht
nimm diesen Abschied hin
und fang die letzte Träne
in der hohlen Hand
Halte sie der Sonne entgegen
bis sie vergeht
und beim nächsten Regen dann
genieße die Erfrischung
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Der Winter in Toronto ist ein kalter
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Der Winter in Toronto ist ein kalter
für Walter Bauer
Wenn er früh morgens nach der Schicht
mit spülwasserzarten Händen
vergraben in den Jackentaschen
wie in einer Tierhöhle
zum nächsten Diner eilt
sich an einer Tasse Kaffee wärmt
und am Lächeln der Serviererin
die auch noch die Sprache übt
dann denkt er an die Holzfäller
mit ihren verkrüppelten Händen
die kaum einen Teller halten
aber Riesen zu Fall bringen können
und er ist dankbar dafür
nicht so einer geworden zu sein