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Handy Manie im Urlaub


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Handy Manie im Urlaub

     Der wohlgeformte Rücken junger Frauen, deren Shorts früher den Blick auf den Po freiließen, haben ihren Reiz verloren.

In den Gesäßtaschen haben sich heute mindestens ein oder 2 Handys verbarrikadiert, die mit ihren unübersehbaren 3 Fotolinsen den Eindruck erwecken, als würde irgendein Staatsschutz (vielleicht die Chinesen) die Gedanken und Begehrlichkeiten des Bewunderers schon im Ansatz erfassen und irgendwo als gesellschaftsschädigendes Verhalten registrieren wollen.

Dabei stellt sich dem Handykundigen die Frage, ob es sich bei linken Handy um ein Diensthandy und beim rechten um das Privathandy handelt oder umgekehrt.

Privatheit ist ja nicht mehr jedem erlaubt. Wo kämen wir hin, wenn der Chef seine Sekretärin oder seinen Mitarbeiter nicht überall, notfalls auf dem Klo, erreichen könnte.

Vielleicht ist es aber auch nur ein altes und ein neueres Handy, weil sich die Besitzerin von dem alten Handy = alte Liebe, das hat mir mein letzter Freund beim letzten Mal geschenkt, nicht trennen möchte, oder aber dem einen Handy misstraut, weil sie nicht weiß, ob das andere die gewünschten Informationen im Falle einer Nutzung mit derselben Zuverlässigkeit wiedergibt, wie das andere.

In Zeiten, in denen Wahrheit und Lüge so häufig nicht mehr auseinanderzuhalten sind, ist es vielleicht besser, sich doppelt abzusichern.

Erstaunlich ist auch, dass die Handys so sichtbar und öffentlich getragen werden. Hatte man früher noch Angst ein Handy würde von einem Dieb weg gefischt, so scheint man heute froh, wenn eins geklaut wird, damit man sich ein neueres Model anschaffen kann.

 

      Doch die Handy Manie ist natürlich nicht auf Frauen beschränkt. Neben uns im offenen Restaurant sitzt ein junges Paar, das sich gerade Essen bestellt hat. Kaum ist die Kellnerin gegangen, hat er schon sein Handy in der Hand und beginnt darauf herumzuspielen, ohne sich weiter um seine wirklich ansehnliche Freundin zu kümmern, die ihn mit allerlei Fragen und Hinweisen von seinem Handy ablenken möchte, aber es nutzt nichts.

Egal wie intensiv sie ihn anstrahlt, oder mit verlockender Stimme anzusprechen versucht, er bemerkte sie gar nicht, sondern tippt mit affenartiger Geschwindigkeit Texte herunter oder schaut sich, nach neuen Reizen suchend, Bilder an, die er sich mit leisem Aufschrei oder kurzen Wortfetzen in den Bart murmelt.

Also bleibt auch ihr nichts Anderes übrig, als auf ihrem knatschrosa Handy herumzuhacken, das sie in einer besonderen Seidenschatulle mit Schleifen (Barbie Typ) aufbewahrt. Schließlich, er hat wohl etwas Außergewöhnliches entdeckt, schreit er laut:

 „Schau, Lisa, toll, ist das nicht affengeil?“

Dabei hält er sein Handy aber so weit von Lisa weg, dass sie nicht sehen kann, worüber er so in Wallung geraten ist.

„Da, sieh mal bei Johns letzten Party, wie die Anna da schaut, na so was, verrückt oder?“

Statt nun einfach sein Handy zu nehmen, um sich das Bild auch anzusehen, drückt und suchte Lisa jetzt verzweifelt auf ihrem eigenen Handy herum, bis sie das Bild nach ein paar Minuten auch gefunden hat:

„Wirklich unglaublich, das hätte ich von der nicht gedacht, aber die war schon immer so, einfach ein bisschen blöde.“

Beide blickten sich verständnisinnig an.

Das Essen, ein Würstchen mit Couvert wird jetzt serviert und von ihm mit einer Hand über offener Flamme gedreht, ohne das Handy dabei aus der Hand zu legen oder aus seinem Blickfeld zu lassen. Sie hält sich das Handy vors Gesicht, falls die Flammen zu nahekommen sollten. Um Messer und Gabel beim Essen irgendwie benutzen zu können, werden die Geräte dann am Serviettenhalter hochkant aufgestellt, um nur ja keinen Gag oder, was auch immer, zu verpassen.

Nach dem Essen sagt Lisa:

„Sollte wohl Mutti mal ein neues Bild von mir schicken. Pass bitte auf, dass mein Doppelkinn nicht so rauskommt, Ralf, das wäre fatal.“

Dann dreht und wendet sie sich, wirft die Haare über die Schultern oder streicht sie seitlich glatt, schaut ernst oder grinst frivol, bis Ralf schließlich genug hat und mit dem Hinweis:

„Wird wohl für die Mama schön genug sein“, die Prozedur formlos abbricht und die Serviererin ruft, um Lisa bezahlen zu lassen.

 

     In einem anderen Straßencafé hat es sich ein junger Mann neben uns gemütlich gemacht, der, ohne sich um den Trubel um ihn herum zu kümmern, einen Kino Film auf dem Handy ansieht. Er hat dicke Kopfhörer auf den Ohren, die er immer nur dann ablegt, wenn er sich ein neues Bier bestellt, sich eine Zigarette dreht und dann genüsslich anzündet. Ist diese Pflicht erledigt, setzt er sein Kinoerlebnis in aller Öffentlichkeit fort, wobei er sich nach einiger Zeit seiner Sandalen entledigt, um seine Füße abzukühlen, indem er sie auf die Sandalen stellt.

Schon nicht so ganz einfach, wenn man vielleicht kein eigenes Zimmer besitzt, oder die Freundin einen vor die Tür gesetzt hat.

Während ein Strom von Touristen fortwährend an uns vorbeizieht, sind weitere kuriose Verhaltensweisen zu beobachten:

 

     Ein Paar, beide ebenfalls mit Handy ausgestattet, streiten sich darüber, welchem Handy man wohl eher die Entscheidung über den kürzesten Weg zum nächsten Museum anvertrauen könne.

„Meine App ist besser,“ sagt der Mann ungehalten. „Sie zeigt den kürzesten Weg viel klarer als deine. Haben wir ja bereits gestern auf dem Weg zum Douro festgestellt. Verstehe gar nicht, warum du dich so schwertust, meine App zu nehmen. Dann brauchten wir gar keine Zeit zu verlieren., Aber du willst deinen Kopf ja schon aus Prinzip durchsetzen. Dabei will ich dir gar nichts, möchte nur, dass wir möglichst schnell ins Museum kommen und uns nicht verlaufen. Ist das etwa zu viel verlangt?“

Seine Partnerin nimmt ihm einfach entschlossen sein Handy aus der Hand, hakt ihn unter und sagt:

„Aber ich sage, wo´s langgeht, darin bin ich wirklich besser.“

 

   Kurz darauf kommt eine kleine Gruppe mit einer fülligen Mammi an der Spitze auf den Eingang des Cafés zu:

„Casa das Bifanas“, liest sie laut vor, so wie es auf dem Schild steht,  „ob das wohl stimmt? Kann einer mal in seinem Handy nachsehen, ob das wirklich der Name ist?“ Nach gründlicher Prüfung und Bestätigung, dass dies wohl das gesuchte Café sein müsse, marschiert sie forsch zu den inneren Räumlichkeiten, um sich mit den Ihren einen Platz zu suchen. Die Kohorte folgt ihr widerspruchslos.

So weit sind wir schon gekommen, dass wir unseren Augen nicht mehr trauen, es sei denn, das Handy bestätigt, was wirklich ist und was nicht.

 

   Weitere Erlebnisse im Flughafen von Porto:

Eine Mutter sitzt mit breit geöffneten, angewinkelten Beinen, die Schuhe auf den Sitz gezogen und über das Handy nach vorne gelehnt, neben ihrem etwa vier – bis fünfjährigen Mädchen. Die Koffer und Taschen stehen kreuz und quer vor ihnen im Gang. Beide schauen so, als würden sie nicht zueinander gehören, angestrengt auf die für sie laufenden eigenen Programme. Die Kleine, ein lustiger Blondschopf, räkelt sich hin und her, liegt manchmal auf dem Rücken oder kuschelt sich in eine Ecke neben ihrem Nachbarn zusammen, ohne dass ihre Mutter irgendeine Notiz von ihr nimmt.

Ich versuche mit vorzustellen, ob die Kleinkinder vielleicht in ein paar Jahren gleich mit einem Handy in der Hand geboren werden, damit die Eltern gar nicht erst mit dem Körperkontakt, der Pflege und Erziehung ihrer Kinder belästigt werden. Vielleicht erfahren die Kinder dann gleich aus einer App das Wesentliche über ihre eigenen Entwicklung - und Wachstumsstadien, ihre Sauberkeitserziehung und die Sprachentwicklung in der Familie, während die Erwachsenen vor der Mini Glotze sitzen und sich Unterhaltungsprogramme reinziehen.

 

   Als wir schließlich in Frankfurt gelandet sind und längere Zeit auf den Abflug in den Norden warten müssen, finde ich gerade noch Platz neben einer etwa dreißigjährigen Frau, die über 2 Sitze ausgebreitet eine lautstarke Konferenz per Handy mit ihrer Freundin abhält:

Ich erfahre ungewollt, dass der Urlaub, aus dem sie gerade angereist ist, eine volle Enttäuschung gewesen sei: mieser Strand, teures Essen, durchschnittliche Männer, langweilige Diskotheken. Da sei ihr Willi zuhause wenigstens präsentabel, obwohl auch er in bestimmten Dingen nicht gerade ein Ass sei, dafür aber wenigstens zuverlässig. Sie wolle sich deshalb ihre Wohnung jetzt neu gestalten, damit wieder mehr Leben in die Bude käme.

Es folgt eine ausführliche Planungssitzung über Gardinen, Meublement, Blumenarrangements, Teppiche, Kücheneinrichtung und Farbgestaltung – eher grünlich, ganz weiß oder vielleicht ockerfarben - wobei die Dame mir jetzt schon soweit auf die Pelle gerückt ist, dass ihr Kopf fast auf meiner Schulter liegt.

Ich überlege mir ernsthaft, ob ich sie nicht bitten soll, ihre Privatangelegenheiten dem öffentlichen Raum zu entziehen und in kleiner Runde zuhause neu zu diskutieren. Schließlich habe auch ich ein gewisses Recht auf Privatheit, ohne Lärmentwicklung und ungewollten Körperkontakt.

 

Endlich wird unser Flug aufgerufen und ich bin froh, dass ich ohne Flug App nur mit einer ausgedruckten Bordkarte einsteigen kann.

Sieht man von dem auf der anderen Seite des Ganges intensiv mit Laptop und Handy schuftenden Zahlenfreak ab, dem ich am liebsten gesagt hätte, dass man nur Karriere machen kann, wenn der Chef auch sieht, dass man arbeitet, verläuft der Rest des Fluges ungestört. Allerdings folgt nach getaner Arbeit, vom 2. Handy aus, noch ein Anruf meines Nachbarn an seine Ehefrau, in dem er ihr mitteilte, er sei nun bald da.

Danach nur noch Ruhe, alle Handys „Out of function“, wie wohltuend.

 

Auf der Heimfahrt im Auto frage ich mich, wie das Innenleben von Menschen aussehen mag, die sich nicht mehr direkt miteinander unterhalten können, sondern die Informationsflut einer kleinen Maschine brauchen, um sich noch lebendig zu fühlen.

Allein mit dem Handy ist wohl immer noch besser als ganz mit sich allein.

 

© Thomas W. Bubeck                                                                                                                                9/23                                                                                                                                                                     

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Lieber @Tobuma

 

Ganz so schlimm stellt sich mir die Handy Manie nicht dar: es ist einfach nicht mehr wegzudenken!

Ich habe ein teures Falthandy, das bequem in der Hosentasche verschwindet. Es ersetzt mir den PC, alle Texte und Bilder entstehen hier. 

Und ich weiß schon, wann es sich geziemt den Blick darauf zu unterlassen. 

 

LG Herbert 

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Lieber Herbert,

Natürlich ist das Handy ein sinnvolles und hilfreiches Arbeits - und Kommunikationsgerät.

Das gilt wohl vor allem in dem wahrscheinlich etwas ruhigeren Umfeld deiner und meiner Heimat.

In einer so touristisch überlaufenen Grossstadt, wie Porto, bekommt man das Gefühl, dass

alle Menschen nur noch Handies in der Hand halten und jede Hand sofort in die Tasche zuckt,

wenn auch nur der Anschein eines "Leerlaufes"entsteht.

Während die Spanier in alter Manier nochgemeinsam im Café sitzen und wildgestickulierend

miteinander reden, schauen sich junge Leute oder die Touristen gemeinsam irgendwelche

Witzbilder an oder schreiben sich gegenseitige Nachrichten, die sie sich dann noch

laut gegenseitig vorlesen. Selbst die Liebe kommuniziert eher wortlos,weil vor allem die

Männer wohl mit den Gedanken ganz woanders sind,leider.

Dank für Deinen Kommentar

 

Tobuma

 

Dank auch an Jovo und Heiku für ihre Likes!

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