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Selma Merbaum ~ Lied der Freude (11.02.1941)


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Selma Merbaum 15.2.1924 - 16.12.1942

 

Lied der Freude

Liegt das Eis so schwer und weiß
und es hindert jede Regung.
Ist der Fluß so still - ohne Bewegung,
möchte doch gern schäumen, wild und heiß.
Und es können keine Wellen rauschen,
können nicht dem Lied des Winters lauschen,
schlafen, eingekrümmt in tiefem Kummer,
einen bösen, schweren Winterschlummer.

Müde hängt die Sonne in der grauen Luft,
weiß und müde liegt der Schnee.
Alles tot und müd und ohne Duft,
und es weint ein eingeschneiter Baum vor Weh.
Zerrt der Fluß an seinen Fesseln, will kein Eis,
bäumt sich auf, verzweifelt, wild und heiß,
schäumte gerne noch verrückt ins Blau hinein,
ist noch viel zu feurig, um schon tot zu sein.

Eines Tages hört man einen Kuckuck
und die Sonne leuchtet plötzlich auf
und der Schnee verschwindet, Hauf nach Hauf,
und der Fluß, er macht den letzten Kuck,
bricht des Eises schwere, weiße Decke,
flutet strömend über sie hinaus,
sieht erfreut die noch ganz kahle Rosenhecke,
schäumt und braust und lacht die weißen Schollen aus.

Lacht und lacht und will sich gar nicht halten -
klingt und fließt und ist voll Übermut.
Scheint die Sonne doch so warm und gut,
brechen Frühlingsblumen aus in allen Bodenfalten,
und die kleinen Hecken sind schon dünn belaubt.
Schwemmt der Fluß die Ufer weg und - wäscht die Erde -
grüßt erfreut die altbekannte, weiße Herde,
die zu schaun er nicht mehr hat geglaubt.

Music: Piano Amor
Bild/Rezitation: Uschi Rischanek

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@Hanna M.Ach liebe Hanna, als ich diesen Text eingsprochen hatte, ahnte ich noch nicht, welch katastrophale Folgen ein Fluss, der Regen und das Unwetter mitunter nach sich zieht, wie hierzulande allerorts, wo in Niederösterreich das gesamte Gebiet zum Katastrophengebiet erklärt wurde und in Wien sogar der Wienfluss droht aus seinem Flussbett zu steigen, U-Bahnlinien sind eingestellt, ich kann mich an solche Unwetter nicht zurückerinnern, die derartige Ausmaße angenommen hatten wie derzeit hier zur Zeit.

Die liebe Selma, mit deren Biographin ich befreundet bin - welch ein Schicksal und welch ganz wunderfeine Lyrik sie uns immer wieder zu bieten hat. Ich verehre sie und wertschätze sie sehr, sie mit meinen bescheidenen Versuchen des Erinnerns an diese wunderbare Poetin, hier den Lesern und vielleicht sogar den Hörern ein kleinwenig näher zu bringen ist mir ein ganz besonderes Anliegen.

Auch sie endlich endlich richtig zu schreiben und nicht wie so oft Meerbaum-Eisinger, zum einen mit doppel-e, und Eisinger, der ja lediglich der zweite Mann ihrer Mutter war und mit ihr nicht wirklich von Geburt an zu tun hatte, der Doppelname wurde ihr einfach von bestimmter Seite 'verpasst'!!!

Herzensdank für dein Reflektieren mit lieben Grüßen in deinen Sonntag liebe Hanna!

Danke auch @Stavangerfürs Hiersein!

 

Uschi

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