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Geschrieben am

Auf dem Weg zur Bushaltestelle sah er eine Feder, was ihn an die erinnerte, die Louise ihm in einem Brief aus dem Land, wo sie hingeflogen war um über die verschiedenen Blautönen des Meeres zu schreiben, damals geschickt hatte.

Eine ganz gewöhnliche Feder. Bis jetzt weiß er nicht, vom welchem Vogel, wild lebend oder domestiziert, sie stammte. Länglich, grau, dunkelgrau, weiß. Ein Ornithologe wüsste sofort ihre Herkunft. 

Wahrscheinlich ist sie aus einem der die Straße umsäumenden Platanen

 hinunter geglitten, vom sanften Wind getragen. 

Flügel haben immer die Menschen fasziniert, und sie bestanden, früher, nur aus Federn. 

Der Traum von Fliegen fand erst mit Vogelfedern statt, und so hat man sich Eros, Cupidus vorgestellt. Auch Merkur, Hermes, hat Flügel, allerdings nur an den Füßen. Dieser ist ja nur ein Bote, jener ein verspieltes Kind. Die großen Götter, Jupiter, Apollo, Juno, Venus, brauchen solche Dinger nicht. 

Die Engel ja, die kleinen sowieso, aber auch den Erzengel Gabriel, der Mariä ihre bevorstehende Befruchtung durch den Geiligen Heist ankündigte, auch. 

Auf dem Blatt, in dem die Feder lag, stand nur: ICH STEHE DRAUF.

Warum hat sie mir das nicht früher gesagt, dachte er.

In seiner Fantasie hat er oft das weiße, zarte Territorium Louises mit den Federspitzen gestreichelt, gesehen, wie sie sich langsam öffnete und jeden Widerstand aus ihrer Klostererziehung aufgab.

Es war unheimlich schwierig gewesen, sie zu verführen. Er konnte es kaum glauben, als er endlich in ihr drin war. 

Sie wohnte in einer vornehmen Villa in einer benachbarten Stadt. Ihr früh verstorbener Vater war Staatsanwalt gewesen. Auf dem Weg zu ihr hat er fast einen Unfall gebaut, so aufgeregt war er. 

Und jetzt, wo er endlich in ihr drin ist, schaut sie ihn mit großen, fragenden, fast vorwurfsvollen Augen an. Sie bewegt sich nicht, gibt keinen Laut von sich, sie schaut ihn nur fragend an. Als ob sie sagen wollte: Das ist was du unbedingt wolltest, was willst du jetzt alles machen? Wäre es nicht besser gewesen, es bei einer platonischen Liebe zu belassen? 

Das dachte auch er, nachdem er gekommen war. 

Später probierte er es mit anderen Mitteln, mit dem Choral der gregorianischen Mönche im Hintergrund, vor einem Fenster mit Blick auf die Straße, Bürger mit Hunden beobachtend, welche, wenn sie hochschauten, nur sie gesehen haben. Einmal sprach sie eine Nachbarin an, fragte sie, wie es ihr geht. Das war sehr aufregend.

Sie konnte perfekt Französisch, in der These ihrer Doktorarbeit ging es um die Sprache im Mittelalter, um den Übergang zur Moderne, aber sie weigerte sich hartnäckig, auch nur ein paar Sätze in dieser Sprache zu sagen, nicht reden: Einfach s a g e n. 

Irgendwas muss in ihrer Kindheit schief gelaufen sein. Einmal nahm sie einen Job als Fremdenführerin an, bei der ersten Führung mit einer Gruppe Franzosen, vor Schillers Denkmal, konnte oder wollte sie nichts sagen und fing zu heulen an.

Vielleicht lag es an ihrer  keuschen Beziehung mit einem Psychlogie Professor. Einmal, als sie sich ihm näherte, fing er an zu schreien, sagte zu ihr: "Ich lasse mich nicht vergewaltigen!".

Das alles ist sehr lange her. Aber er muss trotzdem an sie denken, wenn er eine Feder, eine "plume" auf der Straße liegen sieht. 

Schade, dass sie nie zum Einsatz kam.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  • Schön 1
Geschrieben

Was wohl in ihrer Kindheit passiert war ... Allgemein ist es eine sehr interessante Frau. Wieso ist sie ins Kloster gegangen? War sie bedacht, immer Gott zu gehorchen? Oder wollte sie einfach zu sich selbst finden. Ich tendiere zu letzteres, da es im Einklang mit ihren Kindheitsproblemen wäre. Sie wollte aus dem Trott raus. Wieso hat sie das "Verlangen" nach Männern verlassen? Ich denke, ich kann es mir vorstellen. Was wieder ein Punkt wäre, wieso sie sich der Welt abgewandt und ins Kloster gegangen war.

Auf jeden Fall sehr interessant, lieber Carlos

 

mfG.: Ference

  • Danke 1
Geschrieben

Vielen Dank lieber Ference, 

letztendlich, bei Erzählungen (so sehe ich das) das Wichtigste ist, dass es nicht langweilt. 

Anders als bei Lyrik, wo nur das Ausgezeichnete eine Existenzberechtigung hat, kann und darf eine Erzählung mittelmäßig sein. Irgendwas kommt meistens an. 

Und, so kurz wie möglich, um den Leser nicht zu nerven.

Ich war vorhin in einem Café und gab einer Freundin dieses Ding zu lesen: Ihr gefiel es nicht. Ich bin wütend aufgestanden und weggegangen.

Natürlich nicht, ich bin ganz cool geblieben 😎 

Anstatt zu einem Sekt habe ich sie zu einem Pfefferminz Tee eingeladen. 

Merci bien mon ami

Une belle soirée

Carlos 

  • Schön 1
Geschrieben
vor 6 Stunden schrieb Carlos:

In seiner Fantasie hat er oft das weiße, zarte Territorium Louises mit den Federspitzen gestreichelt, gesehen, wie sie sich langsam öffnete und jeden Widerstand aus ihrer Klostererziehung aufgab.

Ich verleihe unserer Liebe Flügel, könnte man Deine Geschichte überschreiben. Wie romantisch von einer Verführung mit Federspitzen zu träumen. 

 

Lieben Gruß Juls

  • Danke 1

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