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Das Tagebuch des Doktor Vesalius


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Das Tagebuch des Doktor Vesalius

 

 

Dieses Buch beginne ich am 1. Mai, im Jahre des Herrn 1538.

 

Mein Name ist Andreas Vesal und ich wurde am 31. Dezember 1514

in Brüssel geboren. Mein Vater war Leibapotheker, am Kaiserhof,

Karls des V, in Flandern.

 

 

Ich studierte 1530 alte Sprachen und Wissenschaften, um dann in das Fach der Medizin zu wechseln.

Ging 1533 nach Paris und wurde dort von der strikten Befolgung Galens medizinischer Bücher und der an der Wirklichkeit vorbeigehenden Ausbildung enttäuscht.

 

Deshalb verließ ich Frankreich 1536 und entwickle seither das Konzept einer tatsächlichen Anatomie des menschlichen Körpers.

Ich hoffe in Italien meinem Ziel näherzukommen, als in den anderen unwissenden Ländern.

 

Nun bitte ich euch, mich in Zukunft Doktor Vesalius zu nennen.

 

 

1. Mai

Ich bin nun seit einigen Tagen, auf dem Schiff. Sie nennen es Hope. Hoffnung. Nichts könnte weiter von der Wirklichkeit entfernt sein. Ein klappriges, altersschwaches Gefährt das uns sicher über das Meer nach Italien bringen soll.

 

Habe bei der Abfahrt einen, zur Mitfahrt gepressten Bauernlümmel beobachtet. Er hatte heimlich einen Hasen mit an Bord gebracht.

Das war strengstens Verboten und brachte Unglück. Selbst das Wort Hase durfte man nicht verwenden. Alle Seeleute nannten es nur:

 

Das langohrige Monster, dessen Namen wir nicht nennen dürfen.

 

Hoffentlich ist das kein schlechtes Omen.

Wir sind auf dem Weg nach Padua.

 

Das Leben auf dem Schiff ist grauenvoll. Ich teile mir, mit dem Botaniker Alan Frey eine Kabine. Er ist ein ungehobelter kleiner Wicht.

1,59 groß, mit grauen, stoppeligen Haaren und ebensolchen Bart.

Zu lange, affenartige Arme und zu kurze Beine, die in holländischen Holzschuhen stecken. Zieht er sie aus, was er so oft wie möglich tut, sehen wir alle seine ungepflegten Füße, mit den langen Nägeln, die über den Kajüten Boden schnarren.

 

Jeden Abend redet er stundenlang auf mich ein, um mich von der Göttlichkeit seiner Pflanzen zu überzeugen.

Dieser Narr, ist ein nervender und langweiliger Zeitgenosse und macht mir die Zeit auf diesem Kahn zur Hölle.

Gott schickte dem Pharao 10 Plagen, um Moses bei dem Auszug der Israeliten zu helfen. Frey ist die 11. und die Schlimmste.

Wenn es einen Gott gibt, scheint er mich zu prüfen. Doch auch meine Leidensfähigkeit hat ihre Grenzen.

 

Vielleicht könnte er eines Abends einfach über Bord fallen.

Die Dankbarkeit der Offiziere, wäre mir gewiss sicher.

 

Habe mich, aufgrund eines schlechten Lammspießes, dreimal übergeben und dabei mein bestes Hemd ruiniert.

Alan meinte daraufhin, er würde mir eins von seinen überlassen.

Verzichtete, da sein Schneider sie ganz fürchterlich zusammengefügt hatte. In Brighton – England, gab es offensichtlich nur Deppen.

 

Ich kann nicht verstehen, warum bestimmte Berufsgruppen, so viele Stümper aufweisen. Meine eingeschlossen.

Es gibt mehr schlechte, als gute Chirurgen.

 

Muss beim Wasser lassen an Maria denken.

 

Sie war unsere Magd und ich habe ihr immer heimlich beim Waschen zugesehen.

Sie war auch die Erste. Maria wies mich in die Liebe ein.

Ihre stämmige, reichliche Figur und ihre weichen Formen gaben mir Sicherheit und das Gefühl alles richtig zu machen.

 

7. Mai

Haben gestern, beim Kapitänsdinner, über das Leben und die Fortpflanzung der Frösche gesprochen.

Ich sagte, das sie es sehr viel leichter hätten, als wir Menschen, da sie die ganze Gefühlsduselei überspringen würden, um gleich zur Sache zu kommen.

Der Erste und der zweite Offizier schlossen sich meiner Meinung an.

Doch Alan überzeugte den Kapitän, das Gott ja für die Liebe gesorgt hätte und deshalb auch unentbehrlich für die Partnerwahl wäre.

 

Das, war dann wohl auch der Grund, weshalb Mr. Frey kurz vor der Abfahrt noch ins Hurenhaus ging und sich bei einer der Damen einen Tripper holte.

Würde mich nicht wundern, wenn diese Erkrankung, bei ihm zu Wahnsinn führen würde.

Naja schlimmer, als jetzt kann es wohl nicht werden.

 

8. Mai

Die Matrosen sind sehr unzufrieden. Im Fleisch befinden sich fingerdicke Maden und der Schiffszwieback hat eine weiß-blaue, schimmelige Färbung angenommen.

Einige Seeleute haben Furunkel so groß wie Hühnereier auf ihrem Körper. Ich schneide sie auf, um ihnen etwas Linderung zu schaffen.

Der beißende Geruch unter Deck ist nicht zu ertragen.

Es riecht nach Meuterei auf dem Schiff. Versuche, die ein oder andere Mahlzeit, mit dem größten Maulhelden zu teilen, um mein Leben zu retten, wenn es zum Äußersten kommen sollte.

Heute Morgen gab es eine Bestrafung durch den ersten Offizier, Herrn Fisterdahle. Er ist ein fetter, dummer Mann, dem die Gefühle und Meinungen anderer nicht interessieren.

Seine gelben Augen sehen sonderbar aus. Er schwitzt sehr stark und trinkt übermäßig viel. Obwohl das kein Hinweis auf eine exotische Krankheit ist, denke ich, das ihn das Gelbfieber erwischt hat.

Er stand an Deck, wie der Teufel persönlich. Ein Lächeln und Glitzern war in seinem Gesicht zu sehen.

Die Haut des Matrosen, wurde durch die neunschwänzige Katze aufgerissen.

Nur, weil sich der Bauernlümmel Hamilton klares Wasser zum Trinken holen wollte, bekommt er jetzt die harte Hand des Herrn Fisterdahle zu spüren.

Ohne Gnade sausen die Lederriemen auf den aufgeplatzten, roten Leib des Leichtmatrosen herunter.

Anfangs schreit er noch. Doch dann sinkt er in eine gnädige Bewusstlosigkeit.

Der Kapitän erklärte mir, die Auspeitschung sei notwendig, um die Disziplin aufrecht zu erhalten.

 

Armer, armer Hamilton.

 

Freue mich auf das Abendessen. Es gibt Schweinebauch.

 

10. Mai

Stürmische See. Verloren zwei Beiboote, die nicht richtig vertäut waren. Der Kapitän wütete und schlug dem Smutje ein Auge aus.

 

Wer soll uns jetzt das Essen kochen?

 

Oh, dieser vermaledeite Kahn.

 

15. Mai

Fünf Tage in einem Sturm gewesen. Zwei Mann über Bord gegangen.

Ich bete für die armen Seelen. Josh Percussion, der Bootsmann, sagte, das Schiff sei verflucht und erst, wenn es eine Gabe für das Meer gäbe, würde Gott uns wieder gnädig sein.

Ich meinte, zwei wären doch schon bei ihm. Da antwortete er, die sind in der Hölle, weil sie kleine Kinder gefressen hätten. Die gelten nicht.

Dann lachte er sein Zahnloses Lachen.

Im Flüsterton sprach er weiter: „Es muss eine Gabe für das Meer geben, sonst sind wir verloren. Denkt an meine Worte Meister Vesalius.“

Es lief mir kalt den Rücken runter und ich bekreuzigte mich vorsichtshalber dreimal und rieb an meiner Hasenpfote.

 

16. Mai

Habe heute Morgen meine Haare gekämmt und bemerkte zwei Graue. Habe sie sofort herausgerissen.

Endet die Mühsal denn nie.

 

17. Mai

Das Fock knallte am Nachmittag herunter und begrub zwei Matrosen unter sich. Einer starb, unter furchtbaren Schmerzen, an einem eingedrückten Brustkorb.

 

Wenn der Schwund der Mannschaft so weitergeht, müssen wir bald selbst die Segel hissen.

 

Der Kapitän lud am Abend zum Dinner und erbrach sich auf dem Teller von Frey.

 

Empfand Schadenfreude und lachte mir ins Fäustchen.

 

18. Mai

Habe heute zwei Leichtmatrosen, die eine Ratte fingen und ihr mit einem Totschläger das Lebenslicht ausbliesen, beobachtet.

Sie schlugen ihr den Kopf ab, zogen das Fell vom Leib und befreiten sie von den Innereien. Dann überredeten sie den Koch sie zu braten und aßen, voller Lust, das Fleisch des Nagetiers und ließen nur die Knochen übrig.

 

So müsste man auch das Fleisch der Menschen von ihren Knochen schaben, um das komplette Skelett erkennen zu können.

Was, wäre das für ein Gewinn für die Medizin und die der Menschen.

 

Natürlich dürfte man keine rechtschaffenen Menschen dafür töten.

19. Mai

Auch heute beseelt mich die Idee ein komplettes menschliches Skelett zu erschaffen und die Lügen und Unwahrheiten des Arztes Galen aus der Welt der Medizin zu verdammen.

Dieser Trottel und auch heute viele meiner Kollegen, glauben tatsächlich immer noch an die vier Säfte Leere.

Blut – Schleim – gelbe Galle – schwarze Galle.

Diesem ordnen sie alles unter und übersehen die tatsächlichen gründe menschlicher Krankheit.

 

20. Mai

Habe heute mit dem Schiffsarzt gesprochen. Der meinte das Kolumbus einen neuen Kontinent entdeckt habe und das sie ihn wohl Amerika nennen werden. Nach einem gewissen Amerigo Vespucci.

Angeblich waren es sogar zwei Kontinente. Und zwar Nord- und Südamerika.

Aber vielleicht ist es doch nur Indien, wie Kolumbus sagte.

 

Nun ja. Es wird viel geredet. 1492 war ohnehin das Jahr der Dummköpfe.

Gut möglich das der Arzt sich auch nur wichtig machen will.

Vom Heilen versteht er jedenfalls nichts. Nur vom Saufen.

 

Hatte drei Tage keinen Stuhlgang und fühle mich aufgebläht und schwer.

 

22. Mai

Endlich wieder Stuhlgang. Das Leben ist wundervoll und sonnig.

 

23. Mai

Der Schiffsarzt ist heute bei ruhiger See über Bord gefallen und ertrunken.

Keiner hat ihm eine Träne nachgeweint. Er war ein stinkender Trunkenbold und hat sich hauptsächlich um sein Hobby und seine Käfersammlung gekümmert.

Er sagte mir mal in einer stillen Minute, das er glaube die Arten seien nicht von Gott geschaffen, sondern hätten sich über eine lange Zeit entwickelt.

Was für ein Narr.

 

30. Mai

Ein Matrose hat sich den Arm, bis auf den Knochen aufgerissen.

Es ist eine schwere Verletzung, aber solange sie nicht eitrig wird und der Wundbrand hineinfährt, hat er gute Chancen seinen Arm zu behalten und zu überleben.

 

Sein Name ist Françoise Hardy. Ein aufgeweckter junger Mann mit blauen Augen.

In Paris geboren. Er wurde von der Mutter, an der Abtei in Cluny vor der Tür abgelegt und dort von den Mönchen aufgezogen.

 

Von kräftiger Figur und wachen Verstand ist er mir schon oft zur Hand gegangen.

Er ist bei jedermann beliebt und alle beten für ihn.

 

Ich werde alles tun, um ihn am Leben zu erhalten.

 

6. Juni

Nach schwerem Fieber ist Françoise auf dem Weg der Besserung.

 

Haben heute das letzte genießbare Fleisch gegessen. Nun müssen wir das gleiche Nahrung zu uns nehmen, wie der Rest der Mannschaft. Ekelhaft.

 

Hoffentlich landen wir bald an, sonst befürchte ich schlimme Dinge.

 

11. Juni

Einige der Männer leiden furchtbar. Sie sind sehr schwach, die Zähne fallen ihnen aus und sie erbrechen sich.

Habe von dieser Krankheit gehört. Skorbut. Weiß, aber nicht, wie sie zu behandeln ist.

 

18. Juni

Sind an einer Insel vor Anker gegangen und wurden mit Pfeilen empfangen. Zwei Mann tot. Sechs Insulaner erschossen und erschlagen.

 

Endlich frisches Wasser und Obst.

 

Die Leute an Bord haben sich aufgrund dessen schnell wieder erholt.

Erkenne das die Krankheit mit fehlendem Obst und sauberen Wasser zusammenhängt.

 

30. Juni

Ankunft in Padua.

 

Ich habe Françoise in meine Dienste genommen.

Er weicht mir nicht von der Seite und ist in vielen Belangen meines Lebens eine große Stütze. Sowohl in meinen medizinischen Studien, als auch in der Herrichtung meines Zimmers.

Er schläft auf dem Boden vor meinem Bett.

Der Sicherheit wegen, wie er meint.

 

30. Juni

Nicolo Branduardi, der Gouverneur von Padua, lud uns zu einem Fest in seine Villa. Ein prachtvoller Bau, mit erlesenen Weinen und wertvollen Möbeln.

 

Er erzählte mir von seiner Geliebten und das sie allerlei erotische Spielereien aus Frankreich mitgebracht hätte.

Mehr, wollte er mir nicht sagen. Ich dachte ein weiteres mal an meine Magd Maria.

 

Nicolo besitzt auch einen Zwerg, der für kurzweilige Späße sorgte, wenn wir an der reich gedeckten Tafel speisten.

Ein lustiger kleiner Mohr mit langen schwarzen Haaren.

 

Ich hatte starke Blähungen, die ich einem Diener unterschub, die Zuhauf für kühle Luft, durch das Bewegen eines großen Fächers sorgten.

Um Mitternacht traf Gräfin Maritza ein. Eine wunderschöne Frau, mit einer liebreizenden Gestalt.

Wir unterhielten uns über Gutenberg, welcher die beweglichen Lettern zum drucken von Büchern erfand. Ich sagte, das dies bereits im 11. Jahrhundert die Chinesen erfunden hätten.

 

Darauf hin meinte die Gräfin: Wer auch immer sie erfunden hat, gehört ans Kreuz genagelt, denn zu viel Wissen für das gemeine Volk sei schädlich für den Adel und die Ruhe im Land.

Das führe zu Aufständen, mit dem Ruf nach besseren Lebensumständen.

Doch der Pöbel brauche die Peitsche und nicht mehr Stimmrecht.

 

Ich empfand tiefe Verachtung, für dieses Begahren und diese Frau.

 

Dennoch vergnügten wir uns einige Minuten später aufs allerköstlichste in einem Separee. Ihre Haut war weiß wie Schnee und die Spalte in die ich hineinstieß, haarlos.

Das hatte ich nie zuvor gesehen, aber es gefiel mir.

 

Später nahm ich das Thema des Volkes noch mal auf und meinte:

 

„Panem et circenses. Brot und Zirkusspiele.“

 

Sie lachte und sagte ich sei ein Holzkopf. Dann zeigte sie mir was sie in Frankreich gelernt hatte.

 

1. Juli

Heute Morgen sprach ich mit Nicolo über meinen Wunsch, mehr über den menschlichen Körper zu erfahren.

Er sicherte mir ein paar Leichen zu, indem er einige Begnadigungen rückgängig machte und die Gehängte bereits am Nachmittag zukommen ließ.

 

Einen Mann, der Brot für seine sieben jährige Tochter stahl. Einen Priester der sich an einem Jungen vergangen hatte. Störte sonst eigentlich keinen, aber es war der Sohn von Nicolo, und eine Hure, die ein Freier angezeigt hatte, weil sie ihn bestohlen hatte.

Welch ein großer Tag für mich und die Wissenschaft.

Ich verbrachte zwei Tage in meinem Laboratorium und war der glücklichste Mensch auf Erden.

 

Françoise musste sich nur zweimal übergeben. Einmal, als ich den Brustkorb öffnete und beim Zweiten mal, als ich sagte er solle mal kurz das Herz halten.

 

5. Juli

Habe viel gearbeitet und geschrieben. Der Entschluss, über den Knochenaufbau des Menschen eine anatomische Studie zu verfassen, weckt alle Lebensgeister in mir. Habe seit drei Tagen nicht geschlafen.

Manchmal, des Nachts, sehe ich kleine Gnome durch die Gänge huschen.

Sie halten Fackeln in ihren winzigen Händen.

Wenn ich nicht wüsste, das es der Schlafentzug ist, würde ich meinen, das der Wahnsinn nach mir greift.

 

Denke gerade an Kolumbus und die armen Wilden. Es sollen ja schon viele umgekommen sein.

Spanien hat es reich gemacht. Gold fließt in Hülle und Fülle ins Land.

 

Die Gräfin nervt mich mit anzüglichen Briefen, die ich allesamt verbrenne.

 

11. Juli

Es ist sehr heiß. Ich wechsle meine Kleidung alle zwei Stunden. Trotzdem fühle ich mich durch die Hitze äußerst unwohl.

Am Abend lasse ich mich von Gabriele, der Hausdame, mit Zitronensaft abreiben. Danach gibt sie mir eine französische Kostprobe.

Dies hat sie bei der Gräfin Maritza gesehen.

Daran könnte ich ich gewöhnen.

Das gewaltige Hinterteil der Gräfin passt so garnicht zu dem grazilen Rest ihres Körper. Dennoch empfinde ich es als sehr erregend sie, beim Waschen zu beobachten.

Habe Gabriele freigegeben, um ihren Bruder zu besuchen, der im Sterben liegt. Vielleicht überlässt sie ihn mir danach für meine Studien

12. Juli

Ich brauche neue Leichen, um meine Studien fortzusetzen.

Habe, so lange es möglich war, an der alten Ware gearbeitet, doch irgendwann fingen sie an zu faulen und zu stinken.

Der Barbier, bei dem ich mich rasieren lasse, kennt einen gewissen

John Bishop, einen Leichenräuber.

Sicher, es ist nicht billig, aber ich muss es tun. Um der Wahrheit willen.

Werde, also erst mal nicht zu den Huren gehen können und es mir, zwangsweise, von meiner Hausdame Gabrielle besorgen lassen. Sie ist nicht sehr schön, aber darauf kann und will ich jetzt keine Rücksicht nehmen.

 

Ihren Bruder hat sie mir nicht überlassen.

 

Werde ihr wohl für diese Frechheit den Lohn kürzen müssen.

 

13. Juli

John Bishop hat mir wunderschöne Leichen geliefert. Sie weisen kaum Gebrauchsspuren auf und machen einen neuen Eindruck.

Italien ist wirklich eine Reise wert.

Die Sitten und Gebräuche dieser Stadt sind sehr modern.

 

Françoise hat sich zu einem bemerkenswerten Assistenten entwickelt.

Das Blut und die weichen Organe machen ihm nichts mehr aus.

Seine Zeichnungen sind sehr detailliert.

Ich muss ihn ein bisschen bremsen, sonst überflügelt er mich noch.

Denke an die Amputation seiner rechten Hand.

 

16. Juli

Die Leichen verwesen, aufgrund der Hitze, rascher als ich sie bearbeiten kann.

Ich brauche schnelleren Nachschub.

Habe schon mit Bishop gesprochen. Er hat einen zweiten Mann angeheuert. Den Cousin seiner Frau. Thomas Williams.

Ein ekelhafter, kleiner Mann mit dreckigen Haaren.

Seine Augen irritieren mich. Sie stehen niemals still.

Lese gerade einen Bericht über Cortés. Dieser miese Eroberer hat die Kultur der Azteken in Südamerika erobert und wird ihre Kultur sicher zerstören.

Schade. Was könnte ich in diesem Land alles für die Medizin erreichen.

 

In einem Teil der Stadt ist die Pest ausgebrochen. Der Bezirk wurde abgeriegelt. Keiner darf hinein und keiner heraus.

Ich hoffe, das sich alle daran halten und uns nicht mit dieser Arme Leute Krankheit behelligen.

 

Der Wein ist uns ausgegangen und die nächste Lieferung erfolg erst am Donnerstag. Was für ein Unglück. Soll ich etwa Wasser trinken?

 

21. Juli

Bin ein wenig beunruhigt, das die gebrachten Leichen, von Bishop, noch warm sind.

Ich habe mit meinem Freund, den Gouverneur, darüber gesprochen und er hat beide Leichenräuber des Mordes überführt. So eine Schande, jetzt muss ich mir neue Lieferanten suchen.

Habe ich nicht schon genug andere Probleme?

Am Montag ist die Hinrichtung von Bishop und Williams.

Ich werde mit Gräfin Maritza hingehen und danach ein wenig mit ihr feiern, denn ich habe immer noch kein Geld für die Huren.

 

Werde vielleicht Françoise verkaufen müssen, um meine Studien weiterführen zu können.

 

25. Juli

Die Pest hat sich weiter ausgebreitet. Der Adel und die Oberen ziehen aufs Land. Gräfin Maritza hat Gefallen an mir und Françoise gefunden und nimmt mich mit auf ihr Gut.

Also muss ich ihn doch nicht verkaufen.

So hat die Pest doch noch etwas Gutes.

 

Ich brauche dringend neue Beinkleider und Hemden. Meine sind verschlissen und alt.

27. Juli

Die Gräfin nervt alle mit ihrer bloßen Anwesenheit. Und mich besonders.

Habe noch nie so viel Dummheit auf einen Haufen gesehen. Mir wird schon übel, wenn ich nur ihren Gang im Hause höre.

Diesen schlurfenden, törichten, nichtsnutzigen Gang.

Was hat diese Frau in ihrem Leben geleistet?

Was hat sie beigesteuert?

 

Nichts.

 

Sie atmet anderen die Luft weg.

 

Unnütz! Unnütz! Unnütz!

 

28. Juli

Fühle mich wie ein Gefangener auf dem Gut der Gräfin.

Das Schlimmste ist, das sie glaubt ich wäre ihr zugetan, dabei geht es nur darum mein Leben und das von Françoise zu retten.

 

Die Pest wütet weiterhin in Padua und hat tausende Opfer gekostet.

 

Meine neuen Beinkleider sind heute fertig geworden und stehen mir ausgezeichnet.

Heute Abend spielen wir Karten und ich hoffe, ein hübsches Sümmchen für mich herauszuholen.

 

29. Juli

Habe gestern Abend alles verloren, was ich hatte und noch mehr.

Die Gräfin hat für mich gebürgt. Ich wäre sonst wohl in den Schuldenturm gekommen.

Stehe nun in ihrer Schuld. Werde wohl in den nächsten Nächten, bei ihr liegen müssen und ihr beischlafen.

Mittlerweile empfinde ich großen Hass und die Kehle schnürt sich mir zu, wenn sie in meiner Nähe ist.

Ich weiß nicht wie lange ich das noch aushalte.

Habe ein paar Tropfen der Alraune zu mir genommen, um diese Abscheu und das triste Leben ein wenig zu vergessen.

 

Fühlte mich leicht und ungezwungen. Muss vorsichtig im Umgang mit der Droge sein.

 

6. August

Ich habe nun jeden Tag die Leichtigkeit genossen und leide an furchtbaren Kopf und Gliederschmerzen, wenn ich sie nicht zu mir nehme.

 

Oh Himmel hilf mir!!!

 

Was bin ich für ein Narr, zu glauben, ich könnte mich über die Natur erheben.

 

7. August

Hatten heute Besuch vom Gouverneur. Er sah schrecklich bleich aus. Später stellte sich heraus, das er die Pest hat.

Alle erschraken fürchterlich und in ihrer Todes angst, warfen sie ihn von der Klippe ins tosende Meer.

Nun ist es also soweit. Die Angst regiert.

Und die alten Werte und die alte Ordnung gilt nichts mehr.

 

Françoise und ich flohen auf gestohlen Pferden nach Rubano.

 

Dort wurden wir von Wegelagerern überfallen.

Da wir nichts, als die Pferde besaßen, nahmen sie uns diese.

 

Sie stahlen uns die gestohlenen Pferde. Welche Ironie.

 

Den Rest mussten wir zu Fuß gehen. Wir litten Durst und unsere Zungen schwollen in der Mittagshitze an.

 

8. August

Ich sitze im Gras unter einem Apfelbaum und denke an meine Mutter.

Ich weiß auch nicht warum. Ich muss weinen und spüre ihre liebe Hand an meiner Wange und höre ihre zärtlichen Worte die mir Mut machen.

Die mir klar machen, nicht aufzugeben, egal wie schwierig es auch ist.

 

Mein treuer Freund Françoise ist von mir gegangen. Er fiel in eine Felsspalte und brach sich das Genick. Schade das ich mein chirurgisches Besteck nicht dabei habe. Hätte ihn gern seziert, um mir seine Sehnen und Muskeln anzuschauen.

Wie wohl sein Gehirn aussieht. Vielleicht doch anders, als bei Mördern und Huren, da er von schneller Auffassungsgabe und reinen Herzens war.

 

28. Oktober

Es ist viel Zeit seit meinem letzten Eintrag vergangen. Ich erkrankte an der Pest und genas.

 

Nun lebe ich seit längerem bei einer armen Bauernfamilie. Ich versuche es ihnen zu vergelten, indem ich ihre kleinen und größeren Wehwechen heile.

 

Gestern rettete ich ihrer neunjährigen Tochter das Leben.

Vorgestern ihrem Hahn. Er hatte sich in einer Schlinge verfangen und lag, halb erdrosselt, neben dem Misthaufen.

 

Am Abend gab es Hähnchen. Das war lecker.

 

29. Oktober

Kann nun endlich meine Studien beenden. Gut das ich meine Aufzeichnungen gerettet habe.

 

Erfahre gerade, das die Gräfin gestorben ist.

 

Der schwarze Tod hat sie geholt.

 

Habe mir in der Scheune ein kleines Studierzimmer eingerichtet und mit dem Pfarrer, für ein paar Goldstücke, die ich mir seinerzeit von der Gräfin lieh, ein paar Sünder besorgen lassen.

Die Leiber lagen, steif gefroren, auf dem Tisch neben mir und es dauerte einige Zeit, bis sie aufgetaut waren.

 

Die Haut und das Fleisch ließen sich dann aber gut durchtrennen.

 

Aufgrund der Kälte halten die Leichen länger durch und ich hoffe, bis zum Ende des Jahres mein Projekt abschließen zu könne.

 

Zum Wohle der Menschheit und meiner eigenen Person.

 

6. Dezember

Bin zurück in Padua. Viele Menschen sind tot.

 

 

De humani corporis fabrica libri septem.

 

 

Mein erstes Buch, über die Anatomie, ist fertig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

November 2019 von Axel Bruss

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